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Wachstum

[275] Als kleines art'ges Kind nach Feld und Auen

Sprangst du mit mir, so manchen Frühlingsmorgen.

»Für solch ein Töchterchen mit holden Sorgen

Möcht ich als Vater segnend Häuser bauen!«


Und als du anfingst, in die Welt zu schauen,

War deine Freude häusliches Besorgen.

»Solch eine Schwester! und ich wär geborgen:

Wie könnt ich ihr, ach! wie sie mir vertrauen!«
[275]

Nun kann den schönen Wachstum nichts beschränken;

Ich fühl im Herzen heißes Liebetoben.

Umfaß ich sie, die Schmerzen zu beschwicht'gen?


Doch ach! nun muß ich dich als Fürstin denken:

Du stehst so schroff vor mir emporgehoben;

Ich beuge mich vor deinem Blick, dem flücht'gen.


Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 1, Berlin 1960 ff, S. 275-276.
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