[196] Stirbt 1180
Ein zarter, hochbegabter Geist, der, wenn Ferdusi die sämtlichen Heldenüberlieferungen erschöpfte, nunmehr die lieblichsten Wechselwirkungen innigster Liebe zum Stoffe[196] seiner Gedichte wählt. Medschnun und Leila, Chosru und Schirin, Liebespaare, führt er vor; durch Ahnung, Geschick, Natur, Gewohnheit, Neigung, Leidenschaft füreinander bestimmt, sich entschieden gewogen; dann aber durch Grille, Eigensinn, Zufall, Nötigung und Zwang getrennt, ebenso wunderlich wieder zusammengeführt und am Ende doch wieder auf eine oder die andere Weise weggerissen und geschieden.
Aus diesen Stoffen und ihrer Behandlung erwächst die Erregung einer ideellen Sehnsucht. Befriedigung finden wir nirgends. Die Anmut ist groß, die Mannigfaltigkeit unendlich.
Auch in seinen andern, unmittelbar moralischem Zweck gewidmeten Gedichten atmet gleiche liebenswürdige Klarheit. Was auch dem Menschen Zweideutiges begegnen mag, führt er jederzeit wieder ans Praktische heran und findet in einem sittlichen Tun allen Rätseln die beste Auflösung.
Übrigens führt er, seinem ruhigen Geschäft gemäß, ein ruhiges Leben unter den Seldschugiden und wird in seiner Vaterstadt Gendsche begraben.
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West-östlicher Divan
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