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[317] Betrachtet man den Anteil, der von den ältesten bis auf die neusten Zeiten schriftlicher Überlieferung gegönnt worden, so findet sich derselbe meistens dadurch belebt, daß an[317] jenen Pergamenten und Blättern immer noch etwas zu verändern und zu verbessern ist. Wäre es möglich, daß uns eine anerkannt fehlerlose Abschrift eines alten Autors eingehändigt würde, so möchte solcher vielleicht gar bald zur Seite liegen.

Auch darf nicht geleugnet werden, daß wir persönlich einem Buche gar manchen Druckfehler verzeihen, indem wir uns durch dessen Entdeckung geschmeichelt fühlen. Möge diese menschliche Eigenheit auch unserer Druckschrift zugute kommen, da verschiedenen Mängeln abzuhelfen, manche Fehler zu verbessern uns oder andern künftig vorbehalten bleibt; doch wird ein kleiner Beitrag hiezu nicht unfreundlich abgewiesen werden.

Zuvörderst also möge von der Rechtschreibung orientalischer Namen die Rede sein, an welchen eine durchgängige Gleichheit kaum zu erreichen ist. Denn bei dem großen Unterschiede der östlichen und westlichen Sprachen hält es schwer, für die Alphabete jener bei uns reine Äquivalente zu finden. Da nun ferner die europäischen Sprachen unter sich wegen verschiedener Abstammung und einzelner Dialekte dem eignen Alphabet verschiedenen Wert und Bedeutung beilegen, so wird eine Übereinstimmung noch schwieriger.

Unter französischem Geleit sind wir hauptsächlich in jene Gegenden eingeführt worden. Herbelots Wörterbuch kam unsern Wünschen zu Hülfe. Nun mußte der französische Gelehrte orientalische Worte und Namen der nationellen Aussprache und Hörweise aneignen und gefällig machen, welches denn auch in deutsche Kultur nach und nach herüberging. So sagen wir noch Hegire lieber als Hedschra, des angenehmen Klanges und der alten Bekanntschaft wegen.

Wie viel haben an ihrer Seite die Engländer nicht geleistet! und, ob sie schon über die Aussprache ihres eignen Idioms nicht einig sind, sich doch, wie billig, des Rechts bedient, jene Namen nach ihrer Weise auszusprechen und zu schreiben, wodurch wir abermals in Schwanken und Zweifel geraten.[318]

Die Deutschen, denen es am leichtesten fällt zu schreiben, wie sie sprechen, die sich fremden Klängen, Quantitäten und Akzenten nicht ungern gleichstellen, gingen ernstlich zu Werke. Eben aber weil sie dem Ausländischen und Fremden sich immer mehr anzunähern bemüht gewesen, so findet man auch hier zwischen älteren und neueren Schriften großen Unterschied, so daß man sich einer sichern Autorität zu unterwerfen kaum Überzeugung findet.

Dieser Sorge hat mich jedoch der ebenso einsichtige als gefällige Freund J.G.L. Kosegarten, dem ich auch obige Übersetzung der kaiserlichen Gedichte verdanke, gar freundlich enthoben und Berichtigungen, wie sie im Register enthalten sind, wo auch zugleich einige Druckfehler bemerkt worden, mitgeteilt. Möge dieser zuverlässige Mann meine Vorbereitung zu einem künftigen »Divan« gleichfalls geneigt begünstigen.


Silvestre de Sacy

Unserm Meister, geh! verpfände

Dich, o Büchlein, traulich-froh;

Hier am Anfang, hier am Ende,

Östlich, westlich, A und Ω.[319]


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Wir haben nun den guten Rat gesprochen

Und manchen unsrer Tage dran gewandt;

Mißtönt er etwa in des Menschen Ohr –

Nun, Botenpflicht ist sprechen. Damit gut.

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 3, Berlin 1960 ff, S. 317-320.
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