September.

1. Regnichter Tag. Früh am Brunnen mit verschiedenen Gästen, Stoll, Frau von Eskeles und Flies, Flau von Seebach. Hernach zu Frau von Eskeles zum Dejeuné, wo der junge Graf Finkenstein und Frau. Als diese weg waren über Frau von Stael. Hernach Dr. Warburton und Graf[379] Finkenstein der Vater. Mittag zu Hause. Nach Tische nach dem Kammerberg. Abends bey Frau von Eskeles zum Thee und Abendessen.

2. Am Brunnen. Nachher zu Hause mit den Producten des Kammerberges beschäftigt. Mittags bey Frau von Eskeles mit Ignaz Potocki, Graf Moschynski, Obersten von Brevern und Fräulein Schumacher. Nach Tische Geschichten der zerstreuten Personen: eines jungen polnischen Frauenzimmers, in deren Gegenwart man die zweite Heirath ihres Vaters mißbilligt, die aber dieses Mannes Partei nimmt und ausruft: Ja wenn er noch Kinder hätte. Ferner eines Herrn von Seckendorf, der, indem seine Frau in den Wochen liegt, bey verschiedenen Freunden in der Reihe zu Gaste speist und einmal sich gegen die Gesellschaft, als sie aufstehen, entschuldigt, daß sie so schlecht gegessen haben, weil seine Frau in Wochen liegt. Gegen Mittag kam Graf Mo schynski zu mir und unterhielt sich über mancherley Gegenstände. Alsdann zeigte er mir bey sich 5 große Edelsteine: Brillanten, Topas, Smaragd und orientalischen Rubin. Hübsche Einrichtung das Futteral in Form eines Buchs zu haben. Geschichte wie dadurch sein sämmtlicher Schmuck bey der Insurrection von Krakau gerettet worden. Nachher gebadet. Ein Italiäner, als man sich wundert, daß die neue Kaiserin sich so gut gegen[380] jedermann betrage, ob sie gleich sehr still erzogen worden, ruft aus: Eh, Signori, non contate per niente la gran fortuna, di non aver mai inteso una bestialità. Abends bey Frau von Eskeles zum Thee und Abendessen.

3. Früh nicht getrunken. Aufsatz über den Kammerbühl dictirt. Nachher verschiedenes, die Steine auf diese Gegend bezüglich rangirt. Mittag bey Frau von Eskeles mit Frau von Bibra, Herrn von Schönfeld dem jüngeren, Graf Finkenstein Vater, Sohn und Tochter. Nach Tische spatzieren. Die Frau von Seebach angetroffen. Nachher einige Besuche. Bey Frau von Matt, wo vieles über den Herzog von Gotha gesprochen wurde. Gegen 9 Uhr zu Frau von Eskeles. Allein. Kam Herr von Schönfeld, der die Händel des General Meyer mit dem Uhlanenofficier erzählte.

4. Die Zeichnung des Kammerbühls weiter geführt. Zum Brunnen ohne zu trinken. Mit Graf Moschyn ski dem jüngern über die Franzosen in Warschau. Mit Ignaz Potocki. Zuletzt las Graf Finkenstein einen artigen dramatischen Epilog von Tieck vor, geschrieben zur Aufführung eines Holbergischen Stückes. Mittag bey Frau von Eskeles, wo Fräulein von Matt und Frau von Bibra und Graf Finkenstein. Nach Tische Fahrt gegen Eger in rauhem und regnichtem Wetter. Abends in derselben Gesellschaft. Bey Gelegenheit[381] der Händel des Uhlanenofficiers mit General Meyer kamen die Duelle zur Sprache.

5. Den Aufsatz über den Kammerberg durchgegangen. Das Kästchen Egerwasser mit 40 Flaschen besorgt. Flüchtige Geschichte der Theater in der Vorrede zu den Lustspielen von Steigentesch. Mittags bey Frau von Eskeles zu Tische mit Frau von Bibra. Graf Finkenstein kam verschiedene Male, Abschied zu nehmen. Nach Tische nach verschiedenen Hinderungen Lectüre von der pilgernden Thörin. Abends nach der Egerchaussee, wo sie mit Schlacken überschüttet ist. Bey schönem Mondschein zurück. Bey Frau von Eskeles, wo wir die Polen fanden, unter andern Fräulein Dembinska, die artig deutsch sprach. An Hrn. Geheimen Kammerrath von Flanz nach Gera, zu Begleitung des oben gemeldeten Kästchens.

6. Früh allein nach dem Kammerberg. Verschiedenes genauer beobachtet und einiges gezeichnet. Alsdann gebadet. Mittags zu Frau von Eskeles mit Herrn Silm von Hamburg und Rittmeister von Schilling. Des letztern Klage über den Mangel an Polizey und Sittlichkeit in Italien. Nachher kurze Zeit spatzieren; alsdann nach Hause. Verschiedenes den Kammerbühl betreffend nachgeholt und bezeichnet. Zeitig zu Bette.

7. Früh den Aufsatz über den Kammerberg. Die[382] Zeichnungen dazu arrangirt, die Producte desselben eingepackt. Nicht gebadet. Mittag bey Frau von Eskeles mit der polnischen Gesellschaft. Nach Tische zur Galanteriehändlerin, Mad. Ducas, ihre Waaren besehen. Abends zu Frau von Eskeles zum Thee. Viele Erzählungen von Ignaz Potocki mitgetheilt. Er assistirte beym Abendessen und fuhr mit Erzählen fort. Geschichte der Stieftochter des jungen Grafen Moschynski, die ein Packetchen von ihren Ohrringen und anderen kleinen Bijoux machte, um einen Gegner ihres Vaters zu bewegen, daß er in einer vorgefallenen Ehrensache Abbitte thun solle. Besuch der Fürstin Czartoryska bey dem Pascha von Chozim und den türkischen Gebräuchen.

8. Früh den Aufsatz über den Kammerberg umgeschrieben. Gebadet. Alsdann spatzieren gegangen. Zu Mittag bey Frau von Eskeles mit den Frauenzimmern von Eger und dem Major von Arnim und seiner Frau. Nach Tische durch Dresenhof links auf den Wiesen, dem Moor hin, sodann rechts nach der Egerstraße bis in das Dorf, wo die Schlackenchaussee anfängt, nachher auf den Kammerberg. Abends bey Frau von Eskeles zum Thee. Ward ein Feuerwerk gegeben. Nachher die neue Melusine und einige meiner Sonette vorgelesen.

9. Früh mit den Zeichnungen des Kammerbergs[383] beschäftigt. Mittags auf die Kammer gefahren. Dort in Gesellschaft gegessen, Frau von Alvensleben und Tochter, Geh. Rath ........ preußischer Consul in Riga, von Arnim und Frau. Abends über den Kammerbühl nach Hause gegangen. Die Peripherie gemessen. Zu Frau von Eskeles, wo ich Graf Pergen traf. Später kamen die Moschynskis.

10. Früh am Brunnen. Nachher spatzieren gegen Ober-Lohma. Mittags bey Frau von Eskeles mit Graf Pergen. Nach Tische mit ihnen auf die Einsiedeley von Liebenstein. Zu Fuße in das Thal herunter. Alsdann über den Kammerberg nach Hause. Abends dieselbe Gesellschaft. St. Joseph den Zweyten vorgelesen. Viele Wiener und andre Weltgeschichten. Pater Fuhrmann Östreichische Chronik. Kasten mit Mineralien an den Brunneninspector übergeben zur Versendung nach Gera.

11. Eingepackt. Die Wahlverwandtschaften überlegt. Bey Graf Moschynski, dessen Ringe und geschnittene Steine gesehen, unter welchen letzteren ein antiker Faun sehr schön. Unter den erstern ein gelber und blaulicher Brillant, ein schöner Saphir und Smaragd, Rubin, Hyacinth, Opal u.s.w. Den Faun im Abdruck studirt. Mittags beym Graf zu Tafel, mit dessen Neveu und Familie, Graf Pergen, Frau von Eskeles und Frau von[384] Flies nebst andern. Viele Geschichten, besonders von nachgemachten Weinen, disträten Personen, Irrungen; letzteres bey Gelegenheit, daß der alte Graf Moschynski ein Frauenzimmer von hinten für seine Nièce angesehen und ihr mit dem Nagel über den Rücken gefahren und ihr das Kleid zerschnitten. Geschichte von dem Polen, der eine Dame, die er in seiner Frauen Zimmer antrifft, für seine Frau hält; die Dame, die ihn nicht kennt, hält ihn für närrisch, springt auf den Tisch; er wird's gewahr und fällt vor dem Tisch auf die Knie. Sie wird nur noch mehr in ihrem Wahne bestärkt. Abends bey Frau von Eskeles mit Graf Moschynski und Graf Pergen. Geschichte der Ermordung Paul 1. und andre dergl.

12. Graf Moschynski nahm noch Abschied. Gegen 6 Uhr von Franzensbrunn abgefahren. Mittag gehalten in Reau. Erinnerung an die Anekdoten, die die Tage her erzählt worden. Nach 3 Uhr in Hof. Handwerksliedchen. Zu Büttner. Den Kreishauptmann von Schütz und Dr. Schneider nicht angetroffen. Spatzieren um die Stadt.

13. Um 6 Uhr von Hof weggefahren und gegen 11 Uhr in Schleiz angekommen. Über die Liederbibel. Über die Societät, in Franzensbrunn verlassen. Nach Tische weggefahren, in der Hohle gleich hinter Schleiz umgeworfen, gegen 6 Uhr[385] nach Neustadt, welches der Kutscher verkannte und vorüberfuhr. Geschickter Harfenspieler, der sich im Billardzimmer hören ließ.

14. Früh von Neustadt weggefahren über Hummelshain, wo wir die Ziegesarsche Familie nicht antrafen, auf Kahle und sodann weiter nach Jena herein. In der Sonne abgestiegen, zu Major von Knebel; nach Tische zu Major von Hendrich; in's Cabinet, wo die neue Ordnung sehr gefällig eingerichtet. Hernach zu Dr. Seebeck, zu Frommanns, vorher in dem botanischen Garten. Sodann zur Geheimräthin Loder. Unterwegs Frau Hofrath Seidensticker gesprochen. Abends zu Knebel. Über mancherley litterarische Neuigkeiten, Frau von Stael, Pandora, Sylbenmaße u.s.w.

15. Früh nach Drakendorf. Johannes Müllers Rede beym Schluß des westphälischen Landtags. Gerücht wegen Ankunft Napoleons. Gegen Abend herein. War meine Frau angekommen. Nachrichten von Weimar und sonst.

16. Früh die Cabinette. Überlegung wegen des naturhistorischen. Sodann zu Fuchs. Besichtigung des neu anzulegenden Saales. Botanischer Garten. Neues Glashaus. Mit Professor Voigt in das ehemalige Batschische Haus. Was er bisher geleistet, gesehen. Unterhaltung über diese Dinge. Zu Mittag mit Mad. Schopenhauer[386] gegessen. Nach Tische Seebecks; mit ihnen in's Cabinet. Zu Geh.Rath Loder. Abends bey Knebels.

17. Früh Rentamtsadministrator Kuhn wegen der Museumsrechnungen. Herüber gefahren um 9 Uhr. Gegen 1 Uhr angekommen. Theatralischer Aufputz des Hauses. Sonstiger Empfang. Mittags allein. Abends Comödie: die Jugend Heinrich IV. und die Liebe auf dem Dache. Hernach Ständchen.

18. Früh bey Durchlaucht dem Herzog, wo die Nachrichten von Ankunft des Erbprinzen so wie der beyden Kaiser sich bestätigten und näher bestimmten. Zu Durchlaucht der Prinzeß. Nachher zu Tische mit den jungen Schauspielern und dem Concertmeister. Gegen Abend zu Herrn von Wolzogen, dessen mitgebrachte Sachen besehen, an Münzen u.s.w. Abends Hofrath Meyer: über die geschnittenen Steine, über d'Alton, die Münchner Kunstacademie-Einrichtung u.s.w.

19. Früh nebenstehende Briefe. An Hrn. Zelter nach Berlin. An Hrn. Leonhard nach Hanau. An Hrn. Professor Voigt nach Jena. An Schöff Stock, an die beyden Schlosser, an Dr. Melber nach Frankfurt am Main. Besuche von verschiedenen Personen. Mittags allein.

20. Den Aufsatz über den Kammerberg berichtigt und an den Schreiber gegeben. Nachher zu Frau Gräfin Henkel, zu Hofrath Meyer, auf die Bibliothek.[387] Vorher Legationsrath Bertuch. Mittag Legationsrath Falk. Er erzählte viele Geschichten von Berlin und sonstigen französischen Dingen. Blieb lange nach Tische. Abends zu Fräulein Gore. Alsdann nach dem römischen Hause und daselbst die Blumen besehen. Abends Hofrath Meyer. Über die Angelegenheiten der Zeichenschule, d'Alton und sonst.

21. Baggesens Gedichte. Matthisson Anthologie zweyter Theil. Nebenstehende Briefe. An Hrn. Major von Hendrich nach Jena. An Hrn. Major von Rühle nach Dresden. An Hrn. Dr. Cotta nach Tübingen. Abends im Theater: die bestrafte Eifersucht und der Vater von ungefähr.

22. Hagedorn. Sodann Roger Baco und Geschichte der Farbenlehre. Besuch bey Frau von Schiller und Dem. Jagemann. Nachher auf der Bibliothek. Mittags Dem. Engels und Herr Unzelmann zu Tische. Abends Hofrath Meyer. Hagek Böhmische Chronik.

23. Roger Baco. Durchmarsch der Franzosen nach Erfurt wegen Ankunft des Kaisers. Bibliothek: die dem Aristoteles unterschobene Schrift de secretis ad Alexandrum, Gmelins Geschichte der Chemie, verschiedenes auf das Mittelalter sich Beziehendes, Boëtius de consolatione. Mittags Dem. Elsermann und Engels, Sophie Teller.[388] Nach Tische verschiedenes wegen der bevorstehenden Abreise meiner Frau nach Frankfurt. Briefe. An Hrn. Dr. Cotta nach Tübingen. An Hofrath Eichstädt nach Jena. An Hrn. Assessor Leonhard nach Hanau, mit dem Aufsatz über den Kammerbühl.

24. Kam Großfürst Constantin an. Zur Geschichte der Farbenlehre verschiedenes gelesen und durchgedacht. Mittags allein. Abends im Theater: die Müllerin.

25. Seneca naturales quaestiones. Mittags bey Hofe. Kam Kaiser Alexander zwischen 6 und 7. Gegenwärtig waren der Herzog von Oldenburg und der Prinz von Mecklenburg-Strelitz. Abends zu Hause.

26. Geschichte der Farbenlehre. Mittags bey Hofe. Große Tafel. Nachher durch den Erbprinzen dem Kaiser vorgestellt, der sich auf eine sehr freundliche Weise nach Wielanden erkundigte. Die Bekanntschaft von Graf Romanzow erneuert. Auch war der Bruder der Marschallin Lannes zugegen. Abends die Camilla. Kaiser und Großfürst waren nicht im Theater. An Frege nach Leipzig wegen Assign. von 1520 rh.

27. Früh nach 8 hörte man von Erfurt her schießen, worüber auch hier eine Bewegung entstand und es schien, als wenn sich der russische Kaiser zur Abfahrt bereite. Derselbe fuhr auch nach 1 Uhr[389] fort. Der französische Kaiser kam ihm bis Münchenholzen entgegen. Mittags bey Hofe, wo der Herzog von Oldenburg, die Prinzen von Mecklenburg- Schwerin und Strelitz gegenwärtig waren. Nachher zu Frau von Wolzogen und Frau von Stein. Abends auf dem Hofball. Merkwürdige Unterredung mit Herrn Grafen von Schlitz, der als Mecklenburgscher Gesandter in Paris gewesen war und eine vollkommen richtige Ansicht der Dinge gewonnen hatte. Bekanntschaft mit Herrn von Reck von Erfurt.

28. Nebenstehender Brief. Assessor Leonhard, Hanau mit der Zeichnung des Kammerberges. Mittags Mad. Wolff zu Tische. Abends ward im Theater der Lügner gegeben. Nicht darin.

29. Mittags allein. Gegen Abend nach Erfurt. Zum Schauspiel kam ich zu spät. Es war Andromache.

30. Früh bey Serenissimo. Herzog von Dessau. Derselbe zur Tafel, ingleichen Prinz Wilhelm von Preußen, Herzog von Oldenburg, Homburg und Suiten. Mein Nachbar war Herr von Golz. Über Paris. Britannicus. Nachher zu Frau von Reck. Minister Maret, Graf Schlitz u.s.w.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, III. Abteilung, Bd. 3, S. 379-390.
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