Sechster Auftritt.

[12] Vorige, Silvio, Rosaura.


ROSAURA. Was schwatzt uns die närrische Blandine für Possen vor, lieber Vater?

PANDOLFO. Keine Possen, mein Kind!

DOKTOR. Accidit in puncto! –

BEATRICE. Dies ist also meine Bestimmte? Mademoiselle! möchte doch die Einwilligung unserer Familien mich auch in Ihren Augen meines Glückes würdig machen.

ROSAURA. Ja, Signor – Nein, Signor – Ich –

BEATRICE. Wieder ein besonderer Empfang! –

PANDOLFO. Sie ist ein bißchen zimperlich – das wird sich wohl geben, sobald sie genauer mit Ihnen bekannt wird.

BEATRICE. Ich hoffe es. Dieser Herr ist vermutlich ein Verwandter – –

PANDOLFO verlegen. Ja, er ist mein Vetter.

SILVIO. Nein, nein, kein Vetter, sondern der Bräutigam dieser Dame.

DOKTOR leise. So recht! behaupte deine Ansprüche, aber übereil' dich nicht.

BEATRICE. Bräutigam? und was bin ich?

PANDOLFO. Auf die Nachricht von Ihrem Tode versprach ich meine Tochter dem Herrn Silvio; aber da Sie nicht tot sind, so haben Sie das erste Recht auf sie, und ich halte Ihnen Wort.

SILVIO. Herr Rasponi wird keine Dame heiraten, die ihr Herz einem anderen schenkte.

BEATRICE. Ich bin nicht eigensinnig, ich werde sie trotzdem nehmen.

DOKTOR für sich. Das ist ein Mann nach der Mode, o weh!

SILVIO. Hierauf habe ich Ihnen zu sagen: Wer Rosaura besitzen will, muß mich vorher mit dem Degen befriedigen. – Sie werden nicht immer wieder lebendig werden. Geht ab.[12]

DOKTOR. Und wir, Herr Schwager in Hoffnung, werden uns auch sprechen. Rosaura muß meinen Sohn heiraten. Die Gesetze sagen: Prior in tempore, potior in iure. Geht ab.

BEATRICE. Und was sagen Sie, schöne Rosaura?

ROSAURA. Ich sage, daß Sie zu meiner Qual wieder lebendig geworden sind. Geht ab.

PANDOLFO. Was, Mädchen! – Will ihr nach.

BEATRICE. Bleiben Sie, Herr Pandolfo! Lassen Sie mich die Sache meiner Liebe ganz allein führen. Ich bin Bürge, daß sie in einigen Stunden ganz anders von mir denken wird. – Wollen Sie wohl die Güte haben, mir auf meinen Kreditbrief zweihundert Dukaten auszuzahlen? Die Reise hat mich rein ausgeschält.

PANDOLFO. Von Herzen gern. Sobald mein Kassierer nach Hause kommt, werd' ich die Ehre haben, es zu übersenden. Sie wohnen doch bei unserem Freunde Tebaldo?

BEATRICE. Allerdings.


Quelle:
Goldoni, Carlo: Der Diener zweier Herren. Halle a. d. S. [o. J.], S. 12-13.
Lizenz:
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Der Diener zweier Herren
Der Diener zweier Herren
Der Diener zweier Herren (Italienisch/Deutsch)
Der Diener zweier Herren / Mirandolina
5 Stücke von Goldoni: Der Diener zweier Herren / Der Lügenbold / Der Impresario von Smyrna / Die Ungehobelten / Das Kaffeehaus
Diener zweier Herren. Nach der Komödie von Carlo Goldoni