Dreizehnter Auftritt.

[39] Truffaldino, nachher Florindo.


TRUFFALDINO schreit. Das ist nicht erlaubt! Wenn man mit einem Bedienten nicht zufrieden ist, so kann man ihm seinen Abschied geben – Hier tritt Florindo herein. aber prügeln muß man ihn nicht.

FLORINDO. Was sagst du?

TRUFFALDINO nach der Tür. Das ist nicht erlaubt, anderer Herren Bediente zu prügeln. Das ist ein Schimpf für meinen Herrn, als wenn man ihn selbst geprügelt hätte.

FLORINDO. Wer hat dich geprügelt?

TRUFFALDINO. Ich weiß es nicht; ich kenne ihn nicht.

FLORINDO. Warum hat er dich geprügelt?

TRUFFALDINO. Warum? – Ich hatte ihm aus Versehen auf den Schuh gespuckt.

FLORINDO. Und du läßt dich schlagen, ohne dich zu wehren, und setzest deinen Herrn einer Beschimpfung, einer Verdrießlichkeit aus? Esel! feige Memme! wenn du Gefallen daran findest, geprügelt zu werden, so will ich dir dienen. Er prügelt ihn mit dem Stocke, den Beatrice liegen ließ und geht nach seinem Zimmer.

TRUFFALDINO indem er sich den Rücken reibt. Nun kann ich mit Recht sagen, daß ich zweien Herren diene; ich bin von beiden bezahlt worden!

FLORINDO kommt wieder. Den Schlüssel vom Koffer, Dummkopf!

TRUFFALDINO. Hier.

FLORINDO. Hast du den Beutel und die Dose hingelegt?

TRUFFALDINO. Die – die Dose nicht.

FLORINDO. Gib sie her.

TRUFFALDINO greift nach der Tasche und findet beide Dosen. Für sich. Potz Wetter! welche ist nun die rechte?

FLORINDO. Nun, wird's bald?

TRUFFALDINO für sich. Glück steh' mir bei! – Laut. Da!

FLORINDO. Himmel! was ist das? Er eröffnet die Dose. Sie ist's! Es ist die Dose mit meinem Porträt, die ich Beatrice gab.

TRUFFALDINO für sich. Es ist die unrechte – Laut. Hier ist Ihre Dose, aufzuwarten! Er gibt ihm die Dose, Florindo setzt sich auf den Tisch.

FLORINDO. Wie kommst du zu dieser? Sprich! sag' die Wahrheit, so lieb dir dein Leben ist.

TRUFFALDINO. Ja, ja. Die Dose gehört mir.

FLORINDO. Dir? und woher hast du sie bekommen?

TRUFFALDINO. Ich hab' sie von meinem vorigen Herrn geerbt.[39]

FLORINDO. Geerbt?

TRUFFALDINO. Ja, ich diente einem gewissen Herrn, der nun tot ist. Er hinterließ mir verschiedene Kleinigkeiten, die ich verkauft habe, bis auf die Dose.

FLORINDO für sich. Gütiger Himmel! Laut. Wie lange ist dieser Herr tot?

TRUFFALDINO. Ungefähr acht Tage.

FLORINDO. Wie nannte er sich?

TRUFFALDINO. Ich weiß es nicht; er hielt sich inkognito auf.

FLORINDO. Inkognito! – Wie lange warst du bei ihm?

TRUFFALDINO. Kurze Zeit; zehn oder zwölf Tage.

FLORINDO für sich. O, ich Unglücklicher! Sie war es; ich kann nicht länger zweifeln. Laut. War dein Herr jung?

TRUFFALDINO. Sehr jung.

FLORINDO. Er hatte keinen Bart?

TRUFFALDINO. Nein, keinen Bart.

FLORINDO. Woher kam er?

TRUFFALDINO. Ich habe den Ort gewußt, aber wieder vergessen.

FLORINDO. Vielleicht aus Turin?

TRUFFALDINO. Ja, aus Turin.

FLORINDO für sich. Jede Silbe ist ein Dolchstich! Laut. An welcher Krankheit starb er?

TRUFFALDINO. Es überfiel ihn eine kleine Unpäßlichkeit – weg war er.

FLORINDO. Wo hat man ihn begraben?

TRUFFALDINO. Er ist gar nicht begraben worden –

FLORINDO. Wie?

TRUFFALDINO. Hier nicht. Ein anderer Bedienter, sein Landsmann, legte den Körper in eine Kiste, und schaffte sie nach seiner Vaterstadt.

FLORINDO. War dieser Bedienter etwa der, der dir diesen Morgen auftrug, Briefe von der Post mitzubringen?

TRUFFALDINO. Richtig. Pasqual!

FLORINDO für sich. Es ist kein Zweifel mehr, sie war es! die Beschwerlichkeiten der Reise, der Kummer haben sie getötet. – Verdammtes Schicksal! Ich bin zum Unglück geboren. Geht in sein Zimmer.


Quelle:
Goldoni, Carlo: Der Diener zweier Herren. Halle a. d. S. [o. J.], S. 39-40.
Lizenz:
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Der Diener zweier Herren
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Der Diener zweier Herren / Mirandolina
5 Stücke von Goldoni: Der Diener zweier Herren / Der Lügenbold / Der Impresario von Smyrna / Die Ungehobelten / Das Kaffeehaus
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