[11] Der Obriste. Der Lieutenant. Greif in der Bude.
DER OBRISTE. Seyd Ihr nicht ein wunderlicher Mensch, Vetter! Ich ziehe meinen abgetragensten Ueberrock an, setze meinen ältesten Hut auf, um nicht erkannt zu werden, und ihr laßt euch einfallen, meinen Ausrufer zu machen.
DER LIEUTENANT. Que diable! Die Kerls müssen Respekt vor ihrer Herrschaft lernen. Der lahme Bengel hat mir den Fuß gequetscht, daß ich kaum in acht Tagen werd' auftreten können, und ich bin übermorgen zur Gräfinn Wachtel auf den Ball gebeten.[11]
DER OBRISTE. Wenn ihr denn auch übermorgen nicht tanzen könntet! Das große Unglück! Ihr habt die Bälle dutzendweise im Jahre, aber jene guten Leute nur zwey oder drey Tage der Freude. Ihnen diese durch den geringsten Zwang zu verderben, wäre Sünde.
DER LIEUTENANT. Sünde? Also sollen wir uns nach den Bauern geniren? Das ist mir zu hoch.
DER OBRISTE. Desto schlimmer für euch. – Doch was wissen Euresgleichen von Behagen an Unschuld und Natur? Genug, mir thut es wohl, Vetter, meine Augen endlich einmal wieder von Kriegsspektakel und Hofmaskeraden wegzuwenden, die gesunde Luft meines Geburtsörtchens zu athmen, und ein stiller Zeuge dieses frölichen Getümmels zu seyn.
Hier steh' ich, von Gefühl durchdrungen.
Gegrüßt seyd mir, Erinnerungen
An meines Lebens ersten Traum!
Hier unter dem bejahrten Baum
Genoß ich oft des Abends Kühle;[12]
Zur Schule führt das Gäßchen dort;
Und jener Hügel war der Ort
Für meine jugendlichen Spiele.
Ach! ihr, der Kindheit Wonnejahre,
(Zu schnelle, süße, goldne Zeit!)
Der Zwischenraum von euch zur Baare,
Was ist er? – Müh' und Eitelkeit.
DER LIEUTENANT der sich indessen mit seinem gelähmten Fuße, mit Dose, Riechfläschchen und parfumirter Brieftasche beschäfftigt hat. Aber, Herr Vetter, haben denn die Kirschleber Sie eben so gern wiedergesehen, als Sie Kirschleben?
DER OBRISTE. Ob sie mich gerne wiedergesehen? Kein Kind war im Dorfe geblieben. Als ich noch da oben am Hopfenberge ritt, gieng das Jauchzen schon an.
DER LIEUTENANT. Hm! Es ist doch sonst ein verzweifelt grobes Volk. Sogar die Mädchen sind so dummspröde, so bäurisch. Ich habe mir alle Mühe von der Welt gegeben, sie ein wenig gesitteter zu machen – aber vergebens.
DER OBRISTE. Ich danke, Vetter, für die[13] vergebliche Mühe. Wo Euresgleichen Mädchenschulmeister sind, mag ich nicht Gerichtsherr seyn.
DER LIEUTENANT. Euresgleichen? Schon zum zweytenmale Euresgleichen? Wer sind denn Meinesgleichen?
DER OBRISTE. Soll ich's mit Einem Worte sagen? soll ich?
DER LIEUTENANT. Nur zu, Herr Vetter!
DER OBRISTE. Wildfänge.
DER LIEUTENANT. Lieber ein Wildfang – als ein Grandison! All' das übertriebene, affektirte, überspannte moralische Wesen ist mir zuwider, wie der Tod. Und an einem Soldaten vollends!
DER OBRISTE. Ein Soldat also, meynt ihr –
DER LIEUTENANT schnell einfallend. Darf durchaus kein Kopfhänger seyn, muß schwärmen und mitmachen, so viel und so lang er kann. Ist's nicht von jeher unter uns Helden so hergebracht? War nicht Alexander dem Trunk und Cäsar der Liebe ergeben?
DER OBRISTE. Ueber die Cäsars und Alexanders,[14] die noch keinen Feind gewittert haben! Immer thun sie, als ob sie allein auf der Welt wären.
DER LIEUTENANT. Wer nichts nach der Welt fragt, nach dem fragt die Welt wieder nicht. Das ist mein Grundsatz.
DER OBRISTE. Treibt's nur nicht zu arg, Vetter. Am Ende möchten sich doch wohl Leute finden, die darnach frügen.
DER LIEUTENANT. Zu arg? zu arg? Wollte der Himmel, ich könnt' es! Aber wie wäre das in dem Neste möglich, wohin mich das Schicksal gebannt hat? Ma foi, ich wundere mich oft, daß ich noch nicht vor Langerweile gestorben bin. Soll ich's Ihnen einmal schildern?
DER OBRISTE. Schildert's so gefährlich, als Ihr wollt, ich weiß schon, was ich davon halten soll; weiß, daß Ihr dieses Nest mit den umliegenden Landgütern, Forsthäusern und Vorwerkern, nicht um die Hauptstadt vertauschtet, daß Ihr da, wie ein Vicekönig in der neuen Welt, hauset, daß Ihr Mädchen und Weiber, ohne Ansehen der Person,[15] in Kontribution setzet, daß Ihr ein wöchentliches Gelag haltet, in welchem –
DER LIEUTENANT ungeduldig einfallend. Lieber Herr Vetter, wollen wir nicht unter die Buden gehen? Die Luft – mich dünkt, die Luft zieht hier entsetzlich –
DER OBRISTE. Mich dünkt's nicht. Es ist so ein hübsches Fleckchen. Gefällt's Euch nicht?
DER LIEUTENANT lenen von weitem erblickend. Voïez donc, mon Cousin! Die artige Trutschel! – Bst! Bst!
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