Neunter Auftritt.

[558] Ruperto. Matrosen. Vorige.

Ruperto, von Fernando und Miranda begleitet, nähert sich, die übrigen bleiben im Hintergründe.


PROSPERO faßt ihn scharf ins Auge – und weicht bestürtzt zukück. Ists möglich – Ja mein Gedächtniß trügt mich nicht. – Miranda sieh! – das ist der Treulose, dem ich mich auf meiner[558] Flucht in die Arme warf – der uns hier aussetzte und heimtückisch verließ.

MIRANDA. O, Himmel! Schließt sich an Prospero an, Fernando und Fabio treten ihm ebenfalls näher, um ihn zu vertheidigeit.

RUPERTO ruhig. Ich bins – ich bin Ruperto.

PROSPERO. Verworfener Bösewicht! was bringt dich hieher?

RUPERRO. Die Reue. Ich komme, mein Verbrechen wieder gut zu machen. Zu den Matrosen. Triumph, ihr Freunde! Er lebt! Er ist gefunden, den wir suchen! Prospero lebt noch!

MATROSEN. Triumph, er lebe! Schwenken die Hüte.

RUPERTO. Maylands Tyrann ist gestürzt, ermordet. Das befreyte Vaterland wünscht sich seinen guten Fürsten zurück, dessen Tugenden es einst verkannte. Ich erbot mich, dich wieder[559] auf zu suchen. Mir, dem feilen Werkzeuge deiner Verbannung – mir allein war diese unwirthbare Insel bekannt. Eine alte Sage, von Wundern und Zaubereyen, schreckt seit Menschengedenken die Schiffer ab, sich ihr zu nähern. Zieht eine Pergamentrolle hervor, woran eine goldne Siegelkapsel hängt. Empfange das feyerliche Zeugniß unserer Sendung! Höre die Stimme deines Volks, aus dem Munde seiner Abgeordneten! und laß unser Flehen dich bewegen, ihm zu verzeihen, und zu ihm zurück zu kehren.

MATROSEN Prospero umringend, und auf den Knien. Ja, Vater Prospero! ja! ja!

PROSPERO nachdem er gelesen hat. Steht auf, meine Freunde! Steht auf! Ich bin bereit.

Final.


Allmächtig ist die Liebe

Zu dir, o Vaterland!

Am Ziel der Lebensreise,

Erwacht sie noch im Greise,[560]

Und leitet, trotz den Jahren,

Durch Mühen und Gefahren,

Ihn sanft am Gängelband.

CHOR.

Allmächtig ist die Liebe

Zu dir, o Vaterland.

FERNANDO UND MIRANDA zu einander.

Mit dir lacht Wonn' und Seegen

Mir überall entgegen.

Wo du bist, will ich bleiben;

Dir folg' ich ohne Sträuben

Bis an der Erde Rand.

Ach, stärker ist die Liebe,

Als jedes andre Band.

PROSPERO.

Vergeßt ihr treuen Herzen,

Der Prüfung bittre Schmerzen!

Reicht hoffend euch die Hand!

Euch winkt der Kranz der Liebe,

In eurem Vaterland.

FABIO.

Und schwärmten hier, wie Bienen,

Brünetten und Blondinen,[561]

Hohn spräch' ich ihren Netzen

Und flöhe mit Einsetzen,

Von diesem Circen-Strand.

CHOR.

Allmächtig ist die Liebe

Zu dir, o Vaterland.

ORONZIO UND STEFANO.

Wenn meine Haus-Megäre

Noch zehnmal schlimmer wäre,

Ich dächt an Hiobs Leiden,

Und kehrte doch mit Freuden,

In meinen Wehestand.

CHOR.

Allmächtig ist die Liebe

Zu dir, o Vaterland.[562]


Quelle:
Johann Friedrich Reichardt: Die Geisterinsel, in: Friedrich Wilhelm Gotter: Literarischer Nachlass, Gotha 1802, S. 419–564, S. 558-563.
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