Dritter Auftritt.

[11] Die Hofmeisterin mit Medeens Söhnen, Medea verborgen.


HOFMEISTERIN. Kommt meine Geliebten! der Augenblick ist günstig, niemand belauscht uns. Läßt euch in den Hain der wohlthätigen Göttin führen, die auf das Lallen der Unschuld hört. – ... Kommt, und bethet für eure Mutter! – ...

EIN KNABE. Für unsre neue Mutter! – ...

MEDEA hervorstürzend. Ihr Undankbaren, habt ihr mich schon vergessen?

KNABEN. Ach Mutter! Mutter!

HOFMEISTERIN. Medea! – ...[11]

MEDEA umarmt ihre Kinder. O! der Wonne! ich habe um nichts gelitten. Ich bin ganz glücklich! – ...

HOFMEISTERIN. Soll ich den Göttern danken, die dich wieder bringen, oder muß ich zittern, Medea? – ...

MEDEA. Sey ruhig treues Weib, einzige Freundin einer Verbannten. – ... Mein Schicksal ändert sich. – ... Die Göttin, welche ihr anrufen wolltet, sie hat euch erhört, sie sendet mich euch zu retten, zu rächen. – ...

HOFMEISTERIN. Aber dieser mit Wuth und Wehmuth kämpfende Blick, diese Stirne voll schwarzer Sorgen – um aller Gotter willen! was beginnest du? – ...

MEDEA. Sey ruhig, sag ich, und laß uns! – ... Hofmeisterin geht ab.[12]

MEDEA. O! meine Kinder! – ...

DER JÜNGERE. Wo bist du so lange gewesen? Mutter!

DER ÄLTERE. Ich fürchtete, du kämst niemals wieder. ...

MEDEA. Vielleicht besser für euch, ich wäre niemals wieder gekommen! ...

DER ÄLTERE. Aber nun bleibst du doch bey uns.

DER JUNGERE. Ja! liebe Mutter, ja! – ...

MEDEA. Ihr tödtet mich! ... Nein, Söhne meines Herzens, nein! – ... Ihr werdet mein einsames Alter nicht trösten. – ... Meine letzten Thränen nicht trocknen! – ... Fern von euch werd ich sterben. – ...[13]

DER ÄLTERE. Wir wollen mit dir sterben liebe Mutter;

DER JÜNGERE. Warum sterben? Er will die Mutter liebkosen.

MEDEA stößt ihn von sich. Zurück! – ...

DER JÜNGERE erschrocken. Ach Mutter, liebst du uns nicht mehr? – ...

MEDEA ihn wieder holend. Ich dich nicht mehr lieben? – ... Große Götter, was soll ich thun? – ... Ich kann nicht! ich kann nicht! – ... Ich würde mir zwiefach das Herz durchbohren – ... Ich will sie mit mir nehmen! – ... Ich will sie bey der Hand führen. – ... Ich will sie auf meinem Rücken tragen, einen Gegenstand des Erbarmens für Götter, und Menschen! – ... Aber wird man uns nicht entdecken? – ...[14] Wird man sie nicht aus meinen Armen reißen? – ... Ha! bey den rächerischen Gottheiten der Nächte! eh' ich das zugebe – ... Die Knaben stehen erschrocken mit flehender Geberde. Medea sie wild anblickend. Kein Erbarmen! Es ist die Natterbrut Jasons! – ... Sein Blut klopft in ihren Adern! Sein heuchlerisches Lächeln schwebt auf ihren Lippen – Ha! der sieht ihm am ähnlichsten – der sey der erste! – ... Sie ergreift den jüngern, zieht den Dolch, läßt ihn fallen, und umarmt den Knaben. Flieht, flieht Unglückliche Beyde Knaben von sich stossend. ... Weg mit diesen Blicken! – ... Meine Liebe ist euer Tod! – ... Haßt mich! verflucht mich! ich bin die abscheulichste der Mütter! – ... Die Knaben fliehen. Und das elendeste der erschaffnen Wesen – ... Sie wirft sich auf die Schwellen des Eingang. O Jason, Jason, wenn du aus dem Sonnenkreise deines Glücks mich hier erblicken solltest, wenn mein Gewimmer zu den Ohren deiner leichtgläubigen Braut dränge, würde nicht Mitleid in eurem[15] Herzen erwachen? – ... Ach! – ... Ach! – ... Zerreißt den Faden meines Lebens ihr Parzen! – ... Nimm mich auf, stilles Gestade! ... Land meiner verlohrnen Ruhe, nimm mich auf! – ... Gefolge hinter dem Theater. Heil! Heil sey Jason, und Kreusa, Heil! Heil sey den Neuvermählten! – ...

MEDEA auffahrend. Verflucht sey Jason, und Kreusa, verflucht die Neuvermählten! – ... Fort, sollen sie dich hier finden, und mit andern Sklaven an ihren Wagen fesseln! ... Sollen sie dir deine Kinder vor deinen Augen zum Tode schleppen? – ... Soll ihr buhlerisches Hohngelächter, dein Grablied werden? – ... Noch bist du Medea! – ... Räche dich, und stirb dann! – ... Umsonst sträubst du dich, arme Mutter! – ... Vergiß! vergiß, daß sie dein waren! – ... Reiß sie aus deinem Herzen, wie er dich aus dem seinigen riß! – ... [16] Will ab, bleibt in dem Eingange stehen. Was bedenkst du dich? – ... Wohin? – ... Wenn sie dir nun wieder mit kindischem Lächeln entgegen eilen, wieder ihren Arm um deine Kniee schlingen, wieder dir stammlend liebkosen? wie dann? – ... O! wag es nicht! ... Das Licht des Tages ist zu heiter, die Sonne zu lieblich! – ... Solche Thaten wollen Finsterniß. – ... Ha! wenn die zürnende Natur umher dich zur Wuth begeisterte! – ... Wenn der berstende Himmel über dir, unter dir die erzitternde Erde, deine Seele empörten? – ... Sie geht mit fürchterlicher Geberde umher, und bleibt endlich in der starren Begeisterung einer Beschwörerin stehen. Höre mich! meines Kummers vertraute Hekate! Hekate! – ... Höre mich Chaos der ewigen Nacht, und ihr des Orkus fürchterliche Nächte! Ich ruf euch! Ich ruf euch! – ... Pforten der Höllen öffnet euch der bekannten Stimme Medeens! – ... Holt sie wieder unermeßliche Felsenklüfte, daß das Rad des Ixions stocke, und der Geyer des[17] Prometheus zu martern vergesse! – ... Verbirg dich dem Anblick so vieler Greuel, O! Phöbus! verbirg dich am Mittag! – ... Mache dich auf heulender Sturm! – ... Zerreißt ihr Blitze! zerreißt die nächtlichen Himmel! – ... Brülle laut Donner des Rächers! – ... Und ihr des Todes Gehülfen, Entsetzen, Raserey, Verzweiflung, stürzt euch unter das Brautgefolge, das siegprangend aus den Thoren des Tempels zieht! – ... Das ganze Theater wird Nacht, und ein schreckliches Ungewitter läßt sich hören. Triumph! Triumph! ich bin erhört! Zur Rache! Zur Rache! ... Sie stürzt mit gezückten Dolch in den Palast, das Ungewitter dauert einige Zeit fort.[18]


Quelle:
Georg Anton Benda: Medea. Verfaßt vom Herrn Gotter, Innsbruck 1782, S. 11-19.
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