[31] Nun geschah's in kurzer Stunde,
Daß seines Oheims Hunde,
Des Königs Marke von Kornewall,
Hatten bei lautem Hörnerschall,
Wie uns die wahre Märe sagt,
Einen zeitigen Hirsch gejagt;
Der begann der Straße zu nahen,
Ließ sich von ihnen fahen
Und stund allda zu Bile:
Seine Kraft, die war am Ziele,
Von Sprung und Flucht dahingenommen.
Nun waren auch die Jäger kommen,
Umringten ihn mit Lärm und Schall,
Zum Abfang blasend mit lautem Hall.
Tristan, wie er den Bil ersah,
Gegen die Pilger trat er da
Und sprach mit klugem Munde:
»Ihr Herren, diese Hunde,
Den Hirsch und diese Leute,
Seht, die verlor ich heute:
Nun komm ich just zum Fällen.
Dies sind meine Gesellen;
Gebietet mir, dahin will ich.« –
»Kind,« sprachen sie, »Gott segne dich,
Und mögest du mit Frieden fahren.« –
»Viel Dank, euch möge Gott bewahren,«
Sprach er mit holden Mienen.
Er neigte sich vor ihnen
Und ging hinweg, zum Hirsche dar.
Nun dieser abgefangen war,
Der Jägermeister zu ihm stund
Und streckte ihn nieder auf den Grund,
Auf alle Viere, recht wie ein Schwein:
»Wie nun, Meister, was soll dies sein?«
Rief da der höfische Tristan:
»Laßt ab, um Gott, was fangt Ihr an?
Zerwirkt man Hirsche auf diese Art?« –
Der Jäger stand auf und strich den Bart,
Er sah ihn an und sprach dazu:
»Wie willt du, Kind, daß ich ihm thu?
Man weiß nichts andres bei unsrer Birsch,
Als, wenn enthäutet ist der Hirsch,
So spaltet man ihn behende
Vom Kopf bis an das Ende,
Und darnach in die Viere,
So daß der vier Quartiere
Keines um viel darf größer sein
Als die anderen ins gemein.
Das ist der Brauch in diesem Land:
Kind, ist es anders dir bekannt?« –
»Ja,« sprach der Sohn von Riwalin:
»Das Land, da ich erzogen bin,
Das hat den Brauch nicht so wie hie.« –
»Und wie denn?« sprach der Meister: »wie?« –
»Man entbästet den Hirsch bei mir.« –
»Traun, Freund, ich sähe es denn von dir,
So weiß ich nicht, was entbästen heißt.
Darin ist Niemand unterweist
In diesem Königreiche hie;
Auch hörte ich das Wort noch nie
Von Heimischen noch von Gästen.
Traut Kind, was ist Entbästen?
Bei deiner Güte, nun zeige mir's,
Geh her, entbäste diesen Hirs.«
Tristan sprach: »Lieber Meister mein,
Soll es mit Euren Hulden sein,
Und mag Euch Liebes dran geschehen,
So laß ich's Euch viel gerne sehen,
So weit ich selber es erkannt,
Was der Brauch ist in meinem Land,
Das Ihr da fraget um den Bast.« –
Der Meister sah den jungen Gast
Freundlich und gütlich lächelnd an,
Denn er war selbst ein höfscher Mann
Und kannte alle Sitten wohl,
Die ein guter Mann verstehen soll.
»Ja,« sprach er, »lieber Freund, das thu.
Wohl her, und bist du zu schwach dazu,
Traut Geselle, liebes Kind,
Ich selbst, und die hier bei mir sind,
Wir wollen dir mit Händen
Ihn legen helfen und wenden;
Du darfst mir und den Leuten
Nur mit dem Finger deuten.«[32]
Tristan, das heimathlose Kind,
Den Mantel nahm er ab geschwind
Und legte den auf einen Block;
Er zog höher hinauf den Rock;
Die Ermel schlug er vorne wider,
Die schönen Haare strich er nieder,
Hinter die Ohren strich er sie.
Und mehr und mehr besahen Die,
So bei dem Jagdstück waren,
Sein Wesen und Gebaren.
Sie faßten alles in ihren Muth,
Und däuchte sie es also gut
Und lieblich zu betrachten,
Daß sie im Herzen dachten,
Sein Wesen wäre rittergleich,
Seine Gewande fremd und reich,
Sein Leib nach allem Wunsch gethan.
Da traten sie zu ihm heran
Und nahmen seiner Dinge wahr.
Nun ging der Heimathlose dar,
Der junge Meister, Herr Tristan;
Er griff den Hirsch mit Händen an
Und wollte ihn auf den Rücken legen;
Doch konnte er ihn nicht bewegen,
Er war dem jungen Blut zu schwer.
Da bat er höfisch rings umher,
Sie sollten ihn niederbreiten
Und zu dem Bast bereiten.
Nun war das alsobald geschehn.
Da ging er oben am Hirsch zu stehn,
Begann den Strich zu schneiden,
Den Hirschen zu entkleiden
Unten von dem Geäs hernieder;
Zu den Bugbeinen kehrte er wieder;
Die schälte er nach dem Brauch, der Flinke,
Erst das rechte und dann das linke.
Beide Hüftbeine nahm er drauf,
Die entschälte er, Lauf um Lauf.
Dann ging er, von den beiden
Seiten die Haut zu scheiden.
Er machte sie los, der kluge Knab,
Alles von oben nach unten hinab,
Und legte die Haut dem Hirschen nieder.
Zu seinem Bügen kehrte er wieder,
Entbästete die Blätter frei
Und ließ die Brust doch ganz dabei.
Die Büge legte er nebenan.
Seine Brust er darauf begann
Von dem Rücken zu scheiden
Und ließ von den Seiten beiden
Drei Rippen, da und dort, an ihr.
Das ist die rechte Bastmanier:
Die läßt man jederzeit daran,
Wenn Einer die Brust ablösen kann.
Und alsbald kehrte er wieder her,
Mit rascher Hand entbästete er
Die beiden Hinterbeine,
Zusammen, nicht alleine.
Ihr Recht er auch den beiden ließ,
Den Braten, da der Rücken stieß
Von der Lende gegen das Ende
Wohl anderthalben Hände;
Ziemer wird er allda genannt,
Wo diese Bastkunst ist bekannt.
Dann ging er zu den Rippenstücken,
Die hieb er beide von dem Rücken;
Doch Magen und Gescheide,
Sie waren keine Weide
Für seine schönen Hände mehr;
Er rief: »Wohl bald zween Knechte her!
Da, nehmet diese Stücke
Und legt sie weiter zurücke!« –
So war der Hirsch entbastet,
Der Haut nach Fug entlastet;
Die Brust, die Blätter, Seiten, Bein
Hatte er alle überein
Dahingelegt mit Schick und Acht:
Hiemit so war der Bast vollbracht.
Tristan, der heimathlose Gast,
»Seht, Meister,« sprach er, »das ist der Bast,
Und also ist diese Kunst bestellt.
Nun tretet näher, wenn's Euch gefällt,
Mit Eurer Massenie,
Und machet die Furkie.« –
»Furkie? traut Kind, was ist das?
Du sagst mir vor, ich weiß nicht, was.
Du hast uns diesen Jägerbrauch,
Der fremde ist und löblich auch,
Nach Meisterweise lassen sehn:
Nun laß ihn vollends für sich gehn,
Deine Meisterschaft vollführe fein,
Wir wollen dir hold und gewärtig sein.« –[33]
Alsbald von hinnen sprang der Knab
Und hieb sich eine Gabel ab,
So Die da Furke nennen,
Die die Furkie kennen;
Doch ist der Unterschied gering,
Denn Furke und Gabel, das ist Ein Ding.
Nun kam er wieder mit seinem Stab,
Die Leber schnitt er besonders ab,
Netz und Lümmel schied er dann
Und auch den Ziemer abgewann
Von dem Gliede, an dem er saß.
Er ließ sich nieder in das Gras,
Nahm die drei Stücke da zur Hand,
An seine Furken er sie band,
So gut das Netz sie faßte;
Mit einem grünen Baste
Verstrickte er sie hier und dort.
»Nun seht, ihr Herren,« fuhr er fort:
»Dies heißen sie Furkie
In unsrer Jägerie,
Und weil ich's an die Furken band,
Darum so wird der Brauch genannt
Furkie und stimmt auch überein,
Weil es muß an der Furken sein.
Dies nehme ein Knecht von dem Geleit.
Nun aber haltet euch bereit
Und schreitet zur Curie.« –
»Curie! De benie!«
Riefen sie Alle: »was ist das?
Wir verstünden Sarazenisch baß.
Was ist Curie, lieber Mann?
Schweig und sage uns gar nichts an:
Laß es gleich lieber vor sich gehen,
Daß wir's mit eignen Augen sehen;
Das thue, höfischer Knabe du!« –
Tristan war gleich bereit dazu;
Er nahm den Herzrick, das Geschling,
Woran des Hirschen Herze hing,
Und streifte alles dran zurück;
Vom Herzen schnitt er das halbe Stück
Gegen dem spitzen Ende;
Er nahm's in seine Hände,
Auf daß er es halbire,
Dann kreuzweis schneide in Viere,
Warf auf die Haut die Theile nieder,
Kehrte zu seinem Ricke wieder
Und löste Milz und Lungen gar,
So daß der Rick entledigt war.
Das lag auf der Haut, nach rechtem Brauch.
Dann schnitt er Rick und Gurgel auch
Oben heraus am End der Brust.
Den Kopf er löste mit Jägerlust
Sammt dem Geweihe von dem Kragen
Und hieß das zu der Brust hintragen.
»Wohl her,« sprach Tristan und hielt inn,
»Nehmet mir diesen Rick dahin,
Und kommen arme Leute her,
So theilet ihnen nach Begehr
Von diesem Ricke mit, oder thut
Mit ihm nach eurem Brauch und Muth.
Nun wende ich zur Curie mich.« –
Zu ihm traten sie männiglich
Und nahmen seiner Künste wahr.
Der Knabe hieß ihm bringen dar,
Was er zuvor bereiten ließ.
Auch lag zu Handen alles dies,
Wohl zugerüstet und bereitet,
Wie er zuvor sie angeleitet.
Es lagen der Quartiere
Von dem Herzen viere,
Wie sie die Jäger legen,
Die solcher Sitte pflegen,
Zerschnitten auf der Haut zu vier;
Nun schnitt er Lungen und Milz vom Thier,
Dann Magen und Gescheide,
Und was der Hunde Weide,
In Stücke, eben also klein,
Wie es ihm mochte füglich sein,
Und spreitet's alles auf die Haut.
Hiemit begann er überlaut
Den Hunden zu rufen: »Sa, sa, sa!«
Aufs Schierste waren sie alle da
Und standen und genoßen.
Er, dem die Worte floßen,
Sprach: »Seht, dies wird Curie genannt
Daheime in Parmenienland;
Auch will ich euch sagen wárum:
Curie heißet es dárum,
Weil man es auf die Cuire legt,
Was man den Hunden zu geben pflegt;
So hat das Waidwerk, siehe,
Denselben Namen Curie[34]
Von Cuire erfunden und genommen,
Von Cuire ist Curie kommen;
Und ist zwar dieser Brauch den Hunden
Zum Frommen und zur Lust erfunden
Und ist ein Ding, das Nutzen trägt;
Denn ihnen wird, was man so legt,
Süß durch den Schweiß, ich meine das Blut,
Und machet auch die Hunde gut.
Nun sehet diese Bastkunst an,
Es ist kein andrer Witz daran:
Seht, wie sie euch gefalle.« –
»Ach Herre,« riefen sie alle
Und sprachen: »Was sagst du, seliges Kind?
Wir sehen wohl, diese Künste sind
Den Bracken und den Hunden
Zu großem Nutz erfunden.«
Und weiter sprach Tristan das Wort:
»Nun nehmet eure Cuire fort,
Denn meine Kunst ist nun am Ziel;
Und wisset, hätt ich bei dem Spiel
Euch können baß zu Diensten stehn,
Es wär von Herzen gern geschehn.
Nun schneide Jeder seine Wied,
An Sattel knüpfet Glied für Glied,
Das Haupt, das führet an der Hand
Und bringet euren Jagdprisant
Zu Hof nach zierlichem Hofesbrauch;
Da zieret ihr euch selber auch.
So wisset ihr auch selber wohl,
Wie man den Hirsch prisanten soll:
Prisantet ihn nach Rechte.«
Den Meister und die Knechte,
Die nahm es Wunder mehr und mehr,
Wie dieses Kind in aller Lehr
Und aller Jagdkunst heimisch war,
Das so besonders und so klar
In allen Jägerpflichten
Sie wußte zu unterrichten.
»Siehe,« sprachen sie, »seliges Kind,
Die Künste, die hier ergangen sind,
Die gefallen uns dergestalt
Und dünken uns so mannigfalt,
Daß wir sie möchten zu Ende sehn;
Was bis daher von dir geschehn,
Das achten wir gar für einen Wind.«
Sie brachten dem heimathlosen Kind
In Eile ein Pferd: da baten sie,
Daß er mit ihnen aus Curtoisie
Nach seiner Kunst zu Hofe ritte
Und seine Jagd- und Landessitte
Bis an das Ende ließe sehen.
Tristan sprach: »Das mag wohl geschehen,
Nehmet den Hirsch aus und wohl hin,« –
Saß auf und that nach ihrem Sinn.
Nun er dahin mit ihnen ritt
Und ging also zu Hofe mit,
Da konnten sie Stund und Gelegenheit
Kaum erwarten, war Jeder bereit,
Zu entwerfen und zu vermuthen frei,
Von welchem Lande er bürtig sei
Und wie hieher gekommen;
Sie hätten gern vernommen
Von allem, wie es um ihn stand.
Das hatte auch gar bald erkannt
Der wohl besonnene Tristan,
Der gleich mit großen Witzen sann,
Wie er seine Mär erfinde.
Sein Reden war einem Kinde
Fürwahr in keiner Weise gleich.
Er sprach an Sinn und Witze reich:
»Jenseits Britannien liegt ein Land,
Das ist Parmenien genannt,
Da ist mein Vater ein Handelsmann,
Der wohl nach seinem Wesen kann
Mit der Welt leben gar schön und wohl,
Ich meine, wie ein Kaufmann soll.
Nun aber wißt, ihr Herrn, zugleich:
Mein Vater ist doch nicht so reich
An Habe und an Gute,
Als tugendlichem Muthe.
Der hieß mich lehren, was ich kann.
Nun kam manch fremder Handelsmann
Aus andern Königreichen dar,
Und dieser Fremden nahm ich wahr,
Sah ihre Sprache und Sitten an,
Bis mich zu spornen mein Muth begann
Und anzutreiben fort und fort
In fremde Reiche und ferne Ort,
Damit ich würde baß bekannt
Mit andern Leuten und andrem Land.
Von Stund an war ich früh und spat
Gänzlich bedacht auf meinen Rath,[35]
Bis daß ich meinem Vater entkam,
Die Flucht auf einem Kaufschiff nahm;
So bin ich hier ans Land gekommen.
Nun habt ihr all mein Ding vernommen;
Weiß nicht, wie's euch gefalle.« –
»Ah, traut Kind,« sprachen sie Alle,
»Das war bei dir ein edler Muth:
Die Fremde ist manchem Herzen gut
Und lehret mancher Arten Tugend.
Trauter Geselle, süße Jugend,
Gebenedeiet sei das Land
Von Gott, wo eines Kaufmanns Hand
Erzog so tugendreiches Kind!
Alle Könige, die nun sind,
Hätten es besser nicht gethan.
Nun, liebes Kind, sag uns auch an:
Dein höfischer Vater, wie nannte er dich?« –
»Tristan,« sprach er, »Tristan heiß ich.« –
»De us adjut!« sprach Einer hier:
»Um Gott, was soll der Name dir?
Du wärest besser fürwahr genannt
Juvente bele et la riant,
Die schöne Jugend, die lachende.« –
So ritten sie, Kurzweil machende,
Der Eine hie, der Andere da;
Doch was von Reden dort geschah,
Das galt nur diesem Kinde.
So fragete das Gesinde,
Wie Jeder sich's zu Herzen nahm.
In kurzer Stunde es aber kam,
Daß der Knabe die Burg ersah.
Von einer Linden brach er da
Zwei Kränzlein, waren wohl belaubt;
Eines setzte er auf sein Haupt,
Das andre er etwas weiter maß,
Dem Jägermeister bot er das:
»Ei,« sprach er, »lieber Meister mein,
Sagt, was wohl diese Burg mag sein?
Wie königlich! Die gefällt mir wohl!« –
Der Meister: »Das ist Tintayol.« –
»Tintayol? Ah!« sprach er: »Wohl!
De te benie, Tintayol,
Und alle dein Gesinde!« –
»Ah wohl dir süßem Kinde!«
Sprachen die Andern aus Einem Mund:
»Sei glücklich und sei froh allstund,
Und müsse dir's also wohl ergehen,
Daß wir es gerne mögen sehen!«
So kamen sie zu Burg und Thor.
Da machte Tristan Halt davor.
»Ihr Herren,« sprach er, »haltet inn!
Ich weiß nicht, da ich fremde bin,
Wie euer jedes Name sei:
Nun fahret eben Zwei und Zwei
Und reitet wohl geschlossen ein.
So soll der Hirsch beschaffen sein:
Zuvörderst kommen die Stangen,
Die Brust kommt nachgegangen,
Die Rippen nach den Bügen;
Darnach so sollt ihr's fügen,
Daß alsobald den Rippen bei
Das hinterste Glied gesellet sei;
Darnach so achtet auf den Fug,
Daß ihr im allerletzten Zug
Die Cuire und Furkie paart:
Das ist die rechte Jägerart.
Auch treibet es nicht allzu jach,
Reitet gemach einander nach:
Mein Meister hie und ich, sein Knecht,
Reiten zusammen, dünkt's euch recht,
Und daß es euch gefalle.« –
»Ja, traut Kind,« sprachen sie alle:
»So wie du willt, so wollen wir.« –
»So sei's,« sprach er: »nun leihet mir
Ein Horn, das mir gerechte sei,
Und seid auch deß gemahnt dabei:
Wenn ich anhebe, so horchet mir,
Und wie ich horne, so hornet ihr.« –
Der Meister sprach zu ihm: »Nun thu,
Viel lieber Freund, und horne du,
Wie es dir nur gefalle;
Wir folgen und dienen dir Alle,
Ich und die hier mit mir sind.« –
»A boneure,« sprach das Kind,
»Mit Güte, so soll es also sein.« –
Ein kleines helles Hörnelein,
Das gaben sie ihm an seine Hand.
»Nun hin!« sprach er: »allez avant!«
So ritten sie rottiret ein
Zu Zweien, wie es sollte sein;
Und als durchs Thor die Rotte kam,
Tristan sein helles Hörnlein nahm[36]
Und begunte fein zu blasen
Und wonniglich aus der Maßen;
Und Alle, die auf ihn harrten,
Die konnten's kaum erwarten,
Bis sie ihm zu Hilfe kamen,
Vielmehr die Hörner nahmen
Und machten ein Getöne
In seinem Ton gar schöne:
Er vor, das klang zu Preise;
Sie nach in seiner Weise
Und machten das geschickt und wohl:
Die Burg ward des Getönes voll.
Der König und die Hofleut all,
Da sie den fremden Jägerschall
Erhörten und vernahmen drin,
Da waren sie in ihrem Sinn
Erschrocken und erstaunt gar sehr,
Weil dessengleichen nie vorher
Bei Hofe war vernommen.
Nun war die Rotte kommen
Für den Palast und an die Thür;
Da war viel Hofgesinde für
Gelaufen ob dem Hörnerschall,
Und nahm es sie groß Wunder all,
Was das Getön begehrte.
Auch war der lobenswerthe
Marke selber gekommen dar,
Zu nehmen diese Märe wahr,
Und mit ihm mancher höfische Mann,
Nun daß den König sah Tristan,
Begann er ihm zu gefallen.
Von den Andern allen
Erlas er ihn mit Herz und Muth,
Denn er war ja von seinem Blut:
Die Natur, die zog ihn dar.
Er nahm sein mit den Augen wahr
Und begann ihn schön zu grüßen.
Mit Tönen, fremden, süßen,
Eine andere Weise hob er an,
So laut zu hornen er begann,
Daß ihm Keiner von Allen
Vermochte beizufallen.
Nun war das aber bald gethan:
Der wohlgezogene Tristan,
Der schwieg und ließ sein Horn in Ruh.
Er neigte sich dem König zu
Gar hold und sprach mit süßem Mund,
So süße, als er das verstund:
»Deus sal roi et sa mehnie:
König und seine Massenie
Erhalte Gott der gute!« –
Marke der wohlgemuthe
Und all sein Hofgesinde,
Die danketen dem Kinde
Viel tugendlich und also wohl,
Als man dem Tugendhaften soll.
Sie freueten sich allgemein:
»Ach,« sprachen sie alle, Groß und Klein,
»De duin duze aventure
Si duze creature:
Süße Stunden und frohes Leben
Möge Gott so süßem Geschöpfe geben!«
Der König nahm des Kindes wahr;
Er besandte den Jägermeister dar:
»Sag an,« sprach er, »wer ist dies Kind,
Deß Worte so wohlgesetzet sind?« –
»Ach, Herre, es ist ein Parmenois
Und ist so wundervoll curtois,
So aus der Maßen tugendsam,
Wie ich's an Kindern nie vernahm.
Er sagt, sein Name sei Tristan,
Und sei sein Vater ein Handelsmann,
Ich glaub es aber nimmer:
Wie hätte ein Kaufmann immer
In seiner großen Unmüßigkeit
Auf ihn gewandt so viele Zeit?
Sollte er Muße für ihn gewinnen,
Der immer soll Unmuße beginnen?
Ach, Herre, er ist so tugendhaft:
Seht, diese neue Meisterschaft,
Wie wir zu Hofe sind gekommen,
Die haben wir ganz von ihm genommen.
Und hört die Wunderkünste: Wißt,
Recht wie der Hirsch beschaffen ist,
So ist er hier zu Hof gebracht:
Wo ward eine Kunst so wohl bedacht?
Seht, erstens Kopf und Stangen,
Dann kommt die Brust gegangen,
Büge darnach und Beine:
Herr, schöner wurden noch keine
Und besser zu Hof prisantet eh.
Seht dort, Herre, und habt Ihr je[37]
Eine solche Furkie gesehn?
Mir ist dergleichen nie geschehn,
Seit ich die Jägerkunst verstehe.
Dazu ließ er uns sehen ehe,
Wie man den Hirsch entbästen soll:
Die Kunst gefällt mir also wohl,
Daß ich noch Hirsch, noch andre Thiere
Zerhauen will in vier Quartiere,
Und sollt ich bis an mein Ende jagen.« –
So begann er seinem Herrn zu sagen
Von Anfang alle Märe,
Wie er vollkommen wäre
In aller höfischen Jägerschaft,
Und wie er die Curie beschafft
Für die Bracken und die Hunde.
Des Jägermeisters Kunde,
Die nahm der König in seinen Sinn,
Hieß den Knaben rufen zu sich hin
Und hieß die Jäger nach Hause fahren,
Ihr Amt und ihre Pflicht bewahren;
Die kehrten um und ritten fort.
Tristan, der Jägermeister dort,
Gab hin sein Hörnlein wieder
Und sprang zur Erde nieder.
Das junge Hofgesinde,
Das lief entgegen dem Kinde
Und conduirt's mit holdem Sinn
An den Armen für die Krone hin.
Auch konnte er selber zierlich gehn,
Und war der Leib ihm anzusehn,
Wie es die Minne nur gebot:
Sein Mund, der war recht rosenroth,
Sein Antlitz licht, seine Augen klar,
Gar schön war sein lichtbraunes Haar
Geringelt an dem Ende;
Seine Arme und Hände,
Die waren wohlgebaut und blank,
Sein Leib im rechten Maße schlank;
An seiner Füße und Beine Stand
Ward seine Schöne zumeist erkannt;
Sie standen so zu Preise wohl,
Als man's am Manne preisen soll.
Sein Gewand, das wisset ihr,
War mit großer höfischer Zier
Nach seinem Leib geschnitten.
Seine Gebärden und Sitten,
Die standen ihm so lieblich an,
Daß man den Knaben lieb gewann.
Der König schaute immer zu:
»Freund,« sprach er, »Tristan heißest du?« –
»Ja, Herre, Tristan. De vus sal.« –
»De vus sal, beas Vassal.« –
»Merzi,« sprach er, »gentil Rois,
Edler König Kornewalois:
Ihr und Euer Gesinde,
Ihr seiet von Gottes Kinde
Immerdar gesegnet!« –
Da ward ihm hold entgegnet
Mit Merzi und Merzi fort und fort.
Sie sprachen nur das Eine Wort:
»Tristan, Tristan li Parmenois,
Cum est beas et cum curtois!« –
Marke sprach aber Tristanden an:
»Ich sage dir, was du thust, Tristan,
Du sollt mir eine Bitte gewähren,
Das will ich nicht von dir entbehren.« –
»Was Ihr gebietet, Herre mein.« –
»Du sollt mein Jägermeister sein.« –
Nicht wenig lachten Die um ihn.
Da sprach der Sohn von Riwalin:
»Herre, gebietet über mich,
Was Ihr gebietet, das bin ich,
Euer Jäger und Euer Mann,
Und will Euch dienen, so gut ich kann.« –
»Mit Güte, Freund!« sprach Marke froh:
»Das ist gelobt, nun sei es so.«
Ausgewählte Ausgaben von
Tristan und Isolde
|
Buchempfehlung
Inspiriert von den Kupferstichen von Jacques Callot schreibt E. T. A. Hoffmann die Geschichte des wenig talentierten Schauspielers Giglio der die seltsame Prinzessin Brambilla zu lieben glaubt.
110 Seiten, 4.40 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro