Siebenundzwanzigstes Kapitel

[450] Die dritte Reise zum Bodenbauer


Uli mußte sich anstrengen, Schritt zu halten mit dem Alten, der einherschritt wie ein aus einem Hünengrabe erstandener Recke, dem die Leute aus dem Wege gingen und nachsahen mit Verwundern. Uli dachte im Stillen, besonders wenn die Rede des Alten heraufquoll wie ferner Donner: Eigentlich sei es kein Wunder, wenn seiner Zeit die Mädchen eben nicht sonderlich durch ihn angezogen worden seien von wegen seiner Liebenswürdigkeit, dazu sei er doch wohl zu groß und unghürig. Sein Tun in früheren Jahren mochte seiner Gestalt entsprochen haben.

Wenn man zusammen wandert, so gibt ein Wort das andere, unvermerkt rutscht man der Materie zu, von welcher man gerne spricht, die Alten gerne von Jugendzeit und Jugendstreichen. Uli hörte mit offenem Munde zu. Er glaubte auch was verrichtet, manchen tüchtigen Streich ausgeteilt zu haben, aber gegen Hagelhans war er ein bloß Kind gewesen. Der hatte Schlägereien gehabt, daß das Blut durch die Straße floß, Schabernack geübt und zwar groben, wo er konnte. Er hatte eine eigene Freude daran gehabt, den lieben Gott zu machen und zu züchtigen und zu plagen mit grober Hand, wen er für schlecht hielt oder wer ihm sonst nicht gefiel; denn es ist Vielen schwer, zwischen Beiden zu unterscheiden auf die rechte Weise. Er hatte Geld verklopft, ein Pferd hätte es kaum gezogen, dafür aber auch einen Namen gehabt, mit dem man die Kinder zu Bette jagte; das Wort »Wart, Hagelhans nimmt dich!« war ein Zauberspruch. Wenn er in einem Wirtshause erschien, so wars, als sei der Kindlifresser gekommen: allgemach schoben die Leute sich zur Türe hinaus, der[450] Wirt räumte so unvermerkt als möglich alles Zerbrechliche weg, und die Stubenmagd tänzelte so graziös als möglich um ihn herum, wie ein Pudelhündchen um einen Löwen, doch wohlweislich immer sechs Schritte ihm vom Leibe. Hans rühmte sich alles dessen eben nicht, er sah zu wohl ein, wie er den Menschen vorkommen mußte und wie schreckhaft er sich aufgeführt, aber er erzählte doch mit einem gewissen Behagen, ungefähr wie man überstandene Krankheiten erzählt, erlebte Gefahren, Gespenster- oder sonst Geschichten.

So kamen sie an das Ziel ihrer Reise, Uli wußte fast nicht wie. Bodenbauers waren eben beim Nachtessen, als die Beiden klopften und auf ein lautes »Herein«, in die Stube traten. Als der große Mann mit seinem großen Hund in die Stube kam, ging es fast wie ehedem in den Wirtshäusern; es erschraken alle, selbst den Bauer überfloß ein gewisses Erschrecken. Unwillkürlich wurde das naturgemäße Manöver ausgeführt: hinter dem Vater, dem Schild und Schwert der Familie, barg sich alles. Befangen streckte der Bodenbauer dem Hagelhans die Hand zum Willkomm und sagte: »Ihr seid es, aber ich hätte eher den Kaiser von Rußland bei mir erwartet als Euch. Sah Euch an die zwanzig Jahre nicht, und es hieß, Ihr ginget nie vom Hause.« »Man sagt manches in der Welt,« sagte Hans, »was nicht wahr ist,« bot der Bäuerin die Hand, und die schlotterte wie ein Mädchen, wenn es die Hand zum erstenmal einem Jungen geben soll. In Hans wachte offenbar der alte Schalk auf und hatte seinen Spaß an diesem Schreck und Schlottern. Uli machte den Vermittler, stellte Hagelhans als den neuen Glunggenbauer vor und sagte, sie kämen, um mit Johannes über die Sache zu reden.

Die Bodenbäuerin wurde ganz bleich, als sie das hörte. Nun, auf das Geld habe ich so stark nicht gerechnet, dachte sie, das ist verloren und ich will nichts dazu sagen; aber die armen Leutchen dauern mich, die sucht doch unser Herrgott[451] einmal um das andere wohl stark heim. Erst das Hagelwetter, jetzt noch Hagelhans als neuer Bauer, der schindet sie lebendig. Auch Johannes konnte sich ähnlicher Gedanken nicht erwehren, vergaß jedoch die Pflichten der Gastfreundschaft nicht, hieß sich setzen und essen. Besondern Platz zu machen am Tische für die Gäste brauchte er nicht, denn kaum war die Tür frei, so war der ganze Haufe verschwunden, an das Essen dachte Keiner mehr. Sie hatten manchmal vom Hagelhans im Blitzloch reden hören als wie von einem greulichen Kobold und manchmal gewünscht, wenn sie ihn doch einmal sehen könnten, aber nur von weitem. Jetzt hatten sie ihn gesehen, nur zu nahe. Hagelhans hatte die alte Sünde nie ablegen können, sich den Leuten als den zu geben, für welchen sie ihn nahmen, wendete oft größere Mühe an, sein Gutmeinen zu verbergen, als Heuchler anwenden, gutmeinend zu scheinen. Merkwürdig war, wenn er gegen diese Sünde kämpfte, wie bald das Gutmeinen hervorbrach und dann wieder desto greller die Bosheit, wie wenn am gewitterhaften Himmel bald die Sonne scheint, bald die Blitze zucken durchs schwarze Gewölke.

Er habe die Glungge nicht gerne in fremden Händen gesehen, und da er niemand hätte auf der Welt, der nach ihm frage, so habe er auch niemanden zu fragen, wenn es ihn gelüste, einige Kreuzer mehr oder weniger wegzuwerfen, bemerkte er dem Bodenbauer. Er würde gerne noch einige Handvoll nachwerfen, wenn er wüßte, was jetzt die alte Glunggenbäuerin im Himmel dazu sage und was sie für ein Gesicht mache, daß Hagelhans Glunggenbauer geworden! Nun könne er nicht alsbald aus dem Blitzloch fort, sondern müsse einen Pächter haben auf der Glungge. Man sei halt geschlagen mit solchen, aber der, welchen er gefunden, scheine ihm von den weniger schlechten zu sein, und noch dazu sei er Götti von einem Kinde des Pächters und solle sogar dessen[452] Vetter sein; da müsse man begreiflich ein Einsehen tun, auf die Gasse begehre er die Leute nicht zu bringen. »Uli ist dir schuldig und du warst sein Bürge. Nun wirst du nicht ferner Lust haben, die Finger in die Tinte zu stoßen; ich habe aber auch nicht Lust, einen Pächter anzustellen, den mir einer, sobald es ihm beliebt, auspfänden und bloß machen kann; ich mache dies lieber selbst, wenn es sein muß. Du hast den vorigen Akkord machen helfen, und jetzt mußt auch unsern machen helfen. Uli, der Vetter, hat das Zutrauen zu dir, weil der vorige so gut gewesen, und ich habe nichts dawider. Er soll nicht meinen, daß ich ihn übernehmen will. Aber vergessen muß man jedenfalls nicht, daß der Hof mich sechzigtausend Gulden kostet, nicht gerechnet, was ich verbauen muß; daneben mag ich es den Leuten gönnen, daß sie wieder aufkommen.«

Du alter Schelm, dachte Johannes, bist immer der gleiche Unflat, aber diesmal fängst du uns nicht; ehe wir eintreten, muß ich mit Uli reden. Die Bodenbäuerin hatte sich erholt, erfüllte ihre Pflicht als Wirtin wieder, und als man mit Essen fertig war, unterhielt sie sich mit Uli. Da sagte der Bodenbauer zu Uli: »Komm doch geschwind mit mir in den Stall, während es noch Tag ist; möchte dir ein Füllen zeigen und fragen, was du meinest, ob ich es fällen oder zum Hengst geraten lassen soll.«

»Weißt was,« sagte Hagelhans, »schick die Frau mit Uli hinaus, er ist hübscher als ich und lieber geht sie mit ihm in den Stall, als daß sie bei mir in der Stube bleibt. Hätte übrigens auch noch ein Wort mit dir zu reden.« Die Bodenbäuerin kriegte einen Kopf so rot wie ein Kupferkessel, aber eine Antwort wollte ihr nicht kommen.

Draußen erst brach es ihr los im Halse, und hageldick flogen ihr die Schimpfwörter aus dem Munde, daß die Kinder sagten: »Mutter, Mutter, um Gottes willen, was hast du? So[453] tatest du nie, mache die Haken auf am Göller, du erstickst ja! Herr Jeses, Herr Jeses, was hast?« »Das Ungeheuer, der Unflat, der Utüfel, was er ist! Daß doch einen Solchen Gottes Erdboden trägt! Ich habe von dem schon gehört, als ich ein junges Mädchen war, aber gesehen habe ich ihn nicht. Da war nichts Schlechtes, was man ihm nicht nachredete, der Schlechteste war er, der je in einer Menschenhaut über die Erde lief. Den schönsten Mädchen lief er immer nach, und wenn sie nichts von ihm wollten, verfolgte er sie schrecklich, sie waren ihres Lebens nicht sicher vor ihm. So machte er es der Glunggenbäuerin, noch viel schlechter soll er es deiner Frauen Mutter gemacht haben. Man erzählte Sachen, ich darf sie nicht denken, geschweige aussprechen. Er quälte sein Lebtag alle Menschen; Teufel und Hagelhans sind wie Brüder, wer besser sei, weiß man nicht. Und jetzt muß der Unflat mir noch ins Haus kommen, mich beschimpfen, und wir sollen helfen euch ihm ins Netz jagen und unglücklich machen. Nein beim Hagel, der Utüfel muß doch auch er, fahren, was man auf ihm hält und daß man ihn kennt und daß nicht alle Leute sich vor ihm fürchten und daß er nicht machen kann bis zu allerletzt, was er will, der Unflat, der Utüfel! Daß ihr mir aber auch nicht ds Herrgotts seid, mit dem alten Unflat euch einzulassen, sonst halte ich mein Lebtag nichts mehr auf euch. Wir haben, wenn es sein muß, für euch zu arbeiten und zu essen. Was er an der Mutter nicht alles ausüben konnte, das wird er mit der Tochter treiben wollen, das Untier!«

So begehrte die Bodenbäuerin draußen vor dem Hause auf, daß man mit keinem Hämmerlein hätte dazwischenkommen können und es Uli ganz angst wurde, daß er nicht hineinging, bis es dämmerte und Johannes mit seinem Gaste herauskam. »Wie habt ihr das Füllen gefunden?« fragte Hagelhans, und der Spott zuckte ihm in jeder Runzel. »Geht und[454] seht selbst, Ihr versteht Euch besser darauf als ich,« schnellte die Bäuerin und fuhr ins Haus, als ob sie auf einem Hexenbesen säße, der Rest ihr nach bis an Uli, der nicht wußte, sollte er auch gehen oder sollte er bleiben.

»Kannst es ihm jetzt sagen,« sagte Hagelhans zum Bodenbauer. »Uli,« sagte der Bodenbauer, »wir haben einen Akkord abgeredet, ich soll ihn ausfertigen lassen, wenn du damit zufrieden bist; ich denke aber Ja, ich hätte ihn mir nicht besser erdenken können, wenn ich schon gewollt hätte. Du bekömmst den Hof auf zehn Jahre, die gleichen Zugaben, brauchst hundert Taler weniger Zins zu zahlen und kannst einen Zins immer verzinsen, wenn du das Geld zum Betrieb brauchst. Auszurichten hast du nichts als den Bauer zu speisen, wenn er da ist, und will er das Stöcklein beziehen, welches er sich vorbehalten, so macht sich dies dann besonders. Das ist die Hauptsache, damit, denke ich, kannst du wohl zufrieden sein.«

Uli wußte nicht, was er sagen sollte, war das, was er hörte, ein Glück oder eine Mäusefalle. Endlich frug er: »Und mit den Schulden, wie ist dies?« »Der neue Bauer übernimmt sie,« sagte der Bodenbauer. »Ich wollte zuerst sie nicht abtreten, aber als er es nicht anders haben wollte, machte ich es mit ihm, daß er sie die ersten fünf Jahre nicht absagen darf, bis dahin wirst du dich hoffentlich erholen können.« Da Uli mit der Sache immer noch tat wie mit einem vortrefflichen Bissen, mit dem man aber den Mund zu verbrennen fürchtet und ihn daher erst von allen Seiten anbläst, so sagte der Alte, der den Handel wohl merkte und dem der Spott im ganzen Gesichte herumfuhr wie ein Schwärmer durchs Gras: »Wenn du nicht weißt was du willst, so besinne dich. Gehe das Land auf, das Land ab bei jedem Babi zRat, dann sage ab oder zu, wenn ich noch lebe! Gut Nacht!« Uli mußte mit, da sie in einer Stube schliefen, konnte es aber lange nicht zum Schlafen bringen.[455]

So hatte es aber auch der Bodenbauer. Der Bodenbauer war den berüchtigten Gardinenpredigten ganz entwöhnt. Mann und Frau lebten so einig, verstunden sich so gut, daß ein Blick, ein Wort genügte, sich zu verständigen. Aber wohl, diesen Abend brach eine los, daß der Mann lange seinen Ohren nicht traute, nicht wußte, kam sie wirklich von seinem Weibe oder von einem bösen Geiste.

»Mit einem solchen Utüfel und Untier machst du gemeine Sache,« brach es bei der Frau los, »um zu deinen paar Batzen zu kommen und die armen Leutchen um alles zu bringen, nicht bloß um das Geld! Das wird die Leute wundern, wenn sie vernehmen, was der Bodenbauer, vor dem sie so lange Respekt gehabt, für einer sei, und lange Zeit werden sie nicht wissen, ist er zu einem Esel geraten oder zu einem Schelm und untreuen Manne. Mich selbst nimmt es wunder für welchen von beiden man in Zukunft ihn halten solle.« Das ist so gleichsam der Text, über welchen die Bodenbäuerin predigte. Die Predigt war viel länger und bündiger.

Endlich konnte der Bodenbauer sagen: »Frau, du gibst dir viel zu viel Mühe, die Sache ist anders, ganz ds Gegenteil!« Potz Himmeltürk, bisher war der Bodenbauer im einfachen Plotonsfeuer gewesen, jetzt kam er unter Vierundzwanzigpfünder. Wer mal dabeigewesen ist, wenn die krachten, der weiß, was dreinreden hilft. Endlich sagte der Bodenbauer, als ihm schien, die Munition sei am Ausgehen: »Du tust wie ein trunkenes Fraueli, weiß gar nicht, was dich ankömmt. Habe dich nie so gesehen als sechs Wochen nach der Hochzeit, da du einmal eifersüchtig wurdest auf deine eigene Großmutter. Wann du ausgeredet hast, so sags. Ein Wörtlein möchte ich endlich doch auch dazu sagen.« Aber es surrete lange noch bei der Bodenbäurin, ehe sie sagte: »Nun, so rede! Es würde mich doch wunder nehmen, was du dazu zu sagen hast?«[456]

Der Bodenbauer setzte der Frau die günstigen Bedingungen der Pacht auseinander und frug, ob da böser Wille sein könne. »Du Tropf,« sagte die Frau, »daß du das nicht einsiehst, das ist gerade so wie beim Teufel; er verspricht alles, um nichts als nur arme Seelen in seine Klauen zu kriegen.« »Du hast unrecht, Frau,« sagte der Bodenbauer. »Der Mann hat sich in meine Hand gegeben und mir Sachen gesagt und aufgetragen, daß ich weiß, woran ich mit ihm bin, und daß vielleicht nicht Viele herumlaufen, welche bräver sind als der verrufene Hagelhans, und daß Uli ein glücklicherer Mann werden kann als bald einer.« »Was hat er dir denn gesagt?« frug die Bodenbäurin. »Ich mußte ihm versprechen, es niemanden zu sagen, bis er es mir erlaube«, sagte der Bodenbauer. »Ho, mir doch wirst du es sagen können«, sagte die Bodenbäuerin. »Darf nicht,« sagte der Bodenbauer, »er hat noch extra gesagt, dir solle ich es nicht sagen, und ich habe es ihm in die Hand versprechen müssen.«

Potz Himmel, wie ging da das Feuer frisch auf, und wer mal selbst solch Ehespektakel erlebt hat, kann sich den Gang des Stückes denken und wie manchen Aufzug es gab. Doch vielleicht ist selbst dem Erfahrensten das Ende überraschend. Der Bodenbauer hielt sein Wort; was er versprochen hatte, nicht zu sagen, das sagte er nicht. Das ist selten! Es mag der Welt unglaublich, ja unnatürlich scheinen, und doch ist es ganz einfach und naturgemäß. Der Bodenbauer hatte seiner Frau keine eigenen Geheimnisse zu verschweigen, darum konnte er fremde bewahren. Wer aber eigene Geheimnisse hat, sucht gerne mit dem Ausplaudern fremder Geheimnisse die seinen zu verdecken, die Weiber abzulenken.

Wir wollen offen sein und gestehen, der Schluß befriedigte die Bodenbäurin durchaus nicht. Die Bodenbäurin verarbeitete eine schlaflose Nacht, nicht eigentlich wegen der Neugierde, sondern, wie sie sagte, daß der Mann sie so wenig[457] liebe, ihr so wenig traue, daß er nach fünfundzwanzig Jahren ihr nicht sagen möge, was ihm gesagt worden sei. Als es endlich gegen Morgen ging, kam es ihr, denn sie war vernünftig wie selten eine, Versprechen sei eigentlich Versprechen und Ausnahmen seien Ausnahmen und Löcher ins Versprechen, und wo mal ein Loch sei, sei die Sache nicht mehr ganz. Ihr Mann hatte dem Hagelhans was versprochen, er habe aber auch ihr versprochen Treue und sonst noch viel. Sie begehre, daß er ihr halte, und sie glaube, er habe es getan; warum solle sie ihn verführen, daß er jemand anders nicht halte? Genau genommen sei das schlecht von ihr, und wenn er ihr abfalle, so geschehe es ihr ganz recht; dem Einen recht, dem Andern billig. Es tat der Bäurin sehr leid, daß es so lange gegangen war, ehe sie dies begriff, und als am Morgen der Mann erwachte, da bat sie ihn dringlich, daß er ihr doch nicht zürne. Da hätte er es bei einem Haar gesagt, denn er war noch schlaftrunken und die unerwartete Liebe war fast wie ein englischer Zapfenzieher, welcher alles öffnet. Zu rechter Zeit noch erwischte er das entspringende Wort beim Bein und sagte bloß: »Zähle darauf, die Sache kömmt gut. Mache Uli guten Mut, und einst werden die Leute das Maul offen vergessen und nicht Babi sagen können vor lauter Verwundern.«

Am Morgen wußte die Bodenbäurin nicht recht, wie sie mit Hagelhans umgehen solle. Hagelhans schlug ihr seine großen Augen ins Gesicht, so gleichsam als ein Blasenpflaster, welches wieder herausziehen konnte, was nicht drin sein sollte. Die Bäurin merkte gleich, was das sein solle, und sagte: »Habt nicht Kummer, ich habe einen wüsten Mann; eigentlich sind alle wüst, aber meiner vor allen, sagt mir nichts, als was er gerne will. Nun, ich bin auch nicht halb so neugierig, es wäre mir ein Leid, wenn ich alles wissen müßte, was mich nichts angeht. Es gibt dagegen Sachen, welche man gerne wüßte und wo dies wohl zu verzeihen[458] ist. Wenn man zum Beispiel jemanden für gutmeinend halten soll, den man für einen Unflat gehalten, so wäre einem ein Warum doch vielleicht erlaubt.«

»Auf ein Warum von der Frau paßt nichts besser als ein Darum vom Mann. Das ist der wahre Mannsbrauch«, sagte Hagelhans. »Wie weit kam Mancher mit solchen Bräuchen?« antwortete die Bodenbäuerin mit sanfter Stimme, aber dem bekannten Weiberblick, welchen sie an die Worte heften, welche zünden sollen, gleich wie das berühmte griechische Feuer ehedem auch mit Pfeilen geschossen wurde. Da tat der Hagelhans seine Augen wieder weit auf und sagte: »Habe er es dir nun gesagt oder nicht gesagt, so bedenke, daß wenn ein Wort von dem geschwatzt wird, was ich ihm gesagt, aus allem nichts wird, du aber dein Lebtag reuig wirst, so wahr ich Hagelhans heiße. Jetzt mache, was du willst.« Die Weiber haben zuweilen ein eigen Geschick, zu treffen aufs Geratewohl, daß man meinen sollte, sie kennten das Ziel und hätten scharf gezielt, und ist doch all nichts. Die Bodenbäuerin beteuerte umsonst, sie wüßte wahrhaftig nichts, Hans traute nur halb. »Mach, was du willst,« sagte er, »aber zähl darauf, was ich gesagt, das halte ich.« Der Bodenbauer, der jetzt mit Uli das Füllen besehen hatte und mit ihm in die Stube kam, machte dem Gespräch ein Ende.

Hagelhans pressierte mit dem Aufbruch; die Sach sei gemacht, Gschwätz trag nichts ab, die Zeit, welche vorbei sei, sei vorbei und nicht mehr zu gebrauchen, sagte er. Er nahm Uli mit fort, trennte sich aber bald darauf von ihm und marschierte dem Blitzloch zu. Wann er wiederkomme, wisse er nicht, sagte er, sie sollten alle Tage seiner gewärtig sein.

Uli ging heim, als wäre er trunken. Also war er wieder Pächter auf der Glungge und unter Bedingungen, wo es ihm fast nicht fehlen konnte, und doch wüßte er nicht, sollte er sich freuen oder nicht; es war ihm etwas Dunkles im Hintergrunde,[459] von dem er nicht wußte, war es gut oder bös. Bald kam ihm sogar der Johannes verdächtig vor, der erst so bedächtig getan und dann so stark eingeredet, und am Morgen sogar die Frau; es war gleichsam, als hätten sie kalt und warm aus einem Munde geblasen.

Mit großer Spannung harrte seiner Vreneli, lief ihm weit entgegen, als es ihn von ferne sah. »Und du bangst noch?« sagte es, als es alles vernommen, »bist du so mißtrauisch geworden? Hast den Glauben so gutmütig auf jeden faulen Stock abgestellt, und jetzt ist dir kein Stein gut genug dafür. Sieh, Bodenbauers sollten wir aus ihren Werken erkennen, wegen einigen Talern verkaufen die uns nicht, und Vetter Hagelhans ist zu alt, um Bosheit mit uns zu treiben, sonst was wäre an uns nichts zu gewinnen. Glaube mir, das ist ein Anderer als Joggeli! Hagelhans kann einen Menschen totschlagen, aber den Wurm zertritt er nicht. Warum er es gut meint, weiß ich nicht, aber gut meinen tut er es, dafür wollte ich meine Hand ins Feuer halten. Den wildesten Menschen kömmt es manchmal an wie Heimweh, wenn sie alt werden. Sie hätten niemanden, klagen sie, und suchen jemanden, der Anteil an ihnen nimmt und dem sie zeigen können, daß sie doch noch Menschen sind. Vielleicht daß es Hagelhans auch so kam; dazu sind wir nicht ganz fremd, sondern verwandt, freilich nur entfernt, aber böse haben wir ihn nie gemacht und er ist Vrenelis Götti. So habe ich alles Vertrauen, und wenn er kömmt, will ich zu ihm sehen, als ob er mein Vater wäre. Mag kommen, was da will, so ist die Pacht gut, und zehn Jahre, denk, da läßt sich was machen, und daß die Sache recht gemacht wird, darauf kannst du zählen, der Bodenbauer ist lauter wie Gold. Was meinst, soll ich Eierkuchen backen heut abend und Nidle stoßen recht dick? Lange haben wir nichts Gutes gehabt, und das ist ein kleines Mählchen wert. Ei, wie werden die Kinder sich freuen, wenn[460] sie wissen, daß wir dableiben, den Anken riechen auf dem Feuer und die Nidle stoßen sehen. Möchte ja selbst springen und jauchzen wie ein Kind, weiß gar nicht, wie leicht es mir ums Herz ist!« So jubelte Vreneli kindlich, und große Freude war auf der Glungge selben Abend.

Quelle:
Jeremias Gotthelf: Ausgewählte Werke in 12 Bänden. Band 2, Zürich 1978, S. 450-461.
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