Neuntes Kapitel

[95] Uli steigt im Ansehen und kommt Mädchen in den Kopf


Und Uli tat so. Er blieb sparsam, ward immer anschlägiger und emsiger und wuchs zugleich an Weisheit und Verstand und an Gnade bei Gott und den Menschen. Es war recht[95] merkwürdig, auch äußerlich die Veränderung wahrzunehmen, die mit ihm vorgegangen. Er ging eigentlich erst jetzt recht aufrecht wie ein Mensch, man sah es ihm von weitem an, daß das kein Sauniggel sei; man nahm ihn sehr oft für einen Baurensohn und nicht für einen Baurenknecht, und zwar nicht bloß wegen der Kleidung und weil er eine silberne Uhrenkette hatte, sondern wegen seiner guten Haltung, seinem anständigen Betragen. Es redete jeder Bauer gerne mit ihm, fragte ihn: »Uli, was meinst?« Und seine Worte hatten eine Bedeutung. Er fühlte auch, daß sie eine Art von Gewicht erhielten; darum laferte er nicht mehr in den Tag hinein, sondern besann sich, was er sagte, wog seine Worte ab, so daß es schon hie und da hieß: »Ds Bodebure Ueli het gseit, er hets o gmeint.«

Er fühlte, daß er nicht mehr nur so ein arm Knechtlein sei, der nirgends sein sollte, sondern daß er in der Welt sich auf einen Platz gestellt, wo man ihn gerne sah, wo er etwas zu bedeuten hatte. Wie das alles so nach und nach kam und bei welchen einzelnen Anlässen, indem er dem Meister vor Schaden zum Nutzen war, Mängel an Rossen entdeckte, die der Meister kaufen wollte, günstige Witterung benutzte in seiner Abwesenheit usw., kann ich nicht erzählen, es wäre zu weitläufig. Er begann auch zu fühlen, daß man ganz anders auf die Erde trappe, auch sie mit andern Augen ansehe, wenn man ein Besitzer ist, als wenn man ein Habenichts ist. Es kömmt so eine Art ruhige Sicherheit, die bei Vielen in dummen Stolz ausartet, über den Menschen, wenn er angehängt hat an der Welt, das heißt wenn er Früchte seiner Arbeit, Ertrag seiner Kräfte vorgespart, Vorrat gewonnen hat auf künftige Jahre. Er fühlt: er ist nicht mehr ganz allen Winden, fremder Willkür preisgegeben, er ist schon selbständiger, mehr Herr seiner selbst. Er kann schon einige Krankheitswochen unbesorgt ertragen, kann einige Wochen ohne Meister sein,[96] das macht ihn zufriedener, gelassener; er schießt auch nicht mehr herum, wie wenn er in einer Wesperen wäre, denn mit der innern Ruhe nimmt auch die äußere zu, und in dem Maße, als er wirklich zufrieden in seinem Inwendigen wird, wird er auch zufriedener mit seinen Meisterleuten. Und je mehr er zu etwas kömmt, um so mehr erkennt er den Wert der Dinge, huset nicht nur für sich, sondern es reut ihn überhaupt, etwas zu vergeuden, er huset also auch den Meisterleuten, um so zufriedener werden diese auch mit ihm. Es stellt sich sein Name fest: er ist ein hauslicher, arbeitsamer Bursche.

Was dieser Name bedeute und wie jeder Name auch seine Versuchungen herbeilocke, so wie jede Blume ein Insekt, jede Frucht einen Esser, das sollte er bald erfahren. Der Titel »Es ist ein huslicher Bursche,« ist ein Lockvogel, und auf der Stelle finden sich, freilich nicht Insekten, sondern Mädchen ein, die den Vogel locken möchten.

Bei ihnen waren zwei Mägde, die Meisterjumpfere und die Untermagd. Die Erstere war griesgrämlich, gab nicht drei gute Worte im ganzen Jahr, häßlich, sie hatte haarichte Warzen im Gesicht und Blattergruben und rote Augen und weiße Lefzgen und eine blaue Nase; daneben war sie arbeitsam, sparsam und hätte für ihr Leben gerne einen Mann gehabt; aber ihre Liebe konnte sie nicht anders zeigen als durch Rauen und Knurren (so ein Gemisch von Hunde- und Katzengeschrei), und jedesmal rauete und knurrte sie mit dem am meisten, den sie am liebsten gehabt hätte. Es schien, als ob sie alle Augenblicke auf ihn schießen, ihn kneipen, kratzen oder beißen wollte. Die sagte: Erst wenn sie einen Mann hätte, sei es sich recht der wert, zu arbeiten und zu sparen; dann wolle sie zeigen, daß mit Husen sie Keine möge.

Die Andere aber war ein leichtfertig Ding mit leichtfertigem Gemüt, leichtfertigem Gesicht, leichtfertigem Leibe: alles schön rot und weiß angestrichen, glatt gerieben, und die Augen[97] wußte sie so süß zu stützen und den Mund so süß zu spitzen, daß es jeden dünkte, er müßte daran kleben bleiben. Sie putzte sich gerne, arbeitete um so ungerner, wußte nichts von Sparen; gut Leben war ihr um so lieber, aber am allerliebsten wäre ihr ein Mann gewesen. In einem Mann dachte sie sich Heil, Glück, Seligkeit, kurz alles beieinander. Die knurrte nicht und biß nicht, die wußte sich anlässig zu machen und strich an einem herum wie eine Katze, wenn sie bei guter Laune ist. Die meinte, wenn sie einmal einen Mann hätte, so wollte sie ihn lieb haben wie Keine, und dann wollten sie es sich recht wohl sein lassen. Es zwings kei Tüfel länger zu dienen, bis es einen Mann hätte; dann wolle es kochen, was ihm gschmöcke, und aufstehen, wenn es ihm gefalle.

Beide richteten ihre Augen auf Uli und wollten ihn glücklich machen, Beiden gefiel er. Die Erste meinte, der werde ihr husen helfen, die Zweite, der werde husen, daß sie mit ihm glücklich sein könne, das heißt daß sie nichts zu tun brauche und doch alles habe, nach was es sie gelüste.

Beide warfen ungefähr zu gleicher Zeit nach dem Glücklichen ihre Netze aus.

Stini zankte allemal mit ihm, wenn er in der Küche mit einem Schwefelholz oder auch mit einem Span die Tabakpfeife anzünden wollte: Seine Finger wären nicht zu vornehm, ein Köhli zu nehmen, er werde sie einmal nicht verbrennen darob. Es schnauzte ihn allemal an, wenn er in die Laterne wollte; bald füllte er das Ampeli zu sehr, bald kam ein Tropfen daneben. Er werde noch anders müssen husen lernen, sagte Stini. Seine Lederschuhe stunden oft eine Woche lang zum Salben in der Küche, Stini rührte sie nicht an. Es tue ihm sauft, die Holzböden zu tragen; was mangle er, um das Haus herumzustopfen, Lederschuhe? Das sei ihm eine neue Mode! Stini hoffte, wenn Uli keine Lederschuhe habe, so müsse er daheim bleiben. Wenn zuweilen nach dem Feierabend die[98] Knechte noch auf den Bänken vor dem Hause saßen, so jagte Stini sie ins Bett. »Kein Wunder,« sagte es Uli, »daß du am Morgen so dr Faulhung machst, wennd am Abe nie is Nest wottst; aus dir gibts dir Lebetag nüt.« Der Meisterfrau redete Stini beständig von Uli, aber unter lauter Schimpfen und Schelten; es war nichts recht, was er machte, so daß die Meisterin manchmal sagte: »Aber Stini, ich weiß gar nicht, was du über Uli hast; er tut doch niemand etwas zuleid und ist einer von den brävsten Bursche, wo es gibt, einen tölleren sieht man nicht.«

Ürsi machte es ganz anders. Ürsi flattierte, machte süße Büschelimüli, stund ganz nahe unter die Augen, hatte immer bei Uli was zu tun: entweder mußte es ihm helfen oder er ihm, es neckte ihn, bis er ihns anrühren, mit ihm ringen mußte. Bald wollte es ihm das Nastuch stehlen, bald eine Blume ab dem Hut, wollte ihm süße Äpfel zustecken oder teigge Biren. Beim Kornmähen wollte es ihm nachlegen und hatte immer ein gutes Wort für ihn auf der Zunge und eine Liebeserklärung in den Augen. Es wolle einen Mann, sagte Ürsi oft, und der solle es gut haben bei ihm; man lebe ja nur einmal, und da wäre man ja einfalt, wenn man miteinander bös haben nicht miteinander glücklich sein wollte.

Natürlich sagte es Beiden der weibliche Instinkt bald, daß sie Nebenbuhlerinnen seien, und jede suchte die Andere auszustechen.

Stini schimpfte über die Mannevölcher, welche einem jeden Schlärpli nachliefen und beim Weiben nur auf das Gfräß sähen, und sagte Uli, er sei gerade einer von den Dümmsten und Nichtsnutzigsten, er sei eigentlich gar nicht wert, daß ein braves Mönsch sich mit ihm abgebe. So einer, der so eim wie dem Ürsi, dem liederlichsten Uflat, nachsehe und sich mit ihm abgebe, dem sött me dHose achela. Mit so eim zähl es sich dann notti nicht zusammen. Wenn es schon kein solch Gesichtli[99] hätte, das man nicht an der Sonne brauchen könne, wenn es nicht abschießen solle, so hätte es doch zwei Dutzend Hemder und sieben Paar Sommerstrümpfe und fünf Winterstrümpfe (einer sei ihm verloren gegangen), vier Kittle, zwe verfluecht brav und zwe minger, und dann Geld hätte es auch noch, es sage nicht wieviel. Aber wenn es mit eim anfinge zu husen, so für zwei Bett und zwei Kühe und vielleicht für ein Schaf auch noch brauchte der keinen Kummer zu haben. Das wär doch dann öppis angers als son es Plätterfüdle, wo nit emal Geld hätte für Stroh z'kaufe, wenn es es einmal wischen möchte. Es könnte viel noch sagen, aber es sei kein so Anlässiges, das meine, es müsse einmal mannen; es hätte zu leben, und sein lediger Leib sei ihm auch noch etwas wert. Allbets hätte es schon lange einen Mann gehabt, und vor zwanzig Jahren hätte es mehr als einmal mannen können aber jetzt sei nichts mehr zu machen, unter Hunderten gäbe es keinen vernünftigen Bursch mehr; son e Mistmore sei heutzutage allen lieber als es bravs Mönsch mit einer guten Hinterlag. Zu einer solchen Rede machte es gewöhnlich ein Gesicht, daß man junge Katzen hätte erstecken können, und ließ Kräuel hervor, daß ein Lämmergeier schalus geworden wäre.

Ürsi war nicht halb so böse über Stini, sondern lachte und spottete über dasselbe, führte es aus, wie gerne es mannen möchte, aber gäb wie es seine Augzähne hervorstrecke einem Eber zTrotz, wolle ihm Keiner daran bhangen. Es schnürfle zNacht, daß es Späne absprenge an der Wand, und brülle manchmal geradeaus mitts in der Nacht. Und wenn es dann frage, was es so brülle, so schreie es: »Es het mr ertraumt, es heyg mih eine la hocke, u ih ha scho gmeint, ih heyg ne.« Hemder habe es in der Nacht an, wo siebni keinen Ofenwüsch gäbten; anstatt Gloschleni ziehe es Hudlen an einen Faden wie Bohnen, binde sie dann um den Leib und rühme, wie die grusam warm gäbten. Wenn es an einem Morgen Stinis[100] Strümpfe anziehen sollte, so könnte es die ganze Nacht aus Angst nicht schlafen, ob es je zum Fürfuß kommen konnte, denn an manchem Ort seien sie fast zringsum abenandere und hingen nur an einzelnen Fäden, daß es das größte Wunder sei, wie es sie noch an die Beine bringen könne. Es nähme es nur wunder, wo es mit dem Geld hinkomme; es schaffe nichts an und hätte doch nie fünf Kreuzer beieinander. Es wollte nur, es ließe sich einer anschmieren durch Stini und nähmte es, in der Hoffnung, er kriege eine reiche Frau; der könnte ihns lächern, wenn er Hudlen zu erlesen bekäme statt Geld zu zählen. »Uli, das wäre eine für dich,« sagte dann Ürsi, »da könntest du eine Nase voll usenäh, daß du den Säumist nicht mehr riechen würdest, nicht einmal den Kuhdreck; du hättest sie dein Lebtag voll genug von der Frau. Ich rühme mich nicht halb so als das Stinkloch; aber es wäre mir doch noch ein himmelweiter Unterschied, eine süferliche Frau zu bekommen, als so ein Mistloch, so ein ungewaschenes Tier; es gruset mich alle Nacht, wenn ich zu ihm ins Bett muß, und es kötzeret mich allemal, wenn es kochet und nicht die Meisterfrau.«

So führten die Nebenbuhlerinnen ihre Gefechte hinter ihren respektiven Rücken; indessen auch vorwärts schonten sie sich nicht, und Stini schimpfte Ürsi, und Ürsi verspottete Stini. Und Uli, den vernünftigen Kerli in seinem übrigen Betragen, hätte man vernünftig glauben sollen, glauben sollen, da werde es ihm nicht gehen wie einem Esel zwischen zwei Heuhaufen; und doch ging es Uli, dem verständig gewordenen Knecht, so. Es ist eine ganz merkwürdige Sache, wie der gescheiteste Kerli in allen Dingen der Welt beim Heiraten ein dummer Stöffel werden kann. Wie irgend ein Trieb im Menschen, eine verborgene oder schon offenkundig gewordene Lust durch ein Weibsstück fast wie mit einer Lunte entflammt werden kann, daß Feuer in ihm aufgeht, ins Dach[101] schießt und ihm wird, als müßte er mit diesem Stück glücklich werden und hätte die ganze Welt gerade nichts für ihn als dieses Stück, nichts Reiz für ihn mehr als dieses Stück, das sieht man alle Tage, und wer es hundertmal gesehen, den gibt es auch zu seiner Zeit, er ist an Andern nicht klug geworden. Man sieht tausend Ehen geschlossen werden, wo Tausende sagen mit aller Bestimmtheit: »So gewiß eins und eins zwei machen, werden die unglücklich«; alle pflichten bei, der Erfolg gibt ihnen recht, nur die Beiden oder wenigstens eins ist blind, hörlos, es schmeckt und riecht nichts. Irgend eine Begierde lag in ihm in noch unentwickelter Kraft, in mächtiger Anlage; ein Weibsstück tritt als Leben gebendes Element hin, zu, und nun entsteht eine Gärung, in welcher alle Besonnenheit untergeht, in welcher diese Aufwallung einzig den Willen bestimmt, alle sonstigen Rücksichten verdunkelt und einzig das ins Licht stellt, was Ziel jenes Triebes ist. Das ist allerdings eine sehr handgreifliche Erklärung vieler sogenannter Liebe. Aber man erkläre es mir anders, wenn die widerwärtigste Person wegen hundert Kronen geheiratet wird, das fäulste Schlärpli, weil es eine schöne Haut hat, die sinnlichste, üppigste Witwe, weil sie das Flattieren versteht, während aller früheres Leben, das meist den Betreffenden bekannt ist, ihre Umstände, ihre Anlagen die unglücklichste Ehe wie mir Kanonendonner predigen!

Kann man bei einem Menschen die Zeit dieser Gärung vorbeiweisen, ehe er ans Heiraten gekommen ist, so geht der Rausch vorbei; er erwacht wie aus einem Traume, es ist ihm, als ob die Augen ihm aufgingen, Schuppen von denselben fielen, ganz anders sieht er alles an, ganz anders rechnet er, und sein Dringlichstes ist, von seinem sogenannten Lebensglück sich zu befreien. Daher das Geschrei über verschwundene Liebe, über Untreue, daher die Trennung vieler Brautpaare, daher die noch zahlreicheren sogenannten unglücklichen[102] Ehen. Einen solchen Gärungsprozeß hat man halt für Liebe angesehen; es hat nun ausgejäset, der natürliche Zustand kehrt wieder: da ist nun keine Liebe mehr; was eins werden sollte, hat sich nicht binden wollen, sondern liegt ausgeschieden feindselig sich gegenüber.

Nun steckte in Uli noch immer der einige zwanzig Jahre alte Bursche, der beim Flattieren warm wird und ein hübsches Mädchen lieber hat als ein wüstes, dem die Sinnlichkeit zur Brille wird, mit der er ein Mädchen und das durch dasselbe zu erlangende Glück ansieht. Aber in Uli regte sich auch die Huslichkeit, der Trieb, etwas Selbständiges anzufangen, ein Meister zu werden. Einige hundert Kronen und eine sparsame Frau hatten daher eine eigene Bedeutung in seinen Augen; mit so einer glaubte er alles gewonnen und seine Dienstjahre um vieles abgekürzt.

Daher konnte er sich nicht enthalten, mit Ürsi zu tschänzlen, zu denken, es sei doch ein liebes und gutes Meitschi, und mit ihm würde er ein gut Leben haben. Und er spielte oft in Gedanken mit diesem Leben und wie er und Ürsi es treiben, wie sie miteinander Kilbi haben und einen Haushalt führen wollten. Dann kam ihm wieder vor, daß man am Ende von der Hübschi nicht leben könne und daß Ürsi nicht nur nichts habe, sondern noch hoffärtig sei, zu ihren Kleidern nicht recht Sorge tragen könne, wie es eben nicht das Eifrigste in der Arbeit sei. Indessen, dachte er, daran könnte er es gewöhnen. Dann kam ihm aber auch Stini in Sinn, und es kam ihm vor, als ob er es mit demselben viel besser machen würde. Stini hatte Geld, war werchbar und huslig. Freilich war es hässig; aber daran gewöhne man sich, dachte er, daß man es zuletzt gar nicht mehr achte. Es war sehr wüst; aber dann dachte er wieder, zletzt sei eine Frau wie die ander, es könnten nicht alle schöne Weiber haben, und Mancher würde seine schöne Frau an eine wüstere tauschen, die aber minder hoffärtig und[103] werchbarer wäre. Dann schwatzte er wohl mit Stini und ließ sich mit ihm an; dann grinste Stini ihn noch grimmiger an, es war fast, als ob die Haare sich ihm zu Berge stellten, und zankte ihn noch einmal so innig und inbrünstig aus und sparte die Uflät und wüeste Hüng nicht, während es noch einmal so wenig Mehl und Anken in die Suppe tat. Dann dachte Uli, es sei doch wahrhaftig nicht alles, mit einer Frau leben zu müssen, deren Freundlichkeit Sauersehen, deren Wohlmeinenheit Zanken sei, und wenn sie ihm nichts gönne und er bei ihr keine Leute haben könnte, ob er nicht ein geschlagener Mann wäre, und was ihm dann das Schübeli Geld hülfe?

So wurde Uli von zwei Gewalten angezogen und abgestoßen; immer dringlicher kam es ihm vor, sich bald zu entscheiden, denn es schien ihm, als ob er nach und nach veralte und daß wenn er sich nicht bald entscheide, es bei ihm mit dem Heiraten vorbei sein werde, so einen Alten Keine mehr nähme. Denn man kömmt sich heutzutage viel früher alt vor als ehemals; der Schnuderbube will schon ein Mann sein, was kann daher ein Mann anders sein als ein Greis? Ehedem schämte sich einer, zu heiraten vor dem dreißigsten Jahre, jetzt rümpfen die Meitscheni die Nase, wenn einer über fünfundzwanzig ist, und nehmen am liebsten mit den Flaumbärtigen von achtzehn bis zwanzig vorlieb. Das gibt einen guten Begriff, wie witzig die heutigen Mädchen sind und für was sie die Ehe ansehen und wie wenig sie darnach fragen, was Kinder mit Kindern anfangen sollen.

Glücklicherweise für Uli wurde in diesem Hause nicht geduldet, daß die Dienstboten sich nächtlich besuchten; zudem waren die beiden Nebenbuhlerinnen in einem Bette, da wäre jedenfalls ein strubes nächtliches Besuchen gewesen. Aber eben dieser Hemmungen wegen suchten sie ihn um so eifriger bei Tage auf, denn auch bei ihnen wuchs der Drang, die Vereinigung[104] zu beschleunigen, Ulis sicher zu sein. Deswegen war Uli nirgends sicher. Im Stall beim Melken, im Futtergang beim Füttern, auf der Bühne beim Futter rüsten, beim Grasen und Misten schlich sich bald Stini, bald Ürsi herbei, Stini zankend, Ürsi liebelend. Aber kaum war Stini da, so war auch Ürsi nicht weit, trennte entweder die Zwiesprache oder plagte Uli später deswegen. Und kaum war Ürsi dem Uli an einem Ort unter die Augen gestanden und blinzelte mit den Augen zu ihm auf, so schoß Stini daher wie aus einer Büchse, ließ die Milch ins Feuer laufen, schnüzte wie eine taube Katze, warf mit ungschämten Mönschern um sich und Fotzelbuben usw.

Je länger je ungerner ließ Ürsi und Stini sich vertreiben, immer mehr hielten sie einander stand, hielten sich gegenseitig die wüstesten Sachen vor, und Eine drohte der Andern immer, beim Meister sie zu verklagen: es nähmte sie wunder, ob er denn ein solches Zök und Gschleipf dulden wolle? Der Meister und die Meisterfrau sahen das Ding schon lange und allerdings immer mehr mit Unwille, denn es störte den Gang der Arbeit, und weder Stini noch Ürsi hatten Sinn für ihre Geschäfte, vergaßen alles unter den Händen, auch Uli bösete es. Die Meisterin meinte schon lange, Johannes sollte doch mit dem Uli reden; sie hätte schon manchmal den Mägden abgeputzt, aber es sei nur, wie wenn sie Öl ins Feuer schütte, es dunke sie, dieselben würden alle Tage stürmer, und sie hätte afe Kummer, Stini werde ein Narr, es hätte letzthin afe pläret, und das hätte es noch nie getan, so lange sie es kenne. Ürsi, selbem tue es nichts, das denke: Gits nit dä, su gits e angere. Johannes sagte, es sei ihm zuwider, mit Uli zu reden, er hätte ihm noch nichts davon gesagt; aber wenn es nicht gute, so werde es doch sein müssen, so könne es nicht länger gehen.

Uli kam die Sache auch immer peinlicher vor. Er schämte sich nach und nach seiner beiden Schätze, die Gärung war[105] am Verrauchnen; Eine war der Andern im Wege gestanden, und Beide hatten dem Uli Zeit verschafft, wieder zu sich selbst zu kommen. Er begann nach und nach, die Zwiesprachen zu vermeiden; desto hitziger stellten sie ihm nach, desto wüster sagten sie einander. Er war ohne Laterne im Stall, desto emsiger suchten sie ihn. Einmal gab er den Rossen über Nacht, und kaum hatte er angefangen, so war Ürsi da und schätzelete mit ihm und fragte endlich ganz bedauerlich, was er auch habe, er sei nicht mehr der Gleiche. Daran sei nur Stini schuld, aber dem solle es gezeigt werden, es wolle Stini dahin helfen, wohin es gehöre. Und wie Ürsi das sagte, fing es draußen an zu poltern, zu plätschern und dann so wunderlich zu tönen und zu möggen. Ürsi jauchzte auf und schrie: »Es hets, es hets!«, lief hinaus, und Uli zündete nach; aus dem Hause liefen die Leute herbei, und da fanden sie Stini im Mistloch, das triefende Haupt aus der schwarzen Jauche emporstreckend und gar erbärmlich schnopsend, hustend und brüllend in allen Tönen. Es konnte nicht selbst heraus, und niemand mochte das triefende Mensch anrühren. Die ganze Haushaltung stund ums Loch herum; niemand konnte sich des Lachens enthalten, selbst die Meisterin mußte auf die Seite, weil sie nicht mehr Meisterin ihrer Mienen war. Stini streckte beide Hände empor und begann zu fluchen. Ürsi lachte immer lauter, Stini brüllte immer wüster: Es wolle es Ürsi zeigen, sobald es heraus sei, denn das Mönsch und niemand anders hätte das Loch abgedeckt, daß es auf dem Weg zum Brunnen hätte hineinfallen müssen. Während die lachten und fluchten, wollte niemand zugreifen; der Eine redete vom Misthaken, der Andere von einer Schoßgabel, der Dritte meinte, man solle es mit Pulver heraussprengen. Endlich erbarmte sich der Meister, nahm einen drei bis vier Fuß langen Knebel, hielt ihn an einem Ende und gab Uli das andere, und Stini mußte nun mit beiden Händen diesen Knebel in der[106] Mitte fassen. So hoben sie mit Anstrengung aller ihrer Kräfte Stini langsam aus dem Loch empor.

Man kann sich keine Vorstellung machen, was das im Scheine der Laterne für ein Luegen war, als die von Jauche triefende Gestalt, in schwarzen Kot gehüllt, mit den roten Augen, der blauen Nase, den weißen Lippen so nach und nach aus dem schwarzen Loch tauchte und schwarze Ströme nach allen Seiten aus ihren Kleidern sich ergossen, bis sie endlich wie ein eigentlicher Drecksack auf festen Boden gestellt werden konnte. Die Zuschauer wollten sich fast am Boden herumwälzen vor Lachen. Aber kaum fühlte Stini festen Boden, so stürzte es zsämefüeßlige wie eine Hyäne auf Ürsi los. Dieses, laut aufschreiend, wollte fliehen, aber schon war es von Stini umkrallt, an den Züpfen zu Boden gerissen; auf dem schönen Ürsi wälzte sich der Drecksack, dessen gräßliche Finger wühlten in seinem glatten Gesicht, und wie das gestrählte Ürsi der tusig Gottswillen um Hülfe schrie, schrie wie am Messer, es kam ihm niemand zu Hülfe, niemand mochte Stini anrühren, das bei jeder Bewegung Jauche weit um sich her spritzte. Da mußte endlich Ürsi sich wehren, und Stini schrie auf, und sie wälzten, verschlungen, zu einem Knäuel geballt, sich am Boden. Von ferne hörte man Schritte; die Meisterin sagte, wenn man die Möntscher nicht bald voneinandertun wolle, so wolle sie es selbst tun. Das durfte man sich nicht zweimal sagen lassen, man suchte Ürsi zu ergreifen. Aber Ürsi war um nichts sauberer als Stini; wer zugriff, wurde besudelt, und als Uli helfen wollte, wären Beide bald über ihn hergefallen, an allem sollte er schuldig sein. Stini fluchte, daß er es habe ins Loch sprengen helfen, und Ürsi, daß er ihm Stini angereiset, und wenn der Meister nicht aus Angst vor den nach und nach sich nähernden Nachbarn die beiden Unholdinnen ins Haus gewiesen hätte allen Ernstes, so hätte Uli mit ihrem Zorn noch härter zu kämpfen gehabt als mit ihrer Liebe.[107] Wie die beiden Liebhaberinnen ausgesehen, wie sie zusammen ins Gaden gekommen und dann endlich auch ins Bett, das muß ich der Einbildungskraft meiner Leser überlassen. Nur das kann ich sagen, daß ihr Anblick Uli wirklich über den Magen kam und er von Stund an von Beiden genug hatte. Sie fühlten es Beide auch selbst, daß das Ding ein Ende haben müsse, und erneuerten nur sehr schwach ihre Versuche. Stini tröstete sich damit, das verfluchte Mönsch überkömm ihn emel auch nicht, und Ürsi faßte sich, im Vertrauen, es gebe noch Andere als Uli und wenn ein schönes Meitschi einen Mann wolle, so brauche es nur den kleinen Finger zum Fenster hinauszustrecken, so hingen ihm zehn daran; einen jedern nehme es aber auch nicht, es sei nicht gewachsen, für an einem Orte der Schuhwisch zu sein.

Aber ganz war Uli die Lust zum Weiben noch nicht vergangen; es dünkte ihn noch immer, es wäre jetzt Zeit und er hätte nichts mehr zu versäumen.

Quelle:
Jeremias Gotthelf: Ausgewählte Werke in 12 Bänden. Band 1, Zürich 1978, S. 95-108.
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