Zweites Kapitel

[12] Ein heiterer Sonntag in einem schönen Baurenhause


Der Sonntag kam am Himmel herauf, hell, klar, wunder schön. Die dunkelgrünen Gräslein hatten mit demantenen Kränzlein ihre Stirnen geschmückt und funkelten und dufteten als süße Bräutlein in Gottes unermeßlichem Tempel. Tausend Finken, tausend Amseln, tausend Lerchen sangen die Hochzeitlieder; weißbärtig, ernst und feierlich, aber mit den Rosen der Jugend auf den gefurchten Wangen, sahen die alten Berge als Zeugen auf die holden Bräutlein nieder, und als Priesterin Gottes erhob sich hoch über alle die goldene Sonne und spendete in funkelnden Strahlen ihren Hochzeitsegen.

Der tausendstimmige Gesang und des Landes Herrlichkeit hatten den Bauer früh geweckt, und er wandelte andächtigen Gemütes dem Segen nach, den ihm Gott beschert hatte. Er durchging mit hochgehobenen Beinen und langen Schritten das mächtige Gras, stund am üppigen Kornacker still, an den wohlgeordneten Pflanzplätzen, dem sanft sich wiegenden Flachse, betrachtete die schwellenden Kirschen, die von kleiner Frucht starrenden Bäume mit Kernobst, band hier etwas auf und las dort etwas Schädliches ab und freute sich bei allem nicht nur des Preises, den es einsten gelten, nicht nur des Gewinnes, den er machen werde, sondern des Herren, dessen Güte die Erde voll, dessen Herrlichkeit und Weisheit neu sei jeden Morgen. Und er gedachte: wie alles Kraut und jedes Tier jetzt den Schöpfer preise, so sollte es auch der Mensch tun, und mit dem Munde nicht nur, sondern mit seinem ganzen Wesen, wie der Baum in seiner Pracht, wie der Kornacker in seiner Fülle, so der Mensch in seinem Tun und Lassen. »Gott Lob und Dank!« dachte er, »ich und mein Weib[12] und meine Kinder, wir wollen dem Herren dienen, und er braucht sich unser nicht zu schämen. Wir sind wohl auch arme Sünder und haben nur einen geringen Anfang der Gottseligkeit, aber wir haben doch ein Herz zu ihm und vergessen ihn nie einen ganzen Tag lang und essen nichts, trinken nichts, daß wir ihm nicht danken, und nicht nur mit Worten, sondern von Herzensgrund.«

Aber wenn er des Uli gedachte und wie der liebe Gott ihn so fürstlich ausgestattet mit Gesundheit und Kraft und wie Uli seines Schöpfers so ganz vergesse, so schnöde seine Gaben mißbrauche, so wurde er ganz wehmütig und stund oft und lange still, sinnend, was er ihm wohl sagen solle, daß er wie, der werde ein Preis seines Schöpfers. Es war ihm an seiner eigenen Seele viel gelegen, darum an den Seelen Anderer auch, und wie er teilnahm, wenn ein Knecht oder eine Magd am Leibe krank war, so schmerzte es ihn auch, wenn er ihre Seelen in Gefahr sah, und wie er für kranke Diensten den Doktor kommen ließ, so suchte er auch ihre kranken Seelen zu doktern. So was ist nicht immer der Fall. Den meisten Menschen ist an den eigenen Seelen nichts gelegen, darum auch an den Seelen der Andern nicht. Das ist ein Grundübel dieser Zeit.

So verweilete sich der Bauer unvermerkt, und die Mutter hatte schon lange gesagt, sie wollte zum Essen rufen, wenn der Ätti da wäre. Als er zur Küchetüre ein kam mit der freundlichen Frage, ob sie gekochet hätten, und als ihm die freundliche Antwort wurde, man hätte schon lange essen können, wenn er dagewesen wäre, mit wem er sich wohl wieder verdampet hätte, und als er ernsthaft sagte: »Mit dem lieben Gott.« so kam seiner Frau fast das Augenwasser, und sie sah ihn gar sinnig an, während sie den Kaffee einschenkte und die Mägde die Knechte riefen und das Essen auf den Tisch stellten.

Aus tiefem Schweigen heraus frug der Bauer: »Wer geht[13] zKilche?« Die Frau sagte, sie habe es im Sinne und deswegen schon züpfet, damit sie zu rechter Zeit hinkommen möge, und in ihre Stimme fielen mehrere Kinderstimmen: »Mutter, ich will mit!« Zwei Knechte aber und zwei Mägde blieben stumm. Auf die Frage, ob denn Keines gehen wolle, fehlte es dem Einen an den Schuhen, dem Andern an den Strümpfen. In Keinem war der Trieb, zu gehen, aber Ausreden dagegen in Menge. Da sagte der Bauer: So könne das nicht mehr gehen; das komme ihm doch streng vor, daß sie zu jedem Geläuf Zeit hätten, aber nie zum Kilchengehen. Am Morgen sei Keins vom Hause wegzubringen, und am Nachmittag sei es, wie wenn man sie mit Kanonen davon wegschösse, und bis am späten Abend sei Keins mehr zu sehen. Das sei ihm eine schlechte Sache, wenn man nur Sinn hatte für alles Narrenwerk, aber keinen für seine arme Seele. Und er wolle ihnen gerade heraus sagen, daß kein Meister einem Dienst trauen könne, der Gott aus dem Sinn geschlagen habe und Gott untreu geworden sei. Wenn ein Mensch Gott untreu sei, ob man dann erwarten könne, daß er Menschen treu sein werde? So wolle er es aber nicht, und heute hätten sie gar keinen Grund, daheim zu bleiben, nur um ums Haus herumzustopfen. Zudem habe er Sachen zu verrichten. Er müßte vierzig Pfund Salz haben; das könnten die beiden Mägde holen und einander ablösen. Hans Joggi (der andere Knecht) solle in die Mühle und fragen, wann man Spreuer haben könne; er wollte lieber nicht allemal auf Bern fahren, und der Müller gäbe seine eigenen Spreuer ihm selber und nicht andern Leuten.

»Aber Vater,« sagte die Mutter, »wer kochet dann zMittag, wenn du alles fortjagst?« »He,« sagte »der Vater, ds Annebäbeli (sein zwölfjähriges Mädchen) kann dazu sehen, es muß sich auch gewöhnen, daß man ihm etwas überläßt, und hat noch Freude daran. Uli muß mit mir daheim bleiben; ich weiß nicht, was es mit dem Kleb geben kann, er fängt an einzufallen[14] und hat vorhin so trätschet; ein Kalb ist manchmal ungesinnet da, und dann geht es bös, wenn niemand dabei ist.« Zu den Worten schaute er die Mutter gar ernsthaft an. Da fiel dieser ein, daß der Vater mit Uli allein sein wolle, um mit ihm zu reden, und daß er deswegen alles fortschicke, damit die gwundrigen Jungfern nicht ihre spitzigen Ohren an Orten hätten, wo sie nicht sollten. Und sie musterte also bald die beiden Mägde, die gar langsam herumdrehten und es sichtbar an den Tag legten, wie zuwider es ihnen sei, in die Kirche zu gehen und sich jetzt schon zu waschen und zu strählen, aus Furcht, nachmittags sehe man ihnen beides nur noch halb an und die schön glatt und rot geriebene Haut sei wieder gelb und schlumpelig geworden. Und zweimal eigentliche Toilette zu machen, ist bei Baurenmägden doch noch nicht Brauch, Gottlob; sie sehen höchstens im Spiegel nach, so oft es sich schickt, wie das Ding noch hält und ob das Trädeli vorn an der Stirne noch schön kruslet sei. Dem Knecht war es auch nicht recht: Er hatte noch nicht bartet, sagte er, und sein Messer haue nichts; er hätte gedacht, diesen Sonntag überzuspringen und es dann während der Woche schleifen zu lassen. Allein der Meister sagte, er könne diesmal seine Rustig nehmen und hier in der Stube barten, er selbst könne es nachher machen. Diese Befehle waren unwiderruflich, aber ihnen zu folgen, ging hart. Die Mutter mußte zehnmal mahnen. Bald wußte eine den Waschlumpen nicht, die Andere hatte einen ihrer Sonntagstrümpfe vernistet, und als sie den endlich fand zwischen dem Strohsack und der Bettstatt, sah sie zu ihrem Schrecken, daß sie ihren bessern Lumpen nicht hätte, und der war nirgends zu finden. Sie hätte fast Mut gehabt, dem Bauer zu trotzen und nicht zur Kirche zu gehen; allein die Andere, mit der sie zufällig heute einig war, warnte sie und versprach ihr, den ihren ihr zu leihen, wenn etwa Not an Mann kommen sollte, da man in der Kirche nicht wohl[15] weder in die Finger noch in das Fürtuch die Nase stecken dürfe.

Die Bäurin war schon lange fertig, hatte ihrem Johannes »Bhüet dih Gott!« gesagt und »Machs nit z'ruch!«, dem Annebäbeli anbefohlen, nicht zu viel Holz anzulegen, das Fleisch sei von einer jungen Kuh und der Pfarrer mache zuweilen wohl lang, besonders wenn zu taufen sei, und stund mit zweien Kindern, von denen das eine, ein Bube, das Psalmenbuch trug, vor dem Hause, und immer waren die Mägde noch nicht da: der einen wollte sich das Mänteli nicht recht schicken, und die andere ribsete noch an einem Schuh, der halt nicht glänzender werden wollte, als es seine Art war. »Meieli,« sagte die Bäurin, »geh und sage ihnen, ich gehe voran, und sie sollten nachkommen und machen, daß sie in der Kirche seien, ehe es verläutet habe, und nicht so hintendrein in die Kirche schießen wie aus einer Büchse.« Und sie wandelte stattlich voraus, den hübschen Buben an der einen Hand, das hübsche Mädchen an der andern; in des Buben Kappe ein Pfingstnägeli, um dessen Hals ein rotseidenes Halstuch; das Mädchen unter einem schönen Schaubhütli, ein schönes Meieli im Corset, während in der Mutter stattlichem Brustlatz ein schöner Rosmarinstengel sich wiegte und in ihrem Gesichte wohl erlaubte Mutterfreude.

Eine Viertelstunde nachher schossen den gleichen Weg zwei Mädchen mit Gesichtern wie angelaufene Krebse. Plötzlich stand das größere still und fragte: »Hast du das Salzsäckli?« »Nein,« sagte das andere, »ich habe gedacht, du hättest es.« »Das verfluchte Salzsäckli!« sagte das erste, »ich wollte, der Meister müßte es unküchelt fresse. Du mußt gehn und es holen. Aber lauf, was du magst, sonst balget die Meisterfrau, wenn wir so hintendrein kommen.« Es ging hier auch wie allenthalben in der Welt, die Meisterjungfere hatte es vergessen, die untergebene Magd mußte die Mühe haben, es zu holen,[16] und das ist eben in der ganzen Welt so: wenn der Obere etwas Dummes macht, so soll der Untergebene daran schuld sein oder es wieder gut machen.

Unterdessen war der Meister mit Barten fertig geworden, hatte im Stall sich umgesehen, stund im Schopf, eine Pfeife stopfend und Sinns, auf das Bänkli vor dem Stalle sich zu setzen und hier dem Uli, der noch im Stall war, ans Herz zu greifen. Während er so dastund und stopfte und über das Kapitel sann, sah er ein Wägeli von der Straße ablenken, ein stattlich Roß davor mit schön beschlagenem Geschirr, Leute darauf, große und kleine. Bald erkannte er seine Schwester, die mit seinem Schwager kam und drei Kindern, eines noch an der Brust. Mit herzlichem Gottwillche trat er ihnen entgegen, konnte sich aber nicht enthalten, zu denken, es sei doch ds Tütschels Sach, daß seine Frau heute hätte zKilche gehen müssen. Nachdem mit Mühe das Weib den schweren Weg vom hohen Wägeli auf den Boden gefunden, die Kinder ebenfalls, wurde gefragt: Wo er seine Alte habe? Es sei alles zKilche, sagte er, aber sie sollten nur hineinkommen, sie werde bald wieder da sein. Er führte sie zum Hause; doch brachte es der Schwager nicht übers Herz, dem Uli, der das Roß abgenommen hatte, nicht in den Stall nachzugehen, zu sehen, wo er das Roß hinstelle, wie er es abschirre und anbinde, und zu hören, wie Uli es rühme. Das Letztere tat Uli auch. Es war ihm offenbar ein Stein vom Herzen gefallen, denn er hatte des Meisters Absicht wohl gemerket, und daß diese jetzt vereitelt war, machte ihn freundlicher, als er die ganze Woche gewesen. Drinnen hatte der Bauer seinem Meitschi befohlen, ein Kaffee zu machen. Er selbst ging in den Keller, nahm Nidle ab, hieb Käse ab und brachte alles nebst einem tüchtigen Laib Brot herauf und stellte es dem Mädchen zur Verfügung, das sich gar emsig rührte und für ein ganzes Königreich diese Gelegenheit, der Mutter und der Gotte zu zeigen, was es schon[17] verrichten könne, nicht gegeben hätte. Bald war in der Tat die Sache zweg, und die Gotte ermangelte nicht, das Annebäbeli zu rühmen, wie gleitig es sei und wie guten Kaffee es gemacht habe. Einmal ihr Lisabethli wäre das nicht imstande gewesen und sei doch siebenundzwanzig Wochen älter.

»Trini,« sagte später der Bauer seiner Schwester, »dPredig ist aber lange nicht aus und du tätest mir ein Gefallen, wenn du kücheln wolltest. Meine Alte wird froh sein, wenn sie heimkömmt und das gmacht ist. Es ist Anken im Keller, ich will ihn dir hinaufholen.« »Nein, Johannes, das tue ich nicht,« sagte Trini. »Das manglet sich gar nicht z'küechle, und dann küchle ich nicht in einer fremden Pfanne und mit fremdem Anken. Ich hätte es auch nicht gern, wenn mir jemand über meine Ankenkübel ginge.« »Du machst dich eigelicher als unsere Frau Pfarreri,« sagte Johannes. »Warum, was hat denn die gemacht?« fragte Trini. »Ds Pfarrers sind letzthin hier gewesen, und da war meine Alte auch nicht daheim. Sie geht manchmal so lange nicht von Haus, aber allemal, wenn sie fort ist, dünkt mich, es komme jemand. Da habe ich ds Pfarrers gesagt, es sei mir gar leid, meine Alte sei nicht daheim, sonst hätte die ihnen eins küchlen müssen. Ich wisse wohl, Küchleni seien den Herrenleuten seltsam. Oh, sie wolle schon küchlen, sagte ds Pfarrers Frau, ich solle ihr nur Anken geben, das Mehl wolle sie schon finden. Und ist sie nicht gegangen und hat geküchelt, daß man es im ganzen Dorf gschmöckt hat, und hat noch geglaubt, was sie verrichte. Wohl, da hat meine Alte etwas gesagt, als sie heimgekommen ist. So uverschant, meinte sie, sei sie doch nie gewesen, wenn sie schon nie im Welschland gewesen und Gumpernantlis gelernt habe.« Während Trini lachte, ging der Bauer hinaus und sagte Annebäbeli: Es müsse noch mehr Fleisch in den Hafen und ein stattliches Hammeli, und dann solle es der Mutter alles zwegmachen zum Küchlen. Annebäbeli wäre im Zuge[18] gewesen und hätte gerne selbst geküchelt, um zu zeigen, daß es das auch könne. Wer weiß, was Annebäbeli noch unterfangen hätte, wenn nicht glücklicherweise die Mutter dazwischengekommen wäre. Sie kam im Schweiß ihres Angesichts. Sie hatte von weitem das Wägeli vor dem Hause stehen sehen, und alsobald stund vor ihren Augen alles, was sie noch zu tun hatte, um am Mittagessen mit Ehren bestehen zu können. Das trieb zur Eile, und unterwegs dachte sie immer: wenn sie nur daran gedacht haben, noch mehr Fleisch überzutun, wenn ich jetzt schon wollte, so wird es nicht mehr lind; aber das kommt meinem Mann nicht in Sinn, und Annebäbeli ist einmal noch z'jungs. Und ehe sie in die Stube kam, sah sie noch über die Häfen, und als sie das hinzugekommene Fleisch und die Hamme sah, war sie ganz verwundert und sagte: Das hätte sie nicht geglaubt, daß das eim zSinn käme. Als drinnen schön gegrüßt worden war, sagte Trini: »Was hättest du gesagt, Eisi, wenn ich es gemacht hätte wie eure Frau Pfarrerin und dir über die Ankenkübel geraten wäre? Der Johannes hat mich wollen dahinterreisen.« »Ja, das wär mir ganz recht gewesen,« sagte Eisi, »wärest du nur dahintergegangen!« Aber im Herzen dachte Eisi doch, es sei besser, Trini habe das nicht gemacht, es hätte saure Augen gegeben, und der Johannes sei hie und da noch immer so dumm, wie wo es ihn bekommen. Ds Mannevolk sei gar nicht zu erbrichten.

Mit Schwitzen und Essen und Brummen über die Mägde, welche mit ihrem Salzsäcklein gar nicht heimkommen wollten, ging der Mittag vorüber; der Nachmittag wurde mit anderem zugebracht. Die Kinder handelten mit Küngelenen. Des Johannes Bube verkaufte dem andern eine aschgraue Mähre um drei Batzen. Als derselbe ein schönes ledernes Säckeli hervorzog und die drei Batzen hervorblechen wollte mit fröhlichem Herzen, denn er hatte einen ganzen Batzen abgemärtet und glaubte einen sehr guten Kauf gemacht zu haben,[19] sah es Eisi und fuhr dazwischen und wollte es absolut nicht tun, daß er die aschgraue Mähre bezahle: Sie hätten ja deren Küngeli mehr als genug, sie hätten des Jahres Junge, es wisse kein Mensch wie oft, und er solle ihm nicht ds Hergetts sein und einen Kreuzer abnehmen, das hätte ja keine Gattig. Das Bübli, das aufrecht und ehrlich gehandelt hatte und von Küngeliverehren nichts wußte (denn es hatte den Vater auch nie Kühe und Pferde verehren sehen, sondern verkaufen), machte ein sehr verblüfftes Gesicht, und das Weinen war ihm nahe. Trini nahm des Buben Partie, wollte es lange nicht tun und sagte: Gehandelt sei gehandelt, und es wäre uverschant, wenn sein Bub das Küngeli umsonst nähmte. Als aber Eisi standhaft blieb (ging es doch nicht über seine Kasse aus), gab endlich Trini nach unter dem Beding, wenn sie ihm versprechen wollten, bald zu ihnen zu kommen, so könne ihr Bub die aschgraue Mähre nehmen; er müsse aber dann dem Johannesli einen hasengrauen Bock geben, ein Fotzelküngeli, sie hätten deren Böcke zwei, die plagten einander nur. Als das Johannesli hörte, vergaß er das Weinen, und der hasengraue Fotzelbock kam ihm so lange im Traum vor, bis er ihn wirklich in Händen hatte.

Auf dem Wege aus dem Garten nach den Pflanzplätzen waren Trini und Eisi zufällig zu diesem Handel gekommen. Eisi machte diesen Spaziergang diesmal nicht ganz so freudig wie sonst. Die Erdflöhe waren hinter dem Flachs gewesen, und das Werch war etwas ungleich. Trini rühmte aber alles gar sehr, während Eisi es ausmachte. Trini dachte freilich bei sich, während es rühmte: zur Zeit, wo es daheim gewesen wäre, hätten sie viel schönere Sachen gehabt als jetzt, und Kabislöcher, wie es sie daheim habe, seien hier auch keine. Als es den Flachs sah, dachte es bei sich: Gottlob, der ist noch viel schlechter als der meine! Indessen sagte es dieses nicht, sondern: Es sei gar schade, daß die Erdflöhe so viel geschändet[20] hätten; es wäre sonst der schönste Flachs, den es in diesem Jahre noch gesehen; der seine sei viel leider. Aber Eisi sagte, das würde kaum möglich sein. Gar schöne Rübli bewegten Trini etwas zum Neid, und es rühmte dieselben besonders und sagte: Bei ihnen herum hätte es nie solche gesehen, und wenn es von dieser Art Samen bekommen könnte, so wollte es dafür zahlen, so viel man wollte; aber es wüßte nirgends welchen zu bekommen. Eisi mußte sagen, es wolle ihm schon geben, der nichts kosten solle. Trini sagte, es wolle gerne zahlen, aber Eisi sagte: Was es doch denke! Bei sich dachte es: es werde es niemand merken, wenn es schon andern Samen dareinmische. Endlich ließ sich Trini bewegen, vom Bezahlen abzustehen; dagegen versprach es, es wolle, wenn sie zu ihnen kämen, Eisi Bohnen geben, wie es sicher auch noch nie gehabt. Die Kifel würden über einen halben Schuh lang, seien breit wie ein Daumen und doch so zart, daß sie einem im Maul ganz vergingen wie Zucker. Eisi dankte gar schön, dachte aber bei sich: da werde wohl etwas abzumärten sein; es könnte nicht begreifen, wie Trini zu Bohnen käme, von denen es noch nichts gehört.

Unterdessen war Johannes mit dem Schwager im Stall gewesen und hatte ihm alle Herrlichkeit gezeigt. Es war mehr als ein Pferd herausgenommen worden, und Johannes hatte gesagt, er hätte so und so viel lösen können, aber er gebe es nicht, es müsse ihm wenigstens zwei Dublone mehr gelten. Dann war der Schwager ringsum gegangen, hatte es billig gerühmt, sich aber nicht enthalten können, so mit einigen Winken zu verstehen zu geben, daß er auch Augen im Kopfe habe. Etwas mehr Kuttlen würden ihm nichts schaden, sagte er; wenn das Zeichen etwas kleiner wäre, so würde es ihm wohl anstehen, und wenn es die Ohren etwas näher beieinander hätte, so glaube er, er würde lösen, was er wollte. Von da waren sie zu den Kühen gekommen. Johannes erzählte, wie lange[21] jede trage und wie viel Milch jede gebe und was die und jene ihn gekostet und wie bsunderbar glücklich mit dieser und jener er gewesen. Unterdessen waren des Schwagers Blicke durch einen jungen schönen Schwarzkleb gefesselt worden. Von diesem zog er, wie im Vergeß, die genaueste Erkundigung ein und frug endlich um den Preis desselben. Johannes sagte, der sei ihm eigentlich gar nicht feil, und wenn er ihm nicht so und so viel gelte, so gebe er ihn nicht fort. Der Schwager sagte, das sei viel zu viel. Es sei wohl ein braves Rind, aber er hätte noch viel brävere gesehen; es sei wohl schwer im Kopf und habe kein schönes viereckiges Uter, aber es kalbere ihm gar anständig. Es gingen ihm zur selben Zeit gerade zwei Kühe gust, und da müsse er etwas Frisches einstellen, das Milch gebe, sonst gäbte es Lärm im Hause. Sie märteten lange miteinander, märteten bis an einen Neuentaler Unterschied, aber da wollte Keiner mehr nachgeben und der Handel zerschlug sich. Hingegen bestellte der Schwager das Kalb davon, wenn es ein Kuhkalb sein sollte, und Johannes versprach, das sollte er nicht zu teuer haben, sondern ungefähr so, wie es Kauf und Lauf sei.

So war der Nachmittag vergangen, und Trini suchte den Mann, um ihn an die Abreise zu mahnen. Man redete ein, wie früh es sei, und sie sollten noch in die Stube kommen. Als Eisi immer nötlicher pressierte, verstund man sich dazu. Drinnen stund wieder die stattliche Kaffeekanne, eine mächtige Ankenballe, Küchli, schön weißes Brot, Honigwaben, Kirschmus, Käse, Hamme und süßer Zieger. Trini schlug fast die Hände über dem Kopf zusammen und fragte: Was Eisi doch auch sinne; sie hätten ja erst zu Mittag gegessen, es düechs, es möchte es noch mit dem Finger erlängen und könnte es machen bis morndrist zAbe. Wenn sie zu ihnen kämten, so könnte es ihnen einmal nicht so aufwarten; es wüßte nicht, wo es dasselbe nehmen sollte. Aber Eisi sagte, es wolle[22] ihns nur ausführen, denn das Aufwarten hätte es bei ihm gelernt; wenn man bei ihnen wäre, so käme man ja den ganzen Tag nicht vom Essen weg. Nachdem sich in der Tat noch hie und da ein Plätzchen für ein Küchli oder eine Ankenschnitte gefunden, nachdem die Kaffeekanne der Weinflasche Platz gemacht, auch dieser trotz vielem Weigern zugesprochen und noch Gesundheit gemacht worden war, bestieg man das schon lange bereitstehende Wägeli. Trini mußte dreimal ansetzen und Johannes den Sitz auf der andern Seite halten, ehe es oben war; dann wurden die Kinder aufgepackt, aus deren Säcken noch Stücke Brot sahen, und endlich stieg der Schwager nach. Wohin der eigentlich sollte, begriff niemand, bis er mitten in die Andern hineinplumpte. Es war fast, als ob ein Kindlifresser da hinaufgefahren; denn hinter seiner breiten Gestalt verschwanden die Kindlein, nur hie und da streckten sich Ärmchen hervor, die fast aussahen, als ob sie direkt aus seinem Bauche kämen.

Es gab viel Wegräumens, und später wurde zu Nacht gegessen, als sonst der Brauch war. Während demselben sagte Johannes: »Mutter, du mußt uns die Laterne rüsten; Uli und ich müssen diese Nacht dem Kleb wachen, es gibt ein Kalb, ehe es Morgen ist.« Uli sagte, ds Michels Hans hätte ihm versprochen, diese Nacht wachen zu helfen, und wenn es bös gehen sollte, so sei es immer noch früh genug, den Meister zu wecken. Der Meister aber sagte, er solle dem Hans nur absagen; er hätte nicht gerne, wenn man fremde Knechte unnötigerweise und ungefragt brauche. Michel habe morgen Hans nötig, und man erfahre es alle Tage, was ein Knecht, der nicht geschlafen habe, wert sei. Uli meinte, so könnte ja sein Nebenknecht wachen helfen. Diesmal sei er lieber von Anfang an selbst dabei, sagte der Meister. Es sei das letztemal bös gegangen, er möchte diesmal davor sein. Uli mußte den Meister haben.[23]

Quelle:
Jeremias Gotthelf: Ausgewählte Werke in 12 Bänden. Band 1, Zürich 1978, S. 12-24.
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