Der fünfte Auftritt.

[368] Amaryllis. Nisus. Damon. Corydon.


AMARYLLIS.

Ihr Schäfer zürnet nicht, daß ich euch itzo störe,

Ihr streitet euch gewiß, wie ich aus allem höre.

Indessen sagt es mir, woher entstund der Streit?

Was bringt euch beyderseits zu solcher Heftigkeit?

DAMON.

Ich will dirs sagen – – –

NISUS.

Ich – – – –

CORYDON.

Ich will es dir berichten.

DAMON.

Er lügt!


Man zieht sie nach beyden Seiten.


NISUS.

Ich weis es recht.

AMARYLLIS.

Wer will den Zank noch schlichten?

Ihr zerrt mich gar entzwey! Sprecht nur, ich höre schon;

CORYDON.

Der Kerl – – –[368]

NISUS.

Sie stritten sich – – –

DAMON.

Der Pinsler Corydon – – –

NISUS.

Um Atalantens Gunst.

CORYDON.

Der ungereimte Praler!

DAMON.

Ich sage, schimpfe nicht! Ich bin kein schlimmer Zahler!

AMARYLLIS.

So zankt euch doch nur nicht vor meinem Angesicht!

Wer sagt mirs denn nun recht? Stört doch einander nicht!


Sie gehen alle bey Seite und schweigen.


Nun schweigt ihr alle still! Soll ichs denn gar nicht wissen,

Nachdem ihr mir vorhin die Kleider fast zerrissen?

So sags doch einer nur!

DAMON.

Frag nur den Corydon.

CORYDON.

Nein, Damon weis es recht.

AMARYLLIS.

Was wird zuletzt davon?

NISUS.

Ich muß mich doch nur selbst zu der Erzählung schicken:

Dem guten Corydon wills nicht im Lieben glücken;[369]

Dem Damon aber läuft fast jedes Mädchen nach,

Zum wenigsten wie er es von sich selber sprach:

Und Atalanta selbst kann ihn vor andern leiden.

Hierauf fieng Corydon den Damon an zu neiden.

Da zog die Eifersucht von beyden Theilen los;

Denn jedem Schäfer schien das Unrecht gar zu groß.

AMARYLLIS.

Schon gut! nun weis ichs doch. Vielleicht hat Damons Liebe

Bey Atalanten Grund. Drum dämpfe deine Triebe,

Geliebter Corydon! Sie ist es auch nicht werth,

Daß ihrentwegen dir der mindste Wunsch entfährt.

CORYDON.

Ey ja doch! Dämon pralt. Ich will sie selbst befragen.


Geht ab.


AMARYLLIS.

Mein Schäfer, nur ein Wort, ich muß dir noch was sagen.


Geht ab.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 368-370.
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