II Anhang,
Der entschiedene Rechtshandel der doppelten Buchstaben.
Vorbericht.

[779] Zum Beschlusse will ich noch wegen einiger andern orthographischen Änderungen, die man seit einiger Zeit beliebet hat, etwas gedenken. Lucian hat eine kleine Schrift gemachet, die er das Gericht der lautenden Buchstaben, oder Vocalen genennet hat; und worinn er das griechische S wider das T, wegen vieles Unrechts, so es von demselben erdulden müssen, eine weitläuftige Klage führen; die Vocalen aber, als Richterinnen, diesen Streit entscheiden läßt. Diese artige Erfindung, eine an sich trockene Buchstabenkritik angenehm zu machen, hat auch mir bequem geschienen, von der Verwandlung einiger doppelten Buchstaben in einfache, Rede und Antwort zu geben. Ich will hier auch die Buchstaben als Personen einführen: aber meine Richterinnen sollen nicht die Vocalen seyn, sondern die Sprachkunst, welche zu ihren Rathgeberinnen die Kritik, und die Gewohnheit haben soll. Folgende Fabel macht den Eingang dazu.

Germanien warf eines Tages ihre Augen, von den öffentlichen Staatsangelegenheiten ihres Kaiserthrons, und so vieler Churfürsten und Stände des Reiches, auch auf die Sprache ihrer Kinder. Sie übersah anfangs die weitläuftigen Landschaften, in welche sich dieselben vertheilet haben; und hörete mit eigenen Ohren die besondere Mundart eines jeden Volkes. Sie nahm aber mit einigem Widerwillen wahr, daß der meiste[779] Theil noch so hartnäckig bey der alten Rauhigkeit seiner Aussprache blieb; die sich fast durch keine Buchstaben schriftlich ausdrücken, und vor die Augen bringen läßt. Sonderlich schmerzte es dieselbe, daß an den italienischen und französischen Gränzen die Mundart einen so widrigen Klang hatte, daß ihr ganzes Volk deswegen bey seinen Nachbarn, wiewohl mit Unrecht, den Namen einer barbarischen Nation, tragen mußte.

Mit Vergnügen wandte sie sich in das Herz ihres großen Reiches, den fränkischen und obersächsischen Kreis, deren Einwohner sich mit einer weit zärtlichern Aussprache hören ließen. Ja sie gieng auch ostwärts bis an die polnischen Gränzen, und wunderte sich: daß ihr Geschlecht sich daselbst, an der Stelle sclavonischer Völker, mit solchem Segen ausgebreitet; und fast die alte Vormauer ihres Sitzes, den großen Weichselstrom, erreichet hatte. Diese östlichen Einwohner ihres Reiches hatten der Sprache ihrer majestätischen Mutter viel Ehre gemachet, und es darinnen den Franken und Meißnern fast zuvor gethan; so daß sie auch oft von denselben deswegen beneidet wurden. Selbst der nordische Theil ihrer Unterthanen, die eigentlich so genannten sächsischen Völker, hatten den Vorzug dieser oberländischen Mundart ihrer Brüder erkannt; und bemüheten sich schon mit jenem in die Wette, hochdeutsch zu reden und zu schreiben: wiewohl der große Haufen noch allezeit geneigt schien, die Sprache seiner Vorältern beyzubehalten.

Nichts gieng indessen dieser zärtlichen Mutter mehr zu Herzen, als die hier und da bemerkte Unreinigkeit in der Rechtschreibung. Sie fand, daß fast ein jeder Schreiber sich eine eigene Gewohnheit machete, und kein einziger sich nach der Vorschrift des andern richten wollte. Sie sah wohl, daß nicht alle gleich viel Recht hatten; und hätte sich leicht ihres mütterlichen Ansehens bedienen können, sie alle zu einerley Art zu verbinden. Allein, so gewaltsam wollte sie nicht verfahren. Anfänglich meynte sie, die Aussprache zur Richtschnur[780] der Schrift zu machen: jedoch die große Ungleichheit derselben in verschiedenen Landschaften widerrieth ihr solches. Sie konnte auch gar zu leicht vorher sehen, daß man dergestalt, zum wenigsten alle fünf und zwanzig oder fünfzig Jahre, eine andere Rechtschreibung einführen würde; nachdem sich nämlich die Mundart eines Volkes allmählich ändern möchte. Daher war sie auf eine beständige und regelmäßige Art, ihre Sprache zu schreiben, bedacht, dadurch auch die Änderungen der Aussprache verhütet werden möchten.

In solcher Absicht, übergab sie die Ausführung ihres Vorhabens, einer guten Freundinn, mit der sie noch nicht gar zu lange bekannt gewesen war. Sie hieß die Sprachkunst. Weil aber dieselbe eine sehr strenge Richterinn abgiebt: und in Worten so unerbittlich ist, als Asträa vormals in den Handlungen der Menschen gewesen: so wurde ihr eine Gehülfinn von gelinderer Gemüthsart zugegeben, welche sich die Gewohnheit nennete. Und da man wohl vorher sah, daß diese beyden bisweilen ganz uneins seyn würden: so wurde ihnen, sie allenfalls auseinander zu setzen, noch eine alte Matrone von großer Einsicht, an die Seite gesetzet; welche man die Kritik zu nennen pflegte. Vor diesen Richterstuhl nun wurden alle Buchstaben des deutschen Alphabeths gerichtlich gefodert; mit dem ausdrücklichen Befehle, selbst ihre Sache zu führen, und ihre Rechte auf gewisse Wörter, gegen einander zu behaupten.

Zu allererst drungen die doppelten Buchstaben vor den Richtplatz. Denn weil sie, als Zwillinge, mit zusammen gesetzten Kräften darnach strebten: so waren sie allen einfachen überlegen. Dahin gehörte nun das ck, dt, ff, gk, ll, nn, ss, ß, th, tt und tz. Diese hatten sich mit einander verschworen, für einen Mann zu stehen; und weil sie fast einerley Klage zu führen hatten, so dachten sie eine gemeinschaftliche Sache daraus zu machen. Sie wollten gleich auf einmal anfangen zu reden; als sie gewahr wurden, daß sie alle stumm wären, und kein Wort hervorzubringen vermöchten. Ob sie nun gleich[781] von der Richterinn ermahnet wurden, schriftlich einzukommen: so wollten sie doch lieber, nach Art der alten griechischen Buchstaben, bey dem Lucian, ihre Klage mündlich führen. Daher mußten sie unter ihren übrigen Brüdern beredtere Fürsprecher suchen, denen sie ihre Sache anvertrauen könnten.

Zu allem Glücke gab es auch unter denen lautenden Buchstaben Zwillinge. Das AA, das EE, OO und Y, waren auch unter der Zahl der Misvergnügten, und schlugen sich gern zu der Partey der Kläger. Die stummen aber faßten ein desto besseres Vertrauen zu diesen geschickten Rednern, die sich allezeit sowohl hören lassen: denn weil sie selbst ihre eigene Sache zugleich zu führen hatten; so war an ihrer Redlichkeit gar nicht zu zweifeln. Man vertheilte die Klagen unter diese vier Sachwalter, so, daß AA für sich, für ck und dt; das EE für sich, für ff, gk, ll und nn; und das OO für sich selbst, für ss, ß, th, und tt; das Y endlich für sich selbst und für das tz reden, und den Schluß der ganzen Klage machen sollte. AA hub alsbald folgender Gestalt an.

Gerechteste Richterinnen! Unsere buchstäblichen Streitigkeiten hätten vor keinen erwünschtem Richterstuhl gebracht werden können, als vor den Eurigen: und wir sind dem großmächtigsten Germanien dafür allesammt aufs höchste verbunden. Wir sind befehliget worden, unsere Beschwerden vor euren Ohren vorzutragen: und die Größe des bisher erlittenen Unrechts veranlasset uns, daß wir die ersten sind, die ihre Klagen in euren Schooß ausschütten wollen. Wir sind alle Zwillinge, wie ihr sehet, und lieben einander sehr herzlich: gleichwohl müssen wir den Verdruß erleben, den Castor und Pollux vorzeiten empfunden; daß man uns nämlich fast allenthalben zu trennen suchet, und nicht mehr als einen von uns, in gewissen Wörtern leiden will. Dieses ist der Hauptzweck unserer Klage.

Ich AA insbesondere beschwere mich, daß ich vorzeiten in sehr vielen Wörtern einen ruhigen Sitz gehabt, daraus ich itzo[782] halb verstoßen worden. Man will mir den Graam, die Maalzeiten, die Schaafe, die Schaalen, und die Straalen, ja auch die Quaal, und den Saal nicht mehr gönnen: und es fehlet zu meiner völligen Verbannung nichts mehr, als daß man mir auch den Aal, den Hohenpriester Aaron, den Abgott Baal, das Paar, und die Schaar noch raube; welches aber die allerunverantwortlichste Sache von der Welt seyn würde. Denn was hat man für ein Recht, uns aus solchen Besitzen zu vertreiben, darinn wir so lange fast ohne Widerspruch gewohnet haben? Und wessen Macht ist groß genug, uns wieder ein altes Herkommen ohne unsere Schuld gleichsam des Landes zu verweisen?

Das gute ck ist nicht besser daran. Man verweist dasselbe aus unzähligen Wörtern, darinnen es seit undenklichen Jahren seinen Aufenthalt gehabt. Es soll künftig nur zwischen zweenen Vocalen oder Lautbuchstaben seinen Platz finden: und dergestalt aus Bank, Dank, krank, Trank, Zank, und andern von der Art; imgleichen aus den Werken, der Stärke, dem Merken, und allen, die damit verwandt sind, verbannet seyn. Ja, was noch ärger ist, einige Neulinge wollen es auch aus Geschmack, Sack, Pack, Genick, Fleck, Rock, Stock, Glück, und Stück, kurz, überall verbannen. Am wunderlichsten kömmt dieses heraus, wenn es auch aus backen, hacken, recken, Stricken, flicken, Glocken, Glucken, Stücken und Mücken, u.d.gl.m. verwiesen werden soll, die doch durch diesen Raub ganz unkenntlich werden, und eine ganz andere Aussprache bekommen würden: wie ein jeder sieht, wenn er baken, haken, reken, Strike, fliken, Gloken, u.s.w. schreiben will.

Eben so geht es dem unschuldigen dt. Man hat es von alten Zeiten her, in geruhigem Besitze vieler Wörter gesehen, wo es itzo vertrieben wird. Man schrieb bekandt, genandt, imgleichen der Todt und das Brodt: nunmehr aber will man erst besondere etymologische Geburtsbriefe und Geschlechtsregister von dem D sehen; die es aber freylich[783] nicht allemal aufweisen kann. Man räumet, in den beyden ersten, lieber unsern Freunden, den Zwillingen nn, ihre Stellen ein; und in den beyden letzten, soll das D nur den Tod, das T aber das Brot für sich behalten.

Dieses sind nun, gerechteste Richterinnen! diejenigen Klagen, welche ich vor eure Ohren zu bringen, Befehl erhalten habe. Eure Einsicht verspricht uns Beleidigten ein erwünschtes Urtheil: was aber noch übrig ist, werden meine Gefährten, besser als ich gethan, vorzutragen wissen. Entscheidet, nach eurer Billigkeit, unsere Rechte: wir wollen nach eurem weisen Ausspruche, so wohl bleiben, als weichen.

Hiermit trat also der erste Redner ab, und machete dem andern Platz; der sich ohne viele Weitläuftigkeit zu machen, folgender gestalt hören ließ.

Es ist noch sehr viel übrig, hochgebiethende Richterinnen, weswegen wir uns zu beschweren Ursache haben: allein, die Zeit verbeut es, mich auf alles einzulassen. Ich selbst bin von den kritischen Feinden bisher noch ziemlich frey geblieben. Man hat mir den Klee, den Schnee, die See, und die Seele in ruhigem Besitze gelassen: ob sich gleich seit kurzem auch solche Grübler gefunden, die keine Seelen, sondern nur Selen zugeben wollen. Nur den Seegen und das Seegel habe ich einbüßen sollen; weil sie eine ganz andere Sprache zu führen pflegen. Doch über diese Kleinigkeit will ich mich aus Großmuth nicht beschweren: desto unparteyischer werde ich meiner Clienten Klagen vorzubringen im Stande seyn.

Fürs erste beklaget sich das ff, eins von den ansehnlichsten Mitgliedern unserer Zwillingsbrüderschaft; daß man es aus unzähligen Plätzen verdringt, wo es seit etlichen hundert Jahren seinen beständigen Sitz gehabt. Man raubet ihm seine Schafe, man nimmt ihm das Recht auf die Strafe, man tastet es bey den Grafen und in Häfen an: man läßt es so gar im Schlafe nicht ungestöret. Die Abkunft und Zukunft, nebst den Zünften, hat man ihm auch geraubet. Was soll ich von dem großen Haufen aller der Wörter sagen, wo unmittelbar[784] vor ihm, entweder ein langer Vocal, oder gar ein Doppellaut vorhergeht; als in Stufen, rufen, laufen, taufen, kaufen, schleifen, greifen etc. Hier allenthalben hat man das ungescholtene ff vertrieben; ja demselben auch da keine Ruhe gelassen, wo etwann ein l, n, p, oder r, vorhergeht, wie aus der Hülfe, der Vernunft, dem Dampfe, und der Schärfe; ja hundert andern von der Art, mit mehrerm zu ersehen ist. Und was ließe sich über die gewaltsamen Buchstabenstürmer nicht sagen, die es auch wohl aus dem Besitze der Affen zu setzen, ja das raffen, treffen, hoffen, und puffen, mit ihren Brüdern so feindselig verfolget haben? Denn wie würde es aussehen, und klingen, wenn man an deren Stelle Afen, rafen, trefen, hofen und pufen schreiben wollte?

Eben so ist es dem unsträflichen gk gegangen. Es war nicht genug, daß man ihm die Städte Leipzigk, Augspurgk, Nürnbergk, wie Sargk, Burgk, Wergk, u.a.m. genommen: man hat sich auch an andere Eigenthümer desselben gemacht. Man will aus der Billigkeit, und Seeligkeit, eine Billikeit und Selikeit, wie aus der Gütigkeit eine Gütikeit u.s.w. machen: welches doch durch den bloßen Anblick der Augen, schon für etwas unleidliches erkläret wird; wenn es gleich nicht wider seine Abkunft liefe.

Das lustige ll hat gleichfalls Ursache genug, zu klagen. Es hat zwar zu rühmen, daß man ihm einiger maßen Recht wiederfahren lassen. Aus will und soll, wollte und sollte war es eine lange Zeit verwiesen; aus der Vollkommenheit und Vollbringung haben es auch einige verstoßen wollen: bis ihm andere Neuere wieder zu dem alten Besitze derselben geholfen haben. Die Wallfahrt aber hat sich sowohl als das gleichfalls und allmählich ohne dasselbe behelfen sollen. Allein, auch diesen Übeln ist abgeholfen: weil nämlich die wichtigsten Beweisgründe seines Rechtes auf alle diese Wörter vorhanden gewesen. Zwar was also und vieleicht anlanget, so könnten wir dieses noch wohl verschmerzen;[785] weil irgend der Beweis von beyden etwas schwer fallen möchte. Hingegen stehen itzt andere Friedenstörer auf, die als Feinde aller Zwillingsbuchstaben, es wohl gar aus Fall, Ball, Stall, Wille, Wolle, Rolle, Stolle, Wellen, Stellen und Zellen vertreiben wollen: die doch eine traurige Figur machen würden, wenn man sie in Fal, Bal, Stal, Wile, Wole, Role u.s.w. verwandeln wollte.

Dem ehrlichen nn ist es nicht besser gegangen. Da es in brennen, nennen, können, gönnen, u.d.m. ein unstreitiges längst verjährtes Recht gehabt: so hat man es in ihren Abkömmlingen nicht dulden wollen, und lieber brandte, nandte, könte, gönte etc. als brannte, nannte, könnte, gönnte geschrieben. Eben so ist es ihm bey den Königinnen und Prinzessinnen u.a.m. gegangen; denen man doch in der einfachen Zahl am Ende, das doppelte nn eben sowohl, als dem Sinne und Gewinne, schuldig gewesen wäre. Itzt aber stehen gar Grübler auf, die auch das Mann, kann, wann, denn, dann, und Bann, in Man, kan, wan, den, dan, und Ban verkehren; ja mit einem Worte, es nirgends mehr dulden wollen.

Dieses sind nun die Beleidigungen, worüber ich mich beschwere, gerechteste Richterinnen; und worinnen ich für mich und meine Clienten, mir euren mächtigen Beystand ausbitte.

Alsbald ward das EE von dem OO abgelöset: welches sich schleunigst vor den Richterstuhl hinrollte, und seine Klage folgender Gestalt anhub.

Meine Klage ist nicht sowohl auf die Wiedereinräumung alter Stellen gerichtet, hochgebiethende Richterinnen; als auf die Ansuchung um gewisse neue Plätze, die ich zu fodern ein Recht habe. In dem Boote, Looße und Schooße habe ich die Zeit her, einen ruhigen Aufenthalt gehabt: warum hat man mir aber nicht in den Wörtern bloß, lose, Rose, Stoß, groß, Hosen, Boßeln und ihres gleichen, ebenfalls einen Raum vergönnet? Sollte ich nämlich nicht ein Recht haben,[786] an allen den Orten auch sichtbar zu erscheinen, wo ich mich doch eben sowohl hören lasse, als in den vorigen? Und so viel für mich selbst.

RR hat zwar nichts zu klagen, als daß es überhaupt mit den übrigen Zwillingen in Gefahr steht, ausgerottet zu werden: da man schon angefangen, ihm den Herrn und die Herrschaft zu rauben; da man ihm die Karren, Narren und ihre Sparren antastet; und wohl gar das Zerren in zeren, das Scharren in Scharen, das Murren in Muren, verwandeln will, die es doch seit undenklichen Zeiten ruhig besessen haben.

Aber ss und ß sind desto mehr beleidiget; weil man dieselben entweder gar aus ihren Plätzen verdringt, und ein schlecht s an ihre Stelle setzet; oder sie doch ohne Unterschied gebrauchet, wenn es gleich zwischen zweenen Vocalen, und also mitten im Worte gewesen wäre. Man hat ihnen nämlich in der ersten Absicht, die Wörter, Hals, Haus, als, bis, hinaus, Graus, Schmaus, ich weis, Preis, Reis, und dergleichen mehr geraubet. Und ob sie wohl einige Oberländer, ihrer ungewissen Aussprache nach, in die Wörter preisen, die Weisen, reisen, u.d.m. wieder aufnehmen wollen: so hat man sie doch durch ein hönisches Gelächter, von dieser Änderung wieder abgeschrecket. Denn wenn sie von einem weisen Manne gesprochen, aber einen Weissen dafür geschrieben: so hat man sie wegen des ersten um die Schwarzen, oder Mohren befraget; wegen des andern aber, sich um die Risse bekümmert, welche sie verfertiget hätten; dadurch sie denn merklich beschämet worden.

Das Th, und Tt, befinden sich in gleichen Umständen. Man hat dem ersten nicht nur die Stellen entzogen, dazu man einigen Grund gehabt; als z.E. in Wohlfahrt, Schiffahrt, Geburt, Gut, Flut, Brut, Ton, wo man sonst allenthalben ein H am T gesehen: sondern man will ihm auch unstreitige Eigenthümer rauben; die es wegen der Analogie mit der griechischen, plattdeutschen oder niedersächsischen Sprache besitzen[787] muß. Dahin gehöret, der Thron, die Thränen, das Thier, die Thüre, das Thun, die That, die Endigungssyllbe thum; der Muth, der Rath, das Thor, der Thum, der Thor, und die Noth. Diese fodern nebst vielen andern, augenscheinlich das th deswegen; weil sie im griechischen ein θ, oder plattdeutschen ein D haben, und also nicht so hart, sondern etwas sanfter und milder, als das t ausgesprochen werden sollen; wie auch in sehr vielen Provinzen Deutschlandes wirklich geschieht. Und doch sind viele auch damit nicht zufrieden, und wollen gar die Not, Kot, rot, tot, raten, bieten, beten, Tat, Tor, und Tum, aller Billigkeit zuwider, eingeführet haben.

Dem guten tt, will man nicht nur die Motten, Ratten und Rotten, in Moten, Raten, und Roten verwandeln; sondern auch den Spott, das matt und platt, ja sogar Gott entziehen: welches denn gewiß ein recht gottloses Unternehmen heißen mag.

Hierauf schwieg das Oo, und das Y, räusperte sich, um auf eine bewegliche Art den Beschluß zu machen.

Ich bin der letzte Kläger, verständigste Richterinnen! und erkühne mich auch vor euch aufzutreten, ob mich wohl viele aus der Zahl der Zwillinge ausschließen wollen. Man ist gar zu tyrannisch auf mich erzürnet. Man will mir das deutsche Bürgerrecht rauben, und mich gar zum Ausländer machen. Ich soll ein gebohrner Griech seyn, und Ypsilon heißen; da ich doch ein uralter Deutscher bin, und seit den ältesten Zeiten ii, oder ij, geheißen habe. Aus einem langen, ja doppelten I, soll ich also in ein zartes und kurzes υ verwandelt werden. Daher will man mich bisweilen nur allein in griechischen Wörtern dulden; bisweilen aber soll ich auch diese wohl räumen: im Deutschen aber soll ich gar nicht Statt finden: wo mich nicht etwa ein Schweizer in die SYNDFLUTH aufnimmt: und sein Zyrich widerrechtlich damit ausstaffiret; wo ich doch nichts zu thun habe. Ich soll ferner nicht nur aus der Mitte, sondern auch vom Ende der Wörter verbannet[788] werden: indem einige, bei, sei, frei, drei, zwei, u.s.w. schreiben wollen. Wie häßlich dieses aber ins Auge fällt, mögen meine Widersacher selbst richten. Ich kann mich wenigstens auf keine bessere Art an ihnen rächen, als durch den Übelstand, wie sich schon Achilles vormals am Agamemnon auch gerächet, da man ihn erzürnet hatte: nämlich durch meine Abwesenheit. Ich besinne mich gar wohl, daß man mich vormals mit zween Punkten geschrieben; anzuzeigen, daß ich ein doppeltes i wäre. Sieht man denn nicht, daß selbst die Franzosen, die solches noch von den alten Franken behalten haben, anstatt eines ausgelassenen y, welches vormals als i und j einen doppelten Punkt hatte, ein zwiefach punktirtes ï setzen? Und bemerket man nicht, daß ich auch im Engländischen bisweilen die Kraft eines j habe, wenn man YE, YES, YOU, YOUNG, YEAR, u.d.gl. schreibt; bisweilen aber gar wie ey klinge, anzuzeigen, daß ich ein Doppellaut bin. Endlich behalten mich selbst die Holländer in diesem Klange ey. Selbst an den Quellen der Donau lehret man die Kinder in den Schulen, mich wirklich so aussprechen, x, ey, Zett: so wie man mich in preußischen Schulen noch ii nennet. Alles dieses führe ich zur Behauptung meiner Rechte an, und schiebe es meinen Feinden ins Gewissen: ob ich in Eya, Hoya, u.d.gl. nicht wirklich doppelt laute? In der Mitte aber soll mich endlich die Verwirrung rechtfertigen, die in gewissen Wörtern entstehen wird, wenn man mich wird vermeiden wollen. Denn wie will man freyen, UXOREM DUCERE, und freuen, GAUDERE, meynen, PUTA RE, und meinen, MEUM, von einander unterscheiden, wenn man meine Hülfe nicht brauchet? Genug für mich allein geredet, gnädige Richterinnen.

Das Tz anlangend, so ist dessen Klage nicht weniger erheblich. Man will ihm alle die Wörter rauben, wo nicht ein kurzer Vocal vorhergeht. Denn man entzieht ihm nicht nur diejenigen, da ein stummer Buchstab vor ihm steht, als Salz, Glanz, Herz, u.s.w. wo sichs noch einigermaßen hören ließe; sondern man will ihm auch diejenigen abdringen, wo ein Doppellaut,[789] oder sonst ein langer Vocal vorhergeht, als Weizen, schneuzen, u.d.gl. Anderer gar zu heftigen Feinde zu geschweigen, die es gar durchgehends ausmustern wollen; und es wohl gar aus Katzen, Gesetzen, Blitz, Ritz, Witz, Spitzen, trotzen, putzen und stutzen verstoßen wollen: wo es doch unumgänglich vonnöthen ist, ein doppeltes z vorzustellen, und dem Selbstlaute einen scharfen Ton zu geben. Dieses zz aber, welches man an dessen Stelle einzuführen Lust bezeuget hat, bedanket sich für diese Ehre. Es hat sich derselben längst begeben, und sie freywillig dem tz abgetreten: bloß um dem Lachen der Spötter zu entgehen, die es um Zesens und anderer Grübler Zeiten, schon halb unehrlich gemachet haben.

Eure Gerechtigkeit verspricht mir allen möglichen Beystand: daher setze ich kein Wort mehr hinzu, mir einen gnädigen Urtheilspruch von euch zu erbitten. Thut nur, was Germanien euch anbefohlen: ich werde mit allem zufrieden seyn.

So bald diese Kläger ihre Beschwerden, angeführter maßen, aufs kürzeste vorgebracht hatten, mußten sie sammt ihren Clienten einen Abtritt nehmen: die Richterinnen aber unterredeten sich mit einander, und suchten sich wegen des Urtheils zu vereinigen. Die Gewohnheit, als die jüngste Beysitzerinn fieng zuerst an, ihr Gutachten zu eröffnen. Sie erklärte sich schlechterdings, und in allen Stücken für die Kläger. Ich erstaune, sprach sie, über die Frechheit solcher Neulinge, die sich unterfangen, nach eigenem Dünkel dasjenige zu ändern, was seit undenklichen Zeiten eingeführet gewesen. Was haben sie für ein Recht zu solchen Neuerungen, als ihre unbändige Begierde, etwas besonders zu haben? Sind denn unsere Vorfahren solche Narren gewesen, daß sie mit ihren Wörtern, Syllben und Buchstaben nicht umzugehen gewußt? Oder gilt ihr Ansehen und Beyspiel bey ihren Kindern nichts mehr, als daß man sie spöttisch hofmeistern kann? Das graue Althertum aber verdienet auch in seinen Fehlern eine Ehrerbiethung;[790] und kein Jüngling hat das Recht, seine Ahnen zu meistern. Wie ers aber seinen Vorgängern machet, so werdens seine Enkel ihm wieder machen. Das wird seine wohlverdiente Strafe seyn!

Was soll ich also von der Verwägenheit solcher Männer sagen, die man Sprachlehrer nennet? Was will ein Stieler, oder der Spate, ein Schottel, und ein Bödicker für ein Ansehen fodern, die Mundart eines ganzen Volkes zu mustern? Solche Grübler und Buchstäbler, wollen sich zu Lehrern aller Kaiser, Churfürsten und Fürsten, ihrer Räthe, Kanzleyen und Rathhäuser, ja aller andern Gelehrten aufwerfen! Kann auch etwas unverantwortlicher seyn? Was haben sie für eine Vollmacht aufzuweisen? Wo sind ihre Bestallungsbriefe dazu? Wer hat ihnen von Reichswegen die Urkunden ertheilet, dadurch sie ein Recht erlanget hätten, ihrer Mitbürger Zungen und Lippen, aller Reichsglieder und Stände Hände und Federn, vor ihre Gerichtsbarkeit zu ziehen; Wörter und Syllben unehrlich zu machen, und Buchstaben in die Acht zu erklären, wie es ihnen nach ihrem Laßdünkel gefällt? Kurz, ich erkläre mich schlechterdings wider alle Neuerungen, und gebe meine Stimme dahin: daß alles bey dem alten wohlhergebrachten Reichsherkommen gelassen werde. Alle solche Zesianer aber verdamme ich zu Mitgliedern von Christian Weisens Tannzapfenzunft; und will für meine Person, lieber mit dem großen Haufen, den sie den Pöbel nennen, fehlen, als mit wenigen Grüblern etwas bessers einführen.

Eine so heftige Rede brachte die Sprachkunst sehr in Harnisch. Was? sagte sie, mit einem aufgebrachten Tone, und finstern Gesichte: soll denn das alte Herkommen in der deutschen Sprache so viel gelten, als es weder in Griechenland, noch in Rom gegolten hat? Allenthalben hat man die alten Spuren der Rauhigkeit und Barbarey abgeschaffet: auch Wälschland und Frankreich haben die Nachläßigkeit der vorigen Zeiten glücklich abgestellet: und bloß Germaniens weites Gebieth, sollte in einer solchen Verwirrung bleiben;[791] darinn der Eigensinn des Pöbels, und die Einfalt ungelehrter Schreiber selbiges gestürzet haben? Dergestalt hat mich ja Germanien aus Irrthum zur Freundinn erwählet; so habe ich mich die Zeit her vergebens bemühet, die innere Natur und Art ihrer Mundart zu ergründen; so wird nun hinführo der unwissende Pöbel über die Zungen und Federn der Klugen und Gelehrten herrschen müssen! Das wird aber das aufgeklärete, das durch Künste und Wissenschaften erheiterte Germanien nicht leiden! das werde auch ich nimmermehr zugeben! Man schaffe also ab, was nicht gegründet ist: man werfe weg, und stoße aus, was sich nicht schützen kann: und sollte gleich die allerälteste Unart darüber zu Grunde gehen; ja manches Wort sich selber nicht mehr ähnlich bleiben.

Auf einen so hitzigen Anfang, würde eine noch hitzigere Fortsetzung erfolget seyn: wenn nicht die Kritik mit einer sanften Rede, und bescheidenen Mine, die erzürnte Sprachkunst angesehen, und durch eine gelinde Vorstellung gebethen hätte, die Sache etwas genauer zu erwägen.

Es ist freylich etwas zu viel gefodert, sprach sie, mit einem lächelnden Blicke, wenn unsere werthe Gesellinn, die Gewohnheit, durchgehends auf ihr altes Herkommen dringt. Das Alterthum ist zwar allerdings ehrwürdig: und Deutschlands Sprache geht darinn allen heutigen Mundarten von Europa vor: allein von allen Fehlern ist es wohl in der That niemals frey gewesen; am allerwenigsten in der Sprache.

Darf ich also meine Meynung entdecken, so muß man in Verbesserung derselben die Mittelstraße gehen. Die Gewohnheit ist freylich sehr ansehnlich, wenn sie nur allgemein ist. Wer will sich wohl einer ganzen Nation verwägen widersetzen? Allein, in welchem Stücke ist wohl jemals ein ganzes Volk, zu allen Zeiten, eins gewesen? Der Pöbel, oder die Unwissenden, gehen nur gar zu leicht von einander ab; zumal wenn verschiedene Gränzen und Landschaften sie von einander trennen. Wer will hier alle Mundarten der Städte und Länder vereinigen? Die Regeln sind also nicht gar aus den[792] Augen zu lassen, wenn sie nur gute Gründe anführen, warum von zweyerley Schreibarten eine der andern vorzuziehen ist. Wohlan! wir müssen also beyde hören, und beyden gewisser maßen folgen. Lasset uns stückweise die Klagen der doppelten Buchstaben durchgehen, und einen unparteyischen Schluß fassen, in welchem Stücke man ihrem Verlangen Gehör geben könne oder nicht?

Durch eine so gesetzte Rede nun, ward nicht nur die eifrige Sprachkunst etwas besänftiget; sondern auch die Gewohnheit zu einiger Neigung zum Nachgeben vorbereitet. Sie giengen nunmehr alle drey die obgedachten Klagen durch; und nachdem sie alles überleget hatten, was für und wider die Änderungen in der Rechtschreibung gesaget werden konnte: so ward folgendes Gutachten abgefasset.


Abschied.

Wir, von dem großmächtigen Germanien zu Untersuchung einiger Streitigkeiten in der Rechtschreibung, verordnete Gevollmächtigte, befinden, nach reiflicher Überlegung, folgende Satzungen für recht.

1) Das aa soll nur in etlichen wenigen Wörtern, als Aal, Baare, Haar, Maaß, Maal, (SIGNUM) Paar, Quaal, Saal, Staar, Waare; imgleichen in denen ausländischen, die solches erfodern, als Aaron, Baal, Czaar, u.d.gl. statt haben; aller übrigen aber sich gutwillig begeben.

2) Das ck soll in allen Wörtern bleiben, wo ein kurzlautender, oder scharfer Selbstlaut unmittelbar vorhergeht, als wacker, wecken, spicken, Rocken, rücken, Mücken; sich hergegen aus allen Wörtern, wo ein Mitlauter vor ihm steht, wegmachen, und sein bloßes k zurück lassen. Als Balken, stark, wanken, merken, Werk, wirken, Molken, dünken u.d.m.[793]

3) Das dt soll sich aller Plätze enthalten, die es bisher, auf bloße Erlaubniß unwissender Schreiber, besessen; und künftig nur in Stadt, dem Zeitworte tödten, tödtlich, todt und ein Todter, nicht aber in dem Stammworte der Tod statt haben. Das Brod aber soll sich sowohl mit dem d, als das Schwert mit dem t behelfen.

4) Das EE behält nach wie vor seine Rechte, auf die See, das Meer, die Seele, den Klee, die Galathee, Schnee, Thee, leer, zween; u.d.gl. Aus Degen, und Segen aber, aus Flegel, Kegel und Segel, die ganz anders lauten, soll es auf immer verwiesen seyn.

5) Das ff soll sich aller Wörter enthalten, wo entweder ein langer Vocal, oder gar ein Doppellaut vorhergeht; imgleichen wo schon ein andrer stummer Buchstab die vorhergehende Syllbe schließt: Graf, Schaf, Schlaf, tief, schlafen, kaufen, helfen, werfen, Zunft: endlich aus dem Wörtchen oft, und der Endung schaft; als wo es keinen Grund zu einigem Rechte anführen kann. Wo es aber einen kurzen Mitlauter vor sich hat, als in raffen, schaffen, treffen, Griffe, hoffen, Stuffen etc. da soll es bey der bisherigen Gewohnheit bleiben.

6) Das gk soll sich künftig nur da finden lassen, wo es der Abstammung halber seyn muß; nämlich, wenn z.E. ein Nebenwort gütig, fertig, durch die Syllbe keit, in ein Nennwort verwandelt wird, als Fertigkeit, Gütigkeit, u.s.w. Aus allen Namen der Städte aber, als Augspurg, Außig, Leipzig, Nürnberg, Zörbig etc. auf ewig verwiesen seyn.

7) Das ll soll in allen Abkömmlingen von wollen und sollen, imgleichen in allen, die mit Fall, alles, und voll zusammengesetzt sind, oder sonst einen kurzen Selbstlaut vor sich haben, wallen, schnellen, stillen, rollen, Füllen u.d.gl. verbleiben; und sich dagegen aus allen Syllben entfernen, wo entweder ein stummer Buchstab, oder ein langer Vocal, oder gar ein Doppellaut vorhergeht.[794]

8) Das nn soll in den SUPINIS von nennen, können, brennen, den Platz wieder einnehmen, den ihm das dt bisher entzogen, als genannt, erkannt, gebrannt. Imgleichen soll es in allen Abkömmlingen von können, und gönnen, und nach allen kurzen Selbstlauten, als bannen, Tannen, rennen, trennen, rinnen, Nonnen, Brunnen, wo man es vielfältig ausgestoßen; endlich auch in allen Wörtern, die in der Verlängerung einer Verdoppelung nöthig haben, wieder seinen Sitz einnehmen, als Kaiserinn, Kaiserinnen, Königinn, Fürstinn, Gewinn, Kinn, Sinn etc.

9) Das OO soll bey seinen alten Rechten bleiben, aber durchaus keine neue Stelle haben; und daher, weder in groß, noch in los, Stoß, u.d.gl. sich einzudringen suchen: weil es sonst auch in hoch, Brod, Noth und Tod sich würde aufdringen wollen.

10) Das ss soll sich mit einem ß so vergleichen, daß jenes allezeit in der Mitte der Wörter, zwischen zween Vocalen; dieses aber am Ende solcher Syllben, wo entweder nichts mehr, oder doch ein stummer Buchstab folget, seinen Platz einnehme. Imgleichen soll dieses letzte alle Nennwörter, die sich auf endigen, das Beywort weiß, ferner Fluß, Fuß, Fleiß, Gruß, Guß, Muß, Ruß, Schluß u.d.gl. besitzen, die in der mehrern Zahl ein ss haben: hingegen aus allen verbannet seyn, die in ihrer Verlängerung das einfache s haben; als Preis, Reis, Greis, Haus, Hals, Maus, Graus, Mus, u.d.gl.

11) Das th soll überbleiben, wo es nach Art der Alten die Stelle des hebräischen ת, des griechischen θ, oder des plattdeutschen D vertritt, als Thränen, Thier, Thüre, Thron, That, Thor, Thal, Thon, (LUTUM) Rath, Muth, Gemüth, Noth, roth etc. und hingegen aus Geburt, Gut, Blut, Ton, (TONUS) u.s.w. gänzlich verbannet seyn.

12) Das Tt soll sich aus Blutt, Gutt, Gütter, Gemütter, u.a. dergleichen, wo es sich einzudringen gesuchet, ganz[795] entfernen; hergegen in Gott, Spott, Rotte, und überall bleiben, wo ein kurzer Vocal vorhergeht.

13) Das Y bleibt überall in denen Syllben, die entweder in ey am Ende stehen, oder doch dahin zu stehen kommen können, und doch kein ü leiden, als bey, zwey, drey; imgleichen zum Unterschiede, als in freyen, und meynen, und allen ihren Abkömmlingen. Es entferne sich aber, wo diese Ursachen aufhören, aus Eid, Leid, Neid, Eifer, Pein, und Kaiser (von καισαρ) u.d.gl. Durchaus aber soll sichs nicht unterfangen, die Stelle eines ü, z.E. in Fryhling, oder Syndfluth einzunehmen: und diese Neuerung soll hinter die rauhesten Alpen verbannet seyn.

14) Das tz soll nur nach einem kurzen Vocal, als Katzen, setzen, Witz, trotzen, putzen, Schutz, Blitz, anstatt eines doppelten Z bleiben; hergegen überall weichen, wo ein stummer Buchstab, oder ein Doppellaut vorhergeht; als Herz, Schmerz, reizen, schneuzen, u.s.w.

Wie wir nun dieses alles, nach genauer Untersuchung, für billig, und der reinen hochdeutschen Sprache gemäß erkannt: also wollen und verlangen wir, daß die Kläger sich in allen Fällen darnach achten; auch bey vorfallenden Schwierigkeiten, unsere weitere Belehrung erwarten sollen. Wie Recht ist, von Rechts wegen.

Dieses waren nun die hauptsächlichsten Schlüsse, welche in der ersten Versammlung abgefasset wurden. Die Richterinnen ließen selbige den Klägern zustellen, und erlaubten ihnen, nach genugsamer Überlegung, ihre Läuterungen einzugeben, oder sich wohl gar auf das großmächtige Germanien selbst zu berufen; behielten sichs aber vor, demselben mit ehestem die ausführlichen Gründe zu entdecken, welche sie zu diesem Urtheile gehabt hatten.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 779-796.
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