[349] 1 §.
Die Anzahl der Hülfswörter im Deutschen erstrecket sich auf zehn, und sie heißen 1) ich bin, 2) ich habe, 3) ich werde, 4) ich will, 5) ich soll, 6) ich kann, 7) ich darf, 8) ich mag, 9) ich muß, und 10) ich lasse. Alle diese werden mehr oder weniger, mit andern Zeitwörtern vereinbaret; als: ich bin gegangen, ich habe gegessen, ich werde sterben, ich will leben, ich soll glauben, ich kann lesen, ich darf sprechen, ich mag hören, ich muß schweigen, und ich lasse reden. Die ersten drey kommen am häufigsten vor, darum müssen wir ihre Abwandelung ausführlich hersetzen. Dadurch werden sich auch die Anfänger vorbereiten, die folgenden Zeitwörter alle mit einander desto leichter zu fassen. Es ist aber kein Wunder, daß sie im Deutschen nicht ganz richtig bey einerley Regel bleiben; da sie auch im Lateine nicht ordentlich fließen. Denn von SUM, sollte kommen SUS, SUT; aber es hat dafür SUM, ES, EST: und so geht es auch mit den übrigen Zeiten, ERAM, ESSE, FUI, ERO, ENS, u.d.gl.4.[350]
2 §. Die Abwandelung des Hülfswortes, ich bin, ist folgende:
Die anzeigende Art. | Die verbindende Art. |
(Modus indicativus.) | (Modus conjunctivus.) |
Die gegenwärtige Zeit. (PRÆSENS.)
Die kaum vergangene. (IMPERFECTUM.)
Einz. | Ich war, | Daß ich wäre, |
Du warest, | du wärest, | |
Er war. | er wäre. | |
Vielf. | Wir waren, | Daß wir wären, |
Ihr waret, | ihr wäret, | |
Sie waren. | sie wären. |
Die völlig vergangene. (PERFECTUM.)
Die längst vergangene. ( PLUSQUAMPERFECTUM.)
E. Ich war gewesen, | Daß ich gewesen wäre, |
Du warest gewesen, | du gewesen wärest, |
Er war gewesen. | er gewesen wäre. |
V. Wir waren gewesen, | Daß wir gewesen wären, |
Ihr waret gewesen, | ihr gewesen wäret, |
Sie waren gewesen. | sie gewesen wären. |
[351] Die ungewiß zukünftige. (FUTUR, INCERTUM.)
E. Ich will seyn, | Daß ich seyn wolle, |
Du willst seyn, | du seyn wollest, |
Er will seyn. | er seyn wolle. |
V. Wir wollen seyn, | Daß wir seyn wollen, |
Ihr wollet seyn, | ihr seyn wollet, |
Sie wollen seyn. | sie seyn wollen. |
Die gewiß künftige (FUTURUM CERTUM.)
E. Ich werde seyn, | Daß ich seyn werde, |
Du wirst seyn, | du seyn werdest, |
Er wird seyn. | er seyn werde. |
V. Wir werden seyn, | Daß wir seyn werden, |
Ihr werdet seyn, | ihr seyn werdet, |
Sie werden seyn. | sie seyn werden. |
Die bedingt künftige. (FUTUR. CONDIT.)
E. Ich würde seyn, | Daß ich seyn würde, |
Du würdest seyn, | du seyn würdest, |
Er würde seyn. | er seyn würde. |
V. Wir würden seyn, | Daß wir seyn würden, |
Ihr würdet seyn, | ihr seyn würdet, |
Sie würden seyn. | sie seyn würden. |
Die gebiethende Art. | Die unbestimmte Art. |
(Mod. Imperat.) | (Mod. Infinitiv.) |
Gegenw. Z. | E. Sey du. | Gegenw. Z. | Seyn, |
V. Seyd ihr. | Vergang. Z. | Gewesen seyn, | |
Künft. Z. | E. Du sollst seyn, | Künft. Z. | Seyn werden. |
Er soll seyn. | Supin. | Zu seyn, | |
V. Ihr sollet seyn, | Gerund. | Im seyn, | |
Sie sollen seyn. | Vom seyn, | ||
Zum seyn. |
[352] Mittelwörter. (PARTICIPIA.)
Der Gegenw. Zeit, ein Wesender7.
Vergang. Zeit, ein Gewesener.
Künftig. Zeit, einer, der seyn wird.
3 §. Die Abwandelung des Hülfswortes Haben, geht so:
Die anzeigende Art. | Die verbindende Art. |
Die gegenwärtige Zeit.
Einz. | Ich habe, | Daß | ich habe, |
Du hast, | du habest, | ||
Er hat. | er habe. | ||
Vielf. | Wir haben, | Daß | wir haben, |
Ihr habet, | ihr habet, | ||
Sie haben. | sie haben. |
Kaum vergangen.
E. Ich hatte, | Daß ich hätte, |
Du hattest, | du hättest, |
Er hatte. | er hätte. |
V. Wir hatten, | Daß wir hätten, |
Ihr hattet, | ihr hättet, |
Sie hatten. | sie hätten. |
Völlig vergangen.
E. Ich habe gehabt, | Daß ich gehabt habe, |
Du hast gehabt, | du gehabt habest, |
Er hat gehabt. | er gehabt habe. |
V. Wir haben gehabt, | Daß wir gehabt haben, |
Ihr habet gehabt, | ihr gehabt habet, |
Sie haben gehabt. | sie gehabt haben. |
[353] Längst vergangen.
E. Ich hatte gehabt, | Daß ich gehabt hätte, |
Du hattest gehabt, | du gehabt hättest, |
Er hatte gehabt. | er gehabt hätte. |
V. Wir hatten gehabt, | Daß wir gehabt hätten |
Ihr hattet gehabt, | ihr gehabt hättet, |
Sie hatten gehabt. | sie gehabt hätten. |
Ungewiß künftig.
E. Ich will haben, | Daß ich haben wolle, |
Du willst haben, | du haben wollest, |
Er will haben. | er haben wolle. |
V. Wir wollen haben, | Daß wir haben wollen, |
Ihr wollet haben, | ihr haben wollet, |
Sie wollen haben. | sie haben wollen. |
Gewiß künftig.
E. Ich werde haben, | Daß ich haben werde, |
Du wirst haben, | du haben werdest, |
Er wird haben. | er haben werde. |
V. Wir werden haben, | Daß wir haben werden, |
Ihr werdet haben, | ihr haben werdet, |
Sie werden haben. | sie haben werden. |
Bedingt künftig.
E. Ich würde haben, | Daß ich haben würde, |
Du würdest haben, | du haben würdest, |
Er würde haben. | er haben würde. |
V. Wir würden haben, | Daß wir haben würden, |
Ihr würdet haben, | ihr haben würdet, |
Sie würden haben. | sie haben würden. |
Die gebiethende Art. | Die unbestimmte Art. |
(Imp.) | (Inf.) |
Gegenw. Z. | Habe du, | Gegenw. Z. | Haben. |
Habet ihr. | Vergang. Z. | Gehabt | |
haben. | |||
Künft. Zeit. | Du sollst haben, | Künftige Z. | Haben |
werden. | |||
Er soll haben, | Supin. | Zu haben. | |
Ihr sollet haben, | Gerund. | Im haben, | |
Sie sollen haben. | Vom haben, | ||
Zum haben |
[354] Mittelwörter.
Der gegenw. Z. Ein Habender, eine habende, ein habendes.
Der vergang. Z. Einer, der es gehabt hat.
Der künftig. Z. Einer, der da haben wird.
4 §. Das dritte Hülfswort, ich werde, hat folgende Abwandelung.
Die anzeigende Art. | Die verbindende Art. |
(mod. indic.) | (mod. conjunct.) |
Die gegenwärtige Zeit.
E. Ich werde, | Daß ich werde, |
Du wirst, | du werdest, |
Er wird. | er werde. |
V. Wir werden, | Daß wir werden, |
Ihr werdet, | ihr werdet, |
Sie werden. | sie werden. |
Kaum vergangen.
E. Ich ward, oder wurde, | Daß ich würde, |
Du wardst, oder wurdest, | du würdest, |
Er ward, oder wurde. | er würde. |
V. Wir wurden, | Daß wir würden, |
Ihr wurdet, | ihr würdet, |
Sie wurden. | sie würden. |
Völlig vergangen.
Längst vergangen.
E. Ich war geworden, | Daß ich geworden wäre, |
Du warest geworden, | du geworden wärest |
Er war geworden. | er geworden wäre. |
V. Wir waren geworden, | Daß wir geworden wären, |
Ihr waret geworden, | ihr geworden wäret, |
Sie waren geworden. | sie geworden wären. |
[355] Ungewiß künftig.
E. Ich will werden, | Daß ich werden wolle, |
Du willst werden, | du werden wollest, |
Er will werden. | er werden wolle. |
V. Wir wollen werden, | Daß wir werden wollen, |
Ihr wollet werden, | ihr werden wollet, |
Sie wollen werden. | sie werden wollen. |
Gewiß künftig.
E. Ich werde werden, | Daß ich werden werde, |
Du wirst werden, | du werden werdest, |
Er wird werden. | er werden werde. |
V. Wir werden werden, | Daß wir werden werden, |
Ihr werdet werden, | ihr werden werdet, |
Sie werden werden. | sie werden werden. |
Bedingt zukünftig.
E. Ich würde werden, | Daß ich werden würde, |
Du würdest werden, | du werden würdest, |
Er würde werden. | er werden würde. |
V. Wir würden werden, | Daß wir werden würden, |
Ihr würdet werden, | ihr werden würdet, |
Sie würden werden. | sie werden würden. |
Die gebiethende Art. | Die unbestimmte Art. |
Gegenw. Z. | Werde du, | Gegenw. Z. | Werden. |
Werdet ihr. | Vergang. Z. | Geworden seyn. | |
Künft. Z. | Laßt uns werden, | Supin. | Zu werden. |
Ihr sollet werden, | Gerund. | Im werden, | |
Sie sollen werden. | Vom werden, | ||
Zum werden. |
Mittelwörter.
Der gegenw. Zeit, ein Werdender.
Der vergang. Zeit, ein Gewordener.
Der künftig. Zeit, einer, der da werden wird.
5 §. Die übrigen Hülfswörter wollen wir nur nach den Anfängen ihrer Zeiten hieher setzen, weil das übrige leicht nach diesen dreyen Mustern ausgefüllet werden kann. Sie gehen so:
Die andern Mittelwörter fehlen.[357]
Eben auf den Schlag gehen, ich kann, und ich darf.
Ich kann, ich könne, | ich darfe, ich dörfe, |
Ich konnte, ich könnte, | Ich dorfte, ich dörfte, |
Ich habe gekonnt, | Ich habe gedorft, |
Ich hatte gekonnt, | Ich hatte gedorft, |
Ich werde können. | Ich werde dörfen. |
Die gebiethende Art fehlet hier in beyden.
Die unbestimmte Art.
Können, gekonnt haben, | Dörfen, gedorft haben. |
Ein Könnender. | Ein Dörfender. Die andern fehl. |
Ich mag, daß ich möge, | Ich muß, daß er müsse, |
Du magst, er mag, | Du mußt, er muß, |
Ich mochte, ich möchte, | Ich mußte, müßte, |
Ich habe gemocht, | Ich habe gemußt, |
Ich hatte gemocht, | Ich hatte gemußt, |
Ich werde mögen. | Ich werde müssen. |
Die gebiethende Art fehlet.
Mögen, gemocht haben, | Müssen, gemußt haben. |
Ein Mögender, ist nur in der Zusammensetzung gebräuchlich, ein Vermögender, imgl. die Hochmögenden Herren Gen. St.
Die beyden letzten gehen unrichtig.
[358] 6 §. Bey allen diesen Hülfswörtern bemerket man den Unterschied, daß sieben davon in der jüngstvergangenen Zeit die Syllbe te, und in der völlig vergangenen ein et, oder doch ein t annehmen; drey hergegen im ersten Falle kein te, sondern eine ganz andere Endsyllbe, und im zweyten ein en haben. Z.E. die ersten sind:
Zur zweyten Art gehören
Ich bin, | ich war, | gewesen, |
Ich lasse, | ich ließ, | gelassen, |
Ich werde, | ich ward, | geworden. |
Dieses hat nun bey allen übrigen Zeitwörtern statt, und giebt den Grund an: warum wir die Abwandelung der deutschen Zeitwörter in zwoen Arten vorstellen müssen. Die erste nennen wir die richtige Abwandelung; die zweyte aber die unrichtige16. Von der ersten, als der leichtesten, machet folgender Abschnitt den Anfang: die andere folget, und alsdann machen einige abweichende Arten den Schluß.
1 Vieleicht könnte man auch mit einigem Grunde einen MODUM POTENTIALEM, oder OPTATIVUM im Deutschen bilden. Denn man verbindet die Zeitwörter oft mit den Hülfswörtern mögen, können, wollen, sollen, u.d.gl. Z.E. Ich möchte es wissen: Ich könnte, wollte, sollte es wissen. Imgleichen ohne dieselben. O sähe, wüßte, hätte ich das! sähestu, wüßtestu, hättestu das! Allein, da dieses nur durch die Zusammensetzung der in den vorigen Arten schon vorkommenden Wörter geschieht, so kann man es dabey bewenden lassen. Ein verständiger Sprachenkenner hat bey mir schriftlich darauf gedrungen, einen MODUM OPTATIVUM einzurücken, und zwar der Jugend wegen, wenn sie aus dem Lateine was zu übersetzen hat. Allein, ich besorge, andern, zumal Ausländern, die Sprache dadurch, als sehr schwer vor Augen zu legen; wenn sie so viele MODOS lernen müßten.
2 Ich kann dieses nämlich gar wohl einräumen, ohne deswegen zuzugeben, daß das Hebräische die Sprache des ersten Menschen in der Welt gewesen; als welches von vielen gelehrten Männern nicht unglücklich widerleget worden. S. Clerici COMM. IN PENTATEUCH. DISS. PRÆL. Noch weniger darf ich das Deutsche von dem babylonischen Thurme, aus der vermeynten allgemeinen Sprachenverwirrung herleiten. Denn entweder ist dasjenige wahr, was der gelehrte Stiernhielm in der Vorrede zum gothischen Evangelio sehr gründlich dargethan: daß näml. Japhet, mit allen 15 Häuptern seines Geschlechtes, von welchem, nach Mosis Erzählung, die europäischen Völker herstammen, zum Thurmbaue nichts beygetragen, ja nicht einmal dabey gewesen: und folglich wäre die Sprache aller Japhetiten unmittelbar aus der Noachischen, vor der Sündfluth schon üblich gewesenen Sprache herzuleiten; ob sie sich gleich nach und nach in viele Zweige ausgebreitet hat, die von einander mehr oder weniger abgegangen. Oder es ist gar dasjenige wahr, was Joh. Georg Eccard, in seinem Werke DE ORIGINE GERMANORUM, gelehret: daß alle europäische Völker gar nicht vom Noah herstammen, sondern von einer ältern Colonie übrig geblieben, die vor der Sündfluth schon hieher gezogen; weil nämlich diese nicht alle nordische und westliche Länder getroffen, und also auch ihre Einwohner nicht vertilget hätte. Und so kömmt doch abermal der Schluß heraus; daß die celtische und scythische Sprache nicht unmittelbar aus der hebräischen, sondern aus der viel ältern Mutter derselben entsprungen, und also sowohl, als die übrigen asiatischen Sprachen, nur für eine Schwester derselben zu achten gewesen. Die dritte Meynung aber, daß gar die alte gothische, cimbrische oder schwedische Spr. wie einige glauben, für eine Mutter aller übrigen, auch der hebräischen Sprache zu halten sey, überlasse ich billig ihren Urhebern, einem Schriekius, Rudbek, und Becanus, zu verantworten. Wenigstens haben sie weder Sam. Rachel in Kiel, noch Morhof, so deutlich ins Licht gesetzet, daß man ihr Beyfall geben müßte. Überhaupt aber ist das falsch, daß die gothische Sprache im Evang. des Ulfilas mehr mit der schwedischen, isländischen oder dänischen, als mit unserm Deutschen, übereinkäme: wie der Augenschein in Stiernhielms Ausgabe, und die Vergleichung mit dem Dänischen sattsam zeiget. Denn ich getraue mir allemal doppelt soviel deutsche Wörter darinn zu finden, als ein Schwede oder Isländer, oder Däne, mir von den seinigen darinn zeigen wird.
3 Wenn die gothische Sprache des Ulfilas die Oberhand bekommen hätte, und nicht in König Theodorichs italienischem Reiche ins Wälsche gemenget worden, und also verloren gegangen wäre: so würden wir diese Weitläuftigkeit nicht nöthig gehabt haben. Denn darinn findet man diese sogenannten Hülfswörter nicht so, wie in dem alten Allemannischen und Fränkischen. Daher kann ich dem Abte Bessel in seiner gottwichischen Chronik nicht recht geben, wenn er diese Dollmetschung den Gothen ab-, und einem allemannischen oder fränkischen Übersetzer zuschreiben will. Im Ev. Luc. 1 Cap. 76 v. heißt das Gothische: Jah thu Barnilo, Praufetus hauhistins haitaza; fauragangis auk faura andwairthja Fanins, manujoms vigans imma. D.i. Und du Kindlein wirst ein Prophet des Höchsten heißen, und wirst vor dem Herrn hergehen, daß du ihm den Weg bereitest. Hier ist nun im Gothischen keine Spur eines Hülfswortes, oder Artikels, sondern alles ist durch bloße Endungen gebildet.
4 Der Griechen ihr ἐιμι ist nichts regelmäßiger. Der Wälschen ihr IO SONO, TU SEI, etc. und der Franzosen ihr JE SUIS, TU ES, NOUS SOMMES, J' ETOIS, ist ein verstümmeltes Latein, und also noch unordentlicher. Der Engländer I AM, I WAS, TO BE u.s.w. ist ein verdorbenes Deutsch, und also nichts richtiger gerathen. Kurz, kein Volk hat uns hierinn etwas vorzurücken.
5 Jemand meynet, das seye habe in verneinenden Reden, sey aber bey bejahenden statt. Meines Wissens ist dieser Unterschied weder irgendwo eingeführet, noch überhaupt nöthig.
6 Daß dieses falsch sey, zeiget die Analogie, oder Ähnlichkeit aller unrichtigen Zeitwörter, dergleichen dieses eins ist. Denn sobald das PRÆT. IMPERF. sich nicht auf te endiget, gehen alle SUPINA auf ein en, und nicht auf ein t aus. Z.E. ich sehe, ich sah, gesehen; nicht gesehet; ich nehme, ich nahm, genommen, nicht genehmet; ich sitze, ich saß, gesessen, nicht gesesset: also auch ich bin, ich war, gewesen; nicht gewest.
7 Dieses einfache Mittelwort ist nun zwar nicht im Gebrauche: allein, in der Zusammensetzung saget man oft ein Abwesender, ein Anwesender. Es geschieht nämlich im Deutschen vielmals, daß zusammengesetzte Wörter gewöhnlich sind, wovon die einfachen das Glück nicht gehabt haben, beliebet zu werden.
8 Dieses werde haben die Gothen zwar, aber als ein bloßes Zeitwort für sich, nicht als ein Hülfswort; wie es auch mit dem vorigen haben war. Sie schrieben es vairthan; wobey man das v, wie ein w, ai wie ein langes e oder ä, und das th, wie d aussprechen muß, d.i. werdan. Vairthit heißt, wird.
9 Man erinnert, dieß sey wider die Regel der unrichtigen Zeitwörter, die niemals ein e hier leiden. Allein, darum habe ich ward, als das bessere vorgesetzet: dieß wurde aber, als den Grund von dem würde doch mitnehmen müssen. Für solche Unrichtigkeiten der Sprachen kann ein Sprachlehrer nicht.
10 In der Verbindung mit andern Zeitwörtern fällt das ge hier überall weg. Z.E. Ich bin genennet worden, nicht geworden.
11 Man hat mir eingewandt, daß in guten Bibeln gleichwohl stünde, du sollt, und du willt etc. Das weis ich wohl, und lese es selbst in Hans Lufts Ausgabe von 1545 nicht anders. Allein, das machet noch nicht, daß es auch gut sey. Denn in eben den Bibeln steht noch viel mehr, das wir heute zu Tage nicht billigen. Z.E. jr, für ihr; jm, für ihm; Jhesus, für Jesus; vbel, für übel; hawe, für haue; vnuergolten, für unvergolten; ergern, für ärgern; Fewr, für Feuer; Kröpel, für Krüppel; Helle, für Hölle; abe, für ab; u.d.gl. Dieß sind Überreste des Alterthums, die man zwar an Luthern, und unsern andern Vorfahren entschuldigen, aber nicht nachahmen muß.
12 Hier sieht man, sowohl als in den beyden folgenden, die Richtigkeit meiner obigen Anmerkung, vom gewest. Hier haben nämlich, sollen, wollen, können und dörfen, im SUPINO ein t, gesollt, gewollt, gekonnt, und gedorft; weil sie alle im IMPERF. ein te hatten, sollte, wollte, konnte, dorfte, Diese haben also eine richtige Abwandelung; jenes hatte eine unrichtige.
13 Einige sagen auch durfte, dürfte; wie denn in gewissen Mundarten das kurze o leicht in u, da ö aber in ü übergeht
14 Ich zähle helfen mit zu den Hülfswörtern, weil es eben so gebrauchet werden kann, als diese: Z.E. ich lasse gehen, ich helfe machen, ich helfe schreiben, etc. Doch gehen freylich auch einige andere so; als sehen, hören, etc.
15 Die verbindende Art von diesem und dem folgenden Hülfsworte hat das Besondere an sich, daß sie das o nicht in ö ändert, wie dorfte, konnte, und mochte oben thaten. Denn man saget, daß ich sollte, daß ich mochte, wie in der anzeigenden Art. Es werden sich auch unter den richtigen Zeitwörtern einige von der Art finden.
16 Man wird leicht den Grund einsehen, warum wir diese Benennungen nicht umgekehret haben. Alle Regeln entstehen aus der Übereinstimmung der meisten Exempel. Da nun schon in den Hülfswörtern sieben gegen drey einig sind: so machet billig die größte Anzahl die Regel, die kleinste aber die Ausnahme. Man wird weiter unten sehen, daß es mit allen Zeitwörtern so geht.[359]
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