Das VI. Capitel.
Von Satiren oder Strafgedichten.

1. §.


Wie die Poesie überhaupt von der Musik und den ersten Liedern ihren Ursprung hat, so ist es auch mit der satirischen beschaffen. Man hat lange vor dem Homer spöttische und schimpfliche Gesänge gemacht, und abgesungen; folglich ist diese Art von Gedichten eben so neu nicht. Aristoteles, der uns dieses im vierten Capitel seiner Dichtkunst erzählet, setzet hinzu: daß diese Lieder sehr unflätig und garstig gewesen, und daß Homerus sie zuerst von dieser Unart gesaubert, da er in jambischen Versen auf den Margites eine Satire gemacht. Dieser Margites, wie schon bey anderer Gelegenheit gedacht worden, mochte ein Müßiggänger gewesen seyn, der weder einen Schäfer, noch einen Ackermann, noch einen Winzer abgeben wollte; und also nach der damaligen Art ein unnützes Glied der menschlichen Gesellschaft war. Auf diesen machte nun Homer ein Strafgedichte, welches er von den oben erwähnten Fehlern der Grobheit und Schandbarkeit befreyete; und gab uns also, nach Aristotels Urtheile, die erste Idee von einer guten Satire, wie er uns vom Heldengedichte das erste gute Muster gemacht. Da aber dieses seinen Nachfolgern Gelegenheit gegeben, die Tragödie zu erfinden; so hat auch jene, nämlich die Satire, zur Erfindung der Comödie Anlaß gegeben.

2. §. In eben dem Capitel erwähnt Aristoteles, daß man noch bis auf seine Zeiten, in vielen Städten satirische Lieder voller Zoten gesungen, ja daß sie so gar durch öffentliche Gesetze eingeführet gewesen. Indessen fielen doch die besten Poeten, die zur Satire ein Naturell hatten, auf die Comödie, die anfänglich[167] durch den Archilochus, Eupolis, Cratinus, und Aristophanes in den Schwang, durch den Menander aber zur Vollkommenheit gebracht wurde. Denn so beschreibt sie Horaz in seiner IV. Sat. des I.B.


EUPOLIS ATQUE CRATINUS, ARISTOPHANESQUE POETAE,

ATQUE ALII, QUORUM COMOEDIA PRISCA VIRORUM EST,

SI QUIS ERAT DIGNUS DESCRIBI, QUOD MALUS, AUT FUR;

QUOD MOECHUS FORET, AUT SICARIUS, AUT ALIOQUI

FAMOSUS; MULTA CUM LIBERTATE NOTABANT.


Dieses zeigt uns nun sattsam, was das innere Wesen ihrer Satiren gewesen. Sie waren Abschilderungen lasterhafter oder thörichter Leute, die sich durch ihre Bosheit und närrische Lebensart schon selbst bekannt gemacht hatten. In freyen Republiken, dergleichen in Griechenland überall waren, stund dieses einem Poeten frey. Und da es zwischen den Vornehmen und Geringern allezeit Mishälligkeiten gab, so sah es das Volk gern, wenn auch die obrigkeitlichen Personen, ja die Fürsten ganzer Städte wacker herumgenommen wurden. Als aber die Großen das Ruder des gemeinen Wesens in die Hände bekamen, so wurde diese poetische Freyheit sehr eingeschränket; wie unten in dem Capitel von der Comödie mit mehrerm vorkommen soll. Man sehe hievon des Casaubonus gelehrten Tractat DE POESI SATYRICA GRAECORUM nach, wo man eine ausführliche Nachricht davon finden wird.

3. §. Bey den Lateinern sind auch schon in alten Zeiten die fescenninischen Lieder und Stachelgesänge Mode gewesen. Das Landvolk belustigte sich an den Festtagen noch zu Augusts Zeiten daran; und diese mögen wohl dem Lucilius die erste Veranlassung zur Erfindung der lateinischen Satire gegeben haben. Diese ist nun von der griechischen in der Art von Versen ganz unterschieden. Denn da jene sich der jambischen bedienet hatten, so schrieb sie Lucilius in alexandrinischen Versen; und zwar mit solchem Erfolge, daß alle seine[168] Nachfolger, Horaz, Juvenal und Persius auch dabey geblieben. Diese drey haben auch in satirischen Gedichten die höchste Vollkommenheit erreicht, und wir müssen sie uns zu Mustern nehmen, wenn wir darinn was rechtes thun wollen. Denn ob sich wohl auch nach ihren Zeiten Lucianus auf die satirische Schreibart mit gutem Erfolge gelegt, so hat er doch nur in ungebundener Rede geschrieben. Auch unter den Neuern haben Erasmus, Agrippa, Henrich Morus, und viele andere, satirische Schriften genug verfertiget: allein wiederum nicht in Versen, so daß wir sie hieher nicht rechnen können. Und ungeachtet es auch an poetischen Satiren in lateinischer Sprache bey Welschen, Deutschen und Franzosen nicht gefehlet: so ist es doch allemal besser, bey den alten Mustern zu bleiben; dagegen die neuern Lateiner nur allemal Copisten und Stümper bleiben.

4. §. Unter den heutigen Völkern, hat sich fast jede Nation darinn hervorgethan. Regnier und Boileau sind unter den Franzosen die größten Satirenschreiber gewesen. Unter den Italienern hat sich Aretin, so wie in England der Graf Rochester, durch seine Satiren einen Namen gemacht; unzählicher andern, die nicht so berühmt sind, zu geschweigen. Bey uns Deutschen hat zwar Opitz in seinen Gedichten hier und da viel satirische Stellen mit einfließen lassen: aber ich finde kein einziges Stücke von ihm, das er eine Satire geheißen hätte. Rachel war der erste, der sich durch zehn Satiren ans Licht wagte: und sich gleichsam dadurch, als unsern Lucilius erwies. Er verdient diesen Namen, nicht nur wegen seiner sehr heftigen und beißenden Schreibart, sondern auch wegen der unreinen und harten Verse, die Horaz jenem römischen vorgerücket. Er verdient indessen noch gelesen zu werden: weil er überall eine gesunde Vernunft, eine gute Moral, und einen ziemlichen Geschmack zeiget; wie aus so vielen Stellen, die ich schon aus ihm angeführet, zur Gnüge erhellen kann. Allein, weit reiner und artiger sind Canitzens Satiren gerathen: und das war kein Wunder, da er bey dem artigsten Hofe lebte, und sonst in viel bessern Umständen war, als jener.[169]

5. §. Wenn wir also an diesem einen deutschen Horaz aufzuweisen haben, so ist Benjamin Neukirch unser Juvenal zu nennen. Seine männlichen und recht feurigen Satiren, die in den hankischen Gedichten stehen, erwerben ihm diesen Namen mit allem Rechte: zumal, da er nicht mit Scherzen und Lachen, sondern im Ernste und mit brennendem Eifer die bittersten Wahrheiten heraus sagt. Menantes hat uns zwar satirische Gedichte geliefert, allein, sie sind mehrentheils zu matt, und zu wässerig gerathen: Günther aber ist zu jung in das Strafamt getreten, daher seine Satiren nur Rhapsodien heißen können, die ihm eine ausschweifende Jugendhitze eingegeben. Er denket ohne Ordnung und Regel, und fällt von einem aufs andre, das sich zu keiner Hauptabsicht zusammen reimet. Ja oft scheinen gar die Reime seine Verse gemacht zu haben; weil die Sachen sich nicht besser zusammen schicken, als ob er sie zusammen gewürfelt hätte. Von unserm Persius könnte ich auch wohl etwas sagen, indem es uns an diesem auch nicht fehlt. Doch weil er noch lebt, so läuft es wider die Regel, die ich mir gemacht habe. Ein jeder, der den lateinischen Dichter kennt, wird schon wissen, wen ich im Deutschen meyne.

6. §. Nach dieser kurzen Historie der Satire, wird es leicht seyn, eine Beschreibung derselben zu geben. Sie ist nämlich ein moralisches Strafgedichte über einreißende Laster, darinn entweder das Lächerliche derselben entdecket, oder das abscheuliche Wesen der Bosheit, mit lebhaften Farben abgeschildert wird. Man sehe das obenangezogene vierte Capitel der Poetik Aristotels nach, so wird man eben dergleichen Beschreibungen davon antreffen. Man kann also sagen, die Satire sey eine Abschilderung lasterhafter Handlungen, oder das Gegentheil von den Lobgedichten, welche nur die guten und löblichen Thaten der Menschen abschildern und erheben. Man könnte sie auch den Schäfergedichten entgegen setzen, welche den unschuldigen Zustand des güldenen Weltalters abschildern. Man kann sie aber auch in zwo Hauptgattungen eintheilen,[170] nämlich in die lustige oder scherzhafte, und in die ernsthafte oder beißende Satire. In jender ist Horaz, und bey uns Canitz; in dieser aber sind Juvenal und bey uns Neukirch Meister gewesen.

7. §. Dacier in seinem Tractate von der Satire, hält dafür, man müsse den Grund der Satiren in der christlichen Lehre von der brüderlichen Bestrafung suchen. Allein vergebens. Diese hat vieler Behutsamkeit vonnöthen, und man müßte erst allerley Stufen durchgehen, ehe man bis zu einer so öffentlichen Beschreibung des Lasters fortschreiten könnte. Einen ordentlichen Beruf, die Sittenlehre zu predigen, und das Böse zu strafen, hat ein Poet auch nicht: und daher glauben viele, es stünde den geistlichen Lehrern allein zu, wider die öffentlichen Laster zu eifern. Allein, auch diese irren, wenn sie meynen, daß man zu Beförderung des Guten und zu Ausrottung des Bösen im gemeinen Wesen einen besondern Beruf haben müsse. Ist nicht ein jeder rechtschaffener Bürger verbunden, für sich selbst, zur Aufnahme und Wohlfahrt der Republik so viel beyzutragen, als er kann? Und was bedarf er also einer neuen Bestallung, seine Einsicht in moralischen Dingen, zur gemeinen Besserung in Schriften zu zeigen? Hierzu kömmt noch die Liebe zur Tugend, und der heftige Abscheu vor den herrschenden Lastern, der einen ehrlichen Juvenal so lange innerlich quälet, bis er endlich losbricht:


DIFFICILE EST SATYRAM NON SCRIBERE. NAM QUIS INIQUAE

TAM PATIENS VRBIS, TAM FERREUS, VT TENEAT SE?


Und bald darauf, in eben der ersten Satire:


QUID REFERAM, QUANTA SICCUM IECUR ARDEAT IRA,

CUM POPULUM GREGIBUS COMITUM PREMAT, HIC SPOLIATOR

PUPILLI PROSTANTIS?


So lange es also recht seyn wird, das Böse zu hassen, so lange werden auch die Satirenschreiber keiner weitern Vertheidigung[171] nöthig haben: wenn sie sich nur nicht an unschuldige Leute machen, und Dinge für Laster ausschreyen, die keine sind. Denn in solchem Falle werden sie Lästerer und Pasquillanten. Man sehe hiervon nach, was in der vernünftigen Tadl. II. Th. XXX. St. von dem Unterschiede der wahren Satire und ehrenrühriger Pasquille ausführlicher gesaget worden.

8. §. Und in der That muß man sich wundern, warum man denen, die in gebundner Schreibart wider die Laster eifern, das Handwerk, so zu reden, legen wollen: da man doch den Philosophen, solches in ungebundner Rede zu thun, niemals untersaget hat. Wer lobt nicht die Schriften eines Theophrasts, des Seneca und andrer Moralisten von der Art? Wer weis aber nicht, daß sie sich sehr oft einer weit schärfern satirischen Schreibart bedienet haben, als die heftigsten Poeten? Soll es nun prosaisch nicht schädlich seyn, die Auslachenswürdigkeit und Abscheulichkeit der Laster und ihrer Sklaven abzuschildern, warum soll es nur poetischen Geistern nicht frey stehen? Einmal sind beyde Moralisten; beyde Liebhaber der Tugend, und Feinde der Bosheit; beyde Vertheidiger der Gesetze, und redliche Bürger. Das Sylbenmaaß und die Reime können zum höchsten nichts mehr bey der Sache ändern, als daß die Strafpredigten der Poeten lieber gelesen und wohl gar auswendig gelernet werden: welches aber nur ihre Nutzbarkeit vergrößert, und ihnen einen desto größern Vorzug vor allen andern Sittenschriften einräumet.

9. §. Wie man leicht sieht, so setze ich hier zum voraus, daß ein Satirenschreiber ein Weltweiser sey, und die Lehren der Sitten gründlich eingesehen habe. Diese Eigenschaft desselben ist leicht zu erkennen, wenn man nur zehn oder zwanzig Zeilen einer solchen Satire liest. Es gehört aber auch sonst ein reifes Urtheil und eine gute Einsicht in alles, was wohl, oder übel steht, für einen satirischen Dichter. Denn nicht nur das moralische Böse; sondern auch alle Ungereimtheiten in den Wissenschaften, freyen Künsten, Schriften, Gewohnheiten und[172] Verrichtungen der Menschen, laufen in die Satire. Eine gesunde Vernunft und ein guter Geschmack ist also demjenigen unentbehrlich, der andre strafen will; damit sich nicht ein Blinder zum Führer des andern aufwerfe. Man sieht aber hieraus, auch ohne mein Erinnern schon, daß unschuldige natürliche Fehler nicht unter die Satire fallen. Z.E. Ein Höckerichter, Lahmer, Einäugigter, u.d.g. müssen von keinem rechtschaffenen Poeten, ihrer Gebrechen halber, verspottet werden: es wäre denn, daß sich ein solcher Mensch für einen Adonis hielte. Noch thörichter wäre es, jemanden seine lange oder kurze Person vorzurücken: gerade, als ob es in eines Menschen Vermögen stünde, seiner Länge etwas zuzusetzen oder abzunehmen. Ja, wenn ein kleiner Kerl sich gar zu hohe Absätze machte, oder desto höhere Perrücken trüge, um größer zu scheinen, als er ist; oder wenn ein langer Mensch krumm und gebückt einher gienge, um kleiner auszusehen: so wäre beydes werth, ausgelacht zu werden.

10. §. Es erhellet auch aus dem obigen, daß derjenige nicht den Namen eines satirischen Poeten verdienet; der, bloß aus Neid, Rachgier oder andern Gemüthsbewegungen angetrieben, jemanden in Schriften angreifet. Solche Niederträchtigkeit widerspricht dem Begriffe, den wir von einem Weltweisen haben: und wo dieser aufhört, da hört auch der Satiricus auf; oder da wird er vielmehr zum Lästerer. Es ist also eine thörichte Sache, wenn man fraget: was doch dieser oder jener dem Poeten gethan haben müsse, dadurch er bewogen worden, ihn abzuschildern? Die Antwort ist leicht. Je weniger er dem Poeten zuwider gethan, desto mehr ist derselbe zu loben: weil er ihn ohne Rachgier und ohne Parteylichkeit, bloß seiner Laster halber, zum Abscheue und Gelächter gemacht. Die Satire würde ihren ganzen Werth verlieren, wenn sie nur eine Vergeltung der ihrem Verfasser widerfahrnen Beleidigungen wäre. Und ich würde den gewiß für einen Pasquillanten halten, der auf seinen Feind ein Spottgedichte schriebe; gesetzt, daß er das größte Recht dazu hätte. Günther scheint mir in diesem[173] Stücke tadelhaft zu seyn, weil er den Crispin so grausam gestriegelt, der ihm vorher so manches mochte in den Weg gelegt haben. Eben so dünkt mich Neukirchs Asinius nicht den Namen einer Satire zu verdienen. Auch Pietschens Abschilderung eines obwohl häßlichen Vorbildes, scheint eher ein Pasquill, als eine Satire zu seyn, da sie nicht herrschende Laster, sondern einen einzigen Menschen zum Gegenstande hat. Hingegen Claudians Ruffinus, den jener nachgeahmet hat, dünkt mir eine weit bessere Satire zu seyn: weil ich keine Spur darinn finde, daß der Verfasser sich an demselben habe rächen wollen.

11. §. Noch eins wird man fragen, ob es nämlich auch erlaubt sey, die Personen mit Namen zu nennen? Ich antworte: die Alten haben es ohne Scheu gethan, und Boileau ist ihnen darinn gefolget, hat sich auch in seinem Discours über die Satiren deswegen verantwortet. In der That zieht solches zwar viel Gutes, aber auch viel Böses nach sich. 1) Hindert der Poet dadurch, daß man seine Verse nicht auf die unrechten Personen deute; welches sonst gemeiniglich geschieht. Zum 2) fürchten sich die Lasterhaften desto mehr: denn


ENSE VELUT STRICTO, QUOTIES LUCILIUS ARDENS

INFREMUIT, RUBET AUDITOR, CUI FRIGIDA MENS EST

CRIMINIBUS; TACITA SUDANT PRAECORDIA CULPA.

INDE IRAE, ET LACRIMAE.


Zum 3) aber ist es für den Poeten mehrentheils gar zu gefährlich, sonderlich, wenn es vornehme Leute sind. Nun hat man zwar einen Kunstgriff erfunden, unter erdichteten Namen, die kein Mensch hat, das Laster zu beschreiben. Wiewohl diesem gedachten Uebel vorzubeugen, ist auch dann kein Mittel, wenn man gleich erdichtete Namen braucht. Je größer nämlich die Personen sind, desto bekannter sind auch ihre Fehler, und man erkennet also die Abbildung derselben, auch ohne Namen schon. Die Engländer bedienen sich der Art, den ersten[174] und letzten Buchstaben, ja wohl ganze Sylben davon auszudrucken, und den Zwischenraum mit ein paar Strichen auszufüllen. Denn nach ihren Gesetzen sind sie nicht eher straffällig, als bis sie den ganzen Namen dessen, den sie durchziehen, hingesetzet haben. Man mag es aber machen, wie man will; so ist der Unwillen der Getroffenen nicht zu vermeiden: und wer diesen nicht erdulden kann, der muß sich entweder mit keiner Satire ans Licht wagen; oder doch nur solche Laster beschreiben, die kein Mensch begeht, das heißt, eine vergebliche Arbeit thun.

12. §. Die Art von Versen, die man zu Satiren brauchet, ist bey uns die lange jambische, mit ungetrennten Reimen. Diese kömmt den griechischen Jamben näher, als die lateinischen alexandrinischen Verse. Wir haben auch nur den einzigen Harpax von Canitzen, und irgend ein Paar von Günthers Satiren, die in verschränkten Reimen, nach Art der Elegien gemacht sind. Die satirische Schreibart aber, welche die natürlichste und ungezwungenste von der Welt seyn muß, wie Horaz vielmals erinnert hat, erfordert eine gewisse Freyheit, die sich für jene Art am allerbesten, für diese aber gar nicht schicket. Nun haben zwar einige auch satirische Oden gemacht, deren verschiedene in den hofmannswaldauischen Gedichten, und in der Poesie der Niedersachsen stehen. Allein, ein Handwerk daraus zu machen, will ich keinem rathen.

13. §. Ich kann nicht umhin, auch hier, wie schon etlichemal geschehen, das Boileau Gedanken von der Satire anzuführen: dem so wohl der Herr von Valincourt, in einer Rede, so er nach dessen Tode in der französischen Akademie gehalten; als der Herr Maizeau in der Lebensbeschreibung desselben das Zeugniß gegeben, daß ihn sein rechtschaffenes, tugendhaftes und ehrliebendes Gemüthe zum Satirico gemacht habe. Er beschreibt uns auch die Satire nicht anders:


Die Begierde, sich sehen zu lassen, und nicht zu lästern, bewaffnete die Wahrheit mit den satirischen Versen. Lucil war[175] der erste, der sich erkühnte, sie zu zeigen. Er hielte den Lastern der Römer einen Spiegel vor, und rächete die demüthige Tugend an dem stolzen Laster; den ehrlichen Mann zu Fuße, an dem Gecken in der Sänfte. Horaz mischte in diese Bitterkeit sein lustiges Wesen. Keiner konnte mehr ungestraft ein Thor oder ein Narr seyn; und wehe jedem Namen, welcher, da er eines Tadels fähig war, sich in den Vers schickte, ohne das Sylbenmaaß zu stören.


Und nachdem er dergestalt noch den Persius, Juvenal und Regnier beschrieben, bezeigt er seinen Ekel und Abscheu vor den unzüchtigen Ausdrückungen und groben Unflätereyen derselben:


Wie gut wäre es für ihn (den Regnier) wenn seine Reden, die ein keuscher Leser scheuet, nicht nach den Oertern röchen, die der Urheber besuchte; und wenn er durch seine cynischen Reime, schamhafte Ohren nicht so oft beunruhigen möchte.


Das Latein trotzet mit seinen Redensarten, aller Ehrbarkeit; allein heute zu Tage will ein Leser damit geschonet werden. Die allergeringste Unreinigkeit verletzet ihn mit ihrer Frechheit, wenn nicht die Schamhaftigkeit in Worten, die Vorstellungen mildert. Ich fordre in der Satire einen aufrichtigen Schriftsteller, und fliehe einen Unverschämten, der mir die Schamhaftigkeit predigt.


Diesen Text kann man bey uns auch Racheln, und sonderlich Günthern lesen, die sich ebenfalls bescheidener hätten verhalten sollen; und denen man also nicht darinn zu folgen, befugt ist. Wer andern ein Sittenlehrer seyn will, der muß selbst nicht durch seine Schreibart zu verstehen geben, daß er lasterhaft ist: sonst wird man von ihm urtheilen, wie Quintilian vom Afranius schreibt: TOGATIS EXCELLUIT AFRANIUS; VTINAMQUE NON INQUINASSET ARGUMENTA, PUERORUM FOEDIS AMORIBUS,[176] MORES SUOS FASSUS! LIB. X, c. 1. Anstatt meiner Exempel habe ich hier aus Racheln, Canitzen und Neukirchen diejenigen erborgen wollen, darinn sie von der Poesie gehandelt haben die also hier einen doppelten Nutzen haben werden. Von andern Materien muß man ihre Schriften selbst nachschlagen.


Opitzens Satire, bey einer Hochzeit.

Ihr, welche Tag und Nacht mit Hoffnung Furcht, und Zagen,

Der strenge Wüterich, die Liebe pflegt zu plagen,

Ihr, die ihr ganz und gar der schnöden Eitelkeit,

Den Lüsten ohne Lust zu Dienst ergeben seyd:

Seht an die lieben Zwey, die weit von allem Schmerzen,

In dem ihr euch befindt, mit unzertrenntem Herzen

Nun werden inniglich, verknüpft seyn in ein Band,

Das durch den bleichen Tod auch selbst nicht wird zertrannt.

Denkt eurem Stande nach, erweget euer Leben,

Und das, in welches sie sich wollen itzt begeben:

Wie selig sind sie doch! Ihr aber schifft ein Meer,

Das keinen Hafen hat, da Anmuth und Beschwer

Anstatt der Segel sind; da Klippen, Wind und Wellen

Der rasenden Begier sich euch entgegen stellen

Mit stürmender Gewalt; da gar kein Steuermann

Nicht angetroffen wird, auf den man fussen kann.

Die Liebe, die euch rührt, ist durch den Wahn gebohren,

Der nie sein Meister wird; sie ist ein Witz der Thoren,

Der Weisen Unvernunft, ein angenehme Noth,

Ein wohlgeschmacktes Gifft, ein eigenwillger Tod,

Und süsse Bitterkeit; ein Henker der Gewissen,

Dem Jupiter selb selbst auch hat bekennen müssen.

Wie edel, wie gelehrt wir immer mögen seyn,

Jedoch bethört sie uns mit ihrer süssen Pein.

Wir lassen ohne Scheu Papier und Waffen liegen,[177]

Vergessen unser selbst, beginnen uns zu schmiegen

Vor einer, die nicht groß nach unsern Künsten fragt,

Und der viel ander thun, als Lob und Ruhm behagt.

Wir irren noch mit Lust, und hören auch die Schande

Mit großen Freuden an, die uns und unserm Stande

Hieraus entstehen muß: und sagen oftmals auch,

Was nie geschehen ist: (welch schändlicher Gebrauch,

Indem wir mancher so den guten Namen stehlen,

Und was sie nie gedenkt, geschweige thut, erzählen,

Nicht recht und redlich ist.) Man ist nur bloß bedacht

Der Buhlschaft lieb zu seyn; erfindet neue Tracht,

Und zeucht mit Kleidern auf, die doch bey dem nichts können,

Darauf ein geiles Weib die ungezähmten Sinnen

Allein zu richten pflegt. Wir lernen leise gehn,

Zu mehrer Sicherung, und auf die Seiten stehn;

Die Thüren fein gemach mit stiller Hand aufmachen,

Nicht gleiten bey der Nacht, zu rechter Zeit erwachen.

Wir reden ohne Mund, mit Augen, mit der Hand;

Mit Griffen an ein Ohr, und was sonst mehr bekannt.

Will uns ein frommes Mensch nicht bald zu Willen leben,

So wissen wir gar fein bey ihr dann vorzugeben:

Mit ihrer Tugend Licht und großen Schönheit Pracht

Uns haben ganz und gar ihr unterthan gemacht.

So nehmen wir sie ein durch Dienst und stetes Ehren,

Indem sie von Natur sich gerne rühmen hören,

Und lieben, wer sie lobt. Wir geben Heirath vor,

Und wann die Zeit fast kömmt, so suchen wir das Thor.

Wir schicken Bothschaft aus, erdenken kluge Ränke,

Wie beyzukommen sey; verschwenden viel Geschenke,

Vernichten heimlich die, so vor am Brete seyn,

Und schleichen unvermerkt in ihre Stellen ein.

Viel tausend Künste mehr sind hier, sich einzudringen:

Durch Tanzen, durch den Wein, durch Seytenspiel und Singen,

Und was man sonsten noch für schnöde Sachen übt,

In welche dieses Volk gar leichtlich sich verliebt.[178]

Hergegen, wer will doch die tiefe List der Frauen,

Wie wohl beredt er sey, zu sagen sich getrauen?

Ihr ganzes Leben ist gleich einer Zauberey.

(Die Keuschen meyn ich nicht, das ferne von mir sey!)

Begehrt man ihrer sehr, so soll man immer harren;

Fragt man nach ihnen nicht, so heißen sie uns Narren:

Ist einer gar zu jach, so kömmt er ganz nicht ein:

Läßt er sie von sich selbst, so muß er furchtsam seyn:

Ich weis nicht, was man thut. Die Männer anzuhetzen,

Sind sie behender noch, als mancher, der mit Netzen

Den armen Vögeln stellt. Wie mancherley Manier

Ist für den schnöden Leib von theurer Pracht und Zier?

Sie spotten der Natur, und mahlen sich mit Sachen,

So nur die Haut, und nicht das Herze schöner machen;

Vermehren ihren Glanz mit Wassern vielerhand:

Ja für ihr Antlitz wird auch Kühmist ausgebrannt.

Viel riechen nach Zibeth; ihr ehrliches Gerüchte,

Dem kein Geruch nicht gleicht, hergegen wird zunichte.

Das Muster bleich zu seyn, wird itzt auch aufgebracht:

Drum essen sie nicht satt, verwachen sich bey Nacht,

Ja pflegen oftermals auch Kreide, Kohlen, Aschen,

Kalk, Eßig, und so fort, wie fast mit Lust zu naschen.

Ich meyne weil die Scham bey ihnen nicht mehr gilt,

Daß auch die Röthe nun, der Spiegel und das Bild

Der Scham, verächtlich sey. Ihr Trachten, Sinn und Dichten

Ist einig und allein, uns ihnen zu verpflichten.

In ihren Herzen ist fast niemals kein Bestand,

Und sind gleich wie ein Ball, der bald in diese Hand,

Bald dann in jene kömmt. Viel pflegen sich zu stellen,

Sie wären noch so fromm; sind niemals bey Gesellen;

Sehn kaum bisweilen auf, gehn selten vor die Thür:

Kömmt man zu ihnen heim, so lassen sie nicht für.

Läßt man dann ihnen was durch stille Botschaft sagen,

So ist die Antwort schlecht. Wann wir von Liebe klagen,

So lachen sie uns aus. Kein Seufzen hilft da nicht,[179]

Kein Gruß, kein Hutabziehn, kein schriftlicher Bericht,

Und was man sonsten braucht. So muß die schöne Tugend

Der Schande Mantel seyn: in dem die blinde Jugend

Durch solchen Schein gereizt vor Liebe kaum nicht stirbt,

Und in der ersten Blüth, als ein jung Baum verdirbt,

Die aber, welche gleich auch ihren Willen büssen,

Und allzeit ohne Scheu der falschen Lust genießen,

Was bringen sie davon? zu späte Reu und Leid,

Schmach, Unglimpf, Hohn und Spott, Verlust der theuren Zeit

Die Gicht, Geschwulst, Verderb der Augen, Nierenplagen,

Das Zittern, Seitenweh, den Schwindel, bösen Magen:

Und jenes, welches man bey uns nach Frankreich heißt,

Weil man sich sonderlich daselbst darauf befleißt.

Das kann die grimme Brunst! verkehrt uns die Gedanken,

Macht von Gesunden krank, Gesunde von den Kranken,

Von Starken krumm und lahm, die Jungen werden alt,

Die Alten wieder jung, die Schönen ungestalt.

Kein Glück und Fortgang ist in allem, was wir machen,

Wir sind die Büchern feind, und andern guten Sachen;

Die Kräfte gehen ab, die Schulden nehmen zu,

Ja das Gewissen selbst verlieret seine Ruh.

Wann einer dann ein Weib ihm nimmt heut oder morgen;

So zahlt er doppelt aus, das, was er vor gieng borgen:

Und das, mit welchem er so kostfrey pflag zu seyn,

Das bringt man wiederum bey seiner Frauen ein.

Am ärgsten aber ists, daß, welcher schon sein Leben

Einmal nur eigentlich der Venus hat ergeben,

So leichtlich nicht entkömmt. Schau alle Mittel an,

Durch welcher Brauch ein Mensch zurechte kommen kann,

Wie nichtig sind sie doch? Sie heißen uns zwar fliehen

Der Liebsten Gegenwart, und weit von hinnen ziehen;

Je weiter aber sie davon gereiset sind,

Je mehr die Flamme sich vermehret und entzündt.

Der Leib ist von ihr weg, die Liebe steckt im Herzen,[180]

Die folget allzeit nach: kein Brunnen löscht den Schmerzen,

Kein Fluß, kein grünes Thal, kein Berg noch dicker Wald.

Wir zweifeln, wie uns sey: itzt ist uns heiß, itzt kalt;

Und wissen nicht wohin. Im Fall wir dann studieren,

Da ist fast gar kein Buch, darinnen nicht zu spüren

Die Lust der Liebespein. Was ein Poete sagt,

Ist Venus, und ihr Sohn, der uns so heftig plagt.

In welcher Sprache sind nicht fast wie hohe Schulen

Geschrieben, da man lernt den rechten Griff zu buhlen,

Der auch sein Vortheil hat? Ja mache, was du willt,

So wird doch immerzu der Allerliebsten Bild

Vor deinen Augen stehn; so, daß ich auf der Erden

Kein einzig Mittel weis, des Uebels los zu werden.

Denn niemand folget dem, was Crates hat gesagt:

Wann Hunger und die Zeit die Liebe nicht verjagt,

So sey der beste Trost, sich nur bald selber henken.

Mag also der da liebt, hieraus bey sich gedenken,

In was für Noth er sey. Ihr aber, die ihr nu,

Weit von der bösen Lust, ergreift die wahre Ruh,

Wie wohl seyd ihr daran? Ihr werdet ohne Sorgen

Itzt liegen sicherlich bis an den hellen Morgen:

Wann sich in vieler Pracht der güldnen Sonnen Schein

Mit seinen Stralen dringt zu beyden Fenstern ein.

Nun gute Nacht! schlaft wohl! und wann ihr werdet geben

Und nehmen diese Lust, nach der wir alle streben:

So sinnet ihm doch nach, wie der doch sey daran,

Der allzeit lieben muß, und nie genießen kann.


Rachelii, achte Satire. Der Poet.

So soll ich nicht einmal empfindlich mich erzeigen,

Und wie ein stummer Fisch dem Midasbruder schweigen?

Wer hat denn eben ihn zu schmähen nur vergunt,[181]

Und mir zur Noth und Schutz verschlossen meinen Mund?

Ist ein Poet ein Narr? Verläumder? kahler Lauser?

Wie theur der hundert eins? ein guter Brockenmauser?

Ich sage billig Dank der allzu hohen Ehr:

Der Reußen Großfürst hat, fast kaum den Titel mehr.

Mein Tscherning, höchster Freund, ihr Meister in dem Dichten,

Der ihr ein trefflich Werk selbst machen könnt und richten,

Den die gelehrte Kunst hat Welt berühmt gemacht,

Und hoch bey Königen und Fürsten aufgebracht.

Wie, Lieber, kommt doch dieß, daß solche Himmels Gaben,

Die niemand als von Gott und seinem Geist kann haben,

Die nicht zu kaufen stehn um Waaren oder Geld,

Ja die mit Ehren krönt, das höchste Haupt der Welt,

Von manchem Rückemaul so schimpflich wird verlachet,

So liederlich geschmäht, so hönisch ausgemachet?

Was unter Funfzigen kaum Fünfen wohl geglückt,

Das wird zum Schabernack itzunder aufgerückt.

Ich der geringste nur, und würdig nicht zu schätzen,

Den man in dieser Zahl soll neben andre setzen,

Muß, nur zu lauter Schmach, auch solches Namens seyn,

Sonst ließ ich mich gar nicht zu dieser Antwort ein.

Wie aber geht es zu? Wer kann es doch errathen,

Daß dieser Ruhm nun stinkt als wie ein Schneidebraten?

Ich wette, wo du wilt, und setz ein gutes Pfand,

Der Ursprung dieses Hohns sey Neid und Unverstand.

Der schlaue Reinke Fuchs war einmal ausgerissen,

Und hatte seinen Schwanz zur Beute lassen müssen:

Der Schimpf verdroß ihn sehr, dorft kaum sich lassen sehn;

Damit er aber möcht dem Spott entgegen gehn,

Verlachet er zuvor ganz hönisch seine Brüder:

Was traget ihr, sprach er, das häßlichst aller Glieder?

Wozu dient das Geschlepp? Was bringt der Wedel ein?

Als daß wir so viel ehr der Jäger Beute seyn.

So gar kann alle Ding der Neid zu nichte machen;

So kann mein Theon auch die Poesie verlachen,[182]

Weil er zu dieser Kunst so gar gerecht ist schier,

Als eine Sau zur Leyr, der Esel zum Clavier.

Daß aber man so gar das Gute darf beschmeißen,

Daß ein Poet ein Narr, ein Narr Poet muß heißen!

Das thut der Unverstand: weil mancher Büffel zwar

Hat einen großen Kopf doch Bregen nicht ein Haar;

Sieht Kupfer an für Gold; die Rüben für Granaten;

Die Gans für einen Schwan; die Kötel für Muscaten;

Weis keinen Unterscheid; hat keiner Dinge Wahl:

Den Kukuk preiset er für eine Nachtigall.

Wahr ist, daß Phöbus Volk fast lustig ist von Herzen,

Und meistentheils gescheidt, doch höflich auch im Scherzen:


Bevorab wo sie nur in etwas sich getränkt

Mit dem berühmten Saft, den uns Lyäus schenkt.

Da wissen sie bald eins und anders vorzubringen

Zur angenehmen Lust; jedoch von solchen Dingen,

Die nicht verdrießlich sind. Ist das der rechte Mann,

Sie hengen ihm wohl eins, jedoch gar höflich an.

Ihr Stich der blutet nicht. So (hab ich wohl gelesen)

Soll aller Franken Ruhm, der Taubmann seyn gewesen:

So auch der Buchanan, Minervens liebstes Kind,

Dem weder Römer, Griech, noch Deutscher abgewinnt.

So war der Venusin, den selbst Augustus ehrte,

Der nach des Pindars Kunst, die Römer spielen lehrte,

Zum Lachen wie gebohrn, im Schmerzen ausgeübt;

Wie sein berühmtes Buch noch heute Zeugniß giebt.

Wenn nun ein grobes Holz, ein Eulenspiegels gleichen

Läßt einen, Pfuy dich an! mit gutem Willen streichen,

Bringt kahle Zoten vor, verschluckt ein ganzes Ey,

Und rülzet ins Gelach, und schmatzet in den Brey;

Wenn er sich lustig macht mit solchen Bubenpossen,

Die auch kein Hurenwirth sollt hören unverdrossen:

Da lacht die Unvernunft, daß ihr die Luft entgeht,

Und spricht wohl: Hey! das ist ein lustiger Poet.[183]

O! allzu theurer Nam für solche grobe Hachen,

Kann dann ein fauler Stank so bald Poeten machen;

Ein unverschämtes Wort? O! weit vom Ziel gefehlt:

Es muß ein ander seyn, der mit will seyn gezählt

In diese werthe Zunft. Die keuschen Pierinnen

Sind keinem Unflath hold, sie hassen grobe Sinnen.

Wer ein Poet will seyn, der sey ein solcher Mann

Der mehr, als Worte nur und Reime machen kann;

Der aus den Römern weis, den Griechen hat gesehen,

Was für gelehrt, beredt, und sinnreich kann bestehen;

Der nicht die Zunge nur nach seinem Willen rührt;

Der Vorrath im Gehirn, und Salz im Munde führt;

Der durch den bleichen Fleiß aus Schriften hat erfahren,

Was merklichs ist geschehn vor vielmal hundert Jahren:

Der guten Wissenschaft mit Fleiß hat nachgedacht,

Mehr Oel als Wein verzehrt, bemüht zu Mitternacht;

Der endlich aus sich selbst was vorzubringen waget,

Das kein Mensch hat gedacht, kein Mund zuvor gesaget;

Folgt zwar dem Besten nach, doch außer Dieberey,

Daß er dem Höchsten gleich, doch selber Meister sey;

Dazu gemeines Ding und kahle Fratzen meidet,

Und die Erfindung auch mit schönen Worten kleidet;

Der keinen lahmen Vers läßt untern Haufen gehn,

Viel lieber zwanzig würgt, die nicht für gut bestehn.

Nun wer sich solch ein Mann mit Recht will lassen nennen,

Der muß kein Narr nicht seyn; so wohl was gutes können,

Als unser Tadelgern, der neugebohrne Held,

Der nicht geringen Muth und Titel hat für Geld.

Geh, wie Diogenes des Tages bey den Flammen,

Und bringe dieser Art, so viel du kanst, zusammen;

Setz gute Brillen auf, für eine zweymal drey:

Komm dann, und sage mir, wie theur das hundert sey?

Es werden kaum so viel sich finden aller Orten,

Als Nilus Thüren hat, und Thebe schöne Pforten:

So viel du Finger hast, die Daumen ungezählt,[184]

Im Fall dir einer noch vom ganzen Haufen fehlt.

Zwar tausend werden sich und vielmal tausend finden,

Die abgezählte Wort in Reime können binden.

Des Zeuges ist so viel, als Fliegen in der Welt,

Wann aus der heißen Luft kein Schnee noch Hagel fällt.

Auf einem Hochzeitmahl da kommen oft geflogen

Des künstlichen Papiers bey vier und zwanzig Bogen.

Ein schöner Vorrath, traun! bevorab zu der Zeit,

Wann etwa Heu und Stroh nicht allzuwohl gedeyt.

Kein Kindlein wird gebohrn, es müssen Verse fließen,

Die oft so richtig gehn, und treten auf den Füssen,

Als wie das Kindlein selbst; die (wie es ist bekannt)

Auch haben gleichen Witz, und kindischen Verstand.

Stirbt jemand, so muß auch des Druckers Arbeit sterben;

Wiewohl den Drucker nicht so schädlich, als den Erben.


Bald kömmt der Dichter selbst, erwartet bey der Thür,

Des Halses süssen Trost, der Faust und Kunst Gebühr.

Nun eben diese sinds, die guten Ruhm beschmeißen,

Dieß Lumpenvölklein will (mit Gunst) Poeten heißen;

Das nie was guts gelernt; das niemals den Verstand

Hat auf was wichtiges und redliches gewandt;

Die nichts, denn Worte nur zu Markte können tragen;

Zur Hochzeit faulen Scherz, bey Leichen lauter Klagen,

Bey Herren eiteln Ruhm, dran keiner Weisheit Spuhr,

Kein Salz nach Eßig ist, als bloß der Fuchsschwanz nur.

Drum dürfen sich auch wohl in diesen Orden stecken,

Die niemals was gethan, als nur die Feder lecken.

Ein Schriftling, der kein Buch, als Deutsch, hat durchgesehn,

Will doch als ein Poet, und für gelahrt bestehn.

Es thut ihm eben sanft, wenn solche Titel fallen.

Warum nicht? der im Huy, ja zwischen Feur und Knallen

Hat einen Vers gemacht? In zweyer Tage Zeit

Hat er ein ganzes Buch fünf Finger dick bereit!

O Meister Hämmerling! leg ab die Leimenstangen,[185]

Geschwindigkeit taugt nichts, als Flöhe nur zu fangen.

Was mit der langen Zeit soll wachsen und bestehn,

Das muß nicht hokes poks, wie aus der Taschen gehn.

Sieh des Mäcenas Freund, im Setzen wohl erfahren,

Giebt guten Versen Zeit, von zwey und sieben Jahren.

Zwölfmal hat Cynthius durchrennt sein rundes Pfad,

Eh des Aeneas Lob das Licht gesehen hat.

Itzund, wenn einer nur kann einen Reim herschwatzen:

Die Leber ist vom Huhn, und nicht von einer Katzen;

Da heißt er ein Poet. Komm, edler Palatin!

Leg deinen Lorberkranz zu seinen Füßen hin.

Was mag doch Griechenland Homerus Werke loben,

Und Welschland den Virgil? O! dieser Dreck schwebt oben!

So gar sticht Deutschland nun die andern Völker aus,

Greift einen Opitz ehr, als Codrus eine Laus.

Ja endlich haben wir erlebt die güldnen Jahren,

Daß auch das Weibervolk läßt Spul und Haspel fahren,

Und macht ein Kunstgedicht. Sie wenden klüglich für,

Sind nicht die Musen all, auch Jungfern gleich wie wir?

Ist nicht Minerva selbst, die Fürstinn kluger Sinnen,

In beydem gleich geübt, im schreiben, wie im spinnen?

War Sappho nicht ein Weib? Ist irgendswo ein Mann

Der einer Schurmannin sich gleich erweisen kann?

Ihr schlechten Tauben ihr! wo sonderliche Gaben

Fast wider die Natur, sich eingefunden haben:

Was geht euch solches an? Um aller Welt Gewinn

Bringt ihr mir nimmermehr noch eine Schurmanninn.

Was von Minerva wird geschrieben und gelesen,

Ist niemals in der That geschehen noch gewesen:

Sie hat so wenig Fleiß an Büchern je verlohrn,

Als sie aus dem Gehirn des Vaters ist gebohrn.

Dieß Bild will mit Verstand also seyn angenommen,

Daß Kunst und Weisheit nur vom Himmel müssen kommen.

Die Musen alle neun sind Wissenschaften nur,

Die uns sind abgemahlt in weiblicher Figur.[186]

Was Sappho nun betrifft, so wirst du ihre Sitten,

Sammt aller ihrer Kunst nicht wünschen oder bitten:

Ein ehrlich Weibesbild, ein fromm gewöhntes Kind

Wird nimmermehr also, wie Sappho seyn gesinnt.

Die Schriften sind fürwahr Gezeugen unsrer Herzen:

Die keusch ist von Natur, die wird nicht unkeusch scherzen.

Das bild ich mir gewiß und ohne Zweifel ein:

Die so wie Thais spricht, die wird auch Thais seyn.

Wär aber irgendwo ein Weib, das geil von Munde

Und in der Feder wär; jedoch sich keusch befunde:

Die wäre wehrt, daß sie vor allen schau geführt

Und nackend sollte stehn mit Purpur ausgeziert.

Man sollte billig sie und andre ihres gleichen,

(Wo sonsten andre sind) mit güldnen Ruthen streichen.

Wo aber findet man solch Kleinod in der Welt?

Da weiße Raben sind, und schwarzer Hagel fällt.

Drum wünsche nicht daß die, so vorsteht deinem Hause,

Mit Versen sich bemüh, und in Poeten mause.

Der Weiber Vorwitz ist schon aller Welt bekannt:

Sie nähme wohl so bald den Daphnis in die Hand,

Als Risten himmlisch Buch. Gelegenheit lehrt stehlen.

Sie möchte wohl dadurch ihr einen Daphnis wählen,

Indem du süße schläfst, der lieber wär als du,

Und schreiben den Vertrag ihm in den Versen zu.

Auch, setz ich, daß ein Weib geübt in solchen Sachen,

(Wie etwa möglich ist) was trefflichs könnte machen:

Woher die liebe Zeit? (Mein Urtheil rühret nicht,

Als nur gemeines Volk: ob schon ein himmlisch Licht

Heldinnen tüchtig macht, was köstliches zu schreiben;

Zu setzen ein Gedicht an statt der Klapperscheiben,

Das gehet euch nicht an) Ein Weib die Flachs und Woll,

Haus, Keller, Küchen, Magd und Kind beschicken soll,

Hat mehr denn allzuviel in allen beyden Händen;

Weis den Verstand und Zeit viel besser anzuwenden.

Zuletzt, kein Männerwitz hat bey den Weibern Art:[187]

Den Männern nur gehört die Feder und der Bart.

Nun hola wo hinaus? laßt uns zurücke kehren:

Huy, Blinder, hie geh' her, sprach Hans zu seiner Mähren.

Wir lassen nun hinfort die weißen Schürzen gehn,

Und sorgen wie uns selbst die Hosen recht anstehn.

Noch sag ich, ein Poet muß seyn von solchen Gaben,

Die nicht ein jeder Mann, geschweig ein Weib kann haben.

Kunst, Uebung, steter Fleiß, die machen einen Mann,

Der endlich ein Poet mit Ehren heißen kann:

Ja wer nicht von Natur hiezu ist wie gebohren,

Bey dem ist Kunst und Fleiß, und Uebung auch verlohren.

Hör, was der Römer spricht: die Stadt giebt jährlich zwar

Der Bürgemeister zween: jedoch nicht alle Jahr

Kömmt ein Poet hervor. So viel hat das zu sagen,

Wenn jemand will mit Recht das Lorbeerkränzlein tragen.

Doch dieß gilt dahin nicht, daß diese Schwierigkeit

Dich läßig machen soll. Der Gaben Unterscheid

Der hebt nicht alles auf. Kannst du den Uebereichen,

An seinem großen Schatz und Vorrath nicht wohl gleichen;


So ist nur wenig gnug: spann alle Sinnen an;

Wer weis was nicht dein Fleiß dir mehr erwerben kann?

Schreib wenig, wo nicht viel, daß nach der Arbeit schmecket:

Ein kleines Werklein hat oft großen Ruhm erwecket.

Zwo Zeilen oder drey von Buchnern aufgesetzt,

Sind billig mehr als dieß mein ganzes Buch geschätzt.

Nur eine Fliege wohl und nach der Kunst gemahlet

Ist ihres Lobes werth, und wird sowohl bezahlet;

Als nach des Lebens Maaß ein großer Elephant,

Den nur ein Sudler hat geschlagen von der Hand.

Kannst du kein Opitz seyn, kein theurer Flemming werden;

O! es ist Raum genug vom Himmel bis zur Erden.

Ist schon der Eymer nicht bis an den Henkel voll,

Was denn? die süße Milch schmeckt darum eben wohl.

Hat Holland Heins' und Catz? es finden sich wo minder.[188]

Ist Ronsard Frankreichs Sohn? es hat wohl schlechtre Kinder.

Ob schon die Fichte scheint die Wolken anzugehn,

Noch darf ein Rosenbusch sich auch wohl lassen sehn.

Allein vermeng dich nicht mit den vermeßnen Thieren,

Die alles ohn Bedacht fort in das Buch hinschmieren;

Auch sieh dich eben vor, daß deine Arbeit nicht

Sey allzusehr genau, und sorglich eingericht,

Nach Hirsenpfriemers Art, wenn er also darf setzen:

Der Erzgott Jupiter, der hatte, sich zu letzen,

Ein Gastmahl angestellt; die Weidinn gab das Wild,

Der Glutfang den Toback, der Saal ward angefüllt.

Der Obstinn trug zu Tisch in einer vollen Schüssel,

Die Freye saß und spielt mit einem Herzensschlüssel,

Der kleine Liebreiz sang ein Dichtling auf den Schmauß,

Der trunkne Heldreich schlug die Tageleuchter aus,

Die Feurinn kam dazu aus ihrem Jungfern-Zwinger

Mit Schnäbeln angethan; Apollo ließ die Finger

Frisch durch die Seiten gehn; des Heldreichs Waldhauptmann

Fing lustig einen Tanz mit den Holdinnen an.

Je daß dich! je, so schreib! Dieß Elend ist entsprungen

Vom guten Vorsatz her: weil man mit fremden Zungen

Die edle Muttersprach zu schänden aufgehört,

Und unsre Deutschen hat das reine Deutsch gelehrt.

Es war ein neu Gespräch allmählich aufgekommen,

Und hatte mit der Zeit ganz überhand genommen;

Daß eine Zunge nur, ein deutscher Mann allein,

Aus nüchtern Munde sprach Französisch, Welsch, Latein.

Und daß der späten Welt die Art nicht mag gebrechen:

So hört doch, wie ich selbst hab einen hören sprechen.

Ein braver Capitein, ein alter Freyersmann

Hub seinen Mängelmus mit diesen Worten an:

ÇA MAISTRE mache mir, EN FAÇON der Franzosen,

Für gut CONTENTEMENT ein paar geraumer Hosen:

Ich selber bin mir gram, mir knort der ganze Leib,

Daß ich JUSQ' Á PRESENT muß leben ohne Weib.[189]

Was hab ich nicht gethan? was hab ich nicht erlitten,

O CLORIS, dein AMOUR und Schönheit zu erbitten,

Weil dein ÉCLAT SO weit die andern übergeht.

Als wenn ein Diamant bey einem Kiesel steht.

SOLEIL DE NOSTRE TEMPS, o Auszug aller Tugend!

O himmlischer TRESOR! o Krone dieser Jugend!

Was hab ich nicht gewagt, daß sich dein NOBLER Sinn,

Zu meiner BASSETÉE doch möchte lenken hin?

Und endlich möcht ich wohl von einer Dame wissen,

Warum man mich nicht will wie andre Kerle küssen?

Hab ich nicht Mauls genug? verhindert sie der Bart?

Hab ich der BAISEMAINS und meines Huts gespart?

Wie manche Gasse bin ich dir zu Dienst gegangen,

Wenn man des Abends pflegt die Flädermaus zu fangen?

Wie oftmals hab ich dir bey später Mitternacht,

Auf meiner CORNEMUSE ein Dudeldey gebracht!

Und gleichwohl kann ich nicht, sollt ich darüber sterben,

Ein freundliches REGARD von einer auch erwerben.

Du lässest mir zu Schimpf den jungen Lecker ein,

Ich muß VIEILARD LE GRIS, und schwarzer Michel seyn.

Und was ist denn an dir so sonderlichs zu fressen?

FAROUCHE, Rabenaas! daß du so gar vermessen

Auf mich noch höhnisch thust? Bin ich gleich ziemlich alt:

Doch ist mir weder Herz, noch Hand, noch Finger kalt.

Der Magen däuet wohl: denn geht es an ein Schwärmen,

Kann ich ein Nössel Wein, sechs, sieben, acht erwärmen:

Die Zähn, ASSUREZ VOUS! sind alle noch gesund,

Versuchs, und stecke mir den Daumen in den Mund.

Ich habe manches Land und Herrschaft durch gereiset,

Und mich mit Augenlust und Schönheit nur gespeiset.

Das war mein ORDINAIR mit Dramen umzugehn,

Da war ich PAR MA FOY, was besser anzusehn,

Da war ich hochberühmt im Fechten, Spielen, Tanzen,

Bracht MASQUERADEN an, und frische Mummenschanzen.

Ich redte spanisch, welsch, krabatisch und latein:[190]

PARIS und ORLEANS ließ mich für Bürger ein.

Ist irgend ein BANQUET, da man mich ruft zu Tische,

So schneid ich trefllich wohl, Geflügel oder Fische,

CHAPONS, PERDRIS, LEVREAUX. Man zeige mir den Mann,

Der so genau, als ich, den Gecken stechen kann.

Und eben hier soll ich mich lassen CUJONIren,

Und meine RENOMÉE auf einmal ganz verlieren?

Bey einer schwarzen Haut, die kaum des Odems werth,

Der solchem CAVALLIER aus seinem Hintern fährt?

Viel lieber will ich gar versetzen mein Verlangen,

Und meine PUCELLAGE an einen Nagel hangen,

Wie manche Dame thut, wenn ihrs zu lange fällt,

Die Speck und Mäusefall umsonst hat aufgestellt.

Dieß war die güldne Kunst zu reden und zu schreiben;

Nun denk ihm einer nach, wann dieß noch sollte bleiben,

Als wie der Anfang war, bey jedermann gemein:

Welch eine Sprache solt in Deutschland endlich seyn?

So hat die Barbarey auch das Latein zerstücket,

Und Gothisch, Wendisch, Deutsch mit Macht hinein geflicket.

Dadurch kam allererst der Mischmasch auf die Welt,

Den Frankreich, Welschland selbst, und Spanjen noch behält.

Der GENTELMAN hat auch sein Theil davon bekommen,

Ein Wörtlein hier und da, von allem was genommen:

Und eben dieses war dem Deutschen auch geschehn:

Wenn nicht mit allem Ernst da wäre zugesehn;

Der Lapperey gewehrt, das reine Deutsch erzwungen,

Das nichts erbetteln darf von fremder Sprach und Zungen.

Es kömmt mir eben vor, als wenn man ein Gesicht,

Dem keiner Schönheit Zier noch Lieblichkeit gebricht,

Nach geiler Weiber Art noch will mit Pflastern schmücken,

Die künstlich sind geschnitzt, als Käfer oder Mücken.

O unbesonnen Werk! was hat die stolze Pracht

Nicht wider die Natur gewirkt und ausgedacht!

Käm irgend auf die Welt ein Kind mit solchen Flecken,

Wie sorglich sollte man die Misgeburt verdecken![191]

Wann öffentlich Hans Wurst will ausgelachet seyn,

So fleckt er das Gesicht, wie euch nun ist gemein.

Nun solch ein Narr ist auch, und würdig seiner Kappen,

Der unser schönes Deutsch, mit der Franzosen Lappen

Noch besser machen will. Vor vielen Jahren schon

Sprach auch ein geistlich Mann aus einem hohen Ton:

MONSIEUR, ich bin nicht werth, daß ihr zu meiner Thüren,

Und in mein schlecht LOGIS sollt mit mir hin MARCHIren,

UN MOT! sprecht nur ein Wort: ich weis, zu dieser Stund,

ET TOUT INCONTINENT SO wird mein Knecht gesund.

Zwar bin ich nur ein Mensch, und daß ichs gern gestehe,

Ein schlechter CAVALLIER: Doch wenn ich einen sehe

Von meiner COMPAGNIE, und ruf ihn zu mir her!

ÇA GARÇON? er ist PROMPT, verrichtet seyn DEVOIR.

Der gute Redner wollt des Hauptmanns Wort aussprechen,

Der zu dem Herren kam in Nöthen und Gebrechen,

Wie sonsten ist bekannt. Nun aber, Dank sey Gott!

Ist diese Mummerey den Deutschen nur ein Spott.

Hergegen andre sind, (wie vor gesagt) zu finden,

Die allzu gar genau uns suchen einzubinden.

Sie haltens einen Mord, wenn etwa dem Latein

Ein Wörtlein ohngefähr nur ähnlich sollte seyn.

Ein solcher Klügling wird nicht leiden, daß man sage,

Wie er an seinem Kopf auch Nas' und Ohren trage.

Denn beydes ist Latein. Der Fuß sieht griechisch aus;

Der Spiegel ist nicht Deutsch, noch minder Katz und Maus.

Nun lieber, laßt uns auch was Gutes doch erdenken,

Und nach der neuen Kunst die Zunge klüglich lenken:

Was wird man seltsam Werk, was wird man Wunder sehn!

Ey, Liebste! lasset doch den grauen Murmur gehn.

Nehmt mich in euren Schooß. Der fahle Häckselmenger

Frißt die gedruckte Milch. Neigt eure Lüftleinsfänger

Doch meiner Rede zu. Geht zu dem Gleicher hin,

Der Schnauber ist euch schwarz: sonst seyd ihr meinem Sinn

Und gutem Urtheil nach, mit allen Schönheitswaaren[192]

Vollkömmlich ausgeputzt, von Scheitel und den Haaren,

Bis auf die Trittung zu. Wenn euer Pflanzherr wollt,

Und eure Seuge mir so zugethan und hold

Noch heute könnte seyn, daß sie mein liebstes Leben,

Euch mir zum Eigenthum besitzlich wollten geben:

So flög ich voller Glück bis an das blau Gezelt;

Wo Phöbus prächtig steht, der Süchtling aller Welt.

Wer hat das Zipperlein so schwer an Händ und Füßen,

Der dieses Narrenwerks nicht sollte lachen müssen?

Wer so unsichtbar geht, führt solche Räthsel ein,

Der wird in Wahrheit auch den Deutschen undeutsch seyn?

Wer wollte nicht viel ehr des Wälschen Wort verstehen:

Paur, hale mir die Pferd, laßt ju der Schuch besehen,

ALLEGRO, macht ju fort; Bezahlt die Pinkebank,

Geh Moder in die Stall, der Kuh sein Kind ist kranck.

Zum letzten ist noch viel den wahren Ruhm zu schmähen,

Weil man nicht ohne Zorn und Lachen zu muß sehen:

Wie um so schlechte Kunst, doch um ein ziemlich Lohn

Auf alle Köpfe past die grüne Daphniskron.

So leicht ein Roscius Muscaten her kann machen,

Sybill ein Kind von Stroh, Crispinus in den Rachen

Ein halbes Stübchen geußt; so leicht ein Gauckelsmann

Aus einem Baurenrock Ducaten schütteln kann;

So leichtlich als ein Held von etwa sechzehn Jahren,

Mit einer rothen Mütz nach Hause kömmt gefahren;

So leicht ein Mörselknecht, ein junger Kräuterkoch,

Mit einem Doctor kreucht aus einem Schorsteinsloch;

So leichtlich als die Katz ein Mäuslein kann erwischen,

Thrasyllus aus der Luft ein Dutzend Lügen fischen;

So leichtlich als ein Ey ist in den Sack gebracht:

So leichtlich ist ein Schock Poeten weggemacht.

Was Teuscherey ist das? Mag doch kein Schiffer heißen,

Der keinen Wind versteht. Wer keinen Fisch kann reißen,

Der kann kein Koch nicht seyn. Wer keinen Pechdrat kennt,

Der mag mit Wahrheit ja kein Schuster seyn genennt.[193]

O, daß ihr mit dem Kranz auch plötzlich dabeyneben,

Ihr Herren von der Pfalz Gelahrtheit könntet geben:

Ich hätt euch all mein Gut, ich hätt euch all mein Geld,

(Ihr wißt noch nicht, wie viel?) vorlängst schon zugestellt.

Mag aber das nicht seyn, ist sonsten nichts zu fangen,

Als mit den Titeln nur und großen Briefen prangen:

So taugt der Handel nichts. Man giebt in Zeit der Noth

Kein Speck und Fleisch dafür, kein Butter oder Brodt:

Doch hievon mehr, als gnug. Was soll ich aber machen

Mit denen, die so gern den Bettelsack belachen?

Wo ein Poete wohnt, da ist ein ledig Haus,

Da hängt (spricht Güldengreif) ein armer Teufel aus.

Geduld, was will man thun? Man muß es zwar gestehen,

Wer zu dem Reichthum eilt, muß anders was ersehen,

Als Versemacherkunst? Wer plötzlich reich will seyn,

Der löst um wenig Geld gestohlne Waaren ein,

Der biethe Zungen feil, bediene faule Sachen;

Doch, daß er beyde Theil ihm kann zu Freunden machen:

Geb einen Schreiber ab, und suche sein Gewinn;

Was nicht ins Kästlein fällt, das fällt darneben hin.

Wer plötzlich reich will seyn, muß große Renten heben,

Und zahlen wenig aus: das kann ihm Beute geben.

Bedient er Vormundschaft: er muß auf sich auch sehn;

Und sollten gleich darnach die Mündlein barfuß gehn.

Wem dieses nicht gefällt, der mag ein Kaufmann werden,

So lang es halten will mit Kutschen und mit Pferden:

Zum Prunk sich lassen sehn; bald gar unsichtbar seyn,

Und stellen mit Vertrag sich endlich wieder ein.

Ist das nicht seines Thuns, so kann er Leder stehlen,

Und lassen doppelt theur ihm für die Stiefeln zählen.

Der Künste seyn so viel, als wie des Ufers Sand,

Den Meistern doppelt mehr, als mir, Gott Lob! bekannt.

Nun aber ein Poet weis nichts von solchen Sachen,

Es soll die gute Kunst auch keinen Schinder machen:

Sie dient zu guter Lust, sie dient zu guter Lehr;[194]

Sie dient Verständigen, und Gott zu seiner Ehr.

Wer Brod erwerben will, und Mittel zu dem Leben,

Der muß auf anders was hauptsächlich sich begeben,

Das Küch und Keller füllt. Wer so die Sach angeht,

Der hat, was er bedarf, und bleibt doch ein Poet.

Nach abgelegter Pflicht so mag er sich ergetzen,

Und einen guten Vers hin zu dem andern setzen,

Der Wechsel machet oft, daß uns kein Werk verdreust,

Wo sonst die Dinte gern und ungezwungen fleußt.

Kömmt denn zu rechter Zeit ein guter Freund gegangen,

So läßt er wohl einmal ein kühles Trünklein langen,

Sticht wo ein Gläschen ab, versucht die kalte Schal:

Ein halber Gülden macht ihm doch kein Capital.

Indem er also sitzt, bedenket er mit Lachen,

Wie oft das große Gut den Reichen arm kann machen:

Je mehr dem Geizigen trägt sein Vermögen ein,

Je mehr muß er bescharrt und wohl behungert seyn.

So oft er einmal trinkt, so muß er überschlagen,

Ob seine Zinsen auch die Kosten mag ertragen?

Der Hauptstuhl ist sein Gott, den tastet er nicht an:

Greift lieber hinter sich, als nach der vollen Kann.

Hergegen mein Poet sagt, daß der Sonntagsbraten,

Und sein Gerichtlein Fisch nicht übel mag gerathen;

Singt seinem lieben Gott, so freudig, als er mag,

Der weiter für ihn sorgt, als für den andern Tag.

Zuweilen sitzet er, hält der Vernunft entgegen,

Die Laster seiner Zeit, die irgend sich erregen,

Schont aller Menschen zwar, doch keiner Thorheit nicht:

Und ob sein Urtheil selbst ihm ins Gewissen spricht,

So schweigt er mit Geduld, beseuftzt die bösen Thaten,

So kann die Wahrheit ihm zum höchsten Heil gerathen.

Ist dieser Eßig scharf, er ist dennoch gesund,

Und beißt das faule Fleisch heraus bis auf den Grund.

Gleichwie Machaon brennt und heilt mit klugen Händen:

So mag doch ein Poet zwar strafen, doch nicht schänden,[195]

Und wer dann solchen Mann zu den Verläumdern schreibt,

Der wisse, daß ihn selbst der Erzverläumder treibt.

Es ist Poeten Werk, mit fremden Namen spielen,

Und also mit Gelimpf auf wahre Laster zielen:

Nimmt aber jemand selbst sich solcher Laster an,

Wer ist in aller Welt, der solches ändern kann?

Hat jemand Codrus Art, der mag den Namen erben;

Wer Hirsenpfriemer heißt, mag Hirsenpfriemer sterben.

Wenn beym Horatius also geschrieben steht:

Gorgon stinkt wie ein Bock, Ruffin reucht nach Ziebeth:

Da kann es ja gleichviel dem guten Dichter gelten,

Wer will, mag sich Gorgon, wer will, Ruffinus schelten.

Ein Frommer eifert nicht, sein Herz das spricht ihn los,

Wer schuldig ist, der schreyt und giebt sich selber bloß.

Wen sein Gewissen beißt, mag seine Thorheit hassen,

Hab ich den Geck erzürnt, ich kann es noch nicht lassen:

Ich biete rechten Trotz, dem, der mir solches wehrt;

Wer Laster straft, der hat die Tugend recht gelehrt.


Canitzens dritte Satire, von der Poesie.

Auf! säume nicht, mein Sinn, ein gutes Werk zu wagen,

Und aller Dichterey auf ewig abzusagen;

Gieb weiter kein Gehör, wenn die Sirene singt,

Und such ein ander Spiel, das bessern Nutzen bringt.

Wie? sprichst du, soll ich schon den Zeitvertreib verschwören,

Dadurch ich bin gewohnt die Grillen abzukehren,

Der mir in Sicherheit, bisher die Stunden kürzt?

Anstatt, daß mancher sich aus Lust, in Unlust stürzt,

Der, weil ein schwarzer Punkt im Würfeln ausgeblieben,

Zuletzt aus dem Besitz der Güter wird getrieben.

Ich thu mir schon Gewalt, wenn ich viel Thorheit seh,

Die ich bescheidentlich mit Schweigen übergeh.

Das aber ding ich aus, nicht zu des Nächsten Schaden:[196]

Nein, sondern nur mein Herz der Bürde zu entladen,

Daß ich durch einen Reim, was ich den ganzen Tag

Geduldig angemerkt, mir selbst vertrauen mag.

Da schenk ichs keinem nicht, kein Ort ist, den ich schone,

Von schlechten Hütten an, bis zu des Königs Throne.

Ein bärtiger Heyduck, der, wie ein Cherubim,

Die Streitaxt in der Hand, die Augen voller Grimm,

Der Auserwählten Sitz verschleußt vor meines gleichen,

Muß, wie ein schüchtern Reh, von seiner Wacht entweichen;

Wenn mein gerechter Zorn erst anzubrennen fängt,

Und sich bis in den Schooß des blinden Glückes drängt,

Die Larve vom Gesicht des Lasters wegzureißen.

Weh dem, der thöricht ist, und dennoch klug will heißen!

Denn wo sein Name nur sich in die Verse schickt,

So wird er alsofort dem Mayer beygerückt.

In meinem Schülerstand auf den bestäubten Bänken

Hub sich die Kurzweil an. Sollt ich auf Sprüche denken,

Die man gezwungen lernt, und länger nicht bewahrt,

Als bis der kluge Sohn, nach Papageyenart,

Sie zu der Aeltern Trost, dem Lehrer nachgesprochen:

So ward mir aller Fleiß durch Reimen unterbrochen.

Da mahlt ich ungeübt, in meiner Einfalt, ab,

Wenn Meister und Gesell mir was zu lachen gab.

Bis, nach und nach, die Zeit den Vorhang weggeschoben,

Und mir, was scheltens werth; hingegen was zu loben,

Was Hof und Kirch und Land, und Stadt für Wunder hegt,

Und was mir selber fehlt, getreulich ausgelegt.

Das mach ich mir zu nutz, und durch des Himmels Güte,

Werd ich je mehr und mehr bestärkt, daß ein Gemüthe,

Wenn es der Tyranney des Wahnes obgesiegt,

Und seine Freyheit kennt, ganz Peru überwiegt.

Das ists, was oft mein Kiel schreibt in gebundnen Sätzen.

Was mich nun dergestalt in Unschuld kann ergetzen,

Wozu mich die Natur – – – Halt ein, verführter Sinn!

Drum straf ich eben dich, weil ich besorget bin,[197]

Es möchte, was itzund noch leicht ist zu verwehren,

Sich endlich unvermerkt, in die Natur verkehren.

Wo hat Justinian das strenge Recht erdacht,

Durch welches ein Phantast wird Vogelfrey gemacht?

Und, du ein weiser Mann dieß für was großes schätzet,

Daß man noch keinen Zoll auf die Gedanken setzet;

Ist wohl der beste Rath, man seh und schweige still,

Und stelle jedem frey, zu schwärmen, wie er will:

Indem es fast so schwer, die rohe Welt zu zwingen,

Als mancher Priesterschaft das Beichtgeld abzubringen.

Ein Spiegel weiset uns der Narben Häßlichkeit,

Doch wird er oftermals deswegen angespeyt.

Du meynst zwar, was du schreibst, soll nie das Licht erblicken,

Wie bald kann aber dieß auch dir eins misgelücken?

Von deinem schönen Zeug entdeck ich, wie mich deucht,

Schon manch geheimes Blatt, das durch die Zechen fleucht.

So wirst du ein Poet, wie sehr du es verneinest;

Wer weis, ob du nicht bald im offnen Druck erscheinest?

Vielleicht wird dein Gedicht, des Müßigganges Frucht,

Noch bey der späten Welt einmal hervor gesucht;

Und mit dem Juvenal in einem Pack gefunden,

Wenn man ihn ungefähr in Löschpapier, gewunden.

Schreibt dir dein bester Freund, der deinen Rath begehrt,

So scheints, als hieltest du ihn keiner Antwort werth.

Bringt jemand ein Gewerb, das auf dein Wohlergehen,

Auf Ehr und Vortheil zielt; du läßt ihn draußen stehen.

Triffst du Gesellschaft an, die ein Gespräch ergetzt,

Wo der Bekümmertste sein Leid beyseite setzt:

So runzelst du die Stirn in so viel hundert Falten,

Daß du oft für ein Bild des Cato wirst gehalten.

Ein jeder wollte gern erfahren, was dich quält?

Indessen schleichst du fort, weist selbst kaum was dir fehlt.

Dein Haus wird zugesperrt, die Schlösser abgespannet,

Wie es ein Zaubrer macht, wenn er die Geister bannet;

Und da die halbe Welt, von aller Arbeit ruht,[198]

Weckst du den Nachbar auf, den des Camines Glut

Und späte Lampe schreckt, die dich im Fenster zeigen,

Als wollst du Thurm und Dach, aus Mondsucht, übersteigen.

Warum? Was ficht dich an? Was ists? Was macht dich toll?

Ein Wort. Was für ein Wort? Das hinten reimen soll.

Verdammte Poesie! Mein Sinn laß dich bedeuten,

Eh ich die Niesewurz darf lassen zubereiten.

Greif erst die Fehler an, die du selbst an dir siehst;

Eh du der andern Thun durch deine Hechel ziehst:

Denn, sollt ich hier die Müh, dich zu erforschen, nehmen,

Wir müßten, ists nicht wahr? uns vor einander schämen.

Kurz: Wer das Richteramt auf seine Schultern nimmt,

Der seh, ob sein Gesetz mit seinem Wandel stimmt.

Wird doch die Kanzel roth, wenn ein erhitzter Mäyer

Der geilen Heerde schwatzt, von Sodom, Rach und Feuer,

In Chloris Gegenwart; die noch verwichnen Tag

In dem verliebten Arm des treuen Hirten lag.

Ists möglich? kann dir noch die Dichterkunst gefallen?

Gib Achtung, bitt ich dich, wie unsre Lieder schallen,

Und was für eine Brut man allenthalben heckt,

So weit sich das Gebieth des deutschens Boden streckt.

Durch Opitz stillen Bach gehn wir mit trocknen Füssen,

Wo sieht man Hofmanns Brunn, und Lohnsteins Ströhme fließen?

Und, nehm ich Bessern aus, wem ists wohl mehr vergönnt,

Daß er den wahren Quell der Hippokrene kennt?

Wer itzt aus Pfützen trinkt, tritt zum Poeten-Orden,

So, daß der Helikon ein Blocksberg ist geworden;

Auf welchem das Geheul des wilden Pans ertönt,

Der seine Sängerzunft mit Hasenpappeln krönt.

Vor Alters, wo mir recht, ward nie ein Held besungen,

Wenn er nicht, durch Verdienst, sich in die Höh geschwungen;


Und eine Redensart, die göttlich sollte seyn,

Ward zu derselben Zeit den Sklaven nicht gemein.[199]

Wo lebt itzt ein Poet, der dieß Geheimniß schonet?

So bald er einen merkt, der ihm die Arbeit lohnet,

Wird seinem Pegasus der Sattel aufgelegt,

Der ein erkauftes Lob bis an den Himmel trägt;

Den wir mit solcher Post so oft zum Zorne reizen,

Und öfter noch vielleicht, als sich die Sterne schneuzen.

Daß großentheils die Welt in träger Lust verdirbt,

Und sich, um wahren Ruhm, so selten mehr bewirbt,

Ist der Poeten Schuld. Der Weihrauch wird verschwendet,

Und manchem Leib und Seel, um die Gebühr, verpfändet:

Daß die Unsterblichkeit ihm nimmer fehlen kann,

Der, wie ein Erdenschwamm sich kaum hervorgethan;

Und den doch anders nichts vom Pöbel unterscheidet,

Als daß ein blöder Fürst ihn an der Seite leidet;

Da er für jedes Loth, das ihm an Tugend fehlt,

Ein Pfund des eitlen Glücks und schnöden Goldes zählt.

Man denkt und schreibt nicht mehr, was sich zur Sache schicket,

Es wird nach der Vernunft, kein Einfall ausgedrücket,

Der Bogen ist gefüllt, eh man an sie gedacht,

Was groß ist, das wird klein, was klein ist, groß gemacht:

Da doch ein jeder weis, daß in den Schildereyen

Allein die Aehnlichkeit das Auge kann erfreuen,

Und eines Zwerges Bild die Artigkeit verliert,

Wenn er wird in Gestalt des Riesen aufgeführt.

Wir lesen ja mit Lust Aeneas Abentheuer.

Warum? stößt ihm zur Hand ein grimmig Ungeheuer,

So hat es sein Virgil so glücklich vorgestellt;

Daß uns, ich weis nicht wie, ein Schrecken überfällt:

Und hör' ich, Dido, dich von Lieb und Undank sprechen,

So möcht ich deinen Hohn an den Trojanern rächen.

So künstlich trifft itzund kein Dichter die Natur:

Sie ist ihm viel zu schlecht, er sucht sich neue Spur;

Geußt solche Thränen aus, die lachenswürdig scheinen,

Und wenn er lachen will, so möchten andre weinen.[200]

Ein Deutscher ist gelehrt, wenn er solch Deutsch versteht.

Kein Wort kömmt an den Tag, das nicht auf Stelzen geht.

Fällt das geringste vor in diesen Kriegeszeiten,

So dünkt mich, hör ich schon die Wetterglocke läuten:

Ein flammenschwangrer Dampf beschwärzt das Luftrevier,

Der stralbeschwänzte Blitz bricht überall herfür,

Der grause Donner brüllt, und spielt mit Schwefelkeilen.

Der Leser wird betrübt, beginnet fortzueilen,

Bis er ins Trockne kömmt; weil doch ein Wolkenguß

Auf solchen starken Knall nothwendig folgen muß,

Und läßt den armen Tropf, der Welt zur Strafe, reimen,

Wie ein Beseßner pflegt, in seiner Angst, zu schäumen.

Geht wo ein Schulregent in einem Flecken ab,

Mein Gott! wie rasen nicht die Dichter um sein Grab.

Der Tod wird ausgefilzt, daß er dem theuren Leben

Nicht eine längre Frist, als achtzig Jahr, gegeben.

Die Erde wird bewegt, im Himmel Lerm gemacht.

Minerva, wenn sie gleich in ihrem Herzen lacht,

Auch Phöbus und sein Chor, die müssen, wider Willen,

Sich traurig, ohne Trost, in Flor und Boy verhüllen;

Mehr Götter sieht man oft auf solchem Zettel stehn,

Als Bürger in der That mit zu der Leiche gehn.

Ein andrer, von dem Pfeil des Liebens angeschossen,

Eröffnet seinen Schmerz mit hundert Gaukelpossen:

Daß man gesundern Witz bey jenem Tänzer spürt,

Den die Tarantula mit ihrem Stich berührt.

Was er, von Kindheit an, aus Büchern abgeschrieben,

Das wird, mit Müh und Zwang, in einen Vers getrieben.

Die Seufzer, wie er meynt, erweichen Kieselstein,

Die voll Gelehrsamkeit, und wohl belesen, seyn.

Des Aetna Feuerkluft muß seiner Liebe gleichen,

Und aller Alpen Eis der Liebsten Kälte weichen.

Indessen aber wird das arme Kind bethört,

Und weis nicht, was sie fühlt, wenn sie dergleichen hört;

Ja, wenn ihr Corydon, gebückt vor ihren Füssen,[201]

Der Klage Bitterkeit ein wenig zu versüssen,

Nichts anders als Zibeth und Ambra von sich haucht,

Und sie kein Bibergeil zum Gegenmittel braucht:

So mag des Mörders Hand, was ihm von seinem Dichten

Noch etwan übrig bleibt, auf ihre Grabschrift richten.


Neukirchs siebente Satire, auf unverständige Poeten.

Laß doch Lysander ab, mit Reimen dich zu plagen,

Und einer Bettelkunst halb rasend nachzujagen,

Die zwar die Phantasey durch süße Träume rührt,

Dich aber auf den Weg der Hungerwiesen führt;

Und endlich, wo du dich läßt ihre Grillen treiben,

Mit Meistersängern wird in eine Rolle schreiben.

Dieß eben ist das Gift, das, wie die Missethat,

Gleich mit der Muttermilch mir ins Geblüte trat.

Wie glücklich wär ich doch, wenn mich zu rechter Stunden,

Ein kluger Arzt davon durch Kräutersaft entbunden;

Und alles, was ich nur von Versen angeblickt,

Durch hebend Antimon hätt in die Luft geschickt:

So dürft ich nicht wie itzt in Kummerwinkeln sitzen,

Und bey geborgter Lust von langen Sorgen schwitzen.

So hätt ich auch vielleicht den Wuchergriff erlernt,

Wie man durch Ränke sich von der Natur entfernt;

Den Trieb der Redlichkeit mit Silberzäumen lenket;

Den Geist der Gottesfurcht in klugen Schlaf versenket;

Ein reiches Lasterweib zu seinem Willen beugt;

Durch höflichen Betrug auf Ehrenbänke steigt,

Und endlich, wenn die Kraft der Jugend uns verlassen,

Bey voller Tafel kann von fremdem Gute prassen.

So hab ich manchen Tag und manche Nacht verreimt,

Und oft ein großes Lied von Zwergen hergeträumt;

Verliebten ihre Lust in Zucker zugemessen;[202]

Betrüger reich gemacht, mich aber gar vergessen.

Und ob mich endlich gleich mit der verjährten Zeit,

Ein kurzer Sonnenblick bey Hofe noch erfreut;

Und Preußens Salomo, den ich mit Recht gepriesen,

Mir zu der Ehrenburg den Vorhof angewiesen:

Ward doch durch seinen Tod, der alles umgekehrt,

Mein Glück und auch zugleich mein ganzer Ruhm verzehrt.

Nun lacht die Wucherschaar bey ihren Judengriffen,

Daß ich der Tugend Lob auf Hoffnung hergepfiffen;

Die Zungendrescherey den Musen nachgesetzt,

Und wahre Weisheit mehr, als Geld und Gut geschätzt;

Und daß ich, da der Hof zum Laufen mich gezwungen,

Nicht noch zu rechter Zeit in Schulenstaub gesprungen,

Die matte Dürftigkeit im Mantel eingehüllt,

Mit leerer Wissenschaft die Jugend angefüllt;

Die Kinder gegen Lohn den Todten vorgetrieben,

Und wochentlich ein Lied für Thaler hingeschrieben.

Hiebey verbleibt es nicht. Die schwärmende Vernunft

Der von der Hungersucht bethörten Dichterzunft,

Die sich durch falsche Kunst auf den Parnaß geschlichen,

Von der gesetzten Bahn der Alten abgewichen,

Mit frecher Hurtigkeit gefüllte Bogen schmiert,

Und alle Messen fast ein todtes Werk gebiehrt,

Wird so verwegen schon, daß sie Gesetze stellet,

Der Griechen Zärtlichkeit das Todesurtheil fället,

Des Maro klugen Witz in Kinderclassen weist,

Horazens Dichterkunst verrauchte Grillen heißt,

Und alles, was sich nur nach alter Kraft beweget,

Auf lüsternem Papier mit Dinte niederschläget.

Da nun dieß Wespenheer von Tag zu Tage wächst,

Und jeder Knabe schon nach Narrenwasser lechtzt:

Was Wunder ist es denn, wenn Ruhm und Ehre stirbet,

Die Kunst zu Grabe geht und Tugend gar verdirbet?

Es ist nicht mehr die Zeit, da noch Augustus Hand

Die Nebenstunden selbst zum Dichten angewandt,[203]

Da Kaiser und Poet an einer Tafel saßen,

Und beyde doch dabey nicht ihre Pflicht vergaßen;

Die Tage sind vorbey, da Barbarossens Hof

Bey vollen Gläsern noch nicht den Verstand versoff;

Da kluge Damen noch auf Tugendlieder hörten,

Und halbe Reimer oft mit großen Preisen ehrten.

Wir sind nicht zu Paris, wo man nicht Tag aus Nacht,

Und gleich Abgötterey aus jedem Wurme macht;

Wo man, was Scudery, was Chapelain gewesen,

Ohn alle Farben kann in Stachelschriften lesen.

Viel Große lieben wohl noch Alexanders Schwerdt,

Nicht aber auch die Kost, die seinen Geist ernährt.

Sie jauchzen wohl mit ihm, wenn ihre Trommel klinget;

Nicht aber, wenn Homer von weisen Sitten singet.

Das Frauenzimmer haßt, was ihr Gewissen schreckt,

Und das Geblüte nicht zu steter Lust erweckt;

Und wer den Thoren itzt die Wahrheit wollte sagen,

Der müßte jeden vor um seine Meynung fragen.

So viel als Reimer sind, so viel und mancherley

Wirkt in der Poesie nun auch die Phantasey.

Ein halb mit Pickelscherz vermengtes Operettchen,

Ein stinkender Roman vom rasenden Chrysettchen,

Ein geiles Myrthenlied, und ein nach dem Adon

Des üppigen Marins erbauter Venusthron,

Der der Geliebten Schooß bis auf den Grund entdecket,

Und Büsch und Brunnen draus, und Vogelnester hecket;

Ein lügenvolles Lob, das uns ins Angesicht

Dem lastervollen Ruf der Todten widerspricht;

Ein rohes Trauerspiel, in dem die Regeln fehlen,

Und so viel Schnitzer fast, als Sylben sind, zu zählen;

Ein Brief, den Adam schon der Eva zugesandt,

Da beyde dazumal doch keine Schrift gekannt;

Ein kreißendes Sonnet, das mit dem Tode ringet,

Und der Gedanken Rad, so, wie die Reime zwinget;

Und ein nach Pöbelart gepriesner Buhlerblick,[204]

Ist oft bey dieser Zeit das größte Meisterstück.

So lang ich meinen Vers nach gleicher Art gewogen,

Dem Bilde der Natur die Schminke vorgezogen,

Der Reime dürren Leib mit Purpur ausgeschmückt,

Und abgeborgte Kraft den Wörtern angeflickt:

So war ich auch ein Mann von hohen Dichtergaben.

Allein, so bald ich nur den Spuren nachgegraben,

Darauf man zur Vernunft beschämt zurücke kreucht,

Und endlich nach und nach nur den Parnaß erreicht,

So ist es aus mit mir: so kommt von seinem Suschen

Ein mit Ebräerwitz gespicktes Philomuschen;

Klaubt ihm ein Jugendwort in meinen Schriften aus,

Und untergräbt damit mein ganzes Ehrenhaus.

Was soll ich Aermster thun? soll ich noch einmal rasen,

Und durch mein Haberrohr zum Federsturme blasen?

Nein! nein Lysander, nein! ich will zurücke stehn,

Und der erlauchten Schaar nur aus den Augen gehn:

Sonst wirft der Schwindelgeist der klugen Weisianer

Mich endlich auf die Bank der reimenden Quintaner;

Und jagt mich, ob ich gleich halb notenmäßig bin,

Ins RE-MI-FA-SOL-LA der Hübneristen hin;

Die sich doch ohnedem an Odermusen reiben,

Sudetenzungen nur zu Mammelucken schreiben,

Und alles, was durch Kunst der Pleiße nicht geschehn,

Vor Eigenliebe kaum mit halben Augen sehn.

Zwar weich ich darum nicht, als ob ich, wenn es brennte,

Nicht auch ein Jammerlied im Tanze drechseln könnte;

Und ob der Tripeltact der leichten Reimerey

In Wedekindes Schooß allein zu Hause sey.

Mir ist ja wohl bekannt, wie man den Schedel seifen,

Und solche Spötter kann mit Lauge wieder täufen;

Wie mancher ohne Bart in Phöbus Auen springt,

Und wie ein kollernd Pferd sich auf den Pindus schwingt.

Allein ich hab einmal die Thorheit aufgegeben,

Es reime wer da will, ich will im Frieden leben.[205]

Hast du, Lysander, Witz, so folge meinem Rath:

Der ist der klügste Mann, der nichts geschrieben hat.

Laß einen Kirchenschwan, Bär, Schaf und Rinder reimen,

Laß einen Bavius von Heldenthaten träumen,

Vertrag im Madrigal hirschfeldischen Verstand,

Erheb den Schäferton von Kärndt und Bayerland:

Und wenn ein Nordenhals mit rauher Kehle knastert,

So sprich: daß er den Weg zum Musenberge pflastert;

Und daß er doch dabey mehr süsse Lieblichkeit,

Als Hofmannswaldau kaum und Opitz ausgestreut.

Gieb alles willig zu, und laß die blinden Schützen

Um ihren Lorberkranz mit eignem Lobe blitzen;

Inzwischen tröste dich bey deiner klugen Pein,

Mit griechischer Vernunft, und sittlichem Latein;

Und trachte den Verstand der Alten zu ergründen,

So wirst du, was du suchst, und was uns mangelt, finden.

Dann geh, und werde klug, und setze dich zur Ruh,

Und sieh der Kinderlust mit Männeraugen zu;

So hast du, wenn du willst, bey täglich neuen Sachen,

Papiere zum Toback, und Zeug genug zum Lachen.

Doch wo das Dichtersalz dich in den Adern jückt,

Und dich ein böser Geist aus deinem Zirkel rückt,

Der dich im Sprunge will zum Flötenritter schlagen:

So fang es endlich an mit halber Furcht zu wagen.

Versammle, wo du kannst, der Jugend alten Graus,

Und pflanze Stück auf Stück, und mach ein Buch daraus;

Dann stirb, so glaubt die Welt, daß mehr mit dir verdorben,

Als am Homer Athen, Rom am Virgil gestorben.

Schau! dieses ist der Weg, der dir bisher gefehlt,

Und dennoch deinen Geist auch nicht zu Tode quält.

Schieb andern Müh und Schweiß in ihren Jammerbusen:

Ein ausgeführtes Werk ist nur für Bettelmusen;

Und der hat wahrlich mehr, als mancher Fürst gethan.

Der seinen Unverstand mit Kunst verbergen kann.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 6,2, Berlin und New York 1968–1987, S. 165-206.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Versuch einer critischen Dichtkunst
Gottsched, Johann Ch.; Birke, Joachim; Birke, Brigitte: Ausgewählte Werke. Versuch einer Critischen Dichtkunst / Erster allgemeiner Theil
Gottsched, Johann Ch.; Birke, Joachim; Birke, Brigitte: Ausgewählte Werke. Versuch einer Critischen Dichtkunst / Anderer besonderer Theil.
Gottsched, Johann Ch.; Birke, Joachim; Birke, Brigitte: Ausgewählte Werke. Versuch einer Critischen Dichtkunst / Variantenverzeichnis (Ausgaben Deutscher Literatur Des 15. Bis 18. Jahrhunderts)
Versuch Einer Critischen Dichtkunst: Durchgehends Mit Den Exempeln Unserer Besten Dichter Erläutert (German Edition)

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Der gute Mond / Er laßt die Hand küssen / Ihr Traum. Drei Erzählungen

Der gute Mond / Er laßt die Hand küssen / Ihr Traum. Drei Erzählungen

Drei Erzählungen aus den »Neuen Dorf- und Schloßgeschichten«, die 1886 erschienen.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon