V. Kapitel.
I. Schreiben.
An Seine Königl. Maj. in Polen und Churfürstliche Durchl. zu Sachsen 1727.

[721] im f.N.


Zwey Jahre sind es, Herr, als dein betrübtes Land

Sonst nichts so schmerzensvoll, als deinen Abschied fand;

Als Sachsen, voller Neid, auf Polens großes Glücke,

Mit einem traurigen, doch eifervollen Blicke,

Dich, seine Grenzen zwar, doch nicht zugleich sein Herz

Zurücke lassen sah. O welch ein herber Schmerz

Erfüllte da die Brust bestürzter Unterthanen!

Man sah dir thränend nach, es schien uns fast zu ahnen:

Der Abschied unsers Haupts wird mehr als jährig seyn.

Und nichts traf leider! mehr, als dieser Kummer ein.


Sarmatien war froh, sobald sein Wunsch geschehen,

Was ließ dein Warschau nicht für Freudenzeichen sehen?

Und wie empfieng dein Volk mit tausendfacher Lust;

Sein königliches Haupt, dich, gnädigster August.

Wie zarte Kinder sonst, mit unverstellten Thränen,

Sich nach der Gegenwart entfernter Mütter sehnen,

Und wenn der Tag erscheint, der ihren Wunsch erfüllt,

Der all ihr Kümmerniß und all ihr Seufzen stillt,

Sich voller Zärtlichkeit nach ihren Armen dringen,

Und lächlend Brust und Hals mit Mund und Hand umschlingen:

So sehnte sich vorher dein weitgestrecktes Reich,[722]

So fand sich, da du kamst, die alte Lust zugleich.

Der Adel und das Volk gieng dir mit Lust entgegen,

Die Fürsten jauchzeten bloß deiner Ankunft wegen.


Wer die Regierungslast nicht recht begreifen kann,

Der sehe dich allhier in deinem Polen an;

Wo der Geschäffte Zahl sich jeden Tag vermehrte,

Und wo das Regiment dir alle Ruhe störte.

Die Sorgfalt, die du stets für deine Länder trägst,

So willig, so getreu ins Werk zu richten pflegst:

Daß niemand zweifeln darf, ob auch bey deiner Krone,

Mehr Arbeit oder Lust, mehr Last als Ruhe wohne?

Die Sorgfalt, sag ich, Herr, macht dich gedoppelt groß;

Wenn so viel Völker sich, in deinen Gnadenschooß,

Was ihre Seelen kränkt, bemühen auszuschütten,

Und niemals dich umsonst um Schutz und Hülfe bitten.

So gieng es damals auch, du Titus unsrer Zeit.

Und ob dein Sachsen gleich mit vieler Zärtlichkeit,

Nach deiner Gegenwart, der Quelle seines Lebens,

Sich allezeit gesehnt; so war es doch vergebens.

Das Glück Sarmatiens vertrug den Abzug nicht:

Indessen huben wir ein brünstig Angesicht

Zum Sitz der Allmacht auf; und seufzten mit Verlangen:

O Himmel! laß uns doch den König bald umfangen!


Jedoch ein trüber Tag vergrößerte die Quaal,

Ach! welch ein neuer Schmerz betraf uns dazumal,

Als alle Posten sich zu unsrer Pein verschworen,

Als jeder Bothe sprach: Der König ist verlohren!

Wir wußtens wohl, o Herr, daß Famens Unbedacht

Oft kleine Dinge groß und große klein gemacht,

Die Wahrheit oft verletzt und gar zu kühn gehandelt,

Die Krankheit in den Tod, den Tod ins Grab verwandelt:

Allein der mindste Ruff von Friedrich Augusts Schmerz,

So falsch er jemals ist, betrübt ein jedes Herz,[723]

Das deine Gnade kennt. Drum galt auch hier kein Zweifeln.

Man sah den Jammer schon aus unsern Augen treufeln,

Die Zeitung war gewiß, als man den Reichstag schloß,

Daß dir ein strenger Schmerz in einen Schenkel schoß.

Die Aerzte riethens nicht um solcher Krankheit willen,

Den Weg von Grodno aus bis Warschau zu erfüllen:

So gar daß Bialostock, ein unbekannter Ort,

Dein Krankenbette ward. O schmerzerfülltes Wort!

Hat darum, riefen wir, der König uns verlassen,

Und schien er darum denn den festen Schluß zu fassen,

Sein Polen zu erfreun; daß Schwachheit und Verdruß

Theils ihn belästigen, theils uns beschweren muß?

Ach! wäre doch August in Sachsenland geblieben,

Ach! hätt ein Wink von ihm das Ungemach vertrieben,

So jenes Reich bedroht: So würde diese Pein,

So würde dieser Gram uns nicht begegnet seyn.

Warum betrübst du uns, du sonst geliebtes Polen?

Gib uns das Haupt zurück, das wir dir anbefohlen.


So sprach die Ungeduld bey Kummer, Angst und Gram,

So oft von deinem Schmerz eine neuer Bothe kam.

Nicht zwar, als hätt uns hier bey deinem Aussenbleiben,

Ein würdig Haupt gefehlt, das große Werk zu treiben,

Das du in Gegenwart sonst selbst zu treiben pflegst,

Ach nein! der Sorgen Last, die du sonst selber trägst,

Hat dein durchlauchter Prinz, zu jedermanns Behagen,

An deiner statt, o Herr, ja fast wie du, getragen.

Dein königlicher Sohn heißt so wie du, August,

Und ist auch, so wie du, der Unterthanen Lust.

Und da er bisanher dein Amt verwalten sollte,

So schiens, als ob uns Gott die Schmerzen lindern wollte,

Die dein Entfernen uns für diesesmal erweckt.

Mein König, bloß dein Schmerz hat uns so sehr erschreckt,

Dein Schmerz, den du nicht mehr an deines Schenkels Wunden,[724]

Als jedermann von uns in seiner Brust empfunden.

Herr, hättest du dießmal der Seufzer Zahl erblickt,

Die dein gekränktes Land gen Himmel abgeschickt:

So hätte dir, wiewohl dich nie ein Leid bezwungen;

Der Eifer deines Volks noch Zähren abgedrungen.

Der Himmel gab auch bald auf unsre Wehmuth acht,

Und schwächte nach und nach des Uebels strenge Macht;

Ganz Sachsen aber ließ, bey grober Stücke Knallen,

Sein Loblied fast so laut, als ihren Donner schallen.


Nichts hat uns mehr gefehlt, als deine Wiederkehr

O König! in das Land. Was wünschte man so sehr?

Und wornach seufzte man, nachdem die Cur geschehen;

Als dich, mein König, bald genesen hier zu sehen.

Du hast den Wunsch erhört. Du kamst in Sachsen an,

Der Frühling schmückte selbst die vor beschneyte Bahn,

Mit Blumen, Laub und Gras, die deinen Fürsten-Wagen,

Von Warschaus Thoren an bis Leipzig sollte tragen.

Sie trug dich freudig hin, und wer ward nicht gerührt,

Und wer hat nicht die Lust der regen Stadt gespürt,

Als der vermischte Ruf: Der König ist gekommen,

Augustus ist schon da! die Gassen eingenommen.

Die Fremden, die man itzt in unsern Mauren sieht,

Weil sie Gewinnst und Glück nach Leipzigs Thoren zieht,

Erstaunen fast dabey; und könnens nicht begreifen,

Wie sehr sich Lust und Dank auf unsern Lippen häufen.

Das macht, sie wissens nicht, wie höchstbeglückt man ist,

Wo Friedrich August herrscht, wo du, Herr, König bist.

Doch treten sie mit uns voll Sehnsucht und Entzücken,

Zu tausenden hervor, dein Antlitz zu erblicken.


Verzeihe, theurer Held, daß deines Knechtes Pflicht

Von dem, was schon geschehn, mit so viel Worten spricht.

Der angebrochne Tag, der dich der Welt geschenket,

Hat den erfreuten Kiel auf Schmerz und Lust gelenket,[725]

Die uns zum Theil betrübt, zum Theil hernach erfreut,

Doch itzt hat in der That der Sachsen Freudigkeit,

Den höchsten Grad erlangt. Das Jahr hat sich erneuert.

Es wird von Hof und Stadt das große Fest gefeyert,

Das dich gebohren hat. Herr, soll denn ich allein,

Bey allgemeiner Lust ein stummer Zeuge seyn?

Soll meine Zunge nur bey diesem Jubel schweigen,

Und ihre Regung nicht durch heisse Wünsche zeigen?

Nein, König, bin ich gleich dein allertiefster Knecht,

Und klingt gleich dieser Reim vor hundert andern schlecht;

Soll doch dein Gnadenblick aus diesen Zeilen lesen,

Daß dieser Tag auch mir ein Freudentag gewesen.


Du kennest, Gnädigster, du kennst das herbe Leid,

So Neid und Eifer mir vor kurzem angedräut.

Doch itzt verstummen sie: Ein Wink von deinen Gnaden

Weis mich im Augenblick des Kummers zu entladen.

Der Himmel liebe dich, wie du dein Sachsen liebst,

Dem du das Leben itzt von neuem wieder giebst,

Du müssest neue Kraft in Geist und Gliedern spüren,

Und noch einmal so lang, als schon geschehn, regieren.

Verschmähe dieß Geschenk von meinen Händen nicht,

Und zeige mir forthin dein göttlich Angesicht,

Mit gleicher Gnad und Huld, als ich bisher genossen;

So wird mein Glücksbaum noch mit neuen Zweigen sprossen.

II. Schreiben.
An Seine Königl. Maj. in Polen und Churfürstl. Durchl. zu Sachsen 1729.

Warum entzeucht, o Herr! da Eis die Berge deckt,

Da Frost und Reif und Schnee das starre Land noch schreckt,

Warum entzeucht dich uns Sarmatiens Verlangen?[726]

Was zwingt dich eben itzt die Reisen anzufangen?

O Held, bist du dein selbst zu schonen nicht gewohnt;

So werde doch in dir der Sachsen Heil geschont!


Ach Vater! schone dein! So seufzet unsre liebe,

So ruffet Land und Stadt mit eintrachtvollem Triebe.

Versehre durch den Frost die zarten Schenkel nicht,

Und warte doch vielmehr, bis dich ein Frühlingslicht,

Auf Blumen, Gras und Laub zu deinem Volke führet.

Ach Vater! schone dein! ganz Polen ist gerühret,

Und sorget für dein Haupt. Es bittet für dein Heil,

Und nahm nur neulich noch an deinen Schmerzen Theil,

Und ließ mit uns zugleich Gebeth und Flehen schallen,

Als dich des Uebels Macht so heftig angefallen.

Ach Vater! schone dein! Bewegt dich denn kein Flehn?

Muß deinen Gliedern denn durchaus Gewalt geschehn?

Wie lange bist du hart? Doch alles ist verlohren,

Der König hört uns nicht. Er eilt aus Dresdens Thoren,

Wo alles klagt und bebt. Er zeucht aus Sachsen fort,

Indem der Winter tobt, und selbst der kalte Nord

Die edlen Rosse spornt, bis sie mit schnellen Füssen,

Geschwinden Tauben gleich, den König hingerissen.


So hat kein Seufzen denn des Helden Brust bewegt,

Kein thränenvolles Volk den Vatersinn geregt:

Indem ein starker Zug von königlichen Trieben

Sein großes Herz besiegt und unverrückt geblieben.

Kein Wunder! Polens Staat, das Volk von edlem Blut,

Fleht seinen Schutzgott an und dessen Heldenmuth,

und hofft, wenn er nur eilt dem Reiche vorzustehen,

Der drohenden Gefahr beyzeiten zu entgehen.

Wie, wenn bey rauhem Sturm der Wolken trüber Duft

Den Tag in Nacht verkehrt, und die geschwärzte Luft

Mit dickem Nebel füllt, die matten Schiffer zagen;

Weil sie rings um sich sehn, die wilden Fluthen schlagen,[727]

Weil sich der Abgrund selbst von unten aufgedeckt,

Von oben Blitz und Knall die blöden Sinne schreckt;

Und wie sie ganz bestürzt, mit aufgehabnen Händen,

Zu Gott um Hülfe schreyn, den Schiffbruch abzuwenden:

So hat Sarmatien, das manche Noth gedrückt,

Zu seinem Friederich die Seufzer abgeschickt,

Das feste Knie gebeugt, mit Hand und Mund gebethen,

Das hartbedrängte Reich als König zu vertreten.


Was sollte nun der Held bey solchem Flehen thun?

Sollt er sein Volk verschmähn? Sollt er gemächlich ruhn?

Sollt er den rauhen Weg, ja Wind und Wetter scheuen?

Wer solchen Argwohn hegt, mag seinen Wahn bereuen:

Er kennt den König nicht. O nein! der Held verlacht

Den Schmerz, der ihn gedrückt, die Glieder matt gemacht.

Ihr Polen freuet euch! Er macht sich auf die Reise.

Die Weichsel hebt ihr Haupt aus dem zerbrochnen Eise,

Weil keine Last bey ihr die Freude hemmen mag.

Sie lacht, und legt die Lust mit Jauchzen an den Tag:

Komm, Landesvater! komm! Wen rührt dein Angesichte,

Wen rührt dein Auge nicht mit seinem Götterlichte?

Auf, Warschau! öffne dich! du königlicher Sitz,

Empfange deinen Held mit der Carthaunen Blitz,

Entdecke deine Lust in frohen Lobgesängen,

Laß deine Jugend sich mit Macht entgegen drängen,

Des Königreiches Schmuck, die Hoffung später Zeit.;

Dann magst du, edles Volk, mit reger Freudigkeit,

Zu Hause manchen Kranz aus Lorberzweigen binden,

Und sie des Fürsten Bild um Haupt und Schläfe winden.

Und wenn du dergestalt mit andachtvoller Hand

Dem Haupte deines Staats den Weihrauch angebrannt;

So ruffe noch zu Gott: Er woll ihn lange schützen,

Des Reiches schwere Last durch seinen Arm zu stützen.


So spricht sie und verbirgt, in der bestandnen Fluth,

Ihr weißbereiftes Haupt. Doch wie wallt uns das Blut?[728]

Wie schmerzt die Wunde nicht, wenn wir erwegen wollen,

Daß wir, o Vater, dich indeß entbehren sollen,

Da du dich uns entzeuchst. Wiewohl uns tröstet schon

Dein Friederich August, dein königlicher Sohn,

Der Erbe deines Stuhls und deiner Heldengaben,

Der ists, der wird das Land an deiner Stelle laben.

Er ist an Weisheit groß, an Tugend ungemein,

Und wird der Völker Trost, der Länder Wonne seyn.

Dieß lindert Meißens Schmerz. Seyd frölich, ihr Provinzen!

Ihr seht des Vaters Bild verjüngt in seinem Prinzen.

Es herrscht auf späte Zeit ein Friederich August,

Des deutschen Reiches Preis, des Vaterlandes Lust.


O Vater! zeuch denn hin, und hilf dem edlen Pohlen.

Wir haben dich bereits dem Himmel anbefohlen,

Und flehn unausgesetzt um dein beständig Heil,

Was sich dein Herze wünscht, das werde dir zu Theil!

Und wenn du nächstes Jahr, nach ausgeführten Thaten,

Darüber du dereinst zum Wunder wirst gerathen,

Gesund zurücke kehrst, und mir ein Lied gelingt,

Das lieblicher als dieß in deinen Ohren klingt,

So soll man es von mir mit tausend Freuden hören,

Dich Herr! und dein Geschlecht vor aller Welt zu ehren.


III. Schreiben.
An Ihro Hoheit den Königlichen und Chursächsischen Erbprinzen. 1727.

Du müßtest nicht so reich an Tugend und Verstand,

An Großmuth, Gütigkeit und Gnade für das Land

Und andern Gaben seyn: Wenn ich mich scheuen sollte,

Und heute dich, o Prinz, nicht auch verehren wollte.

Allein du bist zu groß, o Friederich August![729]

Das Land bewundert dich und nennt dich seine Lust.

So bald man dich erblickt; so läßt dein hohes Wesen

Des Vaters Heldenart, des Vaters Größe lesen.

Wie könnte denn an dir ein treuer Unterthan

Den tugendhaften Lauf, auf seiner Heldenbahn,

So nah vor Augen sehn, und dennoch strafbar schweigen,

Und seinen Lorber nicht vor deinen Palmen neigen.


Man weis zwar, theurer Prinz, daß dieß beglückte Licht

Mehr von des Vaters Ruhm als deinem Lobe spricht.

Der Tag, den Stadt und Land zu ihrer Lust erkohren,

Ist freylich wohl der Tag, der ihn zur Welt gebohren:

Allein, Durchlauchtester, man schließt dich hier nicht aus.

Das Licht, so ihn gebahr, hat Sachsens Heldenhaus

Zugleich durch dich erfreut. Vom Stamme sprossen Zweige,

Und wenn ich Haupt und Knie vor einer Ceder beuge;

Verehr ich auch den Arm, der Nahrung, Saft und Kraft

Aus ihren Wurzeln zieht, und jeder Eigenschaft

Des ganzen Stammes folgt. So sind denn diese Stunden,

Durchlauchter Königssohn! mit deiner Lust verbunden.

Denn wer begreift es nicht, daß deines Vaters Fest,

Das uns so freudig macht, sich doppelt feyren läßt:

Zuerst, dieweil es uns durch ihn so sehr beglücket;

Hernach, weil du durch ihn das Licht der Welt erblicket.


Fürwahr, Johann Georg, der Nestor seiner Zeit,

Erblickte jenen Tag mit vieler Freudigkeit,

Daran ihm sein Gemahl den andern Prinzen brachte,

Aus dem die Majestät schon in der Wiege lachte.

Und da sein ältster Sohn, nach kaum erlangter Chur,

So früh, so unverhofft zu seinen Vätern fuhr;

So wäre dieß Geschlecht zu zeitig aufgerieben,

Dafern es nicht annoch im Bruder übrig blieben.

Wir hätten nach der Zeit die Thaten nicht gesehn,

Die durch den Herkules der deutschen Welt geschehn.[730]

Die Krone hätte noch den Churhut nicht geschmücket,

Der Adler wäre nicht zum Rautenkranz gerücket,

Und das Erzmarschallschwerdt der Sachsen wäre nicht

Dem Reuter beygesellt. Doch was der Himmel spricht,

Dem kann, Durchlauchter Prinz, kein Zufall wiederstreben.

Gott wollte Sachsens Stamm Thron, Kron und Zepter geben;

Drum gab er ihm ein Haupt, das Unglück und Gefahr,

Sowohl als Glück und Pracht zu tragen, fähig war:

Drum mußte dazumal, zum Schmuck und Heil der Erden,

Ein Friederich August zur Welt gebohren werden.


Mich dünkt, o großer Prinz, dein Herz wird hier entflammt,

Indem dein Glück nächst Gott von diesem Helden stammt.

Du selber bist zwar groß, und stralst mit eignem Lichte,

Man sieht ja freylich wohl in deinem Angesichte

Was kronenwürdiges. Denn was dich trefflich macht,

Ist dir an Geist und Leib vom Himmel zugedacht;

Und Sachsen würde dich, von wegen solcher Gaben,

Aus ungezwungner Wahl zum Haupt erkohren haben.

Doch wie der Aeltern Glanz auch auf die Kinder fällt,

Und ihre Trefflichkeit noch mehr vor Augen stellt;

So mehrt sich auch dein Licht durch deines Vaters Stralen.

Du darfst nicht fabelhaft, wie Alexander, pralen,

Daß Hammons Jupiter dein rechter Vater sey:

Die Wahrheit steht dir selbst mit größern Ahnen bey.

Sonst rühmte sich ein Held, er stamme von Alciden,

Du, königlicher Prinz, bist noch weit mehr zufrieden,

Daß Friederich August, dem du so ähnlich bist,

Dein Anherr, was? noch mehr! dein eigner Vater ist.

Herr, drum gefällt es dir, daß wir den König loben:

Wer deinen Vater rühmt, der hat auch dich erhoben.


Ja, Prinz, drum wünscht man dir, an deines Vaters statt,

Zu diesem Tage Glück, der ihn gebohren hat.

Man weis, du gönnest ihm ein unverrückt Gedeihen,[731]

Man weis, es kann dich nichts so ungemein erfreuen,

Als deines Vaters Heil. Sein überstandner Schmerz

Gieng wahrlich keinem so wie dir, o Held, ans Herz.

Du selber bist mit uns vor Gottes Thron getreten,

Du selber hast ihn jüngst für dich und uns erbethen;

Das macht August beherrscht zwar selber seinen Staat:

Doch setzt er dich dabey zu seinem nächsten Rath.

Er liebt Gerechtigkeit, und du, o Herr, desgleichen,

Muß ihm Vespasian, so muß dir Titus weichen.


Vergib, Durchlauchter Prinz, daß sich ein Fremdling wagt,

Und was er heute denkt, mit froher Ehrfurcht sagt.

Ich bin dir ewiglich zu Dank und Dienst verbunden,

Ich habe Schutz und Ruh bey deinen Schwerdtern funden.

O nähme mich dein Land zu seinem Bürger an!

Ich bliebe Lebenslang dein treuster Unterthan.

Und strebte, bis ich mir einmal den Ruhm erworben:

Als Friedrich Augusts Knecht ist er vergnügt gestorben.


IV. Schreiben.
An Ihro Durchl. den regierenden Fürsten zu Schwarzburg-Rudolstadt.

I.f.N.


Durchlauchtster Fürst und Herr,

darf man sich unterstehn,

Dir, durch ein schlechtes Blatt, vors Angesicht zu gehn,

Und dir den muntern Blick der holdesten Sophien,

Der Fürstinn, die du liebst, in etwas zu entziehen;

So schaue, was sich hier der Knechte Pflicht erkühnt,

Die, da sie dir mit Lust und fester Treue dient,

Dich heute segensvoll, mit Wünschen und mit Bethen,

Zum zweytenmal gesehn in Hymens Orden treten.[732]

Wir spüren allzuwohl das alles, was du bist;

Ein Fürst, dem nichts als Ruhm und Tugend eigen ist;

Ein gütiger Regent; ein Vater deines Landes;

Ein Freund der Wissenschaft; ein Kenner des Verstandes.

Die Klugheit wohnt in dir, du bist des Höchsten Bild,

Ein unerschöpfter Quell, daraus die Wohlfahrt quillt,

Die Rudolstadt bisher, in viel beglückten Jahren,

Von deiner Hand geneust, in deinem Schutz erfahren.

Wenn dich der Adel liebt, wenn dich der Bürger ehrt,

Wenn dir der Diener Herz als eigen zugehört,

Wann dich die Musen selbst, als ihren Schutzgott lieben,

Die sich, da du sie nährst, in freyen Künsten üben:

Denn wird ja jedermann vollkommen überführt,

Daß sich was Göttliches in deinem Wesen rührt,

Und spricht von dir: Anton verdient, vor hundert Prinzen,

Ein vielmal größer Reich an Völkern und Provinzen.


Und wem befremdet das? Dein gnädiges Gemüth,

Das deiner Diener Herz stets fester an sich zieht,

Lehrt dich das Regiment, nach Vorschrift jener Alten,

Nicht für ein schlechtes Werk, auch für nichts leichtes halten.

Darum regierst du so, daß sich ein Vatergeist

In allem, was du thust, belohnst und strafest, weist.

Tyrannen lassen sich beym ersten Anblick scheuen;

Du bist bemüht, dein Volk und alles zu erfreuen.

Dein ungemeiner Sinn hat jederzeit erkannt,

Ein Fürst sey für das Volk, und nicht für ihn das Land;

Er sey dem Unterthan, nicht dieser ihm, gebohren.

Drum hältst du jeden Tag, wie Titus, für verlohren,

Daran dein kluger Arm, der selbst das Ruder lenkt,

Nicht auch mit milder Hand den Dürftigen beschenkt,

Die Wittwen oft versorgt, der Waysen Haupt geschützet,

Der Unschuld Recht geschafft, die Tugend unterstützet.


Wohin geräth der Kiel, da ihn dein Lob entzückt?

Verzeihe, theurer Fürst! so bald man dich erblickt,[733]

Vergißt man seiner selbst, verfehlt man seiner Pflichten,

Und säumt zuweilen gar, das Beste zu verrichten.

Dein froher Hochzeittag, ein Tag voll Lieb und Lust,

Daran dein fürstlich Herz, an seiner Fürstinn Brust,

Sein altes Leid vergißt, erweckt auch unsre Sinnen.

Wir sehn an deiner Hand den Schmuck der Prinzeßinnen,

Wir sehn und ehren sie, und stutzen zweifelsvoll,

Wodurch man dieses Fest nach Werth erheben soll,

Wodurch man tüchtig sey, theils dich, und theils Christinen,

Dieß neue Glücksgestirn, mit Eifer zu bedienen.


Sie sieht der Pallas gleich an Minen und Gesicht,

Weil ihr der Weisheit Stral aus beyden Augen bricht.

Ihr Herz liebt Gottesfurcht, da ein geweihter Orden

Bisher in Gandersheim ihr Aufenthalt geworden.

Wo Witz und Frömmigkeit nun beyeinander stehn,

Da folgt der Segen nach, da folgt das Wohlergehn,

Da steht des Himmels Huld, so ihr, als andern, offen,

Was kann nun Schwarzburg nicht von dieser Fürstinn hoffen?


Wohlan, so kröne denn des Höchsten Gnadenhand,

Durchlauchtes Fürstenpaar, dein neuverknüpftes Band,

Es schmücke sich dereinst, nach viel vergnügten Jahren,

Bey Kräften, Glück und Heil, dein Haupt mit grauen Haaren.

Seyd beyde, wie bisher, der treuen Bürger Lust,

Und nehmt die Ehrfurcht an, die eurer Diener Brust

Euch voller Zärtlichkeit und treuer Liebe weihet,

So wird man freudig sehn, daß unser Wunsch gedeihet.


V. Schreiben.
An die Königliche und Churfürstl. Sächs. Hofmalerinn, Frau Wernerinn,

[734] 1729.


Du Tochter der Natur, berühmte Künstlerinn!

So wahr ich, wie du weist, ein Freund der Musen bin,

So treulich schwer ich dir, daß deine Kunst vor allen,

Die Dreßden in sich hegt, mir neulich wohlgefallen.

Dem Freunde dank ichs noch, durch den es mir geglückt,

Daß ich manch Meisterstück von deiner Hand erblickt,

Ja, daß ich dich zugleich, die Meisterinn gesehen,

Du Zierde deiner Zeit! Der Tag, da dieß geschehen,

Soll unvergeßlich seyn. Ich halt ihn ewig werth,

Und wenn der Moder mir einst Hand und Kiel vezehrt,

Soll doch die späte Zeit aus diesen Zeilen lesen,

Daß du, o Künstlerinn, auch mir bekannt gewesen.


Ihr Meister von Athen, die der vernarrten Welt

So manches Wunderbild zum Abgott dargestellt;

Ihr Künstler, die ihr sonst mit zarten Pinselzügen

Einander oft gesucht, im Wettstreit zu besiegen;

Ihr, deren Zauberkunst der wilden Vögel Schaar,

Durch die gemalte Frucht ein falsches Lockbrodt war;

Ja, deren Hand so gar die Künstler selbst betrogen,

Die ein gemaltes Tuch vergebens weggezogen:

Ach prahlt doch ja nicht mehr! das kleine Preussenland

Beschämt euch itzt so gar durch eine Weiberhand,

Hat euren Witz erreicht, und läßt die Männersinnen,

So stark sie immer sind, den Vorzug nicht gewinnen.

Wer traf wohl unter euch so glücklich die Natur?

Wer folgte so getreu der immer sichern Spur[735]

Der Wahrheit und Vernunft? Wo wiesen eure Werke,

So viel Erfindungskraft, Geist, Ordnung, Leben, Stärke?


Stolziere nur, Apell, mit Alexanders Gunst!

Vielleicht verstund er sich nicht mehr auf deine Kunst,

Als auf die Poesie; wo er die magern Proben

Des albern Chörilus, wie den Homer, erhoben.

Wer weis auch, ob dirs nicht durch Schmeicheley geglückt:

Wenn du vielleicht sein Bild weit schöner ausgedrückt,

Als er wahrhaftig war; den Mangel seiner Länge

Durch deinen Riß ersetzt; ein göttliches Gepränge

Um seinen Thron gemalt, als war er Hammons Sohn?

Das, das gefiel ihm recht! Man kennt die Stolzen schon,

Die voller Eitelkeit die Künstler doppelt zahlen,

Von welchen sie sich sehn nach ihrem Dünkel malen,

Bald fett, bald jung, bald schlank, bald lieblich, weiß und roth;

Das bringt auch Hudlern Lob, den ärgsten Stümpern Brodt.

Und kurz, wir würden nichts von dem Apelles lesen,

Wär eine Wernerinn in Griechenland gewesen.


Dieß merkte nicht gar längst der Sachsen Haupt, August.

Zwar Dresden war bereits der freyen Künste Lust;

Die Baukunst, die Musik, das Schildern, Schnitzen, Dichten,

Und was die Meister sonst in Gold und Stein verrichten;

Das alles und was hier der Reim nicht fassen kann,

Trifft man vollkommen schön in seinem Chursitz an.

Wer kennt nicht Pantalons berühmte Wunderseyten?

Wer ehrt nicht Dinglingern in seinen Seltenheiten

Der Kunst und der Natur? Wem ist Balthasars Hand

In Marmor, Pellegrin in Farben unbekannt?

Die alle liessen schon, in ungemeinen Werken,

Den edelsten Geschmack der alten Römer merken;

Die nährte schon August in seiner Mauren Schooß,

Und ward dadurch sowohl, als durch sein Herrschen groß;

Doch fand er, wenn sein Blick die Künstler überzählte,

Daß ihm die Meisterinn, die Wernerinn, noch fehlte.[736]

Der Mangel that ihm weh. Er rief dich aus Berlin,

Und hieß dich von der Spree an seinen Elbstrom ziehn,

Dort liebte dich der Hof, der Prinz, die Prinzeßinnen;

Hier suchte Dresden dich durch Wohlthun zu gewinnen.

Allein, der Wink Augusts und deiner Eltern Wort

War ein zu starker Zug; so gieng der Abzug fort.

Dein Danzig zeugte dich, du Schmuck von unserm Preußen.

Die Mark hat dich geliebt, itzt lohnt und nährt dich Meißen.

Das edle Meißnerland, wo noch die Kunst besteht,

Und keiner, der was kann, verächtlich betteln geht.

Das macht, hier herrscht August, der alle Künste liebet,

Und keinem Ludewig den mindsten Vorzug giebet;

Der selbst ein Kenner ist, und nie aus Unverstand

Dem, der es nicht verdient, Besoldung zugewandt.

Der Held, bey dessen Schwerdt die Musen sicher wohnen,

Den trieb die Großmuth an, auch deiner Kunst zu lohnen.


Das ists, o Künstlerinn, was deinen Ruhm erhebt,

Darnach so mancher geizt, und ihn doch nie erlebt.

Das zeigt von deinem Werth, und wird die Nachwelt lehren,

Wie höchst gerecht wir sind, indem wir dich verehren.

Die Nachwelt nenn ich hier, und dieses mit Bedacht;

Weil deine Meisterhand dich unvergeßlich macht,

Und selbst die Musen dir kein großes Opfer zollen,

Wenn sie dein Lob und dich der Zeit entreissen wollen.

Denn du vermählst dich selbst mit der Unsterblichkeit,

Die Proben deiner Kunst kennt Deutschland weit und breit.

Man werfe nur den Blick auf unsers Canitz Schriften,

So ihm und seinem Geist ein ewig Denkmaal stiften;

So sieht man dich dabey. Manch prächtig Kupferblatt,

Darinn sich deine Hand so stark gewiesen hat,

Verewigt deinen Ruhm, auch sonder unsre Flöten.

Was brauchst du dergestalt die Lieder der Poeten,

Und ihrer Seyten Klang? Dieß schmerzt und kränket mich.

So hoch ich dich verehr, so gerne rühmt ich dich[737]

Durch ein unsterblich Lied, dich einst berühmt zu machen.

Denn was besitz ich sonst den Moder zu verlachen;

Als meine Poesie, die Schwester deiner Kunst;

Als einen Lorberzweig, den mir der Musen Gunst

Vom deutschen Pindus bricht? Der wünschte dir zu dienen,

Der wollte gern einmal um deine Schläfe grünen.


Den Lorber um mein Haupt? So fragst du hier vielleicht:

Ja freylich! wie gesagt. Und wo dirs fremde deucht,

So höre meinen Grund. Ich zürne mit den Alten,

Die deine Wunderkunst nicht mehr im Werth gehalten.

Neun Musen glaubte man: Doch für die Malerey

War keine Gottheit da, kein Frauenbild dabey.

Wie kam das immermehr? Was hatte sie verschuldet,

Daß Phöbus sie nicht auch auf dem Parnaß geduldet?

War Daphne nicht von ihr so vielmals vorgestellt,

Wie sie der Arme Paar empor geschwungen hält,

Und wie sich Hand und Haupt, bevor er sie berühret,

In Lorberäste kehrt, in Zweig und Blatt verliehret?

Hat sie nicht seinen Berg, der klugen Schwestern Sitz,

So wohl bekannt gemacht, als aller Dichter Witz?

Und braucht ihr Wesen nicht sowohl des Himmels Gaben,

Als Dichtkunst und Musik dieselben nöthig haben?

Fürwahr es ist nicht recht, daß man sie nachgesetzt,

Und sie der Musen Huld nicht gleichfalls werth geschätzt.

Drum wird man künftig hin dich Wernerinn erwählen,

Und für die Malerkunst als zehnte Muse zählen.


Du bist der Ehre werth, weil du die erste bist,

Dadurch der Männerzunft der Preis entzogen ist,

Der Preis in deiner Kunst. Man ehret zwar mit Rechte

Den ungemeinen Werth am weiblichen Geschlechte.

Sie haben Geist und Witz, Verstand, Belesenheit,

Kunst, Sprachen, Wissenschaft, ja Muth und Tapferkeit,

Und noch weit mehr gezeigt. Wird Sappho nicht gepriesen?[738]

Wie hat Theano sich vor grauer Zeit gewiesen?

Wer kennt Aspasien und ihre Weisheit nicht,

Von welcher Griechenland mit solchem Ruhme spricht?

Wer will Cornelien, der Mutter jener Grachen,

In dem gepriesnen Rom, ihr Lob zu Schanden machen?

Wo bleibt die Scudery, die edle Schurmanninn,

Die kluge Dacier und Preußens Möllerinn,

Und soviel andre mehr, die wir noch lebend ehren?

Allein, wo wird ein Mensch von diesen Frauen hören,

Daß sie den höchsten Grad in ihrer Kunst erreicht,

Und daß der Männer Hand vor ihren Künsten weicht?

So hoch sie es gebracht, in allem, was wir lesen,

So ist es freylich wohl, für Weiber, viel gewesen;

Für Männer aber nicht. Fürwahr, Anacreon

Trägt vor der Sappho doch den Lorberkranz davon.

Und so gehts überall. Nur du und deine Künste

Entziehn den Meistern selbst die herrlichsten Gewinnste.

Ach denke selber nach, ist dieses nicht zu viel?

Auf! stecke deiner Kunst bescheidentlich ein Ziel;

Und sey die erste nicht, die, eh man es geglaubet,

Dem männlichen Geschlecht das Vorzugsrecht geraubet.


Wiewohl du fährest fort und strebst dem besten nach,

Und denkest nicht so wohl an unsrer Meister Schmach,

Als an den Grad der Kunst, den sie erreichen sollten,

Dafern sie deine Hand zurücke lassen wollten.

Wie herrlich schützest du des Vaterlandes Ruhm?

Denn die Erfindungskraft ist auch dein Eigenthum.

Ein Schüler macht zur Noth ein Nachbild fremder Werke;

Du sinnst was eignes aus, und zeigest uns die Stärke

Des Geistes, der dich treibt, der durch die rege Kraft

Dem Schöpfer ähnlich wird und stets was neues schafft.

So kannst du denn mit Recht die Gallier verlachen,

Und Welschlands Uebermuth und Ruhm zu Schanden machen,

Die eine deutsche Faust für viel zu dumm geschätzt,[739]

Als daß sie selbst einmal ein Bild ins Werk gesetzt,

Was sie zuerst erfand. Es ist sehr oft geschehen,

Daß dich die Franzen selbst für fränzisch angesehen,

Die Welschen gar für welsch, (so fertig spricht dein Mund

Den beyden Völkern nach, daß der Betrug bestund,)

Doch wenn sie neben dir dein Meisterstück betrachtet,

Und stolz auf deine Kunst, der Deutschen Witz verachtet,

Des Risses Schönheit, Geist, und Ordnung angemerkt,

Und ihren Wahn dadurch noch mehr und mehr bestärkt;

Hast du dich selbst entdeckt, und ihrem Stolz zu Schanden

Dein deutsches Vaterland ganz frey heraus gestanden.


Ich schweige, Künstlerinn, wie deines Pinsels Fleiß

Der Vorschrift der Natur so scharf zu folgen weis;

Dein kleines Hündgen läuft vor dem gemalten Hunde,

Und bellt dein Kunststück an, so ihm vor Augen stunde.

Ich schweige, daß die Welt zwar vieler Frauen Geist,

In mancher andern Kunst, doch nicht in deiner preist:

Indem wir fast kein Weib in den Geschichten lesen,

Die eine Meisterinn der Malerkunst gewesen.

Ich schweige, wie du dich in Büchern umgesehn,

Wie du, was vor der Zeit im Alterthum geschehn,

Auf deinen Fingern zählst; die Fabeln der Poeten,

Die Sittenlehre kennst. Denn was ist das vonnöthen?

Das Lob der Malerkunst schließt alles dieß schon ein,

Und wer das nicht versteht, der kann kein Meister seyn.

O wenn mein Opitz nur aus seinem Grabe blickte,

Der seinen Strobel sonst der Sterblichkeit entrückte,

Und deine Bilder sah: Wie würd er sich bemühn,

Dich, edle Wernerinn, mit Ruhm hervorzuziehn,

Und deines Pinsels Kunst weit würdiger zu loben,

Als seines Schülers Kiel hier dich und sie erhoben![740]


VII. Schreiben.
An ein Paar Landesleute nach Halle bey ihrer Magisterpromotion 1728.

Was hör ich? Ist es wahr? Ihr Freunde, zeigt mir an,

Wie weit ich dem Bericht aus Halle glauben kann?

Man sagt, Ihr beyde seyd in den Magisterorden

Verwichne Woche nur mit Ruhm erhoben worden.

So sehr gemein das Ding, hier wo die Pleiße fließt,

Und in der Nachbarschaft auf Luthers Lehrstuhl ist;

So seltsam dünkt es mich, daß man bey euch desgleichen

Der Weisheit edlen Kranz, euch Pallaskindern reichen,

Und euch belohnen will. Die stolze Themis zwar

Und Meditrine prangt mit Tempel und Altar;

Indem Eusebia, den Sitz von diesen Beyden,

Wo sie die Hofstadt hält, noch ziemlich pflegt zu leiden.

Allein Minervens Geist, die Philosophenzunft,

Der thörichte Verstand, die heydnische Vernunft,

Ist ihrer Heiligkeit vorlängst verhaßt gewesen.

Denn wer den Plato liebt, den Stagirit gelesen,

Den klugen Tullius und Seneca studirt,

Ja gar der seltnen Brut der Zweifler nachgespürt;

Der grübelt allzuviel mit thörichten Gedanken,

Und will sich gar zuletzt um Glaubenspuncte zanken.

Bald ist ihm das nicht recht, bald fällt ihm da was ein;

Er will ein schlauer Luchs und andrer Argus seyn:

Denn kann sein spitzer Kopf nicht jeden Satz begreifen,

So sieht man ihn mit Macht die Zweifelsknoten häufen.

Er pocht auf die Vernunft und macht den kühnen Schluß:

Daß sie als Richterinn den Streit entscheiden muß;

Ja liesse sich wohl gar viel lieber Geist und Glauben,

Als den geringsten Satz aus seiner Weisheit rauben.


Wie billig ist es denn, daß man mit Vorbedacht,

Bey euch nicht gar zu viel aus Philosophen macht;[741]

Die Einfalt höher schätzt, als des Verstandes Gaben,

Die mit Natur und Welt zu viel Gemeinschaft haben!

Ihr Freunde, seht ihr nun, was mich in Zweifel setzt?

Ich wundre mich, daß euch ein Lorberkranz ergetzt:

Da ihr doch willens seyd das Eitle zu verfluchen,

Das wahre Christenthum mit allem Ernst zu suchen,

Von lauter Gnade sprecht; hingegen Fleisch und Blut,

Dem Geist, Vernunft und Witz fast immer Vorschub thut,

Ersticket und verdammt. In Wahrheit, dieß Bezeigen

Erweckt in meiner Brust ein zweifelhaftes Schweigen.

Denn wie stimmt euer Thun mit eurer Absicht ein?

Wie kann man weis' und fromm, gelehrt und heilig seyn?

Die Weisheit dieser Welt für Aberwitz erkennen;

Und sich doch öffentlich der Weisheit Meister nennen?


Sucht in Geschichten nach, wie manche Ketzerey

Die schnöde Misgeburt der Philosophen sey?

Wie manchen Irrthum schon die Weisheit ausgehecket,

Wenn man sich gar zu sehr in ihren Wust gestecket.

Wenn Manes, Marcion, Nestor', Origenes,

Arius, Macedon, Novatus, Eutyches,

Celest' und sein Gesell Pelagius gelermet;

Da hat ja, wie man glaubt, bloß die Vernunft geschwärmet.

Was Abälard, Servet, Socin, Arminius,

Crell, Grotius und Lock, Selden und Clericus,

Spinosa, Connor, Brown, und Hobbes ausgesonnen,

Was Whiston neulich noch für Thorheit angesponnen,

Das alles brütet ja der menschliche Verstand,

Deutsch, Weisheit; Griechisch sonst Philosophie genannt.

Ist nun Minervens Kunst ein Quell der Ketzereyen;

Wer wollte nicht den Putz von ihren Händen scheuen?


Jedoch mir fällt was ein. Vielleicht ists euer Scherz?

Ihr schenkt der Pallas wohl so wenig euer Herz,

Als mancher heilig ist, der Kopf und Nase hänget,[742]

Bis er sich unvermerkt in Christi Schafstall dränget.

Ihr richtet euch vielleicht nach unsrer Modewelt,

Wo man der Titel Pracht für unentbehrlich hält,

Weil sie so trefflich wohl vor unsern Namen klingen;

Gesetzt, man wüßte nichts ans Tageslicht zu bringen,

Dadurch man sie verdient. Die Weisheit sonderlich

Theilt sie oft häufig aus, und sieht wohl neben sich

Ein Schock Gekrönte stehn, davon fast sechs bis sieben

Getrost entschlossen sind sich künftig drinn zu üben.

Die andern insgesamt gestehens öfters frey,

Daß Pallas ihnen kaum von Ansehn kennbar sey.

Und was? Wie mancher ist, nachdem der Lehrerorden

Ihn öffentlich geschmückt, noch kaum ihr Schüler worden?

So, Freunde, nehmt ihr auch vielleicht den Titel an,

Daß man euch künftig nur Magister nennen kann.

Nicht, weil ihr Willens seyd zu schreiben und zu lesen,

Bloß weil zu dieser Zeit die Mode so gewesen.


Nein, Werthe! Nein, ich weis, ihr seyd von andrer Art.

Ihr habt in Pallas Dienst nicht Oel, nicht Schweiß gespart,

Der Weisheit und Vernunft viel Jahre nachgespüret,

Den Geist mit Wissenschaft und mancher Kunst gezieret,

Und euch geschickt gemacht im Lehrerschmuck zu stehn,

Und andern, als ein licht im Dunkeln, vorzugehn.

Ihr habt vorlängst erkannt, daß unser Christenglaube

Das menschliche Geschlecht nicht der Vernunft beraube,

Daß ein geübter Geist die Schriftgelehrsamkeit,

Viel besser fassen kann, und oft in kurzer Zeit

Noch eins sowohl begreift, als wenn sich dumme Köpfe,

Die weder Gott noch Welt, noch irgend ein Geschöpfe

Mit Augen der Vernunft erkannt und angesehn,

Doch in Geheimnissen zu forschen unterstehn.

Kein Wunder ist es denn, daß euch Minerva krönet,

Ihr habt das Vorurtheil der blinden Welt verhönet,[743]

Die unsers Glaubens Bau mit lockerm Sande stützt,

Und die Vernunft verwirft, die doch am meisten nützt.

Glück zu! Geehrte Zwey! Betretet einst die Stuffen

Dahin Verdienst und Glück Euch um die Wette ruffen.

Das kluge Königsberg erwartet eurer schon:

Wie sehnlich hofft allda so mancher Musensohn

Auf eure Wiederkunft, die wohlgefaßten Lehren,

Wie schon bisher geschehn, noch ferner anzuhören.

Zu Mustern stellet euch ein theures Kleeblatt für

Die Lust Eusebiens, Minervens Schmuck und Zier,

Wer sind sie? Fragt ihr noch? Ganz Preussen wird sie kennen,

Und Quandten, Lilienthal und meinen Kreuschner nennen.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 6,2, Berlin und New York 1968–1987, S. 721-744.
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