[766] Wer Ernst und Huld zugleich in diesem Bilde sieht,
Aus dieser Augen Blitz der Pallas hohes Wesen,
Der Themis scharfen Geist aus Mund und Stirn gelesen,
Wer die Gelindigkeit, die Herzen an sich zieht,
Und dann den Muth bemerkt, davor die Bosheit flieht;
Dem wird so gar der Neid, wiewohl beschämt, bekennen,
Unfehlbar sey der Mann von Diesseldorf zu nennen.
Was man von Orpheus sagt, das muß erdichtet seyn:
Denn konnte sein Gesang, wo wir der Fabel glauben,
Sein Weib Euridice dem Höllenreiche rauben;
Warum trifft solches nicht zu dieser Zeit noch ein?
Mein Krause sang viel bessre Lieder,
Warum gab ihm der Tod sein ander Herz nicht wieder?
[767] Charlottens Bildniß, werther Freund,
Das neulich dir so wohl gelungen,
Hat jedermann das Herz bezwungen,
Indem es fast zu leben scheint.
Ist durch den bloßen Abriß nun
Dergleichen Wunder schon geschehen:
Was würde nicht die Schönheit thun,
Sollt ich Charlotten selber sehen?
Man fragt mich, ob ich liebe?
Ja; ich bekenne meine Triebe.
Ich liebe Doris,
Ich liebe Chloris,
Ich liebe Flavien,
Ich lieb Aspasien,
Ich liebe Cölestinen,
Ich liebe Carolinen,
Louischen, Lottchen, Hannchen,
Sophiechen und Susannchen,
Und hundert andre mehr.
Heißt das nicht recht geliebt? O nein! Woran gebrichts?
Ich liebe gar zu viel, das heißt, ich liebe nichts.[768]
Ich bin nicht mehr dein Unterthan,
Und mag dich nicht zu meinem Leitstern wählen.
Dein Auge, das so reizen kann,
Soll mich hinführo nicht mehr quälen.
Du bist zwar artig, klug und schön,
Was wollt ich mehr als deine Gunst gewinnen?
Allein du bist von felsenharten Sinnen,
Die aller Reizung wiederstehn.
Da nun dein Herz so unerbittlich ist,
So schwer und langsam zu bewegen:
Wohlan; so bleibe was du bist;
Der Schluß ist schon gemacht.
Ich werde mich um dich nicht in die Grube legen.
1727.
O Gönnerinn, wenn ich bedenke,
Wie wenig dich mein Kiel verehrt,
So hat dein köstliches Geschenke
Mich ganz beschämt, mir alle Lust gestört.
Ich wünschte nichts, als deine Gnad und Güte,
Ich fand sie auch, und war vergnügt:
Nun hast du mich durch Großmuth noch besiegt;[769]
Und das verwirret mein Gemüthe.
Kein Silber kann mein Auge blenden,
Doch schätz ich deiner Gabe Werth,
Sehr hoch, nach deinen theuren Händen,
Von welchen mir dieselbe wiederfährt.
Eins, große Frau, wirst du erlauben müssen,
Verstatte mir aus Dankbarkeit,
Die Hand, so mich beschenkt, zu küssen.
in Danzig. 1729.
Was muß doch für ein Geist auf unsrer Kulmus ruhn?
Kann sich die Tugend denn mit solchem Witze paaren?
Sie dichtet schon so schön in ihren Frühlingsjahren,
Als andre Dichter kaum im späten Sommer thun.
Ach Preußen, stutze nicht! hier schlägt noch, wie vorzeiten,
Die edle Mollerinn durch ihre Hand die Seyten.
1727.
Wer Gott und Welt und Geist und seine Pflicht nicht kennt,
Vermehrt aus Unverstand die Anzahl wilder Thiere.
O daß uns Menschen nur der Schimpf nicht wiederführe,
Daß oft die Dummheit selbst ihr Wesen menschlich nennt.
Mein Bosseck, den das Grab so bald von uns getrennt,[770]
Geliebter, den ich früh, ach allzufrüh! verliere,
Erlaube, daß mein Kiel dein wahres Lob berühre.
Dein Herz hat aus Begier zur Wissenschaft gebrennt.
Ihr Musen, klagt mit mir! Ihr Musen, tröstet mich.
Ihr wißt, wie eifrig er Minervens Brust gesogen,
Und allem in der Welt die Weisheit vorgezogen.
Doch nein, beklagt ihn nicht. Sein Zustand bessert sich,
Der Tod erweitert nur des Geistes enge Schranken,
Nun schwebt ihm Gott und Welt auf ewig in Gedanken.
Auf Herrn Försters, meines Zuhörers in der Redekunst, Magisterpromotion.
1727.
Mein Förster, wer, wie du, mit Witz und Fähigkeit
Und unverdroßnem Fleiß der Weisheit nachgegangen,
Der kann ja wohl mit Recht den Lorberschmuck erlangen,
Den Phöbus und sein Chor den Musensöhnen beut.
Du blendst Minerven nicht durch ein verbrämtes Kleid,
Du hast dir nicht den Ruhm der Ahnen umgehangen,
Man sieht dich anders nicht, als mit Verdiensten prangen,
Und die verbirgst du noch durch die Bescheidenheit.
Wie würdig bist zu denn, daß der Magisterkranz,
Dem mancher finstre Kopf der Farben hohen Glanz,
Durch seine Schatten schwächt, dein lichtes Haupt bedecket!
Glück zu, gelehrter Freund! zeuch in dein Vaterland,
Und mache nach und nach ganz Schlesien bekannt,
Was für Verstand und Witz in deinem Geiste stecket.[771]
Ein Biedermann, der werthe May,
Begehet seinen Jahrtag frey,
Drauf singt ein Freund und Diener sein,
In Knittelversen hübsch und fein.
PERSIUS SAT. V.
SECRETI LOQUIMUR, TIBI NUNC, HORTANTE CAMOENA,
EXCUTIENDA DAMUS PRAECORDIA, QUANTAQUE NOSTRAE
PARS TUA SIT, DILECTE, ANIMAE TIBI DULCIS AMICE
OSTENDISSE IUUAT. – – – – –
Geliebter May, vertrauter Freund,
Mit dem mein Herz es ehrlich meynt,
Für dessen Treu ich ebenfalls,
Mein Hab und Gut, ja Kopf und Hals,
Von Herzen gern verwetten wollt,
Dafern es jemand fordern sollt;
Hier kömmt ein schlechtes Wunschgedicht,
Doch nicht zu deinem Namenslicht,
Wie du mir neulich in Johann,
Die Ehrbezeugung angethan;
Vielmehr zu deinem Wiegenfest,
So heute dir aufs allerbest,
Des Himmels Huld erscheinen läßt.
Nicht zwar, als ob der Schlendrian,
Und bloß der Abgott Herkommann,
Mich itzt zum gratuliren trieb',
Nein, weil ich dich von Herzen lieb'.
So komm denn, dreygedritte Zahl!
Kommt, lieben Musen, allzumal,[772]
Und gebt mir solche Lieder ein,
Die so beliebt, als redlich seyn:
Da jedes Wort so deutsch und frey,
So fern von aller Heucheley,
So rein von aller Phantasey,
So frey von aller Sclaverey,
So munter und geschickt dabey,
So aufgeweckt und sinnreich sey,
Als euer Freund, mein werther May.
* * *
So fängt sich denn mein Carmen an
So gut ich immer weis und kann.
Von was für einer edlen Art,
Du Freund, in deiner Jugend zart,
In Zittau, der berühmten Stadt,
Die wenig ihres gleichen hat,
Gewesen seyst, an Witz und Fleiß,
Das schweig ich hier, weil ichs nicht weis.
Es wissens aber alle die,
So dich daselbst oft spät und früh,
Auf freye Künste hübsch und fein,
So gut die da zu haben seyn,
Ganz eifrig und erpicht gesehn,
Und dieses ist gewiß geschehn.
Ich denke nur an das allein,
Wie dich der liebe Vater dein,
In früher Kindheit unterwies,
Bis er dich in die Fremde ließ.
O Freund! hier wallt mir Herz und Muth,
Dieweil auch mich mein Vater gut,
Von Jugend auf, wie sichs gehört,
Manch Kunst und Wissenschaft gelehrt,[773]
So, daß wir beyde lobesan,
Ein gleiches Glück genossen han.
Und daher kam nun dein Verstand,
Der schon in früher Zeit erkannt,
Man habe von Natur Vernunft,
Und dörfe der Pedantenzunft,
Die uns mit dürren Regeln quält,
Daran doch oft das beste fehlt,
Nicht blindlings folgen, wenn sie gleich
Uns drohen, daß das Himmelreich,
Ohn ihrer Grillen Hudeley,
Unmöglich zu erlangen sey;
Da sie doch selbst von Herzen blind,
Des Unverstandes Lehrer sind,
Und nichts zu denken sich gewagt,
Als was man ihnen vorgesagt.
Und was der Wahn der Vorderwelt,
Zum Schulenabgott vorgestellt.
Ich eile nun mit frohem Sinn,
Mit dir zum schönen Leipzig hin,
Wo du, mein Freund, seit langer Zeit,
Die Schätze der Gelehrsamkeit,
Sowohl in der Philosophie,
Als auch in der Theologie,
Und andern Wissenschaften mehr,
Aus manches wackern Mannes Lehr,
Den Bienen gleich, ohn Ruh und Rast,
Aufs fleißigste gesammlet hast:
Da mancher Frühkopf, wie man spürt,
In zwanzig Monden ausstudirt,
Und eh sein Cursus sich noch schlüßt,
Mit allem fix und fertig ist.
Ja wenn er noch gleich Kindern spielt,
Dem Phöbus Kranz und Lorbern stiehlt,[774]
Der Themis nach dem Hute greift,
Und in Hygäens Tempel läuft.
Mein Freund! ach könnt es doch geschehn,
Daß ich der Zungen zehnmal zehn
Im Munde hätt! So wollt ich dich
Hier loben thun recht meisterlich,
Wie herrlich du bey Tag und Nacht,
Die edle güldne Zeit verbracht,
Wenn mancher schmaußte, ritt und fuhr,
Das Geld verthat auf böser Spur,
Nicht anders, als wenn ohngefähr,
Das fromme Leipzig Sodom wär;
Als welcher Satz, zu dieser Frist,
Doch noch nicht ganz erwiesen ist:
So saßt du bey den Büchern dein,
Und liessest sie dir lieber seyn,
Als alles, was ein wilder Geist
Studentenmäßig leben heißt.
Die Weisheit war dein Augenmerk,
Gelehrsamkeit dein liebstes Werk;
Doch bliebst du ein Eklecticus,
Und wurdest kein Sectarius,
Der stets auf andre Secten keift,
Die sein Verstand doch nicht begreift.
Die Wahrheit war dein Zweck und Ziel,
So dir in jeder Sect gefiel.
Jedoch du wolltest weiter gehn,
Und auch der Alten Witz verstehn,
Das machts, daß du den Theophrast
Und Epiktet im Kopfe hast.
Du hast den Seneca studirt,
Dem Antoninus nachgespürt,
Auf welche mancher tobt und schmählt,
Ja sie zu blinden Heyden zählt,[775]
Dem es doch am Gehirne fehlt.
Hier fandst du nun der Weisheit Quell,
Den Stax nicht kennt, und doch so schnell,
Der armen Pallas zum Verdruß,
Der Weisheit Meister heissen muß.
Wie macht dich nicht dein Cicero
Durch seine güldne Schriften froh!
Die oft ein kleiner Rednerheld
Für lauter Stroh und Stoppeln hält,
Der sein Geschwätz galant und schön
Mit Collectaneen erhöhn,
Und als ein recht gelehrter Mann,
Mit Münzen ausstaffiren kann;
Der alles mit CITATIS füllt,
Und öfters für ein Sinnebild,
Ein Anagramm und Wörterspiel,
Das Sonnenbrüdern wohlgefiel,
Nicht hundert tausend Thaler nähm,
Wenn er sie gleich bezahlt bekäm;
Dem Cicero ein Schulfuchs dünkt
Und selbst aus Weidlings Pfützen trinkt.
Allein wie kömmts, daß mein Gedicht,
Kein Wort von fremden Sprachen spricht,
Der Morgenländer wohlgemuth,
Darinn man so viel Wunder thut,
Wenn mancher hochgelehrte Wurm,
Die Zungen, so bey Babels Thurm,
So wie man glaubt, entstanden sind,
In seinem engen Schedel findt,
Und doch in Züchten lobesan,
Die eigne Muttersprach nicht kann.
Mein Freund, du sahst es klüglich ein,
Was das für Grillenfänger seyn,
Die sich um lauter Puncte zank'n,[776]
Und endlich noch dem Himmel dank'n,
Der ihnen Gnad und Kraft verliehn,
Nach unabläßigem Bemühn,
Zu zeigen, daß, bald hie, bald da,
Ein falsches Wort? Nein, nur ein Schwa,
Ein kurzes für ein langes A,
Ein langes für ein kurzes E,
Ins Rabbi Kimchi Codex steh.
Weit besser wies sich dein Verstand,
Weit besser ward er angewandt,
Wenn du ihn für die Redensart
Die unser Deutschland braucht, gespart.
Hierinn hast du es weit gebracht,
Und stets den Unverstand verlacht,
Wenn mancher, dessen Spruch nichts gilt,
Und zornig deutsche Meister schilt.
Du hast dem allen nachgespürt,
Was unsre Sprache schimpft und ziert,
Und dich so wohl darinn geübt,
Daß jeder deine Schreibart liebt.
Ich schweige von der Poesie
O Freund, die macht dir keine Müh,
Du kennst der alten Dichter Zahl,
Virgil, Horaz und Juvenal,
Lucrez, Ovid, Lucans Pharsal,
Terenz und Plaut und Martial,
Und wie sie heissen allzumal.
Doch was? Du kennst sie ja nicht nur,
Du folgst auch ihrer Bahn und Spur,
Und liebst mit ihnen die Natur,
Und ahmest solchen Meistern nach,
Für welche Phöbus Lorbern brach.
Weit anders als die Reimsucht thut,
Die Deutschland itzt mit ihrer Brut,[777]
Die täglich ärgre Jungen heckt,
Gleich Pest und Seuchen angesteckt:
Die unaufhörlich singt und reimt,
Und leyrt, und heult, und rast, und träumt;
Die, wenn ihr Lied am besten klingt,
Vernunft und Reim und Sylben zwingt,
Mit ihrer Aftermusen Frucht
Dem Pöbel zu gefallen sucht,
Ein ehrbar Ohr mit Zoten quält,
Kurz, der sonst nichts, als alles fehlt.
Wo komm ich hin? mein Lobgedicht
Gedenkt noch deiner Tugend nicht.
Sie blieb zuletzt, und das mit Recht:
Denn wäre sie gemein und schlecht,
So hätt ich sie mit vielem Lob'n,
Wie sonst die Schmeichler thun, erhob'n.
Allein ich mach es kurz und gut,
Du bist ein ehrlich deutsches Blut,
Und hast ein redliches Gemüth,
Das bloß auf wahre Tugend sieht,
Den Geiz verdammt, den Hochmuth flieht,
Auch nicht am Joch der Wollust zieht.
Du bist kein Freund der Eitelkeit,
Du wünschest dir kein prächtig Kleid,.
Kein eignes Haus, kein reiches Weib,
Und bist vergnügt, wenn Geist und Leib
Nur nichts von Schmerz und Krankheit weis:
Wiewohl auch dann verdienst du Preis,
Indem auch mitten in dem Schmerz
Dein starkes Philosophenherz
Ein festgesetztes Wesen zeigt,
So sich vor keinem Zufall beugt.
Freund, dieser kurzgefaßte Ruhm
Ist in der That dein Eigenthum,[778]
Der Grund, das zwischen uns der Ord'n,
Der Freundschaft ist gestiftet word'n.
Vier Jahre sinds, da sahst du mich,
Und liebtst mich eher, als ich dich:
Darüber ich in meinem Sinn,
Mir selber noch gehäßig bin.
Allein der Fehler ist ersetzt,
Du weist, wie hoch ich dich geschätzt,
Wie deine Liebe mich ergetzt,
Daß Leipzig ohne sie allein
Mir fast kein Leipzig würde seyn,
Zumal ichs, lehrts nicht Tullius?
Fürs höchste Gut erkennen muß,
Wenn man ohn allen Heuchelschein,
Mit Freunden kann vertraulich seyn.
Genug davon, das Blatt wird voll,
Darauf mein Wunsch noch stehen soll.
Doch, Werthester, was wünsch ich dir?
Ich gönne dir so viel als mir,
Das ist, so manches Gut und Glück,
Als dir das himmlische Geschick
Nach seiner Weisheit zugedacht,
Bevor es dich und mich gemacht.
Ich weis, du hast daran genug,
Drum wär es wohl gewiß nicht klug,
Wenn ich noch sonst was wünschen sollt,
Was Gott dir doch nicht geben wollt.
Wohlan es bleibe denn dabey;
Doch steht mir noch ein einzigs frey,
So bitt ich dich recht wohlgemeynt,
Sey künftig, wie bisher, mein Freund!
[779] I.f.N.
Als Junker Stübnern wohlgemuth
Frau Pallas ziern und schmücken thut,
Mit Lorberzweigen hübsch und fein,
Sang dieß ein treuer Bruder sein.
Frewndlicher liber Bruder mein
Dem die neun Musen alle gmein
Apollo und Pallas insgesampt
Erhebn thun zum Magister-Ampt
Zum Lehrer gmachet han allhie
Der Waisheit oder Philosofi
Weil sie von wegen deiner Gabn
Der Eer dich werthgeschetzet habn
Seitdem du wol, daß gibt dir Praiß
Studirt mit unverdroßnem Flaiß
Als wellichs heit zu Tage nun
Schier wenige mit Eyffer tuhn
Hier wünscht dir zu deinm newen Standt
Auf Universiteten wolbekandt
Dein alter guter Bruder vil Glück
Vnnd erhebt das himmlisch Geschick
Daß dich itzunder traun aufs best
Zum Meistr der Weißhait krönen lest.
So wirst du ein Philosofus
Bist gleich sonst ein Theologus
Wilst dermaleinst in Züchtn und Eern
Ein Gmein den Weg der Sehlgkeit leren
Tust auch die weltlich Weisen-Zunfft
Nicht spöttlich verachten mit Unvernunft
Sagst nit sie mach nur Kätzerey[780]
Atheisten vnnd Deysterey
Vnnd glaubst vilmehr on allen Scheu
Daß sie der rechte Vorhoff sey
On den man heitges Tages nie
Kan eingahn zur Theology
Lachst all verkehrte Stümper aus
Die sich ins liebe Gottes Hauß
Tringen mit unsächlicher Gwalt
Suchen da nur ihrn Auffenthalt
Ihr Weip und Kind wolln sie erneern
Nit aber die Ruchlosen bekern
Wolln da andre Gots Weißhait leren
Möchtn selbst erst Menschen Weißhait hören
Gleich wie auch andre Stümper sunst
Strebn nur nach Advocaten-Kunst
Durchblättern den Justinian
Lernen den Acten-Schländrian
Vnnd verstehn nit die geringste Spur
Vom ewgen Gsätz in der Natur
Wollen große Juristen seyn
Bleibn alzeit am Verstand sehr klain
Imgleichen in der Medicin
Siht man fast vile sich bemühn
Nichts nit mit größerm Eiffer treiben
Als die Kunst ein Recept z'verschreiben
Verstehn nit die Anatomy
Patology Phisiology
Semiotic Pharmacevtick
Higiene vnnd Botanick
Machen doch ein gewaltig Gschrey
Als obs Galenus selber sey
Kön'n nichts als schwitzen purgiren
Zur Ader laßn vnnd Leut vexiren
Von solichen Stimpern allzumal
Welcher da ist ein große Zahl[781]
Hast du Herr Bruder z'jeder Frist
Abscheu bezeigt on argelist
Ich b'sinn mich deiner Jugend zart
Wie fain die angewendet ward
In Bayreuth der weidlichen Stadt
Die uns zusamm'n erzogen hat
Da waren im Gymnasio
Wir beyd vnnd andre vielmals fro
Wenn wir beisammen spat vnnd fruh
Lateinisch Griechsch noch mehr dazu
Was man noch sonst guts lernen kan
Begirig mochten hören an
Die Saat hast da schon ausgestrewt
Die izt so schön nach Wunsch gedeyt
Hast da schon mit Verstand gehört
Was Leibnitz vnnd was Wolff uns glert
Zwen deutsche Philosofen b'kant
In Frankreich Welsch- vnnd Engeland
Mit wellichen sich kein ander Mann
In der Weltwaißhait gleichen kan
Dieweil sie nemlich fix vnnd schön
Die Mathematick tief verstehn
Wellchs man auch dem Cartesius
Vnnd Stagiriten nachrümen muß
Daher denn folgen tuht der Satz
Dem jedermann muß geben Platz
Daß Philosofen insgemein
Die nicht auch Geometern sein
Gegn sie nur müßen schencken ein
Als du nun gar nach Leipzigck kamst
Sah man daß du noch baß zunahmst
Weil du den Anfang dort gemacht
Hier zur Vollkommenhait gebracht
Die tieffe Lehr der Welt-Waißhait
Mit noch vil größrer Schicklichkeit[782]
Wie man sie löbelichst docirt
Nach Wolffs Manir scharpff ausstudirt
Hast nicht nur halbicht zugehört
Wie man dieselb vorträgt vnnd lehrt
Bist selbst daheimb noch weiter gangen
Hast zu lesen vil angefangen
Nit wie die Faulentzer getan
Die daran ihn'n begnügen lan
Daß sie den Cursum mit gemacht
Die Dictata ins rein gebracht
In den Kuffer sie gschlossen ein
Als soltn sie da gefangen seyn
Möchten auch hernach zu ihrem Hohn
Dem Cuffer gebn die Lorber-Kron
Der baß gefült mit Waißhait ist
Als ihr Verstand zu aller Frist
Als uns hernach ganz hell vnnd klar
Ihr Wort und Wärck macht offenbar
Ein Beyspiel uns hier geben kan
Ein wohlbekannter Schreibemann
Der im Discurs durch aignen Mund
Nit mehr als daß vorbringen kunt
Daß die geleert Materia
Stünd ausgeführet hie vnnd da
In seinm schönen Collegio
Daß er hätt abgeschrieben fro
Als ers zum drittenmahl gehört
Wies ein berümter Mann geleert
Zur Stund wolt man sein Buch gern sehn
Darauf es denn fürwahr geschehn.
Als ers wolt aus dem Kuffer holen
Daß ihm sein Waißhait war gestohlen
Kein Dib hett ihm den Putz gemacht
Hett er sie ins Gehirn gebracht
Vor so verkehrter Weiß vnnd Art[783]
Hat dich Minerva stets bewahrt
Herr Bruder dich mit Vorbedacht
Zum würdigsten Magister gmacht
Nit nur dem Nahmen nach zum Schein
Die sonst wohl nit ein Wildpret seyn
Doch darf ichs traun nur keck verschwaigen
Du thust es uns bald selber zaigen
Wenn du auf dem Catheder frisch
Wirst stehn so steiff als im Harnisch
Den offt die schärffsten Opponenten
Mit hundert spitz'gen Argumenten
Wenn sie gleich all auf dich loßrennten
Mitnichten doch durchboren könten
Da wird man sehn was du verstehst
Wie gründlich du im Schliessen gehst
Vnnd vor des Wiedersachers Stürmen
Die arme Wahrheit kanst beschirmen
Den Zänckern bald das Maul kanst stopffen
Daß ihn'n das Herz im Leib thut klopffen
Vnnd sollichs wird kein Wunder seyn
Du sprichst behend und schön Latein
Vnnd ergerst nit den Prißzian
Wie mancher vor der Zeit gethan
Wirst auch nicht furchtsam stecken bleiben
Die Dißputation zu schreiben
Wie andre die zwar Waißhaits voll
Wenn mans von ihnen fordern soll
Nit wissen weder aus noch ein
Obs Mädgen oder Bübgen seyn
Fragen viel nach allem dißputiren
Wenn sie nur ein groß M kan ziren
Nun werther Bruder nimm vorlieb
Daß ich dir ein schlecht Carmen schrieb
Seyend noch von der alten Werlet
Die ihr Gesänglein nicht beperlet[784]
Rubint verguld't versilbert schön
Thu dich nicht nach der Kunst erhöh'n
Hab auch kein Zoten angebracht
Von Fickgen der so lieben Magt
Die der Magister insgemein
Ihr Buhlschafft vnnd Gespons muß seyn
Wellichs wenn mancher es nicht wüst
Er ganz vnnd gar verstummen müst
Vnnd brächt auf den Magister-Schmauß
Nicht einen kalen Reim heraus
Sag dir auch nichts von deinem Krantz
Auch nichts von dem Magister-Tantz
Vielminder vom zu Bette gehn
Darbey offt garstig Fratzen stehn
Daß werden andre je und nun
An meiner statt schier weidlich tuhn
Vor mein Person hielt ichs für baß
Zu wünschen Glück ohn Unterlaß
Auf redlich Deutsch vnnd alt Manier
Daß dir Herr Bruder für und für
Aus deiner schönen M'gister Zier
Viel Seegen Heil vnnd Trost erwachß
Vnnd mach den Schluß wie sonst Hans Sachß.
in Leipzig. 1728.
I.f.N.
Was heist auf deutsch ein Quodlibet?
O! daß man hier die Gabe hätt,
Dieß fremde Wort hübsch deutlich auszudrücken![785]
Allein es will sich gar nicht schicken.
Laßt sehn! vielleicht wirds endlich glücken.
Vielleicht: Was sie beliebt? vielleicht: Von allem was?
O nein! wie schülerhaft klingt das?
Es schmeckt nach dem Latein.
Was Henker mag ein Quodlibet denn seyn?.
Ists nicht ein Blatt voll Bübereyen?
Ein Mischmasch kleiner Schelmereyen?
Ein Chaos von Alfanzereyen?
Ein Abschaum von Poetereyen,
Darüber sich die Thoren freuen?
Ein Auszug von QUELQU' CHOSEreyen,
Davor sich alle Kluge scheuen?
Ein Büchschen voller Hauptarzneyen,
Die manchen ziemlich wohl gedeyen?
O nein! was denn? Nun treff ichs; gelt!
Ein Mäntelchen, das itzt die Wahrheit träget,
Weil ihr die böse Welt
Fast überall den Weg verleget.
Das letzte bleibt das beste.
Drum merkt es wohl, ihr lieben Hochzeitgäste,
Dieß ist ein Quodlibet,
Darinn die alte deutsche Wahrheit
In einer dunklen Klarheit
Verkleidet und vermummet geht.
Verflucht!
Das ist ein güldnes Wort,
Man hört es fort und fort,
Und überall, wo mans nicht sucht.
Ach seht doch da! verflucht!
Wer kömmt denn hier? verflucht!
Was heißt denn das? verflucht!
Da liegt der Quark; verflucht!
Nun seh ichs erst! verflucht![786]
Versteht ers so? verflucht!
Hier meynt er den! verflucht!
Ja ja, das ists: verflucht!
So seys denn immerhin verflucht.
Man muß die Kunst zu fluchen
Doch auch einmal versuchen.
Verflucht sey alles Schmähn und Lästern,
Verflucht der Hochmuth eitler Schwestern,
Verflucht das Prassen reicher Brüder,
Verflucht die geilen Liebeslieder,
Verflucht das geizerfüllte Spielen,
Verflucht der Ehebrecher Schielen,
Verflucht der Plaudrer dummes Waschen,
Verflucht der Lecker freches Naschen,
Verflucht das Zeitungstragen,
Viel reden, wenig sagen,
Der Lauser großes Pralen,
Der Schuldner spätes Zahlen,
Verschlagner Herzen Tücke,
Der Heuchler fromme Blicke,
Versprecher, die ihr Wort nicht halten,
Betrüger, so die Hände falten,
Possenreisser, Zotenmeister,
Eingebildte frühe Geister,
Alter Freyer langes Wählen,
Hohe Titel kleiner Seelen,
Großer Seelen kleine Mittel,
Und aller reichen Bettler Kittel.
Das heißt einmal geflucht!
Und zwar so arg, als wirs noch nie versucht,
PARBLEU! PARBLEU! MA BELLE,
Der Teufel hol mich auf der Stelle,
Sie sind ganz engelschön![787]
So fluchte neulich Polyxen,
Ein junger, artiger, recht netter PETITMAITRE,
Auf Deutsch, ein hübscher Gassentreter,
Bey einem schönen Bürgermägdchen.
Sie zog das Maul als wie am Drätchen,
Und blitzte mit verzückten Blicken,
Das Herzchen fieng ihr an zu jücken.
Allein was kam heraus?
Sie brach in diesen Seufzer aus:
MON CHER MONSIEUR, sie thun mir nur FLADIren,
Sie werden sich vor mir nicht COMMODiren.
Nicht wahr? das klang recht schöne,
Viel netter, als das kreischende Getöne,
Das oft, wenn Rosimene singt,
Bis in des Nachbars Hofe klingt;
Viel netter, als wenn Philosophen
Nach Art der Diener und der Zofen,
Statt der Philosophie,
Die neueste Zotologie
Im Sonnenbruderstilo lesen.
Das heißt alsdann ein grundgelehrtes Wesen!
Das hört der klare Kern
Der jungen Musensöhne gern:
Besonders, wenn man Lobesam
Bis in die edle Physik kam.
Da kriegt das liebe Frauenzimmer
So manche feine Lehre.
Du schönes Volk, ach zeuch doch immer
Studentenhosen an:
Daß dich ein solcher Mann
Mit einer Lection aus Rückmarsdorf beehre.
Ich dachte, was mich bisse;
Ist das nicht ein Geküsse![788]
In der Comödie; die Leute stehn dabey!
Ey, ey! die Liebesglut brennt wie ein heisser Brey.
Doch halt, der Bräutgam küßt die Braut;
Das läßt sich endlich hören,
Wir wollen sie nicht stören,
Denn nächstens werden sie getraut.
Ja, Herr Patron, das macht der Wind.
Durch diesen Spruch kam jener vormals blind:
Alllein wir gehen weiter,
Als dieser Bärenhäuter.
Denn was macht nicht der liebe Wind?
Daß Stümper Aemter kriegen,
Daß feige Memmen siegen,
Daß Ignoranten steigen,
Daß Fiedler künstlich geigen,
Daß Thoren Weise heissen,
Daß alte Schwarten gleissen,
Daß dieser Bücher schreibet,
Daß jener sich beweibet,
Daß mancher grossen Staat geführet;
Der itzo Haus und Hof verliehret:
Das alles macht der liebe Wind,
Drum höre zu, mein Kind,
An dieser güldnen Kunst ist all dein Glück gelegen.
Wind macht glücklih, Wind bringt Segen,
Wind macht Gönner, Wind macht Freunde,
Wind besänftigt auch die Feinde,
Wind macht reich, gelehrt und klug,
Und wem das alles fehlt, der macht nicht Wind genug.
Drum wunderts uns, daß noch kein Pansophus
Den alten Windgott Aeolus
Zum Glückspatron erlesen;
Und daß kein Philosoph zur Zeit so klug gewesen,
Zu zeigen, daß die ganze Welt,[789]
Wo alles sich durch lauter Wind erhält,
Aus Wind entstanden sey.
Was uns betrifft, so sagen wir es frey,
Der Wind sey bloß das Element,
Daraus die Welt bestehet
Darein sie sich zertrennt,
Wenn sie dereinst vergehet.
A ha! das war philosophirt.
So gehts, wenn man zu viel studirt,
Insonderheit die Physicam,
Wie sie, gepriesner Bräutigam.
Doch sie verstehn dabey
Daß Corpus Juris schöner Kinder,
Und den Proceß nicht minder.
Wohlan! Sie sind ein Advocat,
Und wir bedörfen guten Rath,
Ob die Exception in Rechten gültig sey,
Dafern ein Mädchen spricht: Ey, seyn, sie, nicht, so, lose!
Wenn irgend jemand käme!
Phi, nein, phi, nein, ich schäme,
Ich schäme mich zu tode.
Das reimt sich nun zwar nicht auf lose,
Indessen schickt sichs doch dazu,
So wie das Heu für eine Kuh.
Noch eins fragt sich zuletzt,
Wenn man sich paar und paar in eine Kutsche setzt,
Wie man sich da mit Scherzen,
Mit Lachen, Spielen, Tändeln, Herzen
Am artigsten ergetzt?
Doch bald versehn, das weis ein guter Freund
Weit besser, als sie selbst gemeynt.
Wir andre sehn nur hinten drein,[790]
Und müssen arme Sünder seyn;
Wie jener auf der Post:
Indem sein Camerade
Die süsse Liebeskost
Ohn alle Gnade
Vor seinen Augen hat verzehrt;
Fürwahr, das ist ein Schimpf, der Mark und Bein versehrt.
Nun kömmt das Lied vom Ende,
Ihr Leute klopfet in die Hände,
Das Quodlibet ist aus,
Und eilt ins Hochzeithaus.
Geh hin, du schlechtes Scherzgedicht,
Und zeige dich nur denen, die gern lachen,
Und jede Zeile nicht
Sogleich zum Erzpasquille machen.
Der Bräutigam, ein kluger Themissohn,
Versteht den Scherz von seinen Freunden schon,
Und seine schöne Pönickinn
Erkennt mit hochvergnügtem Sinn,
Daß wir es mit ihm ehrlich meynen.
Drum giebt sie uns Gehör:
Und was ists endlich mehr?
Wo alles lacht, da können wir nicht weinen.
Viel Glück zum neuen Stande!
Der Himmel knüpft die Liebesbande,
Wo sich ein Paar, wie hier, vertraut.
Das holde Bild der Jungfer Braut
Hat in der That uns allen
Von Herzen wohlgefallen:
Weil Geist und Witz und Sittsamkeit
Aus allen ihren Minen
Erschienen.[791]
Was haben wir denn mehr zu sagen?
Es müsse dieses neue Paar
Sein Lebenlang sich über nichts beklagen.
So manchen Tag, so manches Jahr,
So manches Jahr, so manchen Tag,
Als es sich selber wünschen mag,
Soll es die Lust der Hochzeit wiederholen,
Die süsser schmecken soll, als wenn man sie gestohlen.
So viel Gras die Erde träget,
So viel Jungfern Leipzig heget,
So viel Mädchen heimlich lieben,
So viel Briefe sie geschrieben,
So viel Weiber auf der Erden
Ihren Männern untreu werden,
So viel Männer oftmals lauschen,
Und mit ihren Nachbarn tauschen,
So viel man bey allen Sachen
Falsche Glossen pflegt zu machen,
So viel Dichter Zoten reissen,
Die doch schön und artig heissen,
So viel Herzen schöne Wangen
Hier in Leipzig schon gefangen,
So viel wir Caffee verzehren,
Eh wir diese Stadt ernähren,
So viel Segen Glück und Freude
Treffe die Verlobten Beyde.
Nun Kinder, geht zu Bette,
Und schlafet um die Wette.
Der Nachbar hält das Hörnchen schon,
Und bläst aus einem süßen Ton.
Wiewohl wer weis, ob ihr davon erwacht!
Gute Nacht! Gute Nacht!
Ausgewählte Ausgaben von
Versuch einer critischen Dichtkunst
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