732. Graf Friedrich von Zollern.

[660] (S. Schönhuth, Die Burgen etc. Würtembergs. Stuttgart 1861 in 12. Bd. II. S. 310 etc. Barth, Hohenzoll. Chronik S. 102 etc.)


Auf einem steilen 3000 Fuß über der Meeresfläche sich erhebenden Gebirgskegel auf der westlichen Seite der schwäbischen Alp liegt die alte Burg Hohenzollern, der Stammsitz des preußischen Königsgeschlechtes. Einer ihrer Vorfahren, ein Graf Friedrich von Zollern, hat einst hier gewohnt, der eine fromme Gemahlin besaß, Frau Adelheid geheißen, welche nach ihrem Absterben von vielen Leuten für heilig gehalten worden ist. Wer sie von Geschlecht gewesen, ist wegen Länge der Zeit vergessen. Nachdem nun der Graf einige Kinder von seiner Gemahlin bekommen hatte, die er theils an Fürstenhöfe, theils zu seinen nächsten Freunden und Verwandten schickte um von ihnen erzogen zu werden, so nahm er sich vor in die Heidenländer zu reisen und sich dort umzusehen. Er nahm also Abschied von seiner Frau, nachdem er ihr die Sorge für seine Grafschaft übertragen hatte, und zog mit weniger Dienerschaft hinüber über's Meer. Dort sind ihm aber in dem Heidenlande seine Diener und selbst sein Roß mit Tode abgegangen und er hat also unerkannt in großer Armuth und Mangel leben müssen. Wie er nun in seinen größten Nöthen gewesen ist und nicht gewußt hat, wo hinaus noch wo hinan, da ist ein Gespenst zu ihm gekommen, das hat ihn in mancherlei Weise versucht. Indeß hat der Allmächtige dem großmüthigen Grafen so viel Verstand und Gnade gegeben, daß er dem bösen Feinde in seinen Anfechtungen, darin er ihn von Gott abzuführen sich unterstand, widerstehen konnte. Letzlich brachte ihm der Teufel ein Roß mit dem Bericht, daß ihn solches an alle Orte und Enden, dahin ihn gelüste, ohne alle Gefahr seiner Seele und des Leibes in aller Geschwindigkeit tragen würde (mochte sich schier des Pacolet's Roß vergleichen), jedoch, wenn er Abends oder sonst unter Tags absäße, so solle er es gegen Niedergang der Sonne abzäumen und absatteln, so werde er dasselbe für und für sein Leben lang genug haben, ja auch die ganze Welt damit durchreisen können, wo er aber solches einmal übersehen, werde er sein Roß für ewig verloren haben, davor wolle er ihn gewarnt haben. Was nun der Graf dagegen dem Gespenst hat verheißen und leisten müssen, wie sonst in solchen Fällen gebräuchlich, das ist in der Länge der Zeit in Vergessenheit gekommen. Hiermit ist aber der böse Geist von ihm abgeschieden und hat ihn verlassen. Also ist der Graf noch etliche Jahre einen weiten Weg mit diesem Rosse gereist, jedoch ist ihm zuletzt angekommen, demnach er viele Jahre ausgewesen, wiederum zu seinem Weibe und seinen Kindern sich zu verfügen. Inzwischen hat man ihn wegen seines langen Ausbleibens und weil man nichts mehr von ihm vernommen, ganz vergessen gehabt, seine Gemahlin, die Gräfin, hat die Landschaft weislich und wohl regiert, inmittelst der Zeit sind auch die jungen Herren und Fräuleins herangewachsen, die sind zum Theil ausgesteuert worden und Niemand hat sich mehr seiner versehen gehabt. Indeß hat das wunderbarliche Roß den Grafen[660] einen weiten Weg getragen, daß er mit großem Verlangen seine Grafschaft erreicht hat. Da hat er denn heimlich erfahren, daß sein Weib und seine Kinder noch am Leben seien und alle Sachen wohl stünden, darauf eine Botschaft an seine Frau nach Zollern gethan. Wie derselbigen aber die Botschaft zugekommen, ist die gute Frau eilends ihrem Herrn, den sie in vielen Jahren nicht gesehen, sammt etlichen ihrer beider Söhne und Töchter vor das Schloß den Berg hinab entgegengegangen und sie haben ihn mit großer Freude empfangen. Der Graf ist auch von seinem Rosse abgestiegen, hat sein Weib und seine Kinder, ein jegliches besonders angesprochen und ist dann mit ihnen hinauf aufs Schloß gegangen. In dieser Freude hat der Graf sich weiter um sein Roß nicht bekümmert oder auch befohlen, wie man es abzäumen oder absatteln solle, sondern die Diener haben es zwar ins Schloß hinaufgeführt, sind aber nicht recht mit ihm umgegangen. Derohalben ist das Roß im Angesicht der Diener verschwunden, so daß sie nicht gewußt, wohin es gekommen, sie sind also eilends zum Grafen ihrem Herrn gegangen und haben ihm verwundert angezeigt, was ihnen mit dem Roß begegnet sei. Gleich hat er vermerkt, daß er selbst daran schuld sei und daß die Diener nur aus Unwissenheit das Roß verwahrlost hätten, und wiewohl ihm dies in seinem Herzen eine große Beschwerde war, so hat er sich es doch aus dem Sinne geschlagen, dieweil ihm der Allmächtige in Gnaden heimgeholfen hatte und der Verlust des abenteuerlichen Rosses doch einmal nicht ungeschehen gemacht werden konnte. Er sprach also zu den Dienern: »Wohlan, wie ich ihm gethan, es ist geschehen und sei damit Gott ergeben.« Dabei ist es geblieben, daß die Diener von ihm wieder abgeschieden sind und er kein böses Wort dazu geredet hat. In wenigen Stunden hernach, noch an demselben Tage, sind drei schöne Jungfrauen in Weiß angethan an das Thor der Zollernburg gekommen und von den Wächtern gefragt, was ihr Begehren sei und zu wem sie wollten, haben sie mit dem Grafen persönlich zu sprechen verlangt. Wie das den Grafen hinterbracht worden, hat er befohlen, sie unverzüglich ein- und vorzulassen. Als dies geschehen, haben sie sich vor ihm geneigt und die eine unter ihnen hat bekannt, sie seien Geister, die verflucht und in der Gewalt des bösen Feindes gewesen und durch die Macht desselben hätten sie den Grafen viele Zeit und einen weiten Weg in der Gestalt eines Rosses getragen, dieweil er aber um den Verlust des Rosses nicht ungeduldig gewesen, sondern Alles Gott ergeben anheimgestellt, seien sie jetzt aus der teufelischen Gewalt erledigt, und aller ihrer Marter und Pein entledigt worden, da sie sonst bis an den jüngsten Tag hätten ewig von den bösen Geistern geplagt sein müssen. Deshalb haben sie ihm fleißig gedankt mit dem Vermelden, daß sie den Allmächtigen ewiglich für ihn und die Seinen getreulich bitten wollten, und damit sind sie verschwunden. Dieser Graf Friedrich ist zu einem hohen Alter gekommen und nach seiner Reise daheim geblieben, hat auch noch etliche Jahre in Frieden gelebt und starb den 24. Mai 1289. Er soll zu Stetten im Kloster begraben sein. Seine Gemahlin hat ihn nicht überlebt, sie war kurz vor ihm gestorben und liegt in dem alten Kloster. Dieses Frauenkloster, welches zuvor ein Johanniter-Haus gewesen war, hatten dieser Graf und die Gräfin wenige Jahre zuvor gestiftet, nämlich im Jahre des Herrn 1259.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 660-661.
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