2.

[80] Pompeji's Bürger, du, mit dessen Aschen

Vielleicht gerad vorbei die Winde spielen,

Die vor mir, tändelnd, Reb' und Rose haschen

Und in des Mittags Sonnenlocken wühlen!


Dein ist das Haus, das ich, dein Gast, begrüße,

Der sich verspätet um zweitausend Jahre!

Du bist ein Mann, mit dem sich's leben ließe,

Und freundlich heißt willkommen mich dein Lare.


Dein »Salve!« an der Schwelle dieser Hallen,

Nachstammelt dir's der Mosaik seit Jahren;

Es gilt auch mir, wie einst den Nachbarn allen,

Die jetzt mit dir dahin im Winde fahren.


Du wirst nicht zürnen des Besuchs, des späten,

Indeß auch ich's dem Hausherrn nicht verarge,

Daß er statt Purpurkissen, Goldtapeten

Zum Sitz mir bietet nur dieß Moos, das karge.


Wohl werden deine Laren sich vertragen

Mit meinen Hauskobolden gütlich können!

Wenn sie sich auch mit Kohlenbränden schlagen,

Daß sie nur uns die Schüsseln nicht verbrennen!
[81]

Sind Deck' und Goldgebälk' auch längst in Trümmern,

Deckt blauer Himmel uns auch nur statt ihnen,

Ich bin ein milder Gast und seh' ihn schimmern

Als deine seidnen, blauen Festgardinen.


Und sengt die Sonn' auch brennend meinen Scheitel,

Sie sei des Schweigens Rose, will ich schwören,

Gen deren Pracht selbst Pästums Rosen eitel,

Und die du aufgesteckt dem Gast zu Ehren.


Des Epheus Schnur, drauf die Cicade schaukelt,

Ist über'm Haupt als Seil uns aufgehangen,

Drauf uns dein Gaukler seine Sprünge gaukelt.

Wir brauchen seines Sturzes nicht zu bangen!


Hier ist auch Amor! Seine Siege blieben

Verewigt an der Wand von Farbendichtern!

Zwar etwas derb und keck! Doch scheint's, im Lieben

Ists besser allzukeck, als allzuschüchtern!


Bacchustrophäen, Amphor'n in den Hallen

Zerstreut, wie trunkene Bacchanten, liegen;

Ist auch mit Asch' ihr Mund verstopft, doch lallen

Sie noch von ihres Gottes lust'gen Zügen!


Gruß, Musen, euch! Dort die Papyrusrolle,

Verkohlt und morsch, wahrt noch im Eingeweide,

Gleich wie der Muschel Schrein, der perlenvolle,

Wohl manche Perl aus eurem Festgeschmeide.
[82]

Laß uns zu deines Gartens Blüthenfesten!

Ach, seine Mauern, die verwaisten, gleichen

Dem Aschenkrug mit den verbrannten Resten

Des Lenzes, der als Jüngling mußt' erbleichen!


Doch sieh dort neu Viol' und Rose nickend

Und Reben grünend, Palmen und Platanen!

Sie sprießen draußen, still herüber blickend,

Wie wir jetzt auf die Gräber unsrer Ahnen!


Und sieh, hier kommen ja noch andre Gäste!

Bequem macht sich, wie ich in deinem Zimmer

In ihrer Schwester tausendjähr'gem Neste

Die Schwalb', umschwebend deines Simses Trümmer!


Den Rosenfriedhof hier umschwebt ein dreister

Goldfalter, wie ein Geist, der sich verirrte!

Umsäuseln ihn des Gartens Blumengeister?

Denkt er des Ahns, des Flug sie einst umschwirrte?


Ich aber weiß, des Daseins Ring, der helle,

Er ist in Einem ungeheuren Bogen

Durch Stern und Baum, durch Rosen, Sonnenbälle,

Durch Menschenherz und Engelsbrust gezogen!


Des Daseins Lied, von Allen angeklungen,

Aussprechen kann für sich allein es Keiner!

Was meine Lippen ganz nicht ausgesungen,

Ergänzen Rose, Stern und Baum statt meiner!
[83]

Und nur ein Theil von mir wird eingegruftet,

Ein Theil von mir wird fort sein Dasein leben;

Ein Theil von mir ist's, was in Rosen duftet,

In Sonnen flammt und grünt in Palm' und Reben!


Ein Theil von mir ist's ja, das von dem Hügel

Als Quell durchstürmt der Erde ew'ge Fluren,

Als Schmetterling noch schlägt die farb'gen Flügel,

Als Schwalbe noch verfolgt des Frühlings Spuren!


So soll mein Salve! einst auch Enkeln klingen,

Wenn über ihren Reben, Quellen, Rosen

Im Jubelfluge, auf des Windes Schwingen

Vorüber meine Aschenreste tosen!

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 80-84.
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