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[368] Früh morgens. Lager des Varus.


VARUS. Auf!


Die Legionen erheben sich.


Da bleiben Tausende liegen! Weckt sie!

EIN LEGIONÄR. Es geht nicht. Sie sind vor all dem Drangsal über Nacht gestorben.

VARUS. Es sieht darnach aus. – –. Rücken wir vor. Südwestlich durch die Bergschluchten – Das schlackerwettert!


Die Römer rücken aus und marschieren vorwärts.


HERMANN. Ingomar!


Ingomar schweigt.


Setz dich wieder zu Pferd und störe sie mit den Anhängern, welche du wieder erhalten hast, wie du willst. – Sie kommen jetzt in unser rechtes Waldrevier und seine beschwerlichen und verworrenen Wege. Da ist für dich zu tun, aber für offne Schlachten taugst du nicht so sehr, als du vorgestern glaubtest.

INGOMAR. Die Beleidigung, Neffe, welche du mir angetan hast ist, wie gesagt, da, und nicht abzuändern, ob du auch sie mit Liebkosungen vertuschen willst. – Doch dein Befehl, daß ich die Römer wieder angreifen soll, ist das vernünftigste Wort, welches seit zehn Jahren über deine Lippen kam.


Er steigt zu Pferd und deutet mit seinem Speer auf die Legionen.


Folgt dem Winke dieser langen Fingerspitze!

VARUS. Stets ruhig weiter, und bekümmert euch um nichts. Es sind nur Bremsen.

INGOMAR zu seinen Leuten. Haltet! – Mein Pferd hat sein Hufeisen verloren.[368]

EIN DEUTSCHER. Die Welschen kommen unter der Zeit, ehe das gefunden und wieder angeschmiedet wird, weiter.

INGOMAR. Mein Brandfuchs ist mir lieber als Millionen Welsche.

WIGAND, DER SCHMIED. Hier ist ein Stück von dem Hufeisen.

INGOMAR. Flicks dem Tier an. Wenn es nur etwas unter den Hufen fühlt, ist es zufrieden. Was und wieviel ist ihm gleichgültig. Darauf verstehts sich nicht. – Bist fertig?

WIGAND. Ja.

INGOMAR. Nun soll sie alle der Teufel holen! – Angegriffen, als wären sie nichts Gutes!

HERMANN aus der Ferne. Fällt auch allerwärts die Bäume und werft sie ihnen vor die Füße! Hier ist der alte Kriegs-, Wehr- und Wahrweg! Macht den stolzen Namen Ehre! Und den Fluß, in dem sie da verbluten, tauf ich um: statt Berlebecke heißt er künftig Knochen- und Blutbach.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 3, Emsdetten 1960–1970, S. 368-369.
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