Dritte Szene

[234] Hoch am Ätna. Morgendämmerung, die bald dem kommenden Tage weicht.

Der Kaiser Heinrich, mit Constanze, Diephold, Achmet, und Gefolge kommt. Diener mit Falken auf der Faust unter dem letzteren. Jagdmusik zwischendurch.


EINER DES GEFOLGS.

Wir stehen jetzo an dem Saume der

Bewohnten Welt – Noch ein paar Schritte, und

Das Grün der Waldung weicht dem ewgen Schnee.[234]

KAISER HEINRICH.

Ich seh ihn durch die Blätter schimmern, hoch her, nackt

Und glänzend, wie des Lebens Höhen – Nur

Die Täler, wo im Laub der Sonnenstrahl

Sich kühlt, das Laub dagegen sich an ihm erwärmt,

Wo ruhiger als unterm Baldachin der Kaiser,

Der Käfer unter seinem Blatte sitzt,

Sind Wiegen des Glücks – Auf den Bergen hat

Man nur die Aussicht.

ACHMET.

Aber, Kaiser, was für eine

Ist diese auch? Bei dem Propheten, hier

Zu stehn und niederschaun, ist besser als

Kurzsichtgen Blicks im engen Raume, gleich

Dem Käfer zu genießen.

KAISER HEINRICH.

Laßt die Jagd

Beginnen – Her die Falken – Nichts auf Erden

Ist dem Normannen wichtger als sein Jagdbann –

Heut will ich ihm das abgewöhnen – Laßt

Die Vögel über seine Forsten steigen,

Und schießt mir ein Baron nur einen nieder,

So stürzen tausend Wetter auf ihn selbst!


Die Falken werden losgelassen und steigen auf.


Zeit ists – Denn seht, Auroras goldne Krone,

Die sie mit zarten Rosenfingern um

Die Welt gelegt, erblaßt schon vor dem Glanz

Des Helios! – O ihr gewaltgen Sonnenrosse,

Wie elend ist die Erde, wenn man euch

Milchweiß und glühend, über Himmelshöhn

Hinfliegen sieht, wie über Hügel!

CONSTANZE.

Heinrich,

Dies Reich ist doch wohl wert, daß es die Sonne

Mit solchem holden Strahl, wie jetzt, beleuchtet! –

Verzeih, nicht sag ichs, weil ichs dir zum Brautschatz

Gebracht, – ich sags nur, um dich zu erfreuen!

KAISER HEINRICH.

Nicht unrecht hast du, – wären die Bewohner

Nur besser – In Sizilien funkeln Blumen,

In Deutschland glühen Männerbrüste – Nichts

Doch edler als ein deutsches Herz. –

– 'Ne Stätte,

Wie diese, kennt die Welt wohl nicht – Hoch flammt[235]

Der Ätna, eine Fackel, über uns, beleuchtet

Das Fabelland des Mäoniden, – wie

Des Meergotts Dreizack liegt die Insel uns

Zu Füßen, alle Krümmungen der Flüsse

Verfolgt der Blick, und aus dem Dunkel der

Kastanienwälder glänzen alte Türm

Und alte Mauern! –

– Ist es doch, als lagerten

Sich alle Götter des Olympus dicht um mich:

Poseidon da, mit blaugelocktem Haupte,

Dort Arethusa, furchtsam fliehend, – hier

Im Berg die Donnerhammer der Cyclopen, –

Da Hyblas Biene, fröhlich summend

Und ungestört vom Hammerschlag –, und dort

Das Tal von Enna, voll der süßen Frucht

Der Hesperiden – Ja, Proserpina,

Ich kanns mir denken, daß du frohe Jungfrau

Zur ewig finstern Göttin bist geworden –

Wie kannst du solchen Frühlingstals vergessen,

Wenn Pluto dich daraus zum Acheron

Geraubt!

– Doch, Freunde, nun erinnert euch

Der Dichter auch, die, mit der Gottheit selbst wetteifernd,

Das Leben schmücken und die Erde – Hoch

Homer, in dessen Liede diese Insel prangt,

Hoch Ofterdingen, der das Herz zerreißt,

Damit er es erhebe!

ALLE ANWESENDE denen auf einen Wink des Kaisers Gläser mit Syrakuser gefüllt werden, die Gläser leerend.

Hoch!

CONSTANZE auf Heinrich blickend.

Wer dächte

Bei diesen Worten, diesen Blicken voll

Begeisterung, daß Zorn und Mord und Tod

Aus ihnen sprühen könnten?

KAISER HEINRICH.

Freundin,

Wo Feuer ist, da brennts, – bald so, bald so, –

Etwas muß es verzehren. – Sieh den Ätna, –

Er machts nicht besser, bald beglückt

Und bald zerstört er –

Ist auch Ofterdingen

Gefallen auf dem Kreuzzug meines Vaters?[236]

DIEPHOLD.

Nein Herr, er lebt in Ungarn, um bei Klingsohr,

Dem Zaubrer, seine Kunst noch zu verbessern.

KAISER HEINRICH.

Die Dichtkunst auch, die erste Zauberin,

Bedarf noch andern Zaubers? – Nun, so gibts

Nicht einen Selgen unter dieser Sonne – Ist

Der Dichter nicht beglückt in seinen Träumen,

Wie wären wirs im Wachen?

– Wer da?

DIEPHOLD.

Gesandte von dem Griechenkaiser.

KAISER HEINRICH.

Führt

Sie vor.


Zwei griechische Gesandte treten auf.


Was bringt ihr?

ERSTER GRIECHISCHER GESANDTE.

Freundesgruß

Von unserm Herrn, Gewährung freien Durchzugs

Nach Syrien, und die verlangte Steuer.

KAISER HEINRICH für sich.

Drei Jahre noch und alles ist vollendet –

Ihr deutschen Fürsten möget trotzen nach Belieben,

Ich zwing euch doch, die Kaiserkrone erblich

Zu machen, – dann das heilge Land erobert, – dann

Stark durch Neapel und durch Deutschland,

Geschmückt mit eines Kreuzzugs heilgem Ruhm,

Den Papst, die Lombardei zertrümmert – Dann – –

– Was für ein schmaler, dunkler Streif im Süden

Am Horizonte?

ACHMET.

Fern und dunkel, wie

Der Erdteil selbst ist, dämmern dort die Küsten

Von Afrika.

KAISER HEINRICH.

Auch dies Afrika muß mein

Einst werden, – ziehn muß ich durch die Sahara,

Und dann an Nigers Fluten mich erfrischen –

Kein Land, an welchem dort das Meer sich bricht,

Das ich mir endlich nicht erränge – O,

Ich stehe auf des Ätna Gipfeln, und

Wie der Schütz die Pfeile sendet durch die Luft,

Send ich die Kriegsschiffe durch die See!


Laut aufschreiend.
[237]

Weh,

Was schlug? Wer klopft? – Das ist mein Herz nicht –

Der Tod! – Der Hund! – Mein Kind! mein Kind! – Empörung

Wird sich erheben, wild und toll wie Rosse,

Wird Deutschland, wird Neapel, stürmen

Vor dem unmündgen Herrscher – Meine Hand

Nur konnte die erst jetzt Gebändigten

Schon zügeln – Armes Weib –


Er sinkt an die Erde.


CONSTANZE.

Er stirbt! Ein Schlagfluß!

O Jammer, Jammer, Alles nun verloren!

KAISER HEINRICH.

So unerwartet, schmählich hinzusterben –

O wär ich lieber nimmermehr geboren!


Er stirbt.


CONSTANZE.

Nun nahet mir das Unheil, das Verderben!

ACHMET.

So plötzlich hingestürzt im größten Glück!

DIEPHOLD.

Das schrecklichste, das tragischste Geschick!


Alle stehen in tiefem Schmerze um den Leichnam Constanze stürzt über ihn.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 2, Emsdetten 1960–1970, S. 234-238.
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