[819] Kolchis. – Wilde Gegend mit Felsen und Bäumen. Im Hintergrunde ein halbverfallener Turm, aus dessen oberstem Stockwerke ein schwaches Licht flimmert.
Weiter zurück die Aussicht aufs Meer. – Finstere Nacht.
ABSYRTUS hinter der Szene.
Dorther schimmert das Licht! – Komm hierher, Vater! –
Ich bahne dir den Weg! – Noch diesen Stein! –
So! –
Auftretend und mit dem Schwert nach allen Seiten ins Gebüsch hauend.
Aus dem Wege, unnützes Pack!
Vater, mein Schwert macht klare Bahn!
Aietes tritt auf, den Helm auf dem Kopfe, ganz in einen dunkeln Mantel gehüllt.
ABSYRTUS.
Wir sind an Ort und Stelle, Vater,
Dort der Turm, wo die Schwester haust.
Siehst das Licht aus ihrer Zelle?
Da weilt sie und sinnt Zaubersprüche
Und braut Tränke den langen Tag,
Des Nachts aber geht sie gespenstisch hervor
Und wandelt umher und klagt und weint.
Aietes macht eine unwillige Bewegung.
ABSYRTUS.
Ja, Vater, und weint, so erzählt der Hirt
Vom Tal da unten, und ringt die Hände,
Daß es, spricht er, kläglich sei anzusehn!
Was mag sie wohl treiben und sinnen, Vater?
Aietes geht gedankenvoll auf und nieder.
ABSYRTUS.
Du antwortest nicht? – Was hast du, Vater?
Trüb und düster ist dein Gemüt.
Du hast doch nicht Furcht vor den Fremden, Vater?
AIETES.
Furcht, Bube?
ABSYRTUS.
Nu, Sorge denn, Vater!
Aber habe nicht Furcht noch Sorge!
Sind uns nicht Waffen und Kraft und Arme?
Ist nicht ein Häuflein nur der Fremden?
Wären ihrer doch zehnmal mehr!
Laß sie nur kommen, wir wollen sie jagen
Eilends heim in ihr dunkles Land,
Wo keine Wälder sind und keine Berge,[819]
Wo kein Mond strahlt, keine Sonne leuchtet,
Die täglich, hat sie sich müde gewandelt,
Zur Ruhe geht in unserem Meer.
Laß sie nur kommen, ich will sie empfangen,
Du hast nicht umsonst mich wehrhaft gemacht,
Nicht umsonst mir gegeben dies blitzende Schwert,
Und den Speer und den Helm mit dem wogenden Busch,
Waffen du, und Mut die Götter!
Laß die Schwester mit ihren Künsten,
Schwert gegen Schwert, so binden wir an!
AIETES.
Armer Wurm!
ABSYRTUS.
Ich bin dein Sohn!
Damals, als du den Phryxus schlugst –
AIETES.
Schweig!
ABSYRTUS.
Das ist ja eben, warum sie kommen
Her nach Kolchis, die fremden Männer,
Zu rächen, wähnen sie, seinen Tod
Und zu stehlen unser Gut, das strahlende Vließ.
AIETES.
Schweig, Bube!
ABSYRTUS.
Was bangst du, Vater?
Fest verwahrt in der Höhle Hut
Liegt es, das köstliche, goldene Gut.
AIETES den Mantel vom Gesicht reißend und ans Schwert greifend.
Soll ich dich töten, schwatzender Tor?
ABSYRTUS.
Was ist dir?
AIETES.
Schweig! – Dort sieh zum Busch
ABSYRTUS.
Warum?
AIETES.
Mir deucht, es raschelt dort
Und regt sich. – Man behorcht uns.
ABSYRTUS zum Gebüsch hingehend und an die Bäume schlagend.
He da! – Steht Rede! – – Es regt sich niemand!
Aietes wirft sich auf ein Felsenstück im Vorgrunde.
ABSYRTUS zurückkommend.
Es ist nichts, Vater! Niemand lauscht.
AIETES aufspringend und ihn hart anfassend.
Ich sage dir, wenn du dein Leben liebst,
Sprich nicht davon!
ABSYRTUS.
Wovon?[820]
AIETES.
Ich sage dir, begrabs in deiner Brust,
Es ist kein Knabenspielzeug, Knab!
Doch alles still hier! Niemand empfängt mich;
Recht wie es ziemt der Widerspenstgen Sitz.
ABSYRTUS.
Hoch oben am Turme flackert ein Licht.
Dort sitzt sie wohl und sinnt und tichtet.
AIETES.
Ruf ihr! Sie soll heraus!
ABSYRTUS.
Gut, Vater!
Er geht dem Turme zu.
Komm herab, du Wandlerin der Nacht,
Du Spätwachende bei der einsamen Lampe!
Absyrtus ruft, deines Vaters Sohn!
Pause.
Sie kommt nicht, Vater!
AIETES.
Sie soll! Ruf lauter!
ABSYRTUS ans Tor schlagend.
Holla ho! Hier der König! Heraus ihr!
MEDEAS STIMME im Turm.
Weh!
ABSYRTUS.
Vater!
AIETES.
Was?
ABSYRTUS zurückkommend.
Hast du gehört?
Weh riefs im Turm! Wars die Schwester, die rief?
AIETES.
Wer sonst! Geh, deine Torheit steckt an.
Ich will rufen und sie soll gehorchen!
Zum Turme gehend.
Medea!
MEDEA im Turm.
Wer ruft?
AIETES.
Dein Vater ruft und dein König!
Komm herab!
MEDEA.
Was soll ich?
AIETES.
Komm herab sag ich!
MEDEA.
O laß mich![821]
AIETES.
Zögre nicht! Du reizest meinen Zorn!
Im Augenblicke komm!
MEDEA.
Ich komme!
Aietes verhüllt sich und wirft sich wieder auf den Felsensitz.
ABSYRTUS.
Wie kläglich, Vater, ist der Schwester Stimme.
Was mag ihr fehlen? Sie dauert mich! –
Dich wohl auch, weil du so schmerzlich schweigst,
Das arme Mädchen!
Ihn anfassend.
Schläfst du, Vater?
AIETES aufspringend.
Törichte Kinder sind der Väter Fluch!
Du und sie, ihr tötet mich,
Nicht meine Feinde!
ABSYRTUS.
Still! Horch! – Der Riegel klirrt! – Sie kommt! – Hier ist sie!
Medea in dunkelroter Kleidung, am Saume mit goldenen Zeichen gestickt, einen schwarzen, nachschleppenden Schleier, der an einem, gleichfalls mit Zeichen gestickten Stirnbande befestigt ist, auf dem Kopfe, tritt, eine Fackel in der Hand, aus dem Turme.
MEDEA.
Was willst du, Herr?
ABSYRTUS.
Ist das die Schwester, Vater?
Wie anders doch als sonst, und ach, wie bleich!
AIETES zu Absyrtus.
Schweig jetzt!
Zu Medeen.
Tritt näher! – näher! Doch erst
Lösch deine Fackel, sie blendet mir das Aug!
MEDEA die Fackel am Boden ausdrückend.
Das Licht ist verlöscht, es ist Nacht, o Herr!
AIETES.
Jetzt komm! – Doch erst sag an, wer dir erlaubt,
Zu fliehn des väterlichen Hauses Hut
Und hier, in der Gesellschaft nur der Wildnis
Und deines wilden Sinns, Gehorsam weigernd,
Zu trotzen meinem Worte, meinem Wink?
MEDEA.
Du fragst?
AIETES.
Ich frage!
MEDEA.
Reden soll ich?[822]
AIETES.
Sprich!
MEDEA.
So höre, wenn du kannst, und zürne, wenn du darfst.
O, könnt ich schweigen, ewig schweigen!
Verhaßt ist mir dein Haus,
Mit Schauder erfüllt mich deine Nähe.
Als du den Fremden erschlugst,
Den Götterbeschützten, den Gastfreund,
Und raubtest sein Gut,
Da trugst du einen Funken in dein Haus,
Der glimmt und glimmt und nicht verlöschen wird.
Gössest du auch darüber aus,
Was an Wasser die heilge Quelle hat,
Der Ströme und Flüsse unnennbare Zahl
Und das ohne Grenzen gewaltige Meer.
Ein törichter Schütze ist der Mord,
Schießt seinen Pfeil ab ins dunkle Dickicht,
Gewinnsüchtig, beutegierig,
Und was er für ein Wild gehalten,
Für frohen Jagdgewinn,
Es war sein Kind, sein eigen Blut,
Was in den Blättern rauschte, Beeren suchend.
Unglückselger, was hast du getan?
Feuer geht aus von dir
Und ergreift die Stützen deines Hauses,
Das krachend einbricht
Und uns begräbt.
AIETES.
Unglücksbotin, was weißt du?
MEDEA.
In der Schreckensstunde,
Als sie geschehn war, die Tat,
Da ward mein Aug geöffnet,
Und ich sah sie, sah die unnennbaren
Geister der Rache.
Spinnenähnlich,
Gräßlich, scheußlich,
Krochen sie her in abscheulicher Unform
Und zogen Fäden, blinkende Fäden,
Einfach, doppelt, tausendfach,
Rings um ihr verfallen Gebiet.[823]
Du wähnst dich frei und du bist gefangen,
Kein Mensch, kein Gott löset die Bande,
Mit denen die Untat sich selber umstrickt.
Weh dir, weh uns allen!
AIETES.
Verkaufst du mir Träume für Wirklichkeit?
Deinesgleichen magst du erschrecken, Törin!
Nicht mich! Hast du die Zeichen, die Sterne gefragt?
MEDEA.
Glaubst du, ich könnts, ich vermöcht es?
Hundertmal hab ich aufgeblickt
Zu den glänzenden Zeichen
Am Firmament der Nacht.
Und alle hundert Male Sanken meine Blicke
Von Schreck getroffen, unbelehrt.
Es schien der Himmel mir ein aufgerolltes Buch
Und Mord darauf geschrieben, tausendfach,
Und Rache mit demantnen Lettern
Auf seinen schwarzen Grund.
O frage nicht die Sterne dort am Himmel,
Die Zeichen nicht der schweigenden Natur,
Des Gottes Stimme nicht im Tempel:
Betracht im Bach die irren Wandelsterne,
Die scheu dir blinken aus den düstern Brau'n,
Die Zeichen, die die Tat dir selber aufgedrückt,
Des Gottes Stimme in dem eignen Busen,
Sie werden dir Orakel geben,
Viel sicherer als meine arme Kunst,
Aus dem, was ist und war, auf das, was werden wird.
ABSYRTUS.
Der Vater schweigt. – Du bist so seltsam, Schwester,
Sonst warst du rasch und heiter, frohen Muts;
Mich dünkt, du bist dreifach gealtert
In der Zeit, als ich dich nicht gesehn!
MEDEA.
Es hat der Gram sein Alter wie die Jahre,
Und wer der Zeit vorauseilt, guter Bruder,
Kommt früh ans Ziel.
ABSYRTUS.
Du weißt wohl also schon
Von jenen Fremden, die –[824]
MEDEA.
Von Fremden –?
AIETES.
Halt!
Ich gebot dir zu schweigen! Schweig denn, Schwätzer!
Medea, laß uns klug sprechen und besonnen,
Das Gegenwärtge aus der Gegenwart
Und nicht aus dem betrachten, was vergangen.
Wiß es denn. Fremde sind angekommen, Hellenen,
Sie begehren zu rächen Phryxus Blut,
Verlangen die Schätze des Erschlagnen
Und des Gottes Banner, das goldene Vließ.
MEDEA aufschreiend.
Es ist geschehn! Der Streich gefallen! Weh!
Will in den Turm zurück.
AIETES Sie zurückhaltend.
Medea, halt! – Bleib, Unsinnige!
MEDEA.
Gekommen die Rächer, die Vergelter!
AIETES.
Willst du mich verlassen, da ich dein bedarf?
Willst du sehen des Vaters Blut?
Medea, ich beschwöre dich,
Sprich! Rate! Rette! Hilf!
Gib mich nicht preis meinen Feinden!
Argonauten nennen sie sich,
Weil Argo sie trägt, das schnelle Schiff.
Was das Hellenenland an Helden nährt,
An Tapfern vermag, sie habens versammelt
Zum Todesstreich auf deines Vaters Haupt.
Hilf, Medea! Hilf, meine Tochter!
MEDEA.
Ich soll helfen, hilf du selbst!
Gib heraus, was du nahmst, Versöhnung bietend!
AIETES.
Verteilt sind die Schätze den Helfern der Tat;
Werden sie wiedergeben das Empfangne?
Besitzen sies noch? die törichten Schwelger,
Die leicht vertan das leicht Erworbne.
Soll ich herausgeben das glänzende Vließ,
Des Gottes Banner, Perontos Gut?
Nimmermehr! Nimmermehr! Und tät ichs,
Würden sie drum schonen mein und eurer?
Um desto sichrer würgten sie uns,
Rächend des Freundes Tod,[825]
Geschützt durch das heilige Pfand des Gottes.
Deine Kunst befrage, gib andern Rat!
MEDEA.
Rat dir geben, ich selber ratlos?
AIETES.
Nun wohl, so verharre, du Ungeratne!
Opfre dem Tod deines Vaters Haupt.
Komm, mein Sohn, wir wollen hinaus,
Den Streichen bieten das nackte Haupt,
Und fallen unter der Fremden Schwertern.
Komm, mein Sohn, mein einzig Kind!
MEDEA.
Halt, Vater! –
AIETES.
Du willst also?
MEDEA.
Hör erst!
Ich wills versuchen, die Götter zu fragen,
Was sie gebieten, was sie gestatten,
Und nicken sie zu, so steh ich dir bei,
Helfe dir bekämpfen den Feind,
Helfe dir schmieden den Todespfeil,
Den du abdrücken willst ins dunkle Gebüsch,
Nicht wissend, armer Schütze, wen du triffst.
Es sei! du gebeutst, ich gehorche!
AIETES.
Medea, mein Kind, mein liebes Kind!
MEDEA.
Frohlocke nicht zu früh, noch fehlt das Ende.
Ich bin bereit; allein versprich mir erst,
Daß, wenn die Tat gelang, dein Land befreit,
Zu hoffen wag ichs kaum, allein wenn doch –
Du mich zurückziehn läßt in diese Wildnis
Und nimmermehr mich störst, nicht du, nicht andre.
AIETES.
Warum?
MEDEA.
Versprichs!
AIETES.
Es sei!
MEDEA.
Wohlan denn, Herr,
Tritt ein bei deiner Magd, ich folge dir!
AIETES.
Ins Haus?
MEDEA.
Drin wirds vollbracht.
AIETES zu Absyrtus.
So komm denn Sohn!
Beide ab in den Turm.
MEDEA.
Da gehn sie hin, hin die Verblendeten! –
Ein töricht Wesen dünkt mich der Mensch;[826]
Treibt dahin auf den Wogen der Zeit,
Endlos geschleudert auf und nieder,
Und wie er ein Fleckchen Grün erspäht,
Gebildet von Schlamm und stockendem Moor
Und der Verwesung grünlichem Moder,
Ruft er: Land! und rudert drauf hin
Und besteigts – und sinkt – und sinkt –
Und wird nicht mehr gesehn!
Armer Vater, armer Mann!
Es steigen auf vor meinen Blicken
Düstrer Ahnungen Schauergestalten,
Aber verhüllt und abgewandt,
Ich kann nicht erkennen ihr Antlitz!
Zeigt euch mir ganz, oder verschwindet
Und laßt mir Ruh, träumende Ruh!
Armer Vater! Armer Mann –
– Aber der Wille kann viel – und ich will.
Will ihn erretten, will ihn befrein
Oder untergehn mit ihm!
Dunkle Kunst, die mich die Mutter gelehrt,
Die den Stamm du treibst in des Lebens Lüfte
Und die Wurzeln geheimnisvoll
Hinabsenkst zu den Klüften der Unterwelt,
Sei mir gewärtig! – Medea will!
Ans Werk denn!
Zu einigen Jungfrauen, die am Eingange des Turmes erscheinen.
Und ihr, des Dienstes Beflißne,
Bereitet die Höhle, bereitet den Altar!
Medea will zu den Geistern rufen,
Zu den düstern Geistern der schaurigen Nacht,
Um Rat, um Hilfe, um Stärke, um Macht!
Ab in den Turm Pause. Dann tritt Jason rasch auf.
JASON.
Hier hört ich Stimmen! – Hier muß – Niemand hier,
MILO hinter der Szene.
Holla!
JASON.
Hierher!
MILO ebenso.
Jason![827]
JASON.
Hier, Milo, hier!
MILO der keuchend auftritt.
Mein Freund, such dir 'nen anderen Begleiter!
Dein Kopf und deine Beine sind zu rasch,
Sie laufen, statt zu gehn. Ein großer Übelstand!
Von Beinen mags noch sein, da hilft das Alter,
Allein ein Kopf, der läuft! – Glück auf die Reise!
Such einen andern, sag ich, ich bins satt!
Hier, Milo, hier!
Setzt sich.
JASON.
Wir haben, was wir suchten! – Hier ist Licht!
MILO.
Ja, Lichts genug, um uns da zu beleuchten
Und zu entdecken und zu schlachten, wenns beliebt.
JASON.
Ei, Milo, Furcht?
MILO rasch aufstehend.
Furcht? – Lieber Freund, ich bitte,
Wäg deine Worte eh du sprichst!
Jason faßt entschuldigend seine Hand.
MILO.
Schon gut!
Wir laufen, nu, die Worte laufen mit!
Doch ernst. Was suchst du hier?
JASON.
Kannst du noch fragen?
Die Freunde, sie, die mir hierher gefolgt,
Ihr Heil vertrauend meines Glückes Stern
Und Jasons Sache machend zu der ihren,
Sie schmachten, kaum dem schwarzen Schiff entstiegen,
Hier ohne Nahrung, ohne Labetrunk
In dieser Küste unwirtbaren Klippen,
Kein Führer ist, der Wegeskunde gäbe,
Kein Landmann bietend seines Speichers Vorrat
Und von der Herde triftgenährter Zucht.
Soll ich die Hände legen da in Schoß
Und müßig zusehn, wie die Freunde schmachten?
Beim Himmel! Ihnen soll ein Führer werden
Und Trank und Speise, sollt ich auf sie wiegen
Mit meinem Blut!
MILO.
Das treue, wackre Herz!
O, daß du nicht des Freundes Rat gefolgt
Und weggeblieben bist von dieser Küste![828]
JASON.
Warum denn auch? Was sollt ich wohl daheim?
Der Vater tot, mein Oheim auf dem Thron,
Scheelsüchtig mich, den künftgen Feind, betrachtend.
Mich litt es länger nicht, ich mußte fort.
Hätt er nicht selbst, der Falsche, mir geboten
Hierher zu ziehn in dieses Inselland,
Das goldne Götterkleinod abzuholen,
Von dem man spricht, soweit die Erde reicht
Und das dem Göttersohne Phryxus einst,
Ihn selber tötend, raubten die Barbaren,
Ich wäre selbst gegangen, freien Willens,
Dem ekelhaften Treiben zu entfliehn.
Ruhmvoller Tod für ruhmenblößtes Leben,
Mags tadeln wer da will, mich lockt der Tausch!
Daß dich, o Freund, ich mitzog und die andern,
Das ist wohl schlimm, allein ihr wolltets so!
MILO.
Ja freilich wollt ich so und will noch immer,
Denn sieh, ich glaub, du hast mirs angetan,
So lieb ich dich und all dein Tun und Treiben.
JASON.
Mein guter Milo!
MILO.
Nein! 's ist unrecht, sag ich,
Ich sollt der Klügre sein, ich bin der Ältre.
Hättst du mich hingeführt, wohin auch immer,
Nur nicht in dieses gottverlaßne Land.
Kommt irgend je ein Mann in Fährlichkeit,
Nu Schwert heraus und Mut voran. Doch hier,
In dieses Landes feuchter Nebelluft,
Legt Rost sich, wie ans Schwert, so an den Mut.
Hört man in einem fort die Wellen brausen,
Die Fichten rauschen und die Winde tosen,
Sieht kaum die Sonne durch der dichten Nebel
Und rauhen Wipfel schaurigen Versteck,
Kein Mensch rings, keine Hütte, keine Spur,
Da wird das Herz so weit, so hohl, so nüchtern,
Und man erschrickt wohl endlich vor sich selbst.
Ich, der als Knabe voll Verwundrung horchte,
Wenn man erzählte, 's gäb ein Ding,[829]
Die Furcht genannt, hier seh ich fast Gespenster,
Und jeder dürre Stamm scheint mir ein Riese
Und jedes Licht ein Feuermann. 's ist seltsam.
Was unbedenklich sonst, erscheint hier schreckhaft,
Und was sonst greulich wieder hier gemein.
Nur kürzlich sah ich einen Bär im Walde,
So groß vielleicht, als keinen ich gesehn,
Und doch kams fast mir vor, ich sollt ihn streicheln,
Wie einen Schoßhund streicheln mit der Hand,
So klein, so unbedeutend schien das Tier
Im Abstich seiner schaurigen Umgebung.
Du hörst nicht?
JASON der indes den Turm betrachtet hat.
Ja, ich will hinein!
MILO.
Wohin?
JASON.
Dort in den Turm!
MILO.
Mensch, bist du rasend?
Ihn anfassend.
Höre!
JASON sich losmachend und das Schwert ziehend.
Ich will, wer hält mich? Hier mein Schwert! Es schützt mich
Vor Feinden wie vor überlästgen Freunden.
Die erste Spur von Menschen find ich hier,
Ich will hinein. Mit vorgehaltnem Eisen
Zwing einen ich von des Gebäuds Bewohnern,
Zu folgen mir, zu führen unsre Schar
Auf sichern Pfad aus dieses Waldes Umfang,
Wo Hunger sie und Feindeshinterhalt
Weit sichrer trifft, als mich hier die Gefahr.
Sprich nicht! Ich bin entschlossen. Geh zurück,
Ermutige die Schar. Bald bring ich Rettung!
MILO.
Bedenk.
JASON.
Es ist bedacht! Wer kann hier weilen
Im kleinen Hause, wüst und abgeschieden?
Ein Haushalt von Barbaren, und was mehr?
Ich denk, du kennst mich! Hier ist nicht Gefahr
Als im Verweilen. – Keine Worte weiter.
MILO.
Doch wie gelangst du hin?[830]
JASON.
Siehst du, dort drüben
Gähnt weit ein Spalt im alternden Gemäuer.
Das Meer leiht seinen Rücken bis dahin,
Und leicht erreich ichs schwimmend.
MILO.
Höre doch!
JASON.
Leb wohl!
MILO.
Laß mich statt dir!
JASON.
Auf Wiedersehn!
Springt von einer Klippe ins Meer.
MILO.
Er wagt es doch! – Dort schwimmt er! – Tut es doch.
Und läßt mich schmälen hier nach Herzenslust!
Ein wackres Herz, doch jung, gewaltig jung!
Hier will ich stehn und seiner Rückkehr harren:
Und gehts auch schief, wir hauen uns heraus.
Er lehnt sich an einen Baum.
Ein dusteres Gewölbe im Innern des Turms. Links im Hintergrunde die Bildsäule eines Gottes auf hohem Fußgestell im Vorgrunde rechts eine Felsenbank.
Jungfrauen mit Fackeln bringen einen kleinen Altar und Opfergefäße und stellen alles ordnend umher.
EINE JUNGFRAU tritt ein und spricht an der Türe.
Genug! Es naht Medea! Stört sie nicht!
Alle ab mit den Lichtern.
Jason tritt durch einen Seiteneingang links auf mit bloßem Schwerte.
JASON.
Ein finsteres Gewölb. – Ich bin im Innern!
Mehr Menschen faßt das Haus, scheints, als ich glaubte.
Doch immerhin! wird nur mein Ziel erreicht.
Behutsam späh ich, bis ein einzelner
Mir aufstößt, dann das Schwert ihm auf die Brust
Und mit mir soll er, will er nicht den Tod.
Er späht mit vorgehaltenem Schwerte umher.
Ist da kein Ausgang? – Halt! – Ein Block von Stein.
Das Fußgestell wohl eines Götterbildes.
Ehrt man hier Götter und verhöhnt das Recht?
Doch horch! – ein Fußtritt! – Bleiche Helle gleitet
Fortschreitend an des Ganges engen Bogen.
Man kommt! – Wohin –? – Verbirg mich, dunkler Gott!
Er versteckt sich hinter die Bildsäule.
[831]
MEDEA kommt, einen schwarzen Stab in der Rechten, eine Lampe in der Linken.
Es ist so schwül hier, so dumpf!
Feuchter Qualm drückt die Flamme der Lampe,
Sie brennt, ohne zu leuchten.
Sie setzt die Lampe hin.
– Horch! – Es ist mein eignes Herz,
Das gegen die Brust pocht mit starken Schlägen! –
Wie schwach, wie töricht! – Auf, Medea!
Es gilt des Vaters Sache, der Götter!
Sollen die Fremden siegen, Kolchis untergehn?
Nimmermehr! Nimmermehr!
Ans Werk denn!
Seid mir gewärtig, Götter, höret mich,
Und gebt Antwort meiner Frage!
Mit dem Stabe Zeichen in die Luft machend.
Die ihr einhergeht im Gewande der Nacht
Und auf des Sturmes Fittigen wandelt,
Furchtbare Fürsten der Tiefe,
Denen der Entschloß gefällt
Und die beflügelte Tat,
Die ihr bei Leichen weilt
Und euch labt am Blut der Erschlagnen,
Die ihr das Herz kennt und lenkt den Willen,
Die ihr zählt die Halme der Gegenwart,
Sorglich bewahrt des Vergangenen Ähren
Und durchblickt der Zukunft sprossende Saat,
Euch ruf ich an!
Gebt mir Kunde, sichere Kunde
Von dem, was uns droht, von dem, was uns lacht!
Bei der Macht, die mir ward,
Bei dem Dienst, den ich tat,
Bei dem Wort, das ihr kennt,
Ruf ich euch,
Erscheinet, erscheint!
Pause.
Was ist das? – Alles schweigt!
Sie zeigen sich nicht,
Zürnt ihr mir, oder betrat ein Fuß,[832]
Eines Frevlers Fuß
Die heilige Stätte?
Angst befällt mich, Schauer faßt mich!
Mit steigender Stimme.
Allgewaltige! Lauscht meinem Rufen,
Hört Medeens Stimme!
Eure Freundin ists, die ruft.
Ich fleh, ich verlang es,
Erscheinet, erscheint!
Jason springt hinter der Bildsäule hervor.
MEDEA zurückfahrend.
Ha!
JASON.
Verfluchte Zauberin, du bist am Ende,
Erschienen ist, der dich vernichten wird.
Indem er mit vor vorgehaltenem Schwert hervorspringt, verwundet er Medeen am Arme.
MEDEA den verwundeten rechten Arm mit der linken Hand fassend.
Weh mir!
Stürzt auf den Felsensitz hin, wo sie schwer atmend leise ächzt.
JASON.
Du fliehst? Mein Arm wird dich ereilen!
Im Dunkeln herumblickend.
Wo ist sie hin!
Er nimmt die Lampe und leuchtet vor sich hin.
Dort – Du entgehst mir nicht!
Hinzutretend.
Verruchte!
MEDEA stöhnend.
Ah!
JASON.
Stöhnst du? Ja, zittre nur!
Mein Schwert soll deine dunkeln Netze lösen!
Sie mit der Lampe beleuchtend.
Doch seh ich recht? Bist du die Zauberin,
Die dort erst heischre Flüche murmelte?
Ein weiblich Wesen liegt zu meinen Füßen,
Verteidigt durch der Anmut Freiheitsbrief,
Nichts zauberhaft an ihr, als ihre Schönheit.
Bist dus? – Doch ja! Der weiße Arm, er blutet,
Verletzt von meinem mitleidslosen Schwert!
Was hast du angerichtet? Weißt du wohl,[833]
Ich hätt dich töten können, holdes Bild,
Beim ersten Anfall in der dunkeln Nacht?
Und schade wärs, fürwahr, um so viel Reiz!
Wer bist du, doppeldeutiges Geschöpf?
Scheinst du so schön und bist so arg, zugleich
So liebenswürdig und so hassenswert,
Was konnte dich bewegen, diesen Mund,
Der, eine Rose, wie die Rose auch
Nur hauchen sollte süßer Worte Duft,
Mit schwarzer Sprüche Greuel zu entweihn?
Als die Natur dich dachte, schrieb sie: Milde
Mit holden Lettern auf das erste Blatt,
Wer malte Zauberformeln auf die andern?
O geh! ich hasse deine Schönheit, weil sie
Mich hindert, deine Tücke recht zu hassen!
Du atmest schwer. Schmerzt dich dein Arm? Ja, siehst du,
Das sind die Früchte deines argen Treibens!
Es blutet! Laß doch sehn!
Nimmt ihre Hand.
Du zitterst, Mädchen,
Die Pulse klopfen, jede Fiber zuckt.
Vielleicht bist du so arg nicht, als du scheinst,
Nur angesteckt von dieses Landes Wildheit,
Und Reue wohnt in dir und fromme Scheu.
Heb auf das Aug und blicke mir ins Antlitz,
Daß ich die dunkeln Rätsel deines Handelns
Erläutert seh in deinem klaren Blick. –
Du schweigst! – O wärst du stumm, und jene Laute,
Die mir ertönten, fluchenswerten Inhalts,
Gesprochen hätte sie ein andrer Mund,
Der minder lieblich, Mädchen, als der deine.
Du seufzest! – Sprich! – Laß deine Worte tönen;
Vertrau den Lüften sie, als Boten, an,
Sonst holt mein Mund sie ab von deinen Lippen.
Er beugt sich gegen sie man hört Waffengeklirr und Stimmen in der Ferne.
Horch! – Stimmen!
Er läßt sie los.
[834]
Näher!
Medea steht auf.
Deine Freunde kommen,
Und ich muß fort. Des freuest du dich wohl?
Allein ich seh dich wieder, glaube mir!
Ich muß dich sprechen hören, gütig sprechen,
Und kostet' es mein Leben! – Doch man naht.
Glaub nicht, daß ich Gefahr und Waffen scheue,
Doch auch ein Tapfrer weicht der Überzahl,
Und meiner harren Freunde. – Leb denn wohl.
Er geht dem Seiteneingange zu, durch den er gekommen ist. Aus diesem, sowie aus dem Haupteingange, stürzen Bewaffnete herein, mit ihnen Absyrtus.
ABSYRTUS.
Zurück!
JASON.
So gilts zu fechten! – Gebet Raum!
ABSYRTUS.
Dein Schwert!
JASON.
Dir in die Brust, nicht in die Hand!
ABSYRTUS.
Fangt ihn!
JASON sich in Stellung werfend.
Dir in die Brust, nicht in die Hand!
Kommt an! Ihr alle schreckt mich nicht!
ABSYRTUS.
Laß uns versuchen denn!
Stürzt auf Jason los.
Medea macht eine abhaltende Bewegung gegen ihn.
ABSYRTUS zurücktretend.
Was hältst du mich, Schwester?
JASON.
Du sorgst um mich? Hab Dank, du holdes Wesen,
Nicht für die Hilfe, ich bedarf sie nicht,
Für diese Sorge Dank. Lebwohl, o Mädchen,
Sie bei der Hand fassend und rasch küssend.
Und dieser Kuß sei dir ein sichres Pfand,
Daß wir uns wiedersehn! – Gebt Raum!
Er schlägt sich durch.
ABSYRTUS.
Auf ihn!
Jason durch die Seitentüre fechtend ab.
ABSYRTUS.
Ihm nach. Er soll uns nicht entrinnen!
Eilt Jason nach mit den Bewaffneten.
MEDEA die unbeweglich mit gesenktem Haupt gestanden, hebt jetzt Kopf und Augen empor.
Götter!
Ihre Jungfrauen stehen um sie.
Der Vorhang fällt.
[835]
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Nach zwanzig Jahren Krieg mit Sparta treten die Athenerinnen unter Frührung Lysistrates in den sexuellen Generalstreik, um ihre kriegswütigen Männer endlich zur Räson bringen. Als Lampito die Damen von Sparta zu ebensolcher Verweigerung bringen kann, geht der Plan schließlich auf.
58 Seiten, 4.80 Euro
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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro