Der erste eingang.


[71] Leo. Papias. Reyen der spielleute und sänger.


LEO.

Er ist versichert?

PAPIAS.

Ja.

LEO.[71]

Verhütet?

PAPIAS.

starck.

LEO.

Wer giebt

Acht auf die wach?

PAPIAS.

Ich selbst.

LEO.

Last keinen, der ihn liebt,

Eindringen auf die burg! Ihn auch heiß feste schließen

Mit ketten an den arm, mit sprengen an den füßen!

PAPIAS.

Mein fürst, es ist verricht.

LEO.

Wo sind die schlüssel?

PAPIAS.

Hier.

LEO.

Entweiche! Ruffe du die sänger vor die thür!

Wir wünschen uns allein. O kummer-reiches leben!

Wer wird mit hütern mehr, wir oder er umgeben?

Er bebt vor seiner noth, wir selbst vor unserm schwerdt.

Ist dieses scepter gold wohl solcher sorgen werth?

Wie drückt diß leichte kleid! O selig, wer die jahre

Den kurtzen zeiten rest biss auf die grauen haare

Weit von der burg verzehrt, Der nur die wälder kennt,

In welchen er ernährt, der keine diener nennt,

Nicht in dem purpur gläntzt, er mag ja sicher gehen,

Wenn und wohin er will. Die uns zu dienste stehen,

Stehn offt nach unserm leib. Ihn wirfft die sanffte nacht

Auf ein geringes stroh, biss Titan ist erwacht;

Wir irren ohne ruh. Wenn wir den leib ausstrecken,

Verkehrt das küssen sich in allzeit frische hecken.[72]

So bleibt ein grüner strauch von blitzen unverletzt,

Wenn der erhitzte grimm in hohe cedern setzt

Und äst und stamm zuschlägt, wenn sich die wind erheben

Und zeichen ihrer kräfft an langen eichen geben.

Der himmel, der uns nichts ohn etwas wehmuth schenckt,

Hat mit stets neuer furcht den stoltzen thron umschrenckt.

Mit eisen wird ein knecht, mit gold ein fürst gebunden.

Der kriegsmann fühlt das schwerdt, uns giebt der argwohn wunden,

Die kaum zu heilen sind. Wir schweben auf der see;

Doch wenn die grimme fluth den kahn bald in die höh,

Bald in den abgrund reißt und in den hafen rücket,

Wird an der rauhen klipp ein großes schiff zustücket.


Violen.

Unter währendem seitenspiel und gesang entschläfft Leo auf dem stuhle sitzend.


Die reihen.


1. Die stille lust der angenehmen nacht,

Der ruhe zeit, die alles schwartz anstreicht,

Krönt nun ihr haupt mit schimmernd-lichter pracht.

Der bleiche mond, der sonnen bild entweicht.

2. Die erd erstarrt. Der faule Morpheus leert

Sein feuchtes horn auf tausend glieder aus

Und deckt mit schlaff, was schmertz und tag beschwert.

Der träume schaar schleicht ein in hütt und hauß.

3. Die kleine welt, das große Bizantz liegt

In stoltzer ruh, indem seyn käyser wacht.

Der große fürst, der für uns kriegt und siegt

Und gantz zubricht der harten Persen macht,

4. Er wacht für uns; dass Pontus stiller fleust,

Dass Nilus dient, dass Ister dich verehrt,

Und dass der Bospher nicht das land begeust,

Entsteht, weil ihn nicht einer schnarchen hört.

5. Er wacht für uns, und der wacht über ihn,[73]

Der fürsten stühl auf steiffen demant setzt,

Der fürsten täg' heist aus metallen ziehn

Und ihren feind mit schnellem blitz verletzt.

6. Gott hält ob den, die er selbst götter nennt.

Ob schon der riesen freche schaar erhitzt

Und sich vor wahn und rasen nicht mehr kennt

Und berg auf berg und felß auf klippen stützt.

7. Ob Atlass gleich schon auf dem Hömus stünd,

Und Athos reicht an das besternte schloss,

Ob man die thür auch in den himmel fünd,

Wenn Rhetus noch so starck und noch so groß,

8. So bleibt es doch, so bleibts umsonst gewagt,

Was sie gewünscht. Auf einen schlag verschwind

Das lange werck. Wer Gott zum streit austagt,

Wird asch und staub und dunst und rauch und wind.


Violen.

Unter währendem spiel der geigen erschallet von ferne eine trauertrompete, welche immer heller und heller vernommen wird, biss Tarasius erscheinet, um welchen auf bloßer erden etliche lichter sonder leuchter vorkommen, die nachmahls zugleich mit ihm verschwinden.


Quelle:
Andreas Gryphius: Werke in drei Bänden mit Ergänzungsband. Band 2, Darmstadt 1961, S. 71-74.
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