[43] Esther Acosta. Ruben. Joel. Uriel. Esther ist blind und wird von Uriels beiden Brüdern geführt.
RUBEN.
Hier ruht Euch! Mutter!
Führt sie zum Sessel.
ESTHER.
Ob sie kommen wird?
JOEL.
Ich ließ ihr unsern Namen noch verschweigen.
ESTHER.
Daß ich sie sehen könnte –!
URIEL läßt sich ihr zu Füßen nieder.
Mutter!
ESTHER.
Du?
Du bist es – Uriel – die Hand ist dein –
URIEL.
Kannst du den Fluchbeladnen noch erkennen?
ESTHER.
Noch ist's dein Haar – dein Bart – und deine Wange
Und Tränen auf der Wange? Ja, du bist's –
Der Fluch hat nichts an dir verändern können.
RUBEN trübe.
Wir sind um Judith hergekommen, Bruder!
Die Mutter möcht' ein Wesen, das dich liebt
Und ihre Liebe auch so kühn bekannte,
Sie möchte – ihre Tochter –
URIEL aufstehend.
Sehen? Ruben,
O sage sehen! Sähst du sie mit Augen!
ESTHER.
Schön soll sie sein, mein Sohn, doch schöner noch
Als ihre Reize, die verwelken werden,
Dünkt mir die Liebe, die sie dir geweiht –
Im Unglück hat sie sich für dich bekannt –[43]
URIEL.
Ihr seid gemeldet? Längst schon wollte sie
Zu meiner Mutter – ich hab' sie verhindert!
Das Glück, sie mein zu nennen, wird uns nie.
ESTHER.
Ich wußt' es wohl.
URIEL.
Wie wußtest du's?
JOEL.
Die Mutter
Will sagen, daß der Bann euch trennen muß.
Vom Widerrufe hat noch nichts verlautet.
RUBEN.
Auch deshalb sind wir hergekommen, Bruder,
Weil wir von Amsterdam mit unsrer Mutter
Uns nach dem Haag begeben wollten, künftig
In einem fremden Aufenthalt zu wohnen.
URIEL.
Ihr nach dem Haag? Mit unsrer blinden Mutter?
ESTHER.
Was tut das mir? Ich denk' im Haag, ich bin
In Amsterdam! Hab' ich doch hier so oft
Mich an den Tajo wieder heimgeträumt.
URIEL.
Und warum diese Mühsal? Warum reisen?
JOEL.
Vergebung – teurer Bruder –
ESTHER.
Sagt es nicht!
RUBEN.
Der Handel, den vom Vater wir geerbt,
War rasch emporgeblüht –
URIEL.
Du selbst Sensal
Und Zwischenhändler an der Börse!
RUBEN.
Jetzt –
URIEL.
Man ist euch feind – um mich?
JOEL.
Es zeigt sich so.
Weil man es fühlt, daß dich und deinen Geist
Der Bannfluch wenig drücken wird und hindern,
So läßt die Feindschaft nicht, doch irgendwo
Die Wirkung ihres Sieges zu verspüren –
Da trifft es uns!
ESTHER.
Nicht mich, mein Sohn – nicht mich!
RUBEN.
Im alten Wirken sind wir wie gelähmt,
Man weicht uns aus, man steht uns keine Rede,
Ein jeder fürchtet sich uns nur zu grüßen;
Von Handel, von Geschäften kann dabei
Nicht ferner Gutes zu erwarten stehn,
Und so sind wir entschlossen auszuwandern.
URIEL für sich.
O Ahasveros!
ESTHER.
Gerne will ich wandern
Und ging es, wie vor Jahren, übers Meer.
Was aber hilft es! Uriel, du kannst,
Wo Juden wohnen, keine Freistatt finden.[44]
Und wenn ich sterbe, immer hab' ich doch
Gedacht, wenn die, die sehen können, sterben,
So bricht ihr Auge – meines, hofft' ich, würde
Dann einmal noch in alter Helle glänzen,
Noch meine Kinder sehn – dich aber werd' ich
Mit sehndem Aug' im Tod vergebens suchen
Uriel wendet sich gerührt ab.
Manasses schönes Kind bleibt lange aus.
JOEL.
Es gehen Türen –
RUBEN.
Horcht, ein rauschend Kleid.
Ausgewählte Ausgaben von
Uriel Acosta
|
Buchempfehlung
In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.
82 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro