[66] Manasse, Silva und ein Teil der Gäste kehren zurück. Zuletzt Jochai, Santos und der andere Teil. Die Vorigen.
MANASSE.
Wo bleibt mein Kind?
SILVA.
Acosta hier?[66]
URIEL.
Betrachtet,
De Silva, Eure Nichte.
MANASSE.
Kind, was ist dir?
Wie find' ich dich? Ja, was geschah? Du fühlst dich –
JUDITH.
Leicht, leicht, mein Vater!
MANASSE.
Fühlt sie an,
Gerechter Gott, was ist das? Herr des Himmels!
So kalt?
SILVA.
Wie Euer Marmor –! O Manasse,
Du armer reicher Mann, dein Kind –
MANASSE.
Sie stirbt!
URIEL für sich.
Es ist das Gift aus meinen welken Blumen!
Jochai und Santos treten mit den andern Gästen sorglos auf.
JOCHAI.
So kommt zum Mahl! Beginnen wir das Fest!
Wo weilt ihr, werte Gäste? Judith – Ha!
URIEL.
Sieh hin, Jochai! Stolzer Freier, du,
Der gegen Wechsel Herzen eingetauscht
Und am Verfalltag doch betrogen ward!
Komm, komm und schände mich mit deinem Fuß
Zum zweiten Male hier vor diesem Altar!
Zu Judiths Füßen.
JOCHAI vernichtet, für sich.
Vermählt – mit einer Leiche!
MANASSE.
Rettung, Silva!
SILVA.
Es ist zu spät! Hier scheitert meine Kunst.
JUDITH.
Siehst du, Acosta! Hast du – glauben können,
Daß diese – Seele, die du zart gebildet,
Nicht wüßte, was sie schuldig war – der Liebe?
Mein Vater ist gerettet – doch nur so!
Sie nimmt den Myrtenkranz sich ab.
O, eine andre Welt hab' ich geträumt
Und süßre Hoffnungen von diesem Leben;
Ein kurzer Frühling nur hat sich erfüllt,
Ein wenig Blumenduft – doch der war schön,
An Wonne überreich, daß er im Sterben
Noch selig übertäubt –! Leb' wohl, mein Vater,
Vergib das Opfer einer höhern Liebe!
Sie reicht Acosta den Kranz.
Nimm hin, du Einz'ger, dieser Kranz ist dein.
Sie lehnt sich und stirbt.
URIEL preßt den Kranz weinend an seine Lippen, legt ihn dann in Judiths Hand und steht auf.
Manasse! Säulen liebt Ihr, Sarkophage,
Und leid'gen Trost gibt Euch des Künstlers Hand.
Wenn Ihr dem teuern Kinde dort vielleicht
An jenen Trauerweiden bettet, laßt mich –[67]
Ich bitte – in der Nähe ruhen! Nirgend
Find' ich ein Grab, bei Christen nicht, nicht Juden!
Ich bin von denen, die am Wege sterben.
Einst, hoff' ich doch, sieht man sich wohl so einen
Verlornen Denkstein an und sagt: Da ruht
Die Asche eines armen müden Pilgers,
Der ins gelobte Land der Wahrheit zog.
Er sah sie nicht. Doch eine Wolke legte
Sich rosenrot vor ein ersterbend Auge –
Es war die Liebe.
Zeigt auf Judith.
Seht, was Liebe tat! –
Und nun lass' ich Euch diese Welt des Irrtums,
Der Zweifel und des Wahns und der Verfolgung!
Wälzt größre Steine noch auf Menschenherzen,
Die sich wie ich nach Gottes Antlitz sehnten
Und ohne Fürwort eines Priesters wagten,
Unmittelbar ins Auge ihm zu schauen –
Ich kann den meinen nicht mehr länger tragen.
In sonnenhelleren Jahrhunderten
Kommt auch die Zeit, wo man hebräisch nicht,
Nicht griechisch, nicht lateinisch, nein, in Zungen
Des Geistes und der Wahrheit sagen wird:
Noch gab die Welt nicht Raum für solche Bahnen,
Noch war die Luft zu schwül für solche Flammen.
Er mußte gehn, weil er nicht bleiben durfte!
Habt Ihr gesiegt, seht dort, da ist der Platz,
Das Banner des Triumphes aufzupflanzen!
Manasse, jene Trauerweiden mein' ich –
Mein Genius! Du folgst! Nicht Ihr – bleibt dort!
Von ferne will ich Euch die Stelle zeigen,
Wo Ihr den Sieg gewinnt und ich – den Frieden.
Er schreitet an den Staunenden, die ihm mit ihren Blicken folgen, vorüber. Wie er fort ist, fällt ein Schuß.
Allgemeine Bewegung.
SANTOS hervortretend nach der Seite, wo Uriel ging.
Der Glaube siegt, zwei Opfer sind gefallen.
SILVA hält ihn zurück, blickt abwechselnd nach außen und auf Judith, die von Manasse gehalten bleibt.
O stört die Schauer dieser Stunde nicht!
Zwei Zeugen eines Glaubens, der die Welt
Verachtet! Richtet nicht, denn wie wir hier
Erstarrt vor Schrecken stehn, die wahren Mörder
Des stummen Paars sind wir! O geht hinaus
Und predigt: Schonung, Duldung, Liebe!
Und was der wahre Glaube? Ach! Der Glanz[68]
Der alten Heiligtümer, seh' ich, schwindet.
Glaubt, was Ihr glaubt! Nur überzeugungsrein!
Nicht was wir meinen siegt, de Santos! Nein!
Er schlägt ans Herz.
Wie wir es meinen, das nur überwindet.
Die Gruppe bleibt.
Der Vorhang fällt.
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Uriel Acosta
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