Götter wandelten einst ...

[268] Götter wandelten einst bei Menschen, die herrlichen Musen

Und der Jüngling, Apoll, heilend, begeisternd wie du.

Und du bist mir, wie sie, als hätte der Seligen Einer

Mich ins Leben gesandt, geh ich, es wandelt das Bild

Meiner Heldin mit mir, wo ich duld und bilde, mit Liebe

Bis in den Tod, denn dies lernt ich und hab ich von ihr.


Laß uns leben, o du, mit der ich leide, mit der ich

Innig und glaubig und treu ringe nach schönerer Zeit.

Sind doch wirs! und wüßten sie noch in kommenden Jahren

Von uns beiden, wenn einst wieder der Genius gilt,

Sprächen sie: es schufen sich einst die Einsamen liebend

Nur von Göttern gekannt ihre geheimere Welt.

Denn die Sterbliches nur besorgt, es empfängt sie die Erde,

Aber näher zum Licht wandern, zum Aether hinauf

Sie, die inniger Liebe treu, und göttlichem Geiste

Hoffend und duldend und still über das Schicksal gesiegt.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Stuttgart 1946, S. 268-269.
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