Laura

[93] Bald wird des Grabes Ruhe mich decken, bald

Umschweb ich Lauren, Ahnungen sagens mir,

Die Sterbeglocke schalt mirs, nächtlich

Hör ich ihr Schallen, und Engel rufen:


Du sollst getröstet werden, du Weinender,

Um Lauren schweben, bis sie das Paradies

Mit dir bewohnet. – Todesstunde,

Flügle die Schritte, du Menschenfreundin,


Du Bothin Gottes! Wonne mir, Wonne mir,

Ich ströme, kommst du, kniend, wo Laura kniet,

Anbetung über sie, und Andacht,

Wann sie vom Kelche des Bundes trinket.


Und süßre Schauer, Schauer der Seraphim

Am Throne Gottes, tönet sie Preißgesang,

Vom Mayenfrühroth angelächelt,

Aus dem begeisterten vollen Herzen.


Ich folg', im Mondenschimmer, der Denkerin

Durch deine Kühlung, duftende Frühlingsnacht,

Und decke, wann ihr Auge sinket,

Sie mit verbreitetem Flügel; wehe


Den Morgenschlummer, wehe den frommen Traum

Von ihrer Stirn, und führe die Wachende

Zum Garten, sich der Mayenblüthen,

Sich des Gezwitschers umher, zu freuen.


Sie dankt mir, o Gedanke voll Seeligkeit!

Dereinst die hohen Christengefühle, dankt

Mir einst am Throne des Erlösers

Jede vergoßene Christenthräne.
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Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 93-94.
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