Maylied

[122] Grün wird Wies' und Au,

Und der Himmel blau;

Schwalben kehren wieder,

Und die Erstlingslieder

Kleiner Vögelein

Zwitschern durch den Hain!


Seit der Winter wich,

Freuet Liebe sich;

Lebt und webt im Grünen,

Seit der May erschienen;

Malt die Blumen bunt,

Roth des Mädchens Mund.


Weht, wie Mädchenhauch,

Aus dem Blüthenstrauch,

Durch des Jünglings Seele;

Gießt, o Philomele,

Deine Zaubereyn

Durch den Abendhain!


Jeder Wipfel girrt!

Seht! der Tauber schwirrt

Um sein liebes Täubchen!

Wählt euch auch ein Weibchen,

Wie der Tauber thut,

Und seyd wohlgemuth!
[122]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 122-123.
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