Beutelschneider.

[57] Beutelschneider oder Spitzbuben betriegen 1) Wenn sie überall in den vornehmsten Gasthöfen einkehren, und darinnen die Reisende mit Karten- und Würffel-Spielen dermassen anführen / daß sie sich als dergleichen Spiele wenig kundige anstellen, und die mit ihnen spielende übrige Gäste anfangs zwar etliche Spiele gewinnen lassen / zuletzt aber durch falsches Spielen / oder angelegte Karten ihnen den Beutel wacker fegen. 2) Wenn sie als Cavalliers bekleidet in einen Gasthoff kommen / unter dem Vorwand / daß sie sich an dem Ort eine Zeitlang aufhalten müsten, auch den Wirth / um sich bey demselben in desto bessern Credit zu setzen / einen oder zwey Monate mit dem besten Gelde voraus bezahlen / darauf aber, nachdem sie mit demselben familiair worden, über das lange Ausbleiben ihrer (doch nicht zu hoffenden) Wechsel klagen und, daß der Wirth ihnen interims weise mit einer Summa ausgeblichen Geldes gegen Verpfändung ihrer bey sich habenden Sachen, aushelffen möge / ansuchen / nach Empfang des Gelds aber ihre Sachen heimlich aus dem Hause practiciren, und davon gehen. 3) Wenn von ihnen einer nach dem andern wohl bekleidet mit Laquaien in enge und finstere Handels-Gewölber kommt / und sie sich anstellen / als wolten sie etwas kauffen, auch die Waaren beschauen und einander zulangen, der letzte aber / so forn an der Thür stehet, solche dem Diener unvermerckt zu partiret / daß[57] dieser sie ohne Bezahlung davon tragen muß. 4) Wenn sie sich sonderlich bey Meß-Zeiten in Träger verkleiden / und da sie eine gute Beute auf der Trage vermercken, solche durch eine Gasse in die andere vertragen / daß weder die Waare noch sie wiederum anzutreffen seyn. 5) Wenn sie bey Einhandlung einiger Waaren ihre Schnapp-Säcke unter den Kleidern verborgen haben, und darein alles / was sie nur denen Kauff- und Handels-Leuten heimlich entziehen können / stecken. 6) Wenn sie sich ums Geld dingen lassen, und denenjenigen / auf welche sie gedinget worden / entweder heimliche Schläge versetzen / oder selbige wol gar hinterlistiger Weise ums Leben bringen. 7) Wenn sie sich an Königlichen und Fürstlichen Höfen in eben der Livré, wie die Diener bekleidet, in die Gemächer begeben, und daraus, was sie nur von Kostbarkeiten antreffen und mitnehmen können, davon tragen. 8) Wenn sie Pacquete mit falschen güldenen Ketten und Ringen auf die Gasse werffen, und sobald selbige jemand aufhebet, hinten nachschreyen: halben Gewinst! darauf aber / da sie einen Geitzigen und Einfältigen antreffen, ihnen ihren halben Theil um ein schlechtes Geld wieder verhandeln. 9) Wenn sie die Leute, bey welchen sie Geld vermercken / ersuchen / ihnen doch die Uberschrifft auf denen Briefen / so sie vorzeigen / zu lesen, unter dem Lesen aber selbigen den Beutel mit dem Gelde entziehen und davon lauffen. 10) Wenn sie bey Messen / Jahrmärckten / und sonst grossen Gedränge des Volcks, den Leuten die silberne Uhren, Geld, seidene Schnuptücher, oder andere dergleichen Dinge, aus den Taschen heraus ziehen / oder auch / wie einst zu Leipzig geschehen / ihnen wol gar die[58] güldene und mit Diamanten besetzte Ringe an Fingern, zusammt den Fingern, mit einem Scheer-Messer abschneiden. 11) Wenn sie sich zu den reitend- oder fahrenden Passagiers machen, und daß diese sie ein wenig möchten aufsitzen lassen, höflich bitten / ihnen aber hernach an statt des Dancks die Näde an ihren Felleisen und Mantel-Säcken heimlich auftrennen / und, auf beschehene Visitirung derselben / sich von ihnen weg und aus dem Staube machen. 12) Wenn sie nach dem Vaterland, Nahmen und Geschlecht derer Passagiers, fleißig forschen / und bey ihnen hernach thun / als ob sie ihre Eltern und gantze Freundschafft gar wohl kenneten, damit sie dieselbe durch sothane verstellte Bekandtschafft desto treuhertziger machen und desto eher hinters Licht führen mögen. 13) Wenn sie sich des Tages über in grossen und vornehmen Häusern verstecken, des Nachts aber die Thüren eröffnen / und ihren vor dem Fenster stehenden Cameraden den Diebstahl durch die Fenster herab werffen, sich so dann wieder verstecken, biß des Morgens das Hauß aufgeschlossen wird. 14) Wenn sie sich vor Bediente grosser Herren / in deren Livré sie sich kleiden, ausgeben und auf dieselben hin und wieder borgen. 15) Wenn sie sich in solche Kästen einsperren lassen /welche sie inwendig eröffnen können und ihre Cameraden die Wirthe bitten müssen, daß sie solche ja wohl verwahren wollen da es dann geschiehet / daß /da nun die Wirthe die Kästen an den Ort / wo sie ihre beste Mobilien haben, verwahrlich beysetzen / die eingeschlossene Diebe heraus steigen, und nachdem sie sich wohl besacket und ihren Tuck ersehen / mit der gemachten Beute, ohn die Kästen wieder abzuholen, davon gehen.[59] 16) Wenn sie in Comœdien- und Opern-Häuser gehen, darinnen sich neben oder hinter Personen die silberne Knöpfe an ihrer Kleidung tragen, und ihnen solche unvermerckt abschneiden / wie davon ein gar lächerliches Exempel von einem Beutelschneider, der dergleichen practicirend, darüber sein Ohr verlohren, in Buissons Französischer Grammaire erzehlet wird.


Mittel: 1) Daß die Obrigkeit auf solcherley Leute ein scharffes und wachsames Auge habe. 2) Denen Gastgebern fremde verdächtige Personen / ohne es vorher der Obrigkeit jedes Ortes anzuzeigen / zu beherbergen nicht verstatte. 3) Unter den Thoren der Städte die ankommende Passagiers, zumahl etwas verdächtige / scharff exa miniren und ausfragen lasse. 4) Auf die Entdeckung dergleichen diebischen Gesindes ein nahmhafftes Stück Geld setze.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 57-60.
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