Cammer-Räthe.

[98] Cammer-Räthe betriegen 1) Wenn sie diejenigen, welchen man Geld schuldig / mit der Entschuldigung, es sey kein Geld oder Einnahme vorhanden / abweisen / da sie doch wol andern / welche gleich hernach sich um Zahlung anmelden, solche ohngesäumt thun lassen. 2) Wenn sie denen Leuten statt baaren Geldes Anweisung geben an solche Orte / wo sie wissen /daß daselbst kein Geld zu erheben / oder doch sehr mühe- und langsam damit hergehe. 3) Wenn sie dergleichen Assignationes an solche Einnehmere oder Beamten stellen / mit denen sie es abgeleget / daß sie solche Anweisung nicht respectiren, oder sich entschuldigen sollen / daß sie erstlichen so viele vorhergehende angewiesene Posten bezahlen müsten, und die Glaubigere also damit über Jahr und Tage aufhalten. 4) Wenn sie denen, so etwas zu fodern, Frucht, Holtz, oder andere Materialia auf Abschlag reichen lassen / nur damit sie, wenn ein solcher wieder kommt und seinen Uber-Rest fodert, sich gegen ihn entschuldigen können, man müste vorhero sich erkundigen, was er aus diesem oder jenem Amt auf Abschlag seiner Prætension erhalten, und so dann darauf gerechnet werden / da immittelst es fein langsam damit zugehet / und der Verzug des ab- und zurechnens bald auf den Cammer-Schreiber / bald aber auf diesen oder jenen Unter-Beamten geschoben wird. 5) Wenn sie ihren Herren weiß machen / es wäre kein Geld zu dieser oder jener pressanten Ausgabe verhanden / sie wolten es aber einsweils gegen Interesse[98] selbst vorschiessen / oder auf ihren Credit aufnehmen / da sie doch wol sich sogleich hier oder da selbst wieder bezahlt machen. 6) Wenn sie denen Pachtern Herrschafftlicher Aemter oder Güter solche in einem geringen Pacht überlassen / daß diese davon ihre Küche mit Rindern / Schafen, Schweinen, Feder-Vieh, Butter, Eyer und dergleichen / entweder gar ohne / oder nur vor halb Geld versehen. 7) Wenn sie Presente von denen Italiänern, Juwelirern und Kauff-Leuten /welche bey Herrschafften oder Cammern zu fodern /nehmen, und ihnen so dann erst und nicht eher biß man ihnen ein Opffer gebracht / das schuldige Geld bezahlen lassen. 8) Wenn sie denenjenigen / welche 100. Rthl. richtig zu fodern / aber öffters mit denen gewöhnlichen Worten: Es sey kein Geld in der Cammer abgewiesen worden, 70. oder 80. Rthl. von ihren Propre-Mitteln davor zu zahlen / sich erbieten / wenn sie das übrige statt Zinsen oder Recompence schwinden lassen wollen, solche Zahlung auch darauf thun /und sich eine Quittung auf die gantze Summa derer 100. Rthl. dargegen geben lassen / hierauf aber die völlige Summa derer 100. Rthl. wol so gleich andern Tages dargegen aus der Rent-Cammer erheben. 9) Wenn sie wissen daß die Herrschafft zu einer pressanten Ausgabe Geldes benöthiget / sie persuadiren /daß sie zu Uberkommung der erforderten Summa ihnen oder ihren guten Freunden / mit denen sie es halten, diß oder jenes Guth / Zehend, Güld und dergleichen kaufflich, wiederkaufflich oder Pachtweiß überlassen. 10) Wenn sie mit denen Intraden durch allerhand Umschläge / Anweisungen, und Verkehrungen /[99] es also spielen / daß der Herr niemahls dahinder kommen kan / ob Geld in der Cammer / oder was davon bey dieser und jener Einnahme fällig / und er baar erheben könne. 11) Wenn sie bey Herrschafftlichen errichtenden Gebäuden das Werck selbst dirigiren, und die Materialien anschaffen / auch die Arbeits-Leute selbst bezahlen / überall aber ihren besondern Vortheil und Interesse dabey / zumahlen unter Vorgeben, als schössen sie immer dazu vieles von ihren Geldern oder Capitalien her / beobachten. 12) Wenn sie denen / welche Privilegia e.g. zu brauen /Wirthschafften / suchen, solche Sache anfangs schwer machen / nachgehends aber, wenn der Implorant mit einer gefülleten Hand kommt / ihm, was und wie er es verlangt es mag auch wol mit der Herrschafft und des Tertii Schaden seyn oder nicht / zuwegen bringen. 13) Wenn sie von denen Forst-Bedienten Hasen / Vögel und dergleichen / welche diese der Herrschafft entwenden / sich verehren lassen und annehmen. 14) Wenn sie diejenigen Dienste / welche sie zu bestellen, mit solchen Leuten, die ihnen spendirt / oder die sie sonsten künfftig bey ihren Diensten zu geniessen wissen / versehen / sie mögen dazu geschickt seyn oder nicht. 15) Wenn sie von denen Rechnungs-Beamten sich etwas zu gut thun lassen, und dargegen, wenn diese ihre Rechnungen nicht behörig ablegen / sondern es lange damit anstehen lassen, ihnen hierunter sowohl als mit Erlegung der Rechnungs-Resten nachsehen. 16) Wenn sie von denen Hof-Juden Pferde, Jubelen und anders was sie bedürffen / um halb Geld annehmen, hingegen ihnen, daß sie durch allerley[100] vortheilhafftigen Handel / mit denen Herrschafften oder ihrer Cammer es doppelt und mehrfach einbringen können, Gelegenheit machen.


Mittel: 1) Daß ein Landes-Herr seine Cammer selbst fleißig besuche / und wie darinnen hausgehalten werde /nachsehe. 2) Von denen Cameralibus fleißige Rechnung über Ausgab und Einnahm / und zwar dieses auch wohl jezuweilen unvermuthet / ehe sie noch sichs versehen / abfordere. 3) Gewissenhaffte / zumahl dem Geitz und Eigennutz am wenigsten ergebene Leuthe zu Cameral-Diensten bestelle / auch sonst gute Anstalten bey Abfassung einer Cammer-Ordnung, worzu des Herrn von Seckendorffs Fürsten-Staat gnugsamen Anlaß geben kan / mache / am allermeisten aber 4) selbst in seiner Jugend die Oeconomie studiere.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 98-101.
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