[164] Geistliche betriegen 1) Wenn sie sich durch allerhand Casus obliquos, per Genitivum, Dativum, Accusativum und Ablativum, ins Predigt-Amt einschleichen /und hernach bey der Anzugs-Predigt von ihrem rechtmäßigen Beruff der Gemeinde viel vorschwätzen. 2) Wenn sie nach solchen[164] Casibus insonderheit die Vocation aus der Schürtze herfür suchen, und, damit sie ein Dienstgen bekommen, entweder ein Cammer-Mägdgen / oder des verstorbenen Pfarrers Wittwe, oder auch des noch lebenden / dem sie sich wollen substituiren lassen / Tochter heyrathen. 3) Wenn sie in gleicher Absicht denen Consistorialibus oder anderen hohen Ministris, welche ihnen zu einer Pfarre behülfflich seyn können, die Hände versilbern, und es, wie jener, der auf Befragen, wer der Vater Melchisedechs gewesen? einen Beutel voll Ducaten vorzeigte, und damit den Pfarr-Dienst wegfischte, zu machen pflegen. 4) Wenn sie andere tüchtigere Subjecta, so mit ihnen zu einer vacanten Stelle in gleichem Vorschlag sind, fälschlicher Weise verkleinern / und, wo nicht ihrer Erudition, doch wenigstens ihrem Academischen Leben einen Schand-Flecken anhängen wollen. 5) Wenn sie gute Postillen-Reuter abgeben / und wohl gar / damit sie desto besser bestehen mögen, ihre Prob-Predigt aus Lehmanns Pentade Evangelica, oder andern dergleichen Tröstern, heraus nehmen. 6) Wenn sie es mit den Herren Consistorialibus beym Examine rigoroso anlegen / daß sie dieselben nicht allzuscharff examiniren sollen / damit sie zum vorseyenden Dienst vor tüchtig erkannt werden mögen. 7) Wenn sie die auf Universitäten oder anderswo nachgeschriebene Predigten in Patria wieder hervor suchen / und / da solche wegen ihrer guten Ausarbeitung admiriret werden, vor ihre eigene Invention ausgeben. 8) Wenn sie das Straf-Amt nicht recht gebrauchen /und unter[165] dem Schein einer Theologischen Prudentz nur die Sünden des Pöbels rügen, / bey Vorstellung derer unter den Grossen im Schwang gehenden Laster aber den Fuchs-schwantz streichen. 9) Wenn sie aus fleischlichen Affecten gewisse ihnen verhaßte Personen / die etwa einen Fehltritt begangen / in ihren Predigten ehrenrührig anzapffen, und selbige, wo nicht mit Nahmen nennen / doch mit lebendigen Farben dergestalt abmahlen, daß jederman mit Fingern auf sie weisen kan, hernach aber diese Personalia mit dem Prætext des priesterlichen Eiffers beschönigen wollen. 10) Wenn sie bey Erklärung dunckler Schrifft-Stellen die verschiedene Meynungen der Gelehrten /welche sie noch auf Universitäten in den Collegiis Philologicis zusammen geschrieben / mit weitläufftiger Refutation derer etwa irrigen so auf der Cantzel vortragen / als ob es ihre Arbeit und Inventa, damit man sie vor gelehrte und belesene Leute ansehen möge. 11) Wenn sie durch allerhand Gesticulationes, bekannte Sprichwörter und Histörigen der Zuhörer Gunst desto mehrer zu gewinnen suchen. 12) Wenn sie ihre Leichen-Predigten auf der Verstorbenen Lob so einrichten, daß es mehr Lügen-Predigten, als Warheiten seyn / damit ihnen nur solche desto theurer recompensiret werden mögen. 13) Wenn sie / da sie predigen sollen / sich kranck anstellen / oder sonst unumgängliche Reisen und Verrichtungen vorschützen, und daher andere Studiosos Theologiæ unnöthiger weise vor sich predigen lassen / damit sie nur ihrer Commodité pflegen können. 14) Wenn sie die Buchläden unnöthiger weise mit Postillen[166] anfüllen, damit ihnen solcher gestalt ihre Predigten, die sie sonst umsonst thun müssen, bezahlet werden, auch wohl, damit solche desto ehender und besser abgehen mögen, wieder die Warheit voran setzen: Auf Verlangen vieler Personen heraus gegeben. 15) Wenn sie sonderlich ihre Predigten mit vielen Liedern ausschmücken, und fast keinen Periodum ohne Anführung einer Strophe aus den Liedern vorbey lassen, damit die Stunde desto eher vorbey oder, da sie gedruckt werden, die Materie desto mehr anlauffe. 16) Wenn sie eine Materie / wovon sie in der Predigt zu handeln versprochen, in verschiedene Partes theilen, sich aber hernach bey den erstern Theilen unnöthiger Weise und mit Fleiß allzu lang aufhalten, und endlich, da es an den letzten Theil kömmt / als worauf sie nicht einmahl sudieret / sich mit dem gemeinen Formulgen von Verfliessung der Zeit entschuldigen. 17) Wenn sie die Ihnen von Beicht-Kindern sub Sigillo Confessionis bekannte Special-Sünden / welche sie ohne Verletzung ihres Gewissens wol verschweigen könten und solten, unter die Leute aussprengen, und offt die Beicht-Kinder ins gröste Unglück stürtzen. 18) Wenn sie einander die Beicht-Kinder / unter allerhand schmeichlerischen Vorstellungen / abspannen und abwendig machen, die Schuld aber hernach auf die Beicht-Kinder schieben, vorgebende, daß diese freywillig zu ihnen die Confidence genommen. 19) Wenn sie ohne Vorbewust des Consistorii allerley zusammen gelauffenes Gesindel heimlich copuliren. 20) Wenn sie bey Besuchung der Krancken mehr[167] davon /daß sie der Patient im Testament bedencken soll / als von geistlichen und vor einen Sterbenden gehörigen Sachen discuriren / oder auch wol ruchlosen Sündern, um es mit ihnen nicht zu verderben, eher den Usum Paracleticum, als Epanorthoticum gebrauchen. 21) Wenn sie, da an einigen Orten gebräuchlich ist / daß die Land-Pfarrer auf die Hochzeiten und Kindtauffmahlen mit gehen / ihre Weiber und Kinder ungebetten dahin, als ob solches von ungefehr geschehe, nachfolgen lassen, damit sie so wol vor ihre Person /als durch die ihrige / das Aufgetragene mit geniessen /und wie man zu sagen pfleget, einen kalten Karn mit nach Hause nehmen können. 22) Wenn sie ihre Hochzeit-Predigten mehr auf Personalia, als reelle Erbauung einrichten, um dadurch sich bey denen Hochzeit-Interessenten desto mehr zu recommendiren. 23) Wenn sie auf den Cantzeln Controversias tractiren, um zu zeigen / daß sie solchen gewachsen / doch aber zu deren Widerlegung nicht capable gnug sind, folglich mit ihren unzulänglichen Argumentis in contrarium die Auditores nur mehr verwirren / und wohl verleiten / daß diese alsdann erst der irrigen Lehre recht beypflichten. 24) Wenn sie sich sine Spe Successionis einem und dem andern, dessen Söhne oder Eidamer sie sind, substituiren lassen, dennoch aber nach Absterben desselben die würckliche Successionem durch allerhand Intriguen wegfischen; 25) Wenn sie beym Beicht-Sitzen nach dem Quanto des Beicht-Pfennigs ihre Absolutiones abmessen, und bey den Reichen weitläufftige Formulas und Reden vorbringen / die Armen[168] aber / die es offt am nöthigsten hätten / mit einem kurtzen (Gehe hin) abi in pace abfertigen. 26) Wenn sie die Krancken bey deren Besuch zu einem diesen oder jenen, von welchen sie etwa dazu mit Geld bestochen oder suborniret worden, vortheilhafften Testament bereden. 27) Wenn sie, unter dem Prætext einer Pietät / allerhand gefährliche Principia oder Dogmata und Meynungen vorbringen, damit die Zuhörer den darunter verborgenen Gifft schädlicher Lehr unvermerckt einsaugen mögen.
Mittel: 1) Daß man auf Universitäten die Studiosos Theologiæ mehr ad Ministerium durch dazu dienliche Collegia præparire / als leider! auf den wenigsten nicht geschiehet. 2) Gute Seminaria, darinnen nach den Academischen Jahren ein gewisser Numerus derer Candidatorum Ministerii unterhalten / und mit mehrerer Praxi ad Pietatem & Prudentiam Theol. angewiesen werde / aufrichte. 3) Bey Beförderung zum Predigt-Amt mehr auf Pietatem, als Eruditionem sehe / und alle die krumme Wege / die gemeiniglich darbey vorgehen /gäntzlich abschaffe. 4) Die Kirchen-Visitationes durch einen besondern dazu bestellten General-Inspectorem, dergleichen zu des Höchstseel. Hertzogs Ernsts Zeiten im Gothaischen Fürstenthum gewesen / fleißiger anstelle.