|
[33] Rosalinde. Alfred. Frank. Amtsdiener.
FRANK öffnet die Tür, zum Amtsdiener. Bleibt nur noch vorläufig draußen! Tritt ein. Erschrecken Sie nicht, gnädige Frau, ich bin Gefängnisdirektor Frank und kann mir das Vergnügen nicht versagen, Ihren renitenten Herrn Gemahl persönlich in sein Stilleben zu geleiten.
ROSALINDE. Aber mein Gemahl ist ja ...
ALFRED singt.
Trinke, Liebchen, trinke schnell,
Trinken macht die Augen hell!
ROSALINDE spricht leise zu Alfred. So schweigen Sie doch, wir sind nicht allein!
ALFRED. Das geniert mich nicht!
Singt.
Kling, kling, sing, sing,
Trink mit mir, sing mit mir![33]
FRANK spricht. Mein Wagen wartet unten. Ich hoffe, Sie werden keinen Widerstand leisten ...
ALFRED singt.
Nein! – Glücklich ist, wer vergißt,
Was doch nicht zu ändern ist!
FRANK spricht. Hahaha! Ganz recht! Ich sehe, Sie fassen die Sache von der humoristischen Seite auf.
ALFRED bietet Frank ein Glas, singt.
Trink mit mir! Sing mit mir! Sing!
FRANK spricht. Meinetwegen, hahaha!
ALFRED, FRANK singen.
Glücklich ist, wer vergißt,
Was nicht mehr zu ändern ist!
FRANK.
Sie sehn, ich kann auch gemütlich sein,
Nun kommen Sie, mein Herr von Eisenstein!
ROSALINDE.
Was soll ich tun? O welche Pein!
ALFRED.
Ich bin nicht Herr von Eisenstein,
Bin nicht der, den Sie suchen!
FRANK. Sie sind es nicht?
ALFRED. Zum Wetter, nein!
FRANK. Nur Ruhe, nicht gleich fluchen!
ROSALINDE leise zu Alfred.
Sie müssen jetzt mein Gatte sein!
FRANK für sich. Sollt ich hier hintergangen sein?
Couplet
ROSALINDE.
Mein Herr, was dächten Sie von mir,
Säß' ich mit einem Fremden hier?
Das wär' doch sonderbar!
Mit solchen Zweifeln treten ja
Sie wahrlich meiner Ehr zu nah,
Beleid'gen mich fürwahr!
Spricht denn diese Situation
Hier nicht klar und deutlich schon?
Mit mir so spät im Tête-à-tête
Ganz traulich und allein,
In dem Kostüm, so ganz intim,
Kann nur allein der Gatte sein.
ALLE DREI.
Mit ihr (mir) so spät im Tête-à-tête
Ganz traulich und allein,
In dem Kostüm, so ganz intim,
Kann nur allein der Gatte sein.[34]
ROSALINDE.
Gleich einem Pascha fanden Sie
Ihn mir im Schlafrock vis-à-vis,
Die Mütze auf dem Haupt.
Daß man bei solchem Bilde noch
Ein wenig zweifeln könnte doch,
Das hätt' ich nie geglaubt.
Sehen Sie doch, wie er gähnt,
Wie er sich nach Ruhe sehnt!
Im Tête-à-tête mit mir so spät
Schlief er beinah schon ein.
So ennuyiert und so blasiert
Kann nur allein ein Ehmann sein!
ALLE DREI.
Im Tête-à-tête mit ihr (mir) so spät
Schlief er beinah schon ein.
So ennuyiert und so blasiert
Kann nur allein der Ehmann sein!
FRANK.
Nein, nein, ich zweifle gar nicht mehr,
Doch da ich fort nun muß,
So geben Sie, ich bitte sehr,
Sich schnell den Abschiedskuß.
ROSALINDE. Den Abschiedskuß?
ALFRED. Den Abschiedskuß!
FRANK. Den Abschiedskuß ...
ROSALINDE.
Nun denn, wenn es sein muß ...
Da haben Sie den Kuß!
ALFRED wahrend Frank sich abgewendet hat.
Soll ich schon brummen müssen
Für Ihren werten Herrn Gemahl,
Kann ich für ihn auch küssen –
Komm, Weibchen, küß mich noch einmal!
FRANK wendet sich.
Mein Herr, ich bin etwas pressiert,
Da heut ich selbst noch invitiert,
Drum lassen Sie uns gehn,
Ja, lassen endlich Sie uns gehn!
ROSALINDE leise zu Alfred.
Sie finden gewiß dort meinen Gemahl.
ALFRED.
Wir brummen vielleicht in demselben Lokal.
ROSALINDE.
Oh, schonen Sie mich!
ALFRED.
Ganz sicherlich![35]
FRANK nachdem er sich mit dem Amtsdiener verständigt.
Folgen Sie nun schnell, der Wagen ist zur Stell',
Drum fort, drum fort nur schnell!
Mein schönes, großes Vogelhaus,
Es ist ganz nahe hier.
Viel Vögel flattern ein und aus,
Bekommen Freiquartier.
Drum lad ich Sie ganz höflich ein,
Verehrtester, ich bitt,
Dort auch mein werter Gast zu sein,
Verehrtester, ich bitt,
Spazieren S' gefälligst mit!
ALFRED.
Wenn es sein muß, so will ich gehn.
ROSALINDE.
Doch schweigen Sie!
ALFRED.
Es soll geschehn!
FRANK.
Nur fort, schnell fort!
ALFRED.
Gleich will ich mich bequemen,
Doch erst noch Abschied nehmen!
ROSALINDE.
Genug, mein Herr, es ist schon gut!
ALFRED.
Ein Küßchen noch, dann hab ich Mut!
ROSALINDE.
Nein, nein, genug; wir müssen scheiden!
ALFRED.
Ein Küßchen gibt Trost mir im Leiden!
FRANK.
Mein Herr, genug der Zärtlichkeit,
Wir kommen nicht zu Ende heut,
Genug, es ist jetzt Zeit!
ALLE DREI.
Sein (Mein) schönes, großes Vogelhaus,
Es ist ganz nahe hier.
Viel Vögel flattern ein und aus,
Bekommen Freiquartier.
Er ladet Sie (Er ladet mich) ganz höflich ein,
(Drum lad ich Sie ganz höflich ein,)
Dort auch sein (mein) Gast zu sein!
ROSALINDE.
Drum bitt ich, fügen Sie sich drein,
Es muß ja leider sein!
Ach ja, leider muß es sein!
ALFRED.
Ich füge vorderhand mich drein,
Das wird das beste sein,
Das wird wohl vorderhand das allerbeste sein![36]
FRANK.
Ich bitte, fügen Sie sich drein,
Das wird das beste sein,
Es muß geschieden sein!
ROSALINDE.
Nun wohlan, das Schicksal will,
Daß heut allein ich soll soupieren.
Ja, ich füge willig mich darein.
Warum soll man noch vergeblich
Streiten hier und lamentieren?
Fort, nur fort, es muß, es muß ja sein!
ALFRED.
Ach, wie gern möcht ich mit Ihnen hier soupieren,
Aber wie ich sehe, soll's nicht sein.
Ach, das Schicksal will mich grausam schon von hinnen führen,
Fort denn, fort, es muß ja sein!
FRANK.
Kommen Sie, ich selbst will heute auch soupieren,
Fügen Sie sich endlich doch darein.
Lassen ohne Umständ' Sie sich arretieren,
Fort nur, fort, es muß ja sein!
Alfred entwischt mehrfach den Händen Franks und des Amtsdieners und umarmt Rosalinde. Schließlich wird er fortgeführt, während Rosalinde in seinen Sessel sinkt.
[37]
Nr. 6. Entreakt
Allegro fuoco G-Dur 2/4
Buchempfehlung
Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«
48 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro