Eilfter Auftritt

[125] Alcantor und der Vorige.


ALCANTOR. Was lärmest du so, Herr Bruder! was ist dir geschehen?

HASENKOPF. Herr Bruder sey mir willkommen! bist du noch gesund, hat dich kein Schlagfluß getroffen?

ALCANTOR. Mich hat nichts, dich aber der Paroxismus getroffen, und ich komme eben hieher, dir Glück zu wünschen, daß du endlich ein vollkommener Narr geworden bist, da du schon solange die würdigsten Verdienste zur Raserey besessen hast.

HASENKOPF. Wie so Bruder, was sind dieß für thörichte Reden?

ALCANTOR. Ey! meine Reden sind vortreflich gescheid; deine Aufführung aber ist täglich närrischer, heute schickest du zu mir, da ich dich gestern frisch und gesund verließ, und lassest mich fragen, ob mich nicht der Schlag berühret, weil die Klage heute Nacht geheulet hätte. Ich habe mich nicht wenig darüber zerlachet, aber wenn es sonst Jemand hörte, was würden die Leuthe von dir sagen? du sollst dich vor deinem eigenen Gesinde schämen; deine eingebildete und ungegründete Furcht, Herr Bruder! wird dich ehistens, wo nicht um das Leben, doch um deinen ganzen Verstand bringen.

HASENKOPF. Du bist ein wunderlicher Mann, ich habe dir dadurch nur meine Sorgfalt gegen dich wollen sehen lassen; die Klage hat doch heute Nacht einmal nicht umsonst geheult, denn wo es dich, Herr Bruder! auch nicht angehet, so wirst du hören, daß es entweder deinen Sohn, mich, meine Tochter, oder wen immer sonst aus der Nachbarschaft angegangen ist.

ALCANTOR. Du bist ein Narr in optima forma mit deinen Possereyen; wenn soll sie denn geheulet haben die fürchterliche Klage?

HASENKOPF. Heute Nacht von 12 bis 2 Uhr.

ALCANTOR. Und wo hat sie geheult?

HASENKOPF. Wo? auf der Gasse unweit von meinem oder deinem Hause.

ALCANTOR. Siehst du, daß du ein Narr bist! ich habe das Geheul heute Nacht so gut gehöret, wie du, was war es aber anderes, als der Hercules, meines Sohnes grosser Hund, der unversehens hinausgesperrt ward, und solange winselte, bis man ihn zur Hausthüre einließ.

HASENKOPF. Ey! seh doch! deines Herrn Sohnes Hund? / die Klage, die ich gehört hatte, winselte bis Glocke zwey Uhr.

ALCANTOR. Ja ja! ganz recht! eben als es zwey Uhr schlug, ward der Hund in das Haus gelassen. Siehst du Herr Bruder Matthies!

HASENKOPF. Ja? / beym Henker! ich werde wohl noch einen Hund von der Klage zu entscheiden wissen. / Leider wirst du in Kürze die betrübten Folgen dieser Todtenmusick erfahren; es ist doch ärgerlich, daß mir alle Leuthe widersprechen wollen, und daß sie mir Dinge auszureden suchen, die so richtig sind, als zweymal zwey vier ist.

ALCANTOR. Ich will mich mit dir nicht mehr abgeben, denn wir kämen in unnütze Weitläufigkeiten. / Fürchte du dich meinerwegen zu todte. Wer sich nicht rathen läßt, ist keiner Hülfe würdig. Ich habe dich Anfangs nicht wenig beklaget, dir auch ganze Stunden lang von deiner eingebildeten Furcht vorgeprediget. Da es aber gänzlichen fruchtlos ist, dir deine Phantasey zu benehmen, so fürchte dich, wie du willst; fürchte dich vor deinem eigenen Schatten, vor jedem Hunde, vor jeder Katze. Ich meines Theils fürchte mich nicht vor den[125] Gespenstern, ja ich fürchte einen einzigen Lebendigen weit mehr, als hundert Verstorbene, und wenn ich itzt einen Geist vor mir sähe, so würde ich mich zwar in etwas darüber entsetzen, dabey aber gewiß in keine so immerwährend närrische Furcht, wie du, gerathen; zu geschweigen, daß ich mich zum voraus, ohne einige Ursach, vor Gespenstern, die sich mir zu zeigen gar nicht willens sind, Tag und Nacht rasend fürchten sollte.

HASENKOPF. Nu Nu! nur Gedult! es wird dich schon fürchten lehren, / kömmt nur einmal die Trud über dich, so, wie sie mich fast täglich besuchet, du wirst gewiß anders sprechen.

ALCANTOR. Über mich wird sie gewiß nicht kommen, denn ich habe ein heiteres gesundes Geblüt, du aber bist dir deine eigene Trud, dein eigener Vampir, dein Blutsauger. Die Schwehrmüthigkeit, das durch deine närrische Furcht in heftige Wallung gebrachte Geblüt, welches durch seine Schwehre im richtigen Umlaufe gehemt wird, das drückt dich, und wird dich, wo du nicht klüger wirst, durch einen Schlagfluß oder sonst eine unfehlbare Krankheit noch zu todte drücken, ohne daß Hunde oder Katzen, oder die Klage um dich heulen werden. / Doch Herr Bruder! alles dieses beyseite gesetzt. Laß uns itzt etwas Gescheides reden. Sag mir ein wenig, wirst du deine Tochter noch dem närrischen Heinzenfeld zum Weibe geben oder nicht? ich meines Theils könnte dir nicht dazu rathen, denn der Kerl ist ein leidiger Narr, es ist nicht einmal ein gescheides Wort mit ihm zu reden, er muß mehr aliter in seinem Gehirne hegen, als er Haare auf dem Kopfe hat, und was soll deine Tochter mit einem solchen Pedanten?

HASENKOPF. Du glaubst also, daß ich meine Tochter nicht dem jungen Heinzenfeld, sondern deinem würdigen Sohne geben sollte? nicht wahr?

ALCANTOR. O! beyleibe nicht, ich versichre dich vielmehr, Herr Bruder! daß unsre so alte Freundschaft an dem Tage zugrundgehen würde, wo ich erführe, daß du nur einen Gedanken hättest, deine Tochter mit meinem Sohne zu verbinden, denn du weist, wie sehr ich selbst diese Sache zu verhindern suche, seitdeme ich erfahren habe, daß mein Sohn so heftig in deine Tochter verliebt ist.

HASENKOPF. O! besorge nichts, ich gäbe meine Tochter ohnehin deinem Sohne nicht, aber warum wärest denn du eben so erschröcklich dieser Mariage entgegen?

ALCANTOR vor sich. Ja wenn ich ihm das Wahre entdecken därfte, Zum Hasenkopf. ey! was braucht mein Sohn ein Weib? er ist noch jung, er hat gut warten.

HASENKOPF. Herr Bruder! ich glaube, das Alter hat leichter warten, als die Jugend.

ALCANTOR. Nu! und wenn er sich doch einmal, solang ich lebe, verbinden will, so muß er sich gefallen lassen, die Frau, die ich ihm vorschlagen werde, zu nehmen.

HASENKOPF. Du hältst deinen Sohn, wie ein Mädgen. Gewiß, er, der ein Soldat, und immer von dir weg ist, wird auf deine väterliche Kupplerey warten Lacht.

ALCANTOR. Ich bitte dich Herr Bruder! mache fort, daß du deine Tochter bald an Jemanden verheyrathest, denn die ist es allein, in die mein Sohn so rasend verliebt thut; ausser ihr ist er wahrhaftig nicht nach dem weiblichen Geschlechte lüstern, und artet gar nicht dem edlen Soldatenstande nach, welcher sonst meistens mit dem Cupido in genauister Blutsverwandtschaft steht.

HASENKOPF. Ich werde meine Tochter nächstens verheyrathen, und soviel ich noch immer willens bin, mit dem Heinzenfeld; ich warte nur noch auf ein Einziges.

ALCANTOR. Nu! und was willst du noch abwarten?

HASENKOPF. Ich warte nur, bis mir meine verstorbene Frau wider bey der Nacht erscheint, und dieses wird bald geschehen, denn sie besucht mich gewiß in jeder Woche. Wenn sie mir nun erscheint, so will ich sie um Rath fragen, ob ich meine Tochter dem Heinzenfeld geben soll? denn in solchen Unternehmungen ist der Frauen Rath oft sehr nothwendig –

ALCANTOR greift in den Sack. Herr Bruder! hier hast du einen Gulden, lauf geschwind, und lasse dir auf meine Unkosten zur Ader; denn dein Paroxismus fängt an auf das höchste zu steigen, vielleicht daß die Abzapfung einiger Pfunde deines närrischen Geblütes dich noch zurechte bringet.

HASENKOPF zornig. Behalte du deinen Gulden, und lasse du dich dafür schrepfen, damit du zur Erkänntniß der Wahrheit gelangest; mein Geblüt wird mir leider nur[126] allzuviel nächtlicher Weile von der unmenschlichen Trud benommen Geht ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 125-127.
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