Zwölfter Auftritt

[134] Valere, Henriette und Lisette.


VALERE. Wuth und Verdacht haben mich verleitet, es gehe auch, wie es wolle, schönste Henriette! sie zu sprechen. Man hat mich hintergangen, man hat in meinem Namen einen Schmächbrief an sie geschrieben, an sie, die ich über alles der Welt schätze. Ich komme, mich bey ihnen zu rechtfertigen, ja ich komme selbst, von ihnen wider das Ungeheur Rache zu fordern, das uns diesen schädlichen Streich gespielet hat. / Ich bin ausser mich gesetzt, ja ich würde verzweifeln, wenn ich nicht hofte, daß Henriette! die so kluge als schöne Henriette! meine beständige Treu in Erwegung ziehen, und dadurch meine Unschuld erkennen werde.

HENRIETTE zornig. Gehn sie mir aus den Augen! sie sind ein / Vor sich. ich weiß nicht, was ich sagen, was ich denken soll.

LISETTE zu Valere. Was braucht es denn viel Wesens? sie haben den Brief geschrieben, und ihr Diener hat ihn mir behändiget.

VALERE. Sie kennen meine Handschrift Henriette! gestehen sie, hab ich das verfluchte Blat geschrieben?[134]

HENRIETTE. Ich hab mich nicht gewürdiget, diesen Lästerbrief anzusehen, Lisette hat ihn gelesen, und mir den schönen Inhalt erzählet.

VALERE zu Lisette. Wo hast du den verdammten Brief? laß ihn mir sehen.

LISETTE gibt dem Valere den Brief. Hier ist er. Sieht den Brief an. O! es ist gewiß ihre Handschrift. Etwas verstellt scheint sie mir zwar, allein, wer Lästerungen schreiben will, kann auch die Schrift ändern.

VALERE reißt der Lisette den Brief aus der Hand. Geb her! List heimlich. / verdammtes Blat! / was für Schmähworte! / das hat der Teufel geschrieben! / doch nein! es ist die Handschrift meines Vaters, ich kenne sie allzuwohl. Meine Wuth hat sie mir anfänglich unkennbar gemacht! / ich bin betrogen! / von meinem eigenen Vater betrogen! / Hanswurst gab ihn dir? Lisette!

HANSWURST. Ja der Hanswurst, und keine andere Seele.

VALERE. Hanswurst muß ein Verräther seyn! er muß es geheim mit meinem Vater halten, allein dieser Streich soll dem Kerl das Leben kosten.

LISETTE. Wenn der Brief von ihrem gnädigen Herrn Papa geschrieben worden, so ist Hanswurst gewiß unschuldig; denn als ich ihm die Zeilen, die mich betraffen, vorlaß, erschrack er nicht wenig, hielt Euer Gnaden selbst für treuloß, und schwur hoch und theuer, daß er von der ganzen Sache keine Wissenschaft hätte.

VALERE. Wie soll aber der Brief in seine Hände gerathen seyn? das ist mir ein Räthsel; ich muß wenigstens durch Drohungen dieses dem Hanswurst herauszulocken suchen! / schönste Henriette! Hält den Brief der Henriette vor. sie sehen, daß es meine Handschrift nicht ist. / Ich bin unschuldig! / ich habe sie zärtlich geliebt, / ich liebe sie immermehr, / ich werde sie ewig lieben Kuest Henrietten die Hand.

HENRIETTE. Es wird sich die Sache schon mit der Zeit entwickeln, ich will von ihrer Treue das Beste glauben.

VALERE. Nein; Henriette! die Sache leidet keinen Aufschub, ich gehe morgen zum Regimente, und ich will an ihnen nicht treuloß handeln, sondern, wo sie mich ja so aufrichtig lieben, als sie mir öfters zugeschworen haben, so soll der morgige Tag der Tag unserer unzertrennbaren Verbindung seyn, und weil unsere beyden Väter diesem Ehebande höchst entgegen sind, so ist kein ander Mittel übrig, als daß sie heute Nacht mit mir die Flucht ergreiffen, und dieses war auch der Inhalt des Briefes, den ich schon heute früh ihnen zu überbringen dem Friseur gegeben, den ich noch einmal zur Vorsorge abgeschrieben, und ihnen durch den Hanswurst habe überschicken wollen.

HENRIETTE. Hierüber kan ich ihnen so eilends keinen richtigen Entschluß ertheilen; denn so wichtige Sachen fordern viele Üeberlegung.

VALERE. Einzig die wahre Liebe, und daß kein anderer Weg zu Vollziehung unsrer Verbindung übrig ist, wird alle Schwierigkeiten heben.

HENRIETTE. Hier ist der Ort nicht, wo ich mit ihnen dießfals alles unterreden kann, mein Vater, der eben in dem Zimmer des jungen Heinzenfeld sich befindet, um den Heyrathsbrief aufzusetzen, durch den er mich morgen mit selbem verbinden will, wird vielleicht in Kürze hier eintreffen, allein folgen sie mir in der Lisette Zimmer, dort will ich ihre Gesinnungen, und die Möglichkeit zu Unternehmung unsrer Flucht anhören und überlegen, sodenn ihnen meinen Entschluß hierüber ertheilen.

VALERE. Englische Henriette! ich folge ihnen, wohin sie wollen, und ich hoffe gar nicht, daß sie nach Vernehmung meines Vortrages mit mir zu reisen sich weigern werden. Valere und Henriette gehen ab.

LISETTE. Was soll es denn auch gesagt seyn. Wenn ich Einen wahrhaft liebe, so geh ich mit ihm in Syberien, und noch weiter Geht ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 134-135.
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