Erster Auftritt

[138] Gasse. Valere und Hanswurst.


VALERE. Ja! wenn es so ist, mein lieber Hanswurst, so bist du freylich wohl unschuldig.

HANSWURST seinen Herrn nachahmend. Ja! wenn es so ist, mein lieber Hanswurst! / nicht wahr, nun erkennen sie es, daß sie mir unrecht gethan haben? da ich schon so Vieles von ihnen habe leiden müssen. Sie brächten einen im unüberlegten Zorn um, und sodenn wenn er unschuldig todt wär, so sagten sie erst, ja! wenn es so ist, so ist er freylich wohl unschuldig umgebracht worden. / Das ist aber nachdem zu spät, und nicht genug. Man muß von Allem den Grund wissen, bevor man richtig schliessen will. Sie hätten gut zu einem Richter getaugt! sie liessen den Verbrecher ehe aufhangen, und hielten alsdenn Rath, ob er es verdient habe.

VALERE. Aber sage selbst, was ich aus der ganzen Sache anders hätte schliessen sollen? ich gab dir den rechten Brief, und du brachtest die Schmähschrift, ich erkannte die Feder meines Vaters, folgsam mußt ich ja glauben, daß du es mit meinem Vater geheim hieltest, und mich zu hintergehen suchtest.

HANSWURST. Das hätten sie wohl muthmassen, aber nicht glauben sollen, besonders, da sie wissen, wie treu ich ihnen jederzeit gedienet habe, sie hätten also ja die Sache abwarten können, bis sie auf das Feine gekommen waren, hätten sie mich schuldig befunden, würd ich meiner Strafe niemals entlaufen seyn, da ich in ihren und des Regiments Diensten bin. Aber nein! da muß der Leutfresser gleich aus der Scheide heraus! / Es ist zwar gut für sie, wenn sie viel Feuer haben, denn sie sind Soldat und Liebhaber, aber ihre Bravour muessen sie weit wo anders als gegen einem armen Diener zeigen, der noch dazu unschuldig ist.

VALERE. Wahrhaftig! du gibst mir eine fürtrefliche Lehre. Ich denke immer, du[138] bildest dir ein, daß du Herr seyest, und ich dein Diener?

HANSWURST. Ey ja wohl, gnädiger Herr! ich weiß sehr gut, daß ich in ihrem Dienste bin, ich weiß aber auch, daß sie ein junger Herr sind, und ich ein alter Diener.

VALERE. O sehr fein, Herr Hanswurst! es ist wahr, ich habe einen falschen Verdacht auf dich geworfen, doch es sey, ich bin auch vermögend, dir für diese Beleidigung genugzuthun. / Nur ist mir unbegreiflich, wie es möglich gewesen, daß der Brief meines Vaters ohne deinen Vorwissen dir in die Hände gekommen, und wo mein Brief hingerathen.

HANSWURST. Das weiß ich selbst nicht, aber solche Sachen sind eben keine Hexereyen, nachdem der alte Herr von Alcantor sowol, als der Friseur zusammengehalten, sie in ihrer Liebe zu verhindern, so werden sie sich auch alle Mühe von der Welt geben, uns die feinsten Streiche zu spielen. Vielleicht hat mir Ihro Herr Papa den Brief von ungefehr aus dem Sack gestohlen, und den andern dafür hineingesteckt, ich weiß es zwar nicht, sie gnädiger Herr müssen es besser wissen, ob der Herr Papa Säcke ausräumen kann? ist er ein Dieb?

VALERE. Du Narr! was ist dieß für eine Frage? in solchen Fällen konnt es ja seyn, daß er so geschickt wär.

HANSWURST. Ja? Greift in den Sack, als ob er etwas suchte.

VALERE. Was suchest du?

HANSWURST. Ich habe nachgesehen, ob er mir nicht etwa bey dieser Gelegenheit meine Dose gestohlen habe, aber ich fand sie schon.

VALERE. Sey nicht so dumm vermessen. Es mag nun schon seyn, wie es will, der Streich ist einmal gespielt worden, und mir ist genug, was du aus dem Munde meines Vaters und des Friseurs gehört zu haben, mir gesagt hast. Wer uns einmal hintergeht, betrügt uns öfters / wir müssen also darauf bedacht seyn, unsere Sachen geschickt und sehr geheim zu unternehmen. Es ist Nacht, unsere Flucht wird in Kürze zu Stande kommen. Ich habe Henrietten bereits hiezu beredet, sie wird sich aller nur immer moeglichen Vorsicht bedienen, durchzukommen, Lisette, die auch mitgehet, wird hiebey gleichfals ihr Bestes thun, und sollte die Sache durch List nicht können vollführet werden, so muß uns die Gewalt hiezu verhülflich seyn.

HANSWURST. Durch Gewalt richten wir hier nichts, wie wollen wir sie mit Gewalt aus dem Hause bringen? sie glauben gewiß, es sey wie im Felde, wo man mit Gewalt Sturm lauft, eine Vestung zu erobern. Wenn man im Felde angreift, und auch ein Theil der Armee geschlagen wird, so ist doch der Succurs zu hoffen, der sich wehren, und den Sieg noch erhalten kann, aber wenn wir zwey bey unserer Attaque über die Stiege geworfen werden, so ligt die ganze Armee zu Boden.

VALERE. Befürchte nichts, die Sache ist mit Henrietten sehr geschickt verabgeredet; wir gehen itzt behutsam in das Haus, und sehen, wie wir uns heimlich in das Zimmer der Lisette schleichen können, dort bleiben wir solange verschlossen, biß es Zeit seyn wird, unser Vorhaben auszuführen. Und wie meynest du, daß solches geschehen werde?

HANSWURST. Das weiß ich würklich nicht, die Sache wird grosse Mühe kosten, das Fräulein und Lisette werden wiederum die ganze Nacht bey dem alten Herrn wachen müssen.

VALERE. Freylich, müssen sie bey de wachen, aber eben dieses muß zu unserer Flucht Vieles beytragen, und kurz, du must heute Nacht einen Geist machen.

HANSWURST. Ich? / ich bin ja kein Wasserbrenner, wie werd denn ich einen Geist machen, ich kann nicht einmal einen Kischengeist machen.

VALERE. Du wirst die verstorbene Frau des alten Hasenkopf vorstellen, und ich seinen todten Bruder, die dazu nöthigen Kleider sind schon in der Lisette Zimmer, sie hat auch einen Hauptschlüssel hintergangen, der das Zimmer, in dem der Alte schläft, und alle übrige Thüren öfnet, wenn nun alles in größter Stille ist, öfnen wir die Thür, und gehen in das Schlafzimmer. Du must dir den Schröcken, in den der Hausmeister und der Alte bey unserem Anblicke verfallen werden, zu Nutz machen, alsogleich auf das Nachtlicht zugehen, und solches auslöschen, ist es alsdenn finster, so werden Henriette und Lisette uns folgen, und wir können sie ohne alle Hinderniß entführen / wie gefällt dir der Anschlag?

HANSWURST. Der Anschlag ist gut, itzt kömmt es nur auf den Ausschlag an. Aber[139] mit Geistern spott ich nicht gerne, ob ich gleich Soldat bin.

VALERE. Wir wollen auch nicht spotten, sondern wir bedienen uns nur dieser Gelegenheit, unsre Sache auszuführen, ohne uns über die Geister aufzuhalten, und es spuckt ja in diesem Hause nicht, wie der Alte glaubt. / Sage mir aber, hast du unsrer Seits zur Abreise alles richtig gemacht?

HANSWURST. Alles ist veranstaltet, ihre und meine Bagage ist bey dem Wirthe aufgehoben, wo sie mir sie hinzutragen schon heute früh befohlen haben, und die Post ist auch um 12 Uhr Nachts dahin bestellt.

VALERE. Wie viele Pferde hast du denn bestellt?

HANSWURST. Ich habe gesagt, vier Wägen und ein Pferd sollen sie dahin bringen.

VALERE. Vier Pferde und einen Wagen willst du sagen. Nu! das ist schon gut.

HANSWURST. Die Post hab ich auf einen fremden Namen begehrt.

VALERE. Das ist gleichfals treflich gemacht. Mein Vater wird doch auch keinen Argwohn mehr haben; er denkt, daß ich morgen früh erst abreise, und ist der Meynung, daß ich bereits schlafe, weil ich mich von dem Nachttische mit dem Vorwande abgeschraubet habe, als ob ich wegen morgiger Reise mich früh zu Bethe legen wollte.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 138-140.
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