Erster Auftritt.

[256] Der Schau-Platz stellet vor einen Königlichen Verhör-Saal.

Alphonsus. Ramiro. Octavius. Palamedes. Rodrigo. Die Pagen und Trabanten.


ALPHONSUS.

Nun ist diß stoltze Reich durch unsern Arm besiegt /

Der Waffen-volle MARS hat diesen Stahl vergnügt /

Deß TAGUS göldnes Haupt / der König aller Flüße /

Legt sich demüthigst nun vor unsrer Hoheit Füsse.

Es mag DIESPITER den blauen Himmels-Saal /

NEPTUN das grüne Meer / AVERNUS Schwefel-Thal

Der schwartze RHADAMANT zu seinem Erbtheil wissen;

Jch kan mich ebenfalls in solche Zirckel schlüssen.

Mein Pol ist Lisabon / der Tagus meine See /

Mein Zorn ein Höllen-Pful / der Marter / Ach / und Weh

Mit Donner-reichem Blitz auff seine Feinde schüttet.

Der freche HALY weiß wie unser Schwerdt gewüttet /

Der weiß-bezähnte Mohr scheut selber unsre Macht /

Weil meine Lorbern Jhn zu solchem Frieden bracht /

Wodurch Fünff Könige zu unsren Sclaven worden

Und gäntzlich sich gelegt jhr Blut-beströhmtes Morden.

Der rauhe Sarazen und der Brasilian

Jst unsrer Majestät mit Freundschafft zugethan.

Ja selbst der grosse Chach / den Ost und West verehren /

Wil Lusitanien durch Bündnüs itzt vermehren.[256]

So hat auch unsre Faust das heilige Altar

Deß grossen Jupiters vor Anstoß und Gefahr

Höchst-Eifrig stets bewacht und mächtiglich beschützet /

So daß kein Donnerkeil auff Dessen Burg geblitzet

Vom schnöden Christen-Volck / weil wir selbst unser Blut

Auch dißfalls nicht verschont / wann etwan diese Glut

Jemanden angesteckt / wie solches PHILIPPINE,

RIBER' und HYACINTH auffs Henckers Folter-Bühne

Der grossen Welt gezeigt / alß jene durch den Stahl /

RIBERA durch den Strick / und HYACINTH am Pfahl /

Weil Christum Sie verehrt / höchst-schimpflich must' erbleichen /

Wodurch ja unser Ruhm die Sternen kan erreichen.

Allein daß dieses Glück uns ferner günstig sey /

So steht / Getreuste / Uns mit klugem Rathe bey /

Und meldet / wie diß Reich noch ferner könne grünen.

RAMIRO.

Durchlauchtigster Monarch / den Ost und West bedienen /

Den Lusitanien als seinen Siger ehrt /

Wo Eure Majestät RAMIRI Rathschlag hört /

RAMIRI, welcher nur des Königs Wolfarth suchet /

Und seine Feinde stets auß rechtem Grimm verfluchet /

So kan deß Zepters Gold / der Krone Diamant /

Des Purpurs Schnecken-Blut / das Völckerreiche Land

Nicht schönem Glantz empfahn / und grössers Wachsthum haben /

Alß wenn den Göttern man mit vielen Opfer-Gaben

Bekrönet jhr Altar; Denn wer die Tempel schützt

Deß grossen Jupiters und auff die Christen blitzt

Mit dem Verfolgungs-Strahl / der kan noch auff der Erden

Mit Lorberreicher Pracht zum jrrd'schen Gotte werden.

Ob nun der Himmel zwar deß Königs Helden-Muth

Wird segnen für und für / weil auch sein eigen Blut

Er niemahls hier verschont / so ist doch auch zuschauen /[257]

Wie Eure Majestät mög' Jhrem Stamme bauen

Den Sitz der Ewigkeit / weil sich kein Erb-Printz zeigt /

Und also Kron und Thron sich zu dem Einfall neigt.

Denn wo kein Nachsaß ist in dem entblösten Reiche /

Da steckt die Ehrsuchts-Glutt / des Auffruhrs gifftge Seuche

Auß toller Freyheits-Lust auch klügste Seelen an /

So daß der HYDRA offt kein HERCUL steuren kan.

Drumb sol der goldne Thron deß grossen Königs gläntzen

Jn unverrückter Macht mit frischen Lorbeer-Kräntzen /

So werde die Prinzeß durch HYMENS Heilges Band

Alß Königin vermählt dem Printzen Ferdinand /

So kan ALPHONSI Stamm durch Jhn verewigt werden.

OCTAVIUS.

So ists / Großmächt'ger Fürst! Der grosse Kreiß der Erden

Wird nur durch eine Sonn' erleuchtet und erqvickt.

Sol ein Monarche nun auch in der Welt beglückt

Und Triumphirend seyn / So muß nur eine Sonne

Jm Glaubens-Himmel strahln mit Seegens-reicher Wonne

Der Edlen Einigkeit. Denn wo der Blut-Comet

Des schnöden Christentums im Pol der Länder steht /

Da siht man leyder nichts als grause Finsternüsse.

Wil Er nun / grosser Fürst / des Glückes sanffte Küße

Empfahn auff seinen Mund / so muß Er in dem Reich

Bloß seine Götter schaun / und stracks durch einen Streich

Der Christen gantze Schaar in Asch und Staub verkehren.

Wahr ists auch daß ein Thron nur Wasser-reiche Zehren

Und Donner-Wetter zeigt / wann den gekrönten Stamm

Kein tapffrer Erb-Printz ziert / und nur der Liebes-Thamm

Jm keuschen Eh-Stand sich auff Prinzeßinnen stützet.

Denn freylich hat allhier ERYNNIS offt geblitzet

Mit Zwietracht / Mord und Brand / wie Alexanders Fall

Jn seiner Monarchie erreget solchen Knall.

Drumb stimm ich willig bey / daß der Prinzeßin Hertze

Jn Liebe werd entzündt durch HYMENS goldne Kertze:[258]

Allein daß Ferdinand den Schatz besitzen soll /

Befind ich nicht vor gut! Jn dem Regirungs-Pol

Muß ein solch Sonnen-Rad mit seinem Golde strahlen /

Das fast die gantze Welt kan prächtig übermahlen.

Hier kan der grosse Chach uns reichen solchen Glantz /

Wodurch vergrössert wird des Königs Lorbeer-Krantz

Und den kein Donner-Keil der Feinde kan zerschmettern.

PALAMEDES.

Jch zweifle mein OCTAV, daß unsern Himmels-Göttern

Ein grosser Dienst gescheh / wenn man der Christen Schaar

Bald unverhörter Sach auffopfert dem Altar

Der strengen NEMESIS, und sich nicht vor bemühet

Den Jrrthum / dessen Frucht in jhren Seelen blühet /

Durch klugen Unterricht zu reissen gäntzlich auß.

Man pflegt / wann Dampff und Glut umringen Hoff und Hauß /

Nicht stracks mit Picq' und Axt die Zimmer einzuschlagen /

Es wird vor zu dem Brand des Wassers Flut getragen /

Eh die Verzweifelung zu diesen Mitteln greifft.

Ja auff der Unschuld Bild wird offtmals selbst geschleifft

Das strenge Richter-Beil und grimme Hencker-Eisen.

Zudem welch SENECA wird diesen Vorschlag preisen /

Daß ein gekrönter Fürst sein annoch zartes Kind /

Dehm überjrrdscher Glantz der Schönheit sich verbindt /

Jn ein entferntes Land / wo Barbarn nur regiren /

Und nichts als Tyger sindt / unweißlich solle führen?

Hat dann ALPHONSUS schon den einen Fuß im Grab?

Jst Lusitaniens Demantner Richter-Stab

Zu schwer in seiner Faust? Kan nicht durch keusche Flammen

Er seine Einsamkeit mit guttem Fug verdammen /

Umarmen ein Gemahl / vermehren sein Geschlecht /

Und trotzen Zeit und Todt? Wer tadelt dieses Recht?

Fürwahr kein kluger Geist! Drumb ziehlt mein treues Hertze[259]

Auff diesen Vorschlag hin / daß keine Liebes-Kertze

Entzünde die Prinzeß; Hingegen sey die Brust

Deß grossen Königes beflammt mit dieser Lust /

Wodurch ein junger Printz auff diesen Kreiß der Erden

Zu Trost gantz Portugals noch kan gebohren werden.

OCTAVIUS.

Wie daß mir Palamed in beydem widerspricht?

PALAMEDES.

Weil beydes schädlich ist des Königes Gericht.

OCTAVIUS.

Was kan der Christen Tod dem Reich vor Schaden bringen?

PALAMEDES.

Der Glaube läst sich nicht durch Stahl und Flammen zwingen.

OCTAVIUS.

Wo Gütte nichts verfängt / da braucht man die Gewalt.

PALAMEDES.

Die Liebe gegen uns wird hierdurch nur erkalt.

OCTAVIUS.

Was achtet unser Hoff die Liebe dieser Hunde!

PALAMEDES.

Viel besser daß Sie stehn mit uns in einem Bunde.

OCTAVIUS.

Dem König steht kein Bund mit seinen Sclaven an.

PALAMEDES.

Es giebt doch dieses Volck so viel es geben kan.[260]

OCTAVIUS.

Diß heischt die Schuldigkeit / sonst wär'n Sie längst vertrieben.

PALAMEDES.

Was wäre wol vor Nutz dem grossen Reich geblieben?

OCTAVIUS.

Jm Glaubens-Himmel sol nur eine Sonne stehn.

PALAMEDES.

Viel Sternen können mehr deß Himmels Glantz erhöhn.

OCTAVIUS.

Des Glaubens Vielheit ist ein Zunder aller Sünden.

PALAMEDES.

Hierdurch kan ein Regent den Goldnen Schlüßel finden.

OCTAVIUS.

Der goldne Schlüßel wird auff andre Art bereit.

PALAMEDES.

Jedoch nicht ohne Schmertz und Schlangen-vollen Neid.

OCTAVIUS.

Wie daß dein freyer Mund die Christen so beschützet?

PALAMEDES.

Weil sich auff jhre Treu des Reiches Wolfahrt stützet.

OCTAVIUS.

Warum verwirffst du dann die Heyrath der Prinzeß?

PALAMEDES.

Weil auß der Liebe wichst deß Unglücks Traur-Zypreß.[261]

OCTAVIUS.

Wer ist wol mächtiger als der Monarch der Persen?

PALAMEDES.

Sol künfftig dieses Volck dann Portugall beherrschen?

OCTAVIUS.

Nein! Liberata wird der Persen Sonne seyn.

PALAMEDES.

Cometen sihst du an vor göldnen Sonnen-Schein.

OCTAVIUS.

Hat denn der PALLAS Brust dich nur allein geträncket?

PALAMEDES.

Vielleicht hat Sie mehr Milch mir wol alß dir geschencket.

OCTAVIUS.

Wer allzuklug seyn wil / wird offters selbst zum Thor.

PALAMEDES.

Du magst Apollo seyn in diesem Musen-Chor!

OCTAVIUS.

Was hat die Red' auff sich? Bleib Palamed im Schrancken!

Sonst wird dein frecher Geist – –

ALPHONSUS.

Halt inn mit diesem Zancken!

Hierdurch wird nicht gestützt des Reichs-Throns göldne Zier!

Rodrigo trag uns auch itzt deine Meinung für.

RODRIGO.

Durchlauchtigster Monarch / wo ich mich darff erkühnen

Zu melden wie der Thron des Königs könne grünen[262]

Den frischen Zedern gleich / so muß ich frey gestehn /

Des Glaubens Eifer kan Jhn / grosser Fürst / erhöhn /

Wie solches wahr gemacht die Fürstin Philippine /

Riber' und Hyacinth auffs Henckers Folter-Bühne.

Denn wann der kalte Brand des Cörpers Bau entzündt /

So wird dasselbe Glied / das seine Stück empfind /

Eh sich die Hefftigkeit der grimmen Glut vermehret

Und das Escurial des Leibes gantz versehret /

Durch Sägen abgelöst und also Rath geschafft.

So ists auch hier bewandt; Man nehme in Verhafft /

Man säge schleunig ab die angesteckten Glieder /

Wo sich der kalte Brand der Christen setzt darnieder /

Eh diese strenge Seuch und Höllen-gleiche Pest

Auffs Königs göldnen Thron jhr Teuflisch Gifft außläßt /

So wird die gantze Welt die edle Cur erheben.

Denn Zepter / Kron und Thron muß stets in Furchten schweben /

Wo diese Pestilentz / die mit den Göttern kämpfft /

Durch kluges Gegen-Gifft nicht schleunig wird gedämpfft.

Wie Rom ein Trauer-Spiel in diesem Fall kan weisen.

Denn ob demselbten zwar Strick / Pfeile / Räder / Eisen /

Pech / Fackeln / Säcke / Bley / und was die Christen qvählt /

Zu dämpfen diese Pest zu keiner Zeit gefehlt /

So haben doch alldar die Sieges-reichen Käyser

Vor Lorbern offt gesehn nur die Zypreßen-Reiser /

Wie Nero / Commodus / Tiberius / Trajan /

Coccejus / und Valer diß klärlich zeigen an.

Drumb muß Alphonsus auch die grimme Pest außfegen /

Sonst möcht' in Lisabon was Frembdes sich erregen!

Was aber anbetrifft die Fürstin Liberat /

So schätz' ich mich zu schwach zu geben einen Rath

Jn diesem Heyraths-Werck! Doch wär' hier zu bedencken /

Ob Ferdinanden nicht der ädle Schatz zu schencken /

Weil Tugend und Verstand den Printzen zieren kan.[263]

ALPHONSUS.

Wir nehmen / Treuste / zwar mit sondern Gnaden an /

Daß meisten Theils auß Euch die Stimmen dahin zielen /

Wie unsre Majestät den Eyfer möge kühlen

Jm NAZARÆNER Blut durch Flammen / Beil / und Rad /

Und was der Themis Faust in jhren Schrancken hat.

Es sol Rodrigo auch höchst-eyfrig seyn beflissen

Der Christen tolle Schaar in Kett- und Band zu Schlüssen.

Allein daß die Prinzeß / die kaum das Sechste Jahr

Zum Drittenmahl erlebt / auff Hymens Brand-Altar

So zeitlich opfern sol die Schönheit Jhrer Glieder /

Diß ist ein solcher Rath / der gäntzlich unß zuwider.


Sie gehen alle ab bis auf den König.


Quelle:
Johann Christian Hallmann: Sämtliche Werke. Band 2, Berlin und New York 1975, S. 256-264.
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