[231] Der Schau-Platz bildet ab der Königin Zimmer.
Mariamne. Aristobulus IV. Alexander III. Das Königl. Frauen-Zimmer. Sohemus. Philo. Ein Page deß Königes.
MARIAMNE.
Dem Himmel sey gedanckt / daß Licht und Tag erwacht /
Daß die betrübte Zeit der schatten-braunen Nacht /
Das schwartze Sorgen-Meer / weil Titan scheint / verflossen
Was hat der Sternen-Printz doch über uns beschlossen!
Ach was vor Unheil wird der Fürstin seyn bereit /
Der Fürstin / die anjetzt mit blasser Traurigkeit
Matutens Gold erblickt! Der Fürstin / die mit Zehren
Euch / liebste Kinder / muß den Morgen-Kuß gewehren /
Und euch / Freindinnen / grüßt! Ach! daß auch im Scarlat
Die Kummer-Würme wühl'n! daß Türckis und Achat
Nicht sonder Nebel sind! daß auch im Purpur-Bette
Angst / Schrecken / Rach' und Mord stets kämpffen in die Wette!
Wir wissen (weiß es Gott!) kaum selber / wo wir sind!
Gleich einem / der dem Tod' auß grauser Schlacht entrinnt /
Dem noch das Hertze klopfft und alle Glieder zittern:
Gleich tauben / die nach Blitz und donnernden Gewittern
Mit leiser Stimme girr'n / und gleichsam die Gefahr
Einander mahlen ab. Es schreckt uns Tod und Bahr /
Die das Verhängnüß dreut! Wir sind / wir sind verlohren!
Auff Assamons Geschlecht hat sich das Glück verschworen /
Jmfall der Himmel nicht besänfftigt seinen Zorn /
Und uns geneigter ist![232]
I. JUNGFER.
Der Kummer-reiche Dorn /
So jhr / Printzessin / Schmertz und herbes Ach erwecket /
Werd' uns / wo fern man darff was bitten / doch entdecket!
MARIAMNE.
Uns hat ein grimmer Traum und schreckliches Gesicht
Den süssen Schlaf verkürtzt: Dianens Silber-Licht
Begonte nach und nach den Spiegel zu verliehren /
Und wolte zu der Ruh die weissen Pferde führen /
Es wahren biß zum Tag zwey Stunden übrig kaum /
Als uns (ich zittre noch!) im unverhofften Traum
Deß Brudern dürrer Geist / Aristobul / erschiene /
Nicht wie er war geziert auff der geweihten Bühne /
Mit Priesterlichem Schmuck höchst-prächtig angethan:
Ach nein! Ein Todten-Kleid und schwartzes trauer-Fahn
Umbhüllte Leib und Faust! Wir sassen als uns dünckte /
Auff dem gestickten Thron / die Purpur-Farbe blinckte /
Vermischt mit Perl und Gold / umb unsrer Glieder Schnee /
Die Krone strahlt' umbs Haupt in angenehmer Höh;
Rubin / Schmaragd / Saffir / und schönste Diamanten
Beflammten Stirn' und Brust; unzehliche Trabanten
Bedienten unsern Stul; Mit kurtzem: Alle Zier
Der prächt'gen Eitelkeit war zu befinden hier.
Drauff rieff uns das Gespenst': Auff Schwester! auff! und wache!
Es zielt nach deinem Kopff die ungerechte Rache!
Nihm deiner Wolfahrt war! Schmeiß dieses Mummwerck hin!
Weil vor die Rosen dir jtzt (ach!) Zypressen blühn!
Jch bebt' / ich starrt' / ich seufftzt'! Jn einem Augen-Blicke
Sprang Thron und Kron' entzwey in vielmal hundert Stücke;
Mein Zimmer wurde mir in eine Grufft verkehrt /
Jn eine düstre Grufft / da nichts als Glut und Schwerdt /
Und Strick und Beil und Dolch / und Folter-Bäncke stunden.
(Wie hab' ich / grosser GOTT! mich damals doch befunden!)[233]
Hier / sprach Aristobul / hier wirff die Augen auff /
Und schau wie Glück' und Zeit verändern jhren Lauff:
Jch sah Hyrcanens Leich' in Strick und Ketten schmiegen /
Dort Alexandrens Kopff / hier jhren Körper liegen;
Ja Mariamne selbst ward grimmig angefast /
Jn dem ein Henckers-Bub' und unverschämter Gast
Mir nach dem Nacken hieb und Seel' und Lufft verkürtzte /
So / daß ich recht empfand / wie er ins Grab mich stürtzte /
Und mir den Athem nahm. Drauff fuhr mein lasser Geist
Auß diesem Qualm empor! Diß ist es / was uns beist /
Was unser Sinnen-Haus in tieffes Weh versetzet /
Und Threnen presset auß!
I. JUNGFER.
Daß sie die Sonnen netzet /
O Sonne dieses Reichs / weil Schatten und Gesicht
Jhr sinnend Haupt erschreckt / ist zwar so übel nicht /
Weil offt durch Träume wird ein künfftig Ach entdecket /
Daß sonsten biß zum Fall blieb Zweiffels frey verstecket /
Gleich einem Donner-Keil / der sich nicht eh'r bewegt /
Biß er mit Blitz und Knall durch Wald und Eichen schlagt.
Und zwar sind Kronen hier so sehr nicht zu verdencken /
Weil jhnen Unglück meist den Gifft-Kelch ein-wil-schencken.
Alleine glauben fest / es müsse so geschehn /
Was unsre Fantasie bey dunckler Nacht gesehn /
Jst (Fürstin sie verzeih!) ein Kummer / der auff Eise
Und Trüb-Sand ist gebaut. Die Coloquinthen Speise
Wird durch Vernunfft und Würtz' in Martzipan verkehrt;
Die Wolcke / so uns Sturm und Dampff und Dunst gewehrt /
Wird Augen-blicklich hell- und zeiget Demant-Lüffte;
Ja in ein Paradieß verwandeln sich die Grüffte /
So uns ein Traum gemahlt.
II. JUNGFER.
Was sind die Träume doch?
Ein selbst gezimmert Grab / ein selbst geschnitztes Joch /[234]
Ein Jrrlicht / das uns führt auff unbekante Höhen
Und in die Wellen stürtzt / wenn wir jhm nach-woll'n-gehen.
Denn die beklemmte Seel' ist niemals ohne Ruh;
Wenn uns der Schlaf-Gott drückt die müden Sternen zu /
Da geht die Würckung an: Was Augen / Händ und Ohren
Gesehn / gefühlt / gehört / wird gleichsam neu gebohren;
Und durch der Träume-Dunst lebhafftig abgebildt.
So weil die Königin noch nicht den Kummer stillt /
Den jhr Aristobul's unschuldger Tod erwecket /
Was Wunder / daß auch sie ein solch Gesicht' erschrecket /
Daß Furcht und Pein vermehrt?
III. JUNGFER.
Wahr ists; Wo Sorgen sind /
Daß sich ein grosses Heer unsanffter Träume findt /
Die dem betrübten Hertz die eingebildten Sachen
Mit Foltern grauser Qual noch zehnmal ärger machen:
Der sihet Zang' und Rad / und Höll' / und Tod / und Geist,
Dem wird ein Sammel-Platz vergnügter Lust geweist;
Lufft / Wasser / Erd / und Glut / nebst allen Eitelkeiten
Woll'n gleichsam Schlafenden ein Schau-Spiel zubereiten.
Drumb weil diß Schau-Spiel selbst sich gleichet einem Traum /
So gebe sie / Printzeß / der Wehmuth keinen Raum!
IV. JUNGFER.
Wer viel auff Träume baut / der greifft nach Rauch und Schatten;
Der Traum ist nur ein Bild. Wie / wenn auff grünen Matten
Der rauhe Ost-Wind saußt / die Blumen-reiche Zier
Jn kurtzer Frist erblaßt: So spielt auch Morpheus hier /
Der / wenn wir nun erwacht / die schwärmenden Gedancken
Jn einem Huy verjagt auß den entdeckten Schrancken
Der sinnenden Vernunfft / so dieses Schattens lacht /
Und uns mit Wonne krönt.[235]
V. JUNGFER.
Wol! Doch der Träume Macht
Hat gleiche Würckung nicht; Wem die Gespänster dreuen
Kurtz eh Aurora wil jhr güldnes Haar außstreuen /
Wird schlechter Dinge nicht verwerffen Traum und Bild /
Weil mit so starckem Dunst die Geister nicht erfüllt /
Als da des Mondens Glantz im Mittel-Punct erschiene.
Jedoch wer nur den Printz auff der gewölckten Buhne
Mit reiner Andacht ehrt / wie unsre Fürstin thut /
Dem wird kein Morgen-Traum beängst'gen Geist und Blut.
VI. JUNGFER.
So lasse sie demnach / Printzeß / die Sorgen fahren!
Es müsse sich mit jhr die Freuden-Sonne paaren /
So in verwichner Nacht ein fälschlicher Comet
Mit Nebel überdeckt. Großmüth'ge Tugend steht /
Auch ob's Verhängnüß gleich wil Grufft und Bahre zimmern!
Man siht die Sternen ja bey Nacht am schönsten schimmern:
Sie / die den Sternen selbst an Klarheit gehet vor /
Wird auch beym Wetter strahl'n an deß Olympus Thor.
MARIAMNE.
Spahrt diese Tröstung doch / geliebteste Freindinnen!
Wir wissen freylich wol / wie weit sey nachzusinnen
Dem nächtlichen Gesicht': Ach aber! die Gestalt /
So unsre Brust beschwert / hat grössere Gewalt /
Als daß wir selten sie auß Sinn und Augen setzen.
Hat nicht der Schöpftet selbst (wie uns auß seinen Schätzen
Deß heil'gen Bund's bekant /) offt durch verborgne Träum'
Bald diesem Gifft entdeckt / dem süsses Honigseim?
Wie Mardochai erhöht / und Haman wird gestürtzet /
Dem Babylon'schen Printz Vernunfft und Reich verkürtzet?
Der Traum Calpurniens ist leider allzuwahr![236]
I. JUNGFER.
Ach hätte Julius verhüttet Tod und Bahr!
MARIAMNE.
Was das Verhängnüß schliest / kan keine Klugheit wenden!
II. JUNGFER.
Man wird im grösten Sturm offt an den Hafen lenden.
MARIAMNE.
Ja offt: Nicht jedesmahl! Hier seh'n wir keinen Port.
III. JUNGFER.
Wo Sonn' und Tugend scheint / muß Sturm und Laster fort.
MARIAMNE.
Die Laster sind beliebt / die Tugend wird geneidet.
IV. JUNGFER.
Der Neid verzehrt sich selbst / wenn jen' auff Rosen weidet.
MARIAMNE.
Liegt unter Dornen nicht der Rose Purpur Rock?
V. JUNGFER.
Haß und Verleumbdung ist der Tugend schönster Schmuck.
MARIAMNE.
Kommt einmal Gifft hinein / so springt die Porcellane.
VI. JUNGFER.
Die Farbe bleibet stets dem Kreiden-weissen Schwane.
MARIAMNE.
Hier wird das Krystallin der Unschuld selber blind.
Setzt uns nicht ferner zu! Wir wissen wo wir sind![237]
ARISTOBULUS IV.
Frau Mutter und Printzeß! Was dient diß herbe Weinen!
ALEXANDER III.
Soll uns die Anmuth nicht bey unsrem Leit-Stern scheinen!
ARISTOBULUS IV.
Sie schaffe was sie wil; Hier ist jhr treuster Sohn!
ALEXANDER III.
Hier / der sein Leben gibt vor der Frau Mutter Kron!
PAGE.
Durchleuchtigste Printzeß / der König kommt gegangen.
MARIAMNE.
Weg Threnen! Stehet still! Laßt uns den Fürst empfangen.
Mariamne. Herodes. Aristobulus IV. Alexander III. Das Königl. Frauen-Zimmer. Der Haupt-Mann mit den Trabanten / Die Verschnittnen / Die Edel-Knaben und Pagen.
HERODES.
Hier strahlet unsre Sonn'! Obschon das Firmament
Mit Gold und diamant und tausend Ampeln brennt!
Hier ist das Paradiß / dem Ros' und Liljen weichen /
Dem Seraphinen selbst die Lorber-Kronen reichen!
Mein Kind! was deuten uns die holen Seufftzer an /
Der Sternen blasser Schein?
MARIAMNE.
Es ist umb uns gethan![238]
HERODES.
Mein Engel! Wie? Warum? Welch ungestümes blasen
Ficht jhre Gottheit an? Laßt alle Wetter raasen /
Laßt Himmel / Hölle / Welt / und Flut und Glut eingehn /
Doch Mariamne wird in meiner Seele stehn!
Jch zitter' und erstarr'! Muß ich diß Wort anhören!
Eh soll der lichte Blitz die Geister mir versehren /
Eh soll der Jordan sich in klares Blut verkehr'n /
Eh soll der Oel-Berg nichts als Schlang' und Molch gebehr'n /
Eh soll Jerusalem zur Mörder-Grube werden /
Eh sich mein Augen-Trost in wenigsten Beschwerden
Und Aengsten sehen soll! Hier steht jhr Morgen-Stern /
Jhr unverwandter Schutz / O aller Frauen Kern!
Wir athmen! wir vergehn ob der so grossen Liebe /
Die deine Schönheit drückt in unser Sinn Getriebe /
Nicht Schönheit nur allein; Auch Engel hoher Witz /
Der in der ädlen Seel' hat festen Thron und Sitz.
Vor unsern Flammen muß deß Amnons Brunst erbleichen /
Admetus und August die Liebes Segel streichen;
Ja Davids Harffe selbst zerspringt ob unsrer Glut.
Printzessin! höre doch / wie wallt mein treues Blut!
Wie durstet meinen Geist nach deiner Anmuths-Quelle /
Wo nichts als Zucker rinnt! Ach Fürstin! ach! O stelle
Die Kinder doch vor dich / dein wahres Konterfey /
So wirstu klärlich sehn / daß ich dein Sclave sey /
Der Tag und Nacht nur wüntscht in deiner Schoß zu sterben!
Seht wie Aristobul kan jhre Sonnen erben /
Die Sonnen / derer Glantz kein Sterblicher verträgt!
Wie Alexandern ist jhr Stirn-Blat eingeprägt /
Das weisser ist als Schnee und Elephanten Zähne!
Wachst! Schönste Blumen / wachst! Der Himmel weiß / ich sehne
Mich nicht so sehr nach dem / was Thron und Aug' erquickt /
Als wenn jhr Sternen seyd in meinem Reich beglückt!
Blüh / Mariamne / blüh! Du Muschel schönster Früchte![239]
Blüh / Mariamne / blüh! Dein himmlisches Gesichte
Verwelcke nimmermehr! Blüh / Mariamne blüh!
Biß das Verhängnüß uns zugleich (doch spät!) entzieh!
MARIAMNE.
Mein Herr! Mein Fürst! Mein Schatz! Die ungemeinen Gaben /
So seine Liebe preist / sind nicht in mir vergraben;
Und ob der Himmel gleich mich hatte so geziert /
Wie schnell' (ach leider!) wird diß Schatten-Werck entführt!
Der Sorgen scharffes Schwerdt / die Sichel rauher Zeiten /
Deß Todes grimmer Pfeil verstellen und bestreiten
Muth / Schönheit und Verstand; Der Glieder Helffenbein
Wird gelblich / blaß und kalt! Der Sternen Blitzend Schein
Verkehrt in Nebel sich / die Alabaster Ballen
Siht man in kurtzer Frist verwelcken und verfallen:
Der Klugheit hell Krystall zerschellt so Zeit als Tod;
Die Zunge wird gelähmt. Mit kurtzem: Ach und Noth
Beherrscht den gantzen Kreiß / den kein Rabbuni heilet!
Und hier ist Kronen auch kein Frey-Brieff nicht ertheilet.
Blüht Mariamne gleich im Frühling jhrer Zeit /
Wie bald wird uns gewehrt deß Winters Todten-Kleid!
Beblühmt die Sonne schon die Rosen unsrer Wangen /
Jn einem Augenblick muß ich mit Larven prangen /
Die Tod und Kranckheit mahlt! blühn unsre Zweige gleich /
Auch Kayser-Kronen fall'n durch unverhofften Streich!
Doch ehr'n wir seine Brunst / und die erleuchten Flammen /
Wo Mund und Hertze nur hier stimmen recht zusammen.
Wir fürchten grosser Fürst!
HERODES.
Was kräncket jhren Sinn?
MARIAMNE.
Daß uns die Liebe nicht ein Sterbens-Netze spinn'![240]
HERODES.
Sie spinnet Seid' und Gold zu jhrem Purpur Kleide.
MARIAMNE.
Das Messer trennt entzwey auch Gold-gewürckte Seide.
HERODES.
Wir führen Messer zwar / doch nicht den Todten Stahl.
MARIAMNE.
Der prächtigste Pallast wird offt zum Trauer-Saal.
HERODES.
Die Trauer-Wolck' entweicht / wo Sonn' und Engel wohnen.
MARIAMNE.
Es sihet Assamon meist Blut-bespritzte Kronen.
HERODES.
Seit Jdumæa grünt / grünt auch der Lorber-Krantz.
MARIAMNE.
Ach! daß in Nebel sich nicht kehre dieser Glantz!
HERODES.
Weil sie / O Sonne / gläntzt / wird keine Nacht erscheinen.
MARIAMNE.
Das Silber weicht dem Gold / Krystall den Edel-Steinen.
HERODES.
Sie ist mein schönstes Gold / mein bester Diamant.
MARIAMNE.
Mein Silber ist zu blaß / und mein Saffir verbrant.[241]
HERODES.
Ach daß der Himmel mir stets solch Krystall beschere!
MARIAMNE.
Mein Antlitz ist zu schwach; Ja wenn es Dosis wäre!
HERODES.
Mein Kind / sie schertze nicht! Zu was dient Dosis hier?
MARIAMNE.
Villeicht kan Dosis mehr / als Mariamnens Zier.
HERODES.
Wo rührt der Eifer her? Jst Dosis nicht entwichen?
MARIAMNE.
Doch durch Antipatern ist nicht die Lieb' erblichen.
HERODES.
Die Liebe blüht im Sohn / doch in der Mutter nicht.
MARIAMNE.
Jn Venus Zimmer brennt nicht ein gedoppelt Licht.
HERODES.
Wie / Fürstin! Zweifelt sie an meinen Liebes-Flammen?
MARIAMNE.
Nein! Aber eines muß mein lodernd Hertz verdammen.
HERODES.
Was ists?
MARIAMNE.
Daß / als der Fürst besucht den Marck-Anton /
Man unterdessen mir zu rauben Geist und Kron
Nicht nur allein gesucht / auch ernstlich anbefohlen.[242]
HERODES.
Diß ist ein blosser Traum / und außgeleschte Kohlen!
MARIAMNE.
Wie liebt mich nun der Fürst / wenn er mir baut die Bahr'?
HERODES.
Wer schwätzt jhr dieses vor?
MARIAMNE.
Dem selbst die Mord-That war
Vom König anvertraut / Josephus –
HERODES.
Jch erschrecke!
Wil dieser Bube nun die Laster-vollen Flecke /
Mit welchen er beschmutzt / dem Fürsten brennen an?
Verfluchter Hund! Kein Mensch! Nun ists umb dich gethan!
Nun ist der Argwohns Dunst zur hellen Sonne worden /
Den Salome erweckt! Last uns den Dieb ermorden!
Den tückschen Ehren-Dieb / den zweyfach Laster schlägt!
Schau / Mariamne / nun / was du vor Glut erregt!
Was du vor tollen Brand in unsrer Brust entzündet!
Schau nun / an welchem Ort sich grössre Liebe findet!
Entweicht! Hilff grosser GOtt! Hat Joseph diß entdeckt!
So hat er auch gewiß mein Eh-Bett mir befleckt!
Wahr ists: Wir hatten jhm / die Fürstin zu entleiben /
Jm Fall uns ja Anton möcht' unverseh'ns auffreiben /
Höchstheimlich anbefohl'n: Daß nun der Wäscher sich
Nicht besser vorgesehn / und uns den Hertzens Stich
So liederlich versetzt / so mag er auch nun büssen.
Stracks Haupt-Mann! daß jhm bald der Kopff werd' abgeschmissen.
HAUPT-MANN.
Durchlauchster König / wem?[243]
HERODES.
Der noch in Fesseln sitzt.
HAUPT-MANN.
Jm Kercker oder Hof?
HERODES.
Es donnre / wo es blitzt!
Haut jhm den Schädel nur / den Zulauff zu vermeiden /
Jn dem Gefängnüß ab.
HAUPT-MANN.
Er soll ohn säumbar leiden.
HERODES.
So müss' es allen gehn / die nicht die Heimligkeit
Der Fürsten wol verwahr'n; Die Mißgunst / Zanck und Streit
Erregen im Pallast durch ungezäumte Lippen!
Selbst Simson strandete an diesen Schiff-BruchsKlippen /
Als sein nicht fester Mund die heil'ge Krafft entdeckt:
Ja in der Hölle wird noch Tantalus gereckt /
Und mit dem Rad gequält / umb daß er nicht verschwiegen
Der grossen Götter Schluß. Wo diese Laster siegen /
Muß Fabius mit Schimpff und Martia vergehn.
Jedoch was sinnen wir! Soll auch die Rache stehn
Auff Mariamnens Haupt? Ach nein! wir wollen's sparen /
Biß wir was weiters noch von dieser Pest erfahren.
Der Schau-Platz verwandelt sich in ein Gefängnüß.
Josephus. Der Haupt-Mann mit den Trabanten. Der Blut-Richter / die Beil-Träger.
JOSEPHUS.
Bemühte Sterblichen! die jhr das höchste Gut[244]
Auff Burg und Schlösser setzt; Die jhr Muth / Gut und Blut
Vor Land und König wagt / und die zerstückten Leichen
Durchlauchten Seelen wollt als stündlich Opffer reichen /
Schlagt eur Gesichte doch auff dieses Kerckers Grufft!
Mich hatte Glück' und Sonn' und Demanthelle Lufft
So herrlich überstrahlt / daß fast kein Tag verschwunden /
Daß ich nicht neue Gunst und Lust und Ruhm gefunden.
Ach aber! Seht / wie schnell verwechselt Glück und Zeit!
Der vor dem Fürsten saß zum nechsten an der Seit' /
Der seine Schwester küßt' / und Stadt und Reich ergetzet /
Wird Sclav- und Mördern gleich gefesselt eingesetzet.
Diß ist deß Hofes Danck und der so grosse Lohn!
Wir dienen Tag für Tag / erdulden Schmach und Hohn /
Umb daß die Krone nur in Sicherheiten blühe:
Was aber bringet uns die eisenharte Mühe?
Wir gleichen einem Licht / das selber sich verzehrt /
Jn dem es andern leucht. Wird ichtwas ja gewehrt /
So ist es nur ein Schwamm / auß dem Monarchen pressen
Die eingefüllte Flut / und den Verdienst vergessen:
Denn bey Verdiensten seyn die Grossen taub und blind /
Bey Fehlern aber scharff und schneller als ein Wind.
Jedoch was red' ich hier von Fehlern und Gebrechen!
Selbst Themis wird vor mich in dieser Sache sprechen.
Holdseel'ge Fürstin! ach! ich seufftze nicht umb mich:
Holdseel'ge Fürstin! ach! ich seufftze nur umb dich!
Verdammte Salome! wenn wird dein Sinn sich beugen!
Jch ruffe GOTT selbst an zum Zeugen aller Zeugen!
Der ins verborgne siht / und richtet alle Welt /
Weiß / daß Verleumbdung mich in Band und Ketten hält.
Ach Leben voller Angst! Erschein' / O Tod! erscheine!
Versetze meinen Geist und schmachtende Gebeine
Jns Reich der Freyheit doch / die nimmermehr vergeht!
Was ists / daß mich ein Mensch mit eitlem Dunst erhöht!
Vor Palmen und Scarlat und hochgesinnte Tittel[245]
Seh' ich in einem Blick Zypreß' und Sterbe-Kittel:
Der Ehre Leib-Standart kehrt sich in einen Molch /
Der güldne Pusikan in einen Mörder Dolch /
Mein Marmorn Conterfey in dürre Todten-Knochen /
Daß Argwohn / Ehr-Sucht / List / und Haß und Neid zerbrochen /
Jch wüntsche Sarg und Grab!
HAUPT-MANN.
Mein Herr / der König schafft /
Daß er entnommen werd' auß der beschwerten Hafft /
Und durch vergossnes Blut den letzten Schluß besiegel'.
JOSEPHUS.
Gar wol! befreyet mich von Ketten / Band und Riegel:
Unschätzbahr Freyheits-Tag! Sey tausendmal gegrüßt!
Nun wird der Gifft-Kelch mir bezuckert und versüßt!
Nehmt Rock und Mantel weg / den Schaum der Eitelkeiten.
Jch seh die Engel schon mich in das Reich begleiten /
Wo ich mit Abraham zu Tische sitzen kan
Nihm grosser JEHOVAH doch meine Seufftzer an!
Herodes / ich verzeih! ob schon dein strenges Wütten
Mir fälschlich vor der Zeit das Lebens-Garn zerschnitten.
Ja ich verzeih auch dir / verwegne Salome /
Ob gleich dein' arge List mich stürtzt' in solches Weh.
Nun Erden gutte Nacht!
BLUT-RICHTER.
Hier liegt mit einem Streiche
Auffs Königes Befehl die Blut-beströhmte Leiche.
HAUPT-MANN.
Genug: halt' unter deß beym Körper gute Wach';
Jhr aber tragt den Kopff ins Fürstliche Gemach.
[246] Der Schau-Platz stellet vor einen Spatzier-Saal.
Alexandra. Hyrcanus.
HYRCANUS.
Seht / wie der arme Mensch in steten Sorgen schwebet!
Was hat mein graues Haupt vor Jammer nicht erlebet /
Seit ich den morschen Leib vor Kirch' und Reich gewagt!
Deß Brudern grimme Faust hat erstlich mich verjagt /
Als er nach's Vatern Tod mir / als dem Erstgebohrnen /
Zum hohen Priesterthum von GOTT selbst außerkohrnen /
Daß Urim Thummim wolt' entreissen wider Recht /
Und mit Gewalt regier'n das Jüdische Geschlecht /
Biß er zu Malta must durch heimlich Gifft erblassen.
Hat nicht der Scipio den Alexander lassen
Dein liebstes Eh-Gemahl enthaupten mit dem Beil?
So kriegt' Antipater das allerbeste Theil
Von Salems Herrligkeit und Palæstinens Gräntzen.
Denn ob gleich Assamon mit Jnfeln konte gläntzen /
Blieb Kron' und Reichs-Stab doch beym Jdumæ'schen Haus;
Und so fiel unsre Macht auff einmal in den Graus.
Mein Hertze blutet noch / wenn es daran gedencket /
Wie Pacorus mein Haupt / mein heilig Haupt gekräncket /
Weil mich Antigonus umb Ohr' und Scepter bracht!
Herodes hat mich zwar auß diesem Unglücks-Schacht
Als ein behertzter Geist mit starckem Arm gerissen /
So daß ich jhn auch ließ mit Mariamnen schliessen
Durchs Band der heil'gen Eh' / weil seine Tapfferkeit
Verdienet solche Lust / die Brust und Seel' erfreut.
Allein es hat sich auch verändert sein Geblüte /
Weil mir Aristobul stets lieget im Gemüte /
Den er durch Meuchel-Mord im Fluß erträncken ließ.
Jch weiß nicht / ob man ist deß Königs Gunst gewiß
Bey so verwirrter Zeit![247]
ALEXANDRA.
Ja freylich ist zu schauen /
Daß wir die Schlösser nicht auff falschen Trüb-Sand bauen:
Denn ob der Jordan gleich weit lieget von dem Nil /
So weint in Salem doch der tück'sche Crocodil;
Und nirgends singen mehr die listigen Sirenen /
Als wo zur Tafel stets Trompet' und Pauck' erthönen.
Erweg' ich was genau den Zustand in dem Reich /
Seit unserem Geschlecht' ward Jdumæa gleich /
So muß ich nur gestehn / daß Ehr-Sucht / List und Räncke
Jn dieser Burg geherrscht durch Wollust / und Geschencke.
Denn daß Antipater uns Reich und Geist beschützt /
Hierdurch hat er sich selbst und seinen Stamm gestutzt:
Wie brachen bald hervor die hochgesinnten Brüder
Herodes und Phasel; Sie wollen nicht nur Glieder
Deß Jüd'schen Reiches seyn: Nein! sondern Printz und Fürst.
Hat auch Herodes gleich dem Parther / den gedürst
Nach unserm Gutt und Blut / die grimme Macht verschnitten!
Hat er sich nicht hierdurch Gemahl und Kron' erstritten /
Vor die er viel zu schlecht! Denn Mariamnens Glantz
Jst vor Crystall zu hoch! Der Röm'sche Lorber-Krantz
Hätt' jhr vergöttert Haupt mit grösserm Ruhm gezieret /
Als der vom kahlen Dorff nur sein Geschlechte führet!
Jedoch diß ist geschehn und abzulehnen nicht.
Zu dem ist offenbar / wie er sich Rom verpflicht /
Wie er durch Gaben sich bey Cæsarn eingeheuchelt /
Dem grossen Marck-Anton und dem August geschmeichelt;
Bey jhnen unsern Stamm verdächtig stets gemacht /
Auch jhnen zugefall'n verändert Sprach' und Tracht /
So daß jhm nicht allein Anton den Mord verziehen;
Ja selbst August läst jhn im höchsten Wolstand blühen /
Da er es doch zuvor mit seinem Tod's-Feind' hielt.
Seht / was Herodes nun zu Rom und Salem gilt!
Gesetzt auch / daß diß Glück' jhm wol zu gönnen wäre:[248]
Der Vogel lässet nicht die reiffe Zucker-Bähre /
Biß er durch jhren Schmack den Hunger sich gestillt;
Der Blut-begier'ge Wolff wird eher nicht erfüllt /
Biß er die gantze Schaar der Lämmer auffgefressen:
So wird auch er nicht ruh'n / biß er die Traur-Zypressen
Auff allen Gräbern siht der Aßmonæer stehn.
Hat nicht Aristobul schon müssen untergehn /
Und gleichsam uns den Weg zu Grufft und Bahre weisen?
Denn schleiffet Salome das grimme Hencker Eisen
Selbst auff den Eh-Gemahl / den doch die Unschuld krönt /
Wie werden künfftig wir nicht werden auch verhöhnt?
HYRCANUS.
Was hör' ich! Salome hat jhren Mann verschnitten?
ALEXANDRA.
So daß er stracks gemüst die reine Seel' außschütten.
HYRCANUS.
Hilff grosser Adonay! wo rührt solch Unheil her?
ALEXANDRA.
Verdacht und Falschheit hat geschärfft diß Mord-Gewehr.
HYRCANUS.
Was hat vor Argwohn denn die Furie erwecket?
ALEXANDRA.
Samb Mariamnens Brust mit Josephs sey beflecket.
HYRCANUS.
Auff was vor Grund hat sie die Lügen doch gebaut?
ALEXANDRA.
Weil sie Herodes jhm abwesend anvertraut.[249]
HYRCANUS.
Gewiß als er zu Rom den Tod-Schlag solt' außführen?
ALEXANDRA.
Ja: Joseph hätte sich zu öffters lassen spüren – –
HYRCANUS.
Wo?
ALEXANDRA.
Jn dem Schlaf gemach der Fürstin Tag und Nacht.
HYRCANUS.
Hierdurch ist dieses Werck im minsten klar gemacht.
ALEXANDRA.
Doch hat der König sich diß Gifft bezaubern lassen.1
HYRCANUS.
Hilff Gott! kan Fürsten Gunst so schnell und gantz erblassen?
ALEXANDRA.
So gehts! Auch Schwägerschafft gilt bey Tyrannen nicht.
HYRCANUS.
Glaubt / daß mir dieser Fall Gemüth' und Seel' anficht.
Jst aber Mariamn' auch etwan hier verletzet?
ALEXANDRA.
Nein: Weil die Liebe sich dem Fürst noch widersetzet.
Jedoch wie lange wird die laue Brunst bestehn!
Es darff ein schlechtes Feur nur einmal noch auffgehn /
So wird die Königin nebst uns im Rauch' aufffliegen;
Denn hier spielt Meister nun List / Argwohn / Ehr-Sucht / Lügen.[250]
HYRCANUS.
Was Rath! Soll nun Hyrcan in dieser Mörder-Höl' /
Jn dieser Leuen-Grub' auch die verlebte Seel'
Außblasen und verliehr'n mit Aengsten / Schimpff und Schande?
Nein! Last uns ziehen weg auß dem verfluchten Lande!
Jedoch besinne dich du hochbetrübter Geist /
Verdrucke / was dich kränckt / verschmertze / was dich beist!
ALEXANDRA.
Recht so / mein Vater / recht! Wer wil in Mesechs Hütten
Und Kedars Läger ruhn / wo nichts als Mord und Wütten?
Die Bundes-Lade kan beym Dagon gar nicht blühn.
Laßt in Arabien zum Malichus uns fliehn /
Da wird Hyrcanus sich in sichrer Freyheit schauen.
HYRCANUS.
Jst wol auff diesen Rath ein guter Grund zu bauen?
Wie wenn Herodes mir nachsetzte in der Flucht?
So würde Schutz und Ruh von mir umbsonst gesucht.
ALEXANDRA.
Jch wil diß leichte Werck schon wissen einzurichten /
Daß unsern Anschlag wird kein rauher Sturm vernichten.
Zu dem / wer weiß es noch / wie's das Verhängnüß schickt /
Daß der Tyranne wird einst unverseh'ns erdrückt /
So kan den Jüd'schen Thron Hyrcan noch einmal hoffen.
HYRCANUS.
Der seufftzt nach Sceptern nicht / der schon so hart getroffen!
ALEXANDRA.
Gewiß es ahnt mir fast / wo ferner sich Hyrcan
Jn Salems Burg verweilt / so ist's umb jhn gethan.
HYRCANUS.
Wol / wol! ich wil inndeß mich auff die Reise schicken.[251]
ALEXANDRA.
Der Himmel wolle jhn mit Krafft und Trost anblicken!
Hyrcanus. Alexandra. Pheroras. Antipater.
PHERORAS.
Jch wüntsch' unsterblich Glück' auch zu der Reise dir!
ANTIPATER.
Jch in Arabien die Königliche Zier!
HYRCANUS.
Untreuer Reise-Wuntsch! Ach unglückseel'ge Thaten!
Ach Alexandra ach! wir sind / wir sind verrathen!
Was ist doch hier zu thun! Weil dieses schlimme Paar
Den Anschlag angehört / so wird uns Grufft und Bahr
Ohnfehlbahr zubereit durch jhr verleumbdrisch Wütten;
So wird unschuldig mir das Lebens-Garn zerschnitten!
Was ist doch hier zu thun! Soll ich durch schnelle Flucht
Der Donner-Wolck' entgehn? Soll oder ich die Frucht
Deß rauhen Gleißners-Hof's wie Joseph sehn und schmecken?
Was ist doch hier zu thun!
ALEXANDRA.
Laßt schwinden Furcht und Schrecken!
Hat gleich Antipater und Pheroras gehört /
Was etwan wir gestimmt / so ist doch nicht versehrt
Hierdurch deß Königs Nutz / noch das gemeine Beste.
Wir sind in dieser Welt nur Pilgrams-Leut' und Gäste /
Die stündlich setzen fort den nimmermüden Fuß.
Gesetzt / man foder' uns ob dem gefaßten Schluß;
Kan man die Klage nicht anfänglich gantz verneinen?
Wil ja hernach das Glück' hierinnen uns nicht scheinen /
So geb' Hyrcanus vor / es hab' jhn Malich offt
Den Jüd'schen Glauben jhm zu zeigen / selbst gerufft;[252]
Ja es beruh' hierauff Jerusalems Gedeyen.
HYRCANUS.
GOTT wolle grössern Trost als Hoffnung uns verleihen!
Reyen
Deß Lebens / deß Todes / und der Freyheit.
Der Schau-Platz bildet ab eine lustige Gegend mit vielen Gezelten.
DAS LEBEN. DER TOD.
Bestürtzter Geist! Schau Tod und Leben an!
Schau / welches Bild dich recht vergnügen kan:
Hier ist entdeckt die Lust und folter-Kammer;
Hier wird gewehrt die Anmuth und der Jammer /
Hier zeiget sich so höll' als Paradieß:
Hier gehen auff Dorn-Rosen und Zypressen /
Hier wird die Zeit und Ewigkeit gemässen:
Erwehle / was du wilt / und was dir mehr gewieß.
DAS LEBEN.
Mein güldnes Licht hat GOTT selbst angezündet /
Als Adams Leib ein gangbar Uhr-Werck ward;
Mein Krystallin ist vor der Welt gegründet /
Mit mir hat sich die Ewikeit gepaart.
Drumb weil GOTT selbst und Engel mich erhöhen /
Muß ohne Glut deß Todes Fackel stehen.
DER TOD.
Der Seiden-Wurm spinnt jhm den Sterbe-Kittel:
So hastu selbst mein schwartzes Licht erweckt /
Als du verschertzt der Ewikeiten Tittel /
Und meine Glut dein Jrr-Licht meist ersteckt.
Schau! dein Krystall das unzerbrechlich wahre /
Springt nun entzwey vor meiner Uhr und Bahre.[253]
DAS LEBEN.
Dein Stunden-Glas zerbrach zwar meinen Spiegel /
Weil Schlang' und List den Apffel mir gereicht;
Es druckten mich zwar deiner Bahre Riegel;
Doch meine Kertz' ist gäntzlich nicht erbleicht /
Weil GOTT und Glück' und Zeit dem jrrdschen Leben2
Macht / Reichthum / Witz / Lust / Stärcke / Schönheit geben.
DER TOD.
Ach Schatten! ach! worauff dein Glantz sich gründet!
Diß Mumm-Werck ist nicht einer Bohne werth:
Wenn meine Glut Pallast und Leib entzündet /
Wird Gold in Glas / Scarlat in Stroh verkehrt.
Steht GOTT / und Gluck / und Zeit auff deiner Seiten /
Schau / wie die drey dich selbst durch mich bestreiten.3
DAS LEBEN.
Was sehen wir! Gifft / Schlangen / Dolch und Eisen?
Ein blanckes Beil und fest gedrehten Strick:
Jhr Schwestern / auff! Laßt unsre Schutz-Herrn weisen!
Wen lacht nicht an diß Perlne Golden-Stück /
Der theure Schatz / diß weise Buch / die Schilder /
Diß tapffre Schwerdt / die Alabaster Bilder?
DER TOD.
Eh' Sophonisb' in deinen Ketten schmachtet /
Muß sich in Gifft jhr Nectar stracks verkehrn;
Wie nach dem Molch Cleopatra getrachtet /
Der Freyheits-Stahl den Cato muß verzehr'n!
Wie Bajazeth im Keficht sich zerschmettert /
Jst offenbar. So wird mein Arm vergöttert!
Solch Traur-Spiel kommt auß deinen Eitelkeiten![254]
Solch Todten-Tantz wird in der Welt gehegt!
Jedoch wol dem / den Zeit und Tod bestreiten /
Der selber sich nicht grause Hand anlegt /
Wie Joseph und Hyrcan ein Beyspiel geben /
Die Franck und frey durch Beil und Stricke leben!
DAS LEBEN.
Was? Mir Gewalt? Auff Schwestern! greifft zu Waffen!
Blitzt auff den Feind und seinen Anhang loß!
Eh mir der Tod den Siegs-Krantz weg-soll-raffen /
So schmeisset drauff und gebet Stoß umb Stoß
DER TOD.
Drückt / Brüder / ab die Demant-festen Pfeile /
Werfft über sie Strick / Fessel / Kett' und Seile!
Der Schau-Platz eröffnet sich und stellet die in einem helleuchtenden Himmel stehende Freyheit vor.
DIE FREYHEIT.
Laßt ab vom Streit / den selbst die Göttin schlichtet /
Die über alle Pein deß Knecht'schen Lebens siegt /
Die / wenn jhr Sterbliche in Band und Ketten liegt /
Euch durch den Tod als freye Leut' auffrichtet!
Ein Ruhm-bahr tod ist das bewehrtste Mittel /
Deß Kerckers Nacht zu kehr'n in Lichte Freyheits-Lufft:
Seht / wie Hyrcan mich sucht und Joseph in der Grufft!
Wie sie vor Sammt erwehl'n den Sterbe Kittel!
Drumb nihm den Krantz und diese Sieges-Fahne4
Von meiner freyen Faust zum Zeichen deiner Macht!
»Denn wer den Tod bedenckt / deß Lebens-Schaum verlacht /
Wird fahren auff dem güld'nen Freyheits-Kahne.«
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