(CXCIII.)

Der Mohren listige Untreue.

[692] Ein Vater hatte einen Sohn / der nun seine vogtbare Jahre erlanget / und sich zu heuraten gewilliget war. Diesem führte er für vier Jungfrauen / er solte eine unter selben wehlen. Die erste (der Früling) hatte einen bunten Rock angekleidet / sie sahe sich frölich um ihr Haubt war mit einem Blumen-Krantz gezieret /auf der Hand truge sie ein Nachtigal / und ihre Gestalt sehr holdselig. Der Jüngling sahe sie an: gedachte aber es sind ihrer noch drey zu rucke / laß diese gehen / vielleicht gefallen dir die andren besser: begehrte also der ersten Jungfer nicht.

2. Die zweyte Jungfer (der Sommer) hatte einen gantz grünen Rock / auf ihrem Haubt einen Krantz von Kornähren / in den Händen Kirschen / Erdbeer /etc. Der Jüngling ließ auch diese gehen und hoffte was bessers. Die dritte (der Herbst) Jungfer truge Aepfel / Pyrn und Wein-Trauben in ihren Händen /hatte auf dem Haubt einen Krantz von Nebenblättern /sahe aber so frisch nicht üm sich / als die zwo ersten. Der Vater fragte seinen Sohn / ob ihm diese auch nicht gefiele / und sagte ihm darbey / er müste diese oder folgende nehmen / und daß solche nur einmal ausgeboten würden. Der Sohn vermeinte / das beste komme zu letzt / und ließ auch diese fahren.

3. Die vierte (der Winter) war ein altes Weib / grau angekleidet / gienge krum gebucket / hustete sehr /trug einen Feuertopf in der Hand und zitterte für Frost. Da sprach der Vater sihe / da hast du deine[692] Braut / und muste der Jungling die alte wider seinen Willen haben / und mit ihr hinter den Ofen Aepfel braten. Also ergehet es denen / welche sich mit dem Gegenwärtigen nicht vergnügen lassen / sondern auf grössere Ehr / Reichthum oder andre zeitliche Glückseligkeit warten / wie wir hiervon aus Maffei Indianischen Geschichten ferners erzehlen wollen.

4. Immanuel de Sousa (beygenamt Sepulveda) ein reicher Herr / und Königlicher Portugäsischer Statthalter in West Indien / hatte alles was sein Hertz verlangte / doch war er nicht vergnügt / sondern verhoffte in seinem Vaterland noch höher anzukommen / belude deßwegen ein Schiff mit grossem Schatz / sampt seinem gantzen Haußwesen / leibeignen Soldaten und Schiffern / daß ihrer in allen bey 600. Personen waren. In dem Jenner muß man abfahren von Coulan /weil sich die Winde ändern / und die See sonsten nicht segelbar machen. Sousa aber verweilte sich und hube den Anker auf zu Ende deß Hornungs hatte da auch anfangs guten Vor-Wind.

5. Als sie aber auf das hohe Meer kommen / schläget ihnen ein Hagel Wetter und Windswürbel entgegen / das Meer weiste Berg und Thäler in den Flutten / daß es zu keinen andern Ende hoch erhaben wurde /als so viel tieffer in den Abgrund zu stürtzen / und dem stoltzen fichten Hauß grimmig zu wieder stehen. Segel und Mast waren dahin / der Steurmann war zu schwach das Schiff zu regieren / und der Bottgesellen zu wenig / das eindringende Wasser auszuschöpfen. Sie wurffen die Güter in das Meer / konten aber mit solchen Gaben selbes nicht beruhigen / sondern sahen also etliche Tage dem Tod unter das Angesicht / und hatten nicht anders als ein endlichen Schiffbruch zu gewarten.

6. Sousa sahe eine Insel und stiege in das kleine Schifflein / mit seinem Weib / Kindern und etliche von den vornemsten Dienern / kame auch mit grosser Gefahr wieder auf das trockne / welches war[693] in einer Insel der Indianer / deren Sprache ihnen so wenig bekant als der wilden Thiere. Die übrigen so in dem Schiff bleiben můssen / haben sich theils auf Fässern /Brettern / Riegeln und Stangen gerettet / und also an das Land geschwommen / die andren sind alle ertruncken und das gantze Schiff in viel tausend Stücke gescheitert / daß ihnen auch die Hoffnung entsunken /die nechsten Inwohner der Portugäsischen Inseln üm Hülffläistung anzuflehen.

7. Nach deme sie nun etliche erfaulte Speisen und sonderlich Reiß noch ůberig / haben sie sich bey frischen Wasserquellen gelagert / sich mit etlichen Steinen verwahret / so Tags so Nachts Schildwacht gehalten / und endlich sich entschlossen ihren Weg gegen Mittag zu nehmen / da der Fluß / welcher von dem heiligen Geist den Namen hatte und von denen die zu Sefala und Mozambiqua wohnen beschiffet würde. Zu dieser Raise ermahnte Sousa seine unterhabende / und führte ihnen zu Gemüt / daß sie durch Gottes Gnade das Leben errettet / daß einer zu Land so wol als zu Wasser dem Tod unterworffen: daß sie alles was sie verlohren für nichts zu schätzen gegen dem Leben etc. daß sie sich freundlich und friedlich zusammen halten / und Gott üm Hülffe anruffen solten: ja / daß sie mit jhren Sünden die ewige Straffe verdienet / welche Gott in die zeitliche verwandle etc.

8. Nach dem sie nun alle geruffen / daß sie ihme folgen wolten / hat er seine leibeigne mit dem übrigen beladen lassen / ist vorangezogen / und sein Weib ist in einer elenden Senfften getragen worden. Nach ihme folgten die leibeignen / und dann Pantaleon Sala / mit wenig Rotten Soldaten. Sie zogen durch unwegsame Ort / über hohe Berge / durch tieffe Thäler / und diese Reise wärte ein Monat / in zwischen welchem sie sich / nach aufgezehrtem Vorraht vom Meer Muscheln und kleinen Fischlein / so das Meer auswirffet / ernehren müssen. Viel unter dieser Gesellschafft sind zu rucke geblieben / verschmachtet und den[694] wilden Thieren zu theil worden / weil kein süsses Wasser der Orten zu finden.

9. Das Weib dieses Herrn muste endlich auch zu Fusse gehen weil niemand so stark / daß man sie tragen können / ja sie muste noch ihr kleinstes Kind auf den Rucken nehmen / und eine männliche Standhafftigkeit erweisen. Nach vier Monaten sind sie endlich an besagten Fluß kommen / und von dem Mohren König / der zuvor mit den Portugäschen Kundschafft gepflogen / wol empfangen worden. Dieser gabe ihnen durch Geberden zuverstehen / daß sie nicht ferner räisen / sondern bey ihme bleiben solten / biß sie von ihren Landsleuten dienliche Nachricht erlangen möchten / und daß sie in grosser Gefahr / wegen seines rauberischen Nachbaren / wann sie ihren Weg fortsetzen würden.

10. Sousa wolte aber diesem nicht trauen / und erhielte von ihme etliche kleine Schifflein / damit kame er samt den seinen deren von 600. nur 25. überig / zu einem andern Mohren König / welcher ihn zu sich bitten liesse / und als er unterwegs / ihme wieder entgegen sendete und unter etlichen Feigenbaumen zu verbleiben anweisen lassen / vermeldend / daß seine Statt zu klein / und die Lebensmittel nicht zu bekommen: zu deme hetten sie viel eiserne Gewehre / für welchen sich die Mohren sehr entsetzten / wolte er aber selbe von sich geben und ihm kommen / solte er ihme ein lieber Gast seyn.

11. Sousa glaubet diesem treulosen Mohren / und giebet alles Gewehr von sich / damit er nur Speise von ihnen bekommen möchte / ob wol Eleonora sein Weib solches widerriete. Kurtz zu sagen. Nach dem sie wehrlos / fallen die Mohren über sie und nehmen ihnen alles was sie üm und an hatten / so gering es auch seyn möchte / jagten sie auch mit spitzigen Stecken aus ihrer Statt / daß sie angefangen alles zu leyden / was jemals Menschen leiden können.

12. Hier haben sich nun diese Portugäsen getrennet / und sind ihrer viel von den Mohren gefangen /[695] und nachmals an / ihre Lands Leute zu Sofola verkauffet worden / welche erzehlet / daß Eleonora ihr eine Gruben gegraben und sich gleichsam selbsten mit den Händen eingescharret / als ihre Kinder nach und nach verhungert / und daß nach ihrem Tod Sousa in den Wald gelauffen / und sonders zweiffel den Löwen und Thiegerthieren zur Speise worden sey.


Worzu zwingt doch der Geitz der meinsten Menschen Hauffen /

sie raisen ůber Meer ihr Unglück ein zukauffen

Ach wie viel besser lebt der pflügt sein eignes Feld

als der so grosses Gut holt aus der neuen Welt.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 692-696.
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