Vierte Szene.

[17] DER ALTE RASCHKE hat sich zum Besenbinden auf den Stuhl in der Mitte niedergelassen, hat den Strick, der von der Decke halb niederhängt, aufgeknotet und befestigt das freie Ende an einer Art Trittbrett vor dem Stuhl. Dann beginnt er mit Birkenruten seine gewohnte Hantierung. Dabei spricht er. Ja mein Gott ... gib uns zu essen, da brauchen wir nicht zu stehlen ... gib uns zu trinken, da brauchen wir kein Kellerfenster eindrücken ... gib uns Feuerholz, da brauchen wir nicht die grüne Kuh zu melken, die unser armseliges Häusel einschließt in ihren großmächtigen Schatten ... und die dem Grafen Schlösser baut ... ja ... nun also ... was kreischt du denn dort, Sohnesweib?

DIE JUNGE RASCHKE. Das ist nicht für euch ... das ist für uns ... wenn der Hermann heimkommt ...

DER ALTE RASCHKE mit gierigem Blick, indem er seine Arbeit unterbricht. Jaja ... ich erkenne das schon ... das ist das bissel Krähengerippe ... aber einmal muß die Wahrheit wahr sein ... ein Hase ist immer noch besser wie[17] kein Reh ... und eine verhungerte Winterkrähe immer noch besser wie der beißende Hunger im Blute ... Er hat sich mit gierigem Blick verstohlen erhoben. Ich will ein Stück ... ich kann meine Gier nicht zurückhalten ... ich schlag' dich mit dem umgekehrten Äxtel auf deine Hände ... Zottel von Weib ...

DIE JUNGE RASCHKE ringt mit ihm. Vater ... du läßt meine Pfanne ... du läßt mein Brotstück ... du läßt das letzte Stückel Brot, was ich für Hermann aufgehoben hab' ... Mutter ... Mutter ... der Vater würgt mich ...

DIE ALTE RASCHKE kommt mit der Wasserkanne hereingehumpelt, indes der alte Raschke dem jungen Weibe Pfanne und Brot entrissen, sich an den Tisch gesetzt hat und aus der Pfanne Fleisch und Fett auftunkt. Jesus ... Jesus ... der Mann ist richtig behext ... der Mann ist wie tolle ... laß die Pfanne, Vater ... laß das Brot ... der Polizeimann steht auf den Stufen ...

DIE JUNGE RASCHKE ist wieder auf den alten Besenbinder zugelaufen. Wenn du jetzt meine Pfanne nicht aus den Händen gibst ... du altes Krummbein, das du bist ... da schneid' ich dir mit deinem eigenen Schnitzmesser die Finger vom Pfannenrande ... hahahaha ... und brate sie mit ...


Quelle:
Carl Hauptmann: Die armseligen Besenbinder. Leipzig 1913, S. 17-18.
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