[34] Der alte Raschke liegt rechts am Waldsaume, ein schweres Bund Besen auf dem Rücken, das er noch halb stehend gegen die Erde stemmt. So ist er eingeschlafen. Die Gräfin und die Frau Pastorin schreiten achtlos an ihm vorüber, den Hügel aufwärts auf die Himmelspforte zu.
DER ALTE RASCHKE ist sofort erwacht, beginnt das Bund Besen wieder zurecht zu rücken und es sich auf seinen Rücken zu ziehen. Er redet für sich. Nämlich ... der eine Sohn, den ich zuerst mit meinem Weibe hatte ... der ist ein Dieb ... ein Halunke ... ein Klotz ... ein Einbrecher ... mit einem Fuße stecken wir immer noch wieder in der Sünde und Schande ... ja ...
DIE FRAU PASTORIN vor der Himmelspforte. Oh, Liebe ... Sie zuerst![34]
DIE GRÄFIN. Nur hier keine Umstände mehr, meine Liebe!
Beide ab in die Himmelspforte.
DER ALTE RASCHKE. Aber mit dem anderen Fuße stecken wir in der Erwartung ... im Glauben ... in der Hoffnung ... denn was der jüngste Sohn war, der Johann hieß ... und der uns die Rapunzel auf dem Halse gelassen ... hahahaha ... ich werde mich nicht erst groß aufhalten hier ... immer vorwärts ... jetzt bin ich nun einmal von der alten Kaluppe am Waldrande oben ... bin ich fortgewandert ... die noch im Schnee steckte ... nun will ich weiter in die Welt wandern ... und einmal sehen, ob ich nicht dem Jüngsten, dem Johannes, schon kann eine Strecke entgegenwandern ... hahahaha ... und 's ist mir auch lieb, daß niemand sonst weiter dabei ist ... Der Dorfpastor kommt im Talar vorbei.
DER ALTE RASCHKE. Guten Morgen, Herr Pastor ...
DER DORFPASTOR. Guten Morgen, guten Morgen ...
Er schreitet würdig den Hügel hinauf. Klopft an der Himmelspforte. Es wird sogleich aufgetan. Er eilt geschäftig hinein.
DER ALTE RASCHKE. Wenn ich manchmal zu dem Pastor komme ... mit meiner Schütte Besen auf dem Rücken ...[35] da brauchen sie keine ... da wollen sie mir bloß einen Brotkeil 'rausreichen, weil man Gesindel nicht unterstützen soll ... Er schreit aus. Rutenbesen ... beste Rutenbesen ... ich verkaufe unterwegs ruhig meine Rutenbesen ... Er schleift mühsam vorwärts.
Ein Automobil fährt an ihm vorbei, den Hügel hinauf. Der Diener gibt am Himmelstor Karten ab. Das Tor wird sofort aufgetan. Die vornehmen Leute steigen aus und verschwinden sogleich hinein.
DER ALTE RASCHKE wieder stehen bleibend. Wenn das kein Jahrmarkt ist ... hahahaha ... die Leute haben alle schöne Kleider an ... da müssen sich die Besenbinder tief verbeugen ... paßt einmal auf ... Es gehen auch andre vornehme Leute die Straße dem Hügel zu. Also ... Kopf 'runter ... noch tiefer ... da ... fliegt mir gleich ein Goldstück in die Hand ... gut und schön ... immer noch tiefer ... bums ... noch eins ... das ist gut für meinen Weg ... hahahaha ... wenn ich meinen jüngsten Sohn jetzt treffe ... ich glaube, ich schlage vor Freuden lang auf die Wiese hin ... und hüll' mich gleich für immer in die himmlische Ruh ...
RAPUNZEL ist plötzlich tanzend angekommen. Du kommst ja so gar nicht vorwärts, Großvater ... du hast ja viel zu schwer ... der Packen ist ja viel zu schwer ...[36]
DER ALTE RASCHKE ohne sich umzublicken. Nun freilich ... wird er schwer sein ... leichte ist eine Haselnuß ...
Ein Zug Kinder mit Fahnen marschiert vorüber, den Hügel hinauf. Das Himmelstor tut sich auf. Sie schreiten singend hinein.
RAPUNZEL hält plötzlich den alten Raschke am Arm fest. Großvater ... schmeiß' deinen Besenbund auf die Waldwiese ... und setz' dich ins Gras ... und erzähl' mir wieder die Geschichte ...
DER ALTE RASCHKE unwirsch, ohne sich aufzuhalten. Ja, mein Gott ... manche Leute haben eben eine Kuh ... und manche Leute haben bloß einen Floh ... Er dreht sich plötzlich um. Wer will von dem armseligen Besenbinder hier eine Geschichte hören? ... ach so ... du hast mir wohl schon geholfen, tragen? ... es war auf einmal so leichte ... Rapunzel ... ach du bist's ... Der Dorflehrer und seine Frau gehen vorüber auf die Himmelspforte zu. Halten Sie einmal ... hören Sie einmal ... Herr Lehrer ... wo geht's denn hier zu? DerDorflehrer und seine Frau schreiten eilig durch die Himmelspforte. Nämlich ... ich bin doch im tiefen Schnee von der alten Kaluppe oben am Waldsaume fortgelaufen, um mein Bund Besen zu verhandeln ... und ich komme immer höher ... und's wird immer leichter ... ach so ... Rapunzel ... nein, du bist's ...[37]
RAPUNZEL. Großvater ... setz' dich auf die Wiese ... und erzähl' mir wieder die Geschichte ...
DER ALTE RASCHKE während sich beide neben das Gebund Besen auf die Waldwiese setzen. Ach du meine Güte ... denn der Hermann ... was mein ältester Sohn ist ... der war doch immer ein Faulenzer ... wenn der unter einer Traufe lag ... und's Wasser tropfte ihm in einem fort in die Augen 'runter ... der war doch zu faul, sich auch nur auf die andere Seite zu drehen ... aber der Jüngste ... der Johann hieß ... das war ein wunderbarer Junge ... der hat sich doch nie nichts verdrießen lassen ... der hob doch jede Blume auf, die im Drecke lag ... und trug sie behutsam ins Gras zurück ... und jeden Regenwurm las er von der Straße weg ... und trug ihn behutsam in den Graben ... daß ihn die großen Viecher ja nicht zertreten sollten ... und der Junge konnte einen Apfel ... konnte der schon mit sechs Jahren auf der Nase balancieren ... und mit vier, fünf Äpfeln konnte der in der Luft 'rumhantieren, wie der Wind mit Blättern ... und hatte immer Flausen und Geschichten im Kopfe ... und hatte keine Lust zum Stehlen und Hungerleiden ... der traute sich gleich zu, den Diamantberg zu finden ... Vater, sagt' er über mich ... mein junges Weib ist tot ... ich bin der Jüngste ... ich zieh in die Welt 'naus[38] ... ich will das Glück suchen ... ihr wartet auf mich ... ich komme wieder ...
RAPUNZEL. Erzähl' mir weiter ... erzähl' mir auch, was er von mir sagte ...
DER ALTE RASCHKE. Ihr behaltet mein Mädel bei euch ... sagt' er ... sie steckt noch in den Windeln ... ihr haltet sie mir hübsch vom Ungeziefer reine, das überall immer in der Welt 'rumkriecht ... und Ihr wartet auf mich ... ich komme wieder ...
In diesem Augenblick tanzen der junge Raschke, Prinzessin Trull und der Gendarm völlig stumm heran, wie im Ringelreigen.
RAPUNZEL ist aufgesprungen, zwängt sich in den Ringelreigen ein und ruft, während sie vorbeikreisen und verschwinden, fortwährend im hellsten Ton. Hallelujah ... hallelujah ... mein Vater ist morgen wieder da ... Die Tanzenden bald ab.
DER ALTE RASCHKE ist wieder aufgestanden und meditiert für sich, als wenn er die Verwandlung gar nicht merkte. Ja ... das Hemde, das nicht am zweiten dritten Tage schmutzig wird und mit der Zeit verschleißt, soll noch gewebt werden ... aber mein Vertrauen ... und meine Erwartung ... und mein Glaube ... ist immer ganz reine geblieben ... wie die[39] Rapunzel selber ... und die Rapunzel ist so reine geblieben wie das Schweißtüchlein der Gottesmutter ... wie das weißeste Wolkenfleckel am Himmel dort oben ... denn Johann sagte ausdrücklich über mich ... ihr haltet mir das Mädel hübsch vom Ungeziefer reine ... und ihr wartet auf mich ... verlaß dich auf mich, Vater ... ich komme wieder ...
Ein Dorfkaplan mit ein paar Chorknaben kommt vorüber.
DER ALTE RASCHKE reißt sich seinen Besenkram wieder auf den Rücken. Halten Sie einmal ... erlauben Sie einmal ... Herr Kaplan ... der Mann will nicht hören ... der hat's zu eilig ... nun ... ich muß auch weiter ... Er schlürft mit seinen Besen vorwärts und schreit wieder. Rutenbesen ... beste Rutenbesen ... ich werde jetzt einmal dort oben an die Pforte pochen ...
Der Hausknecht aus der Schenke geht in Sonntagskleidern an ihm vorüber.
DER ALTE RASCHKE will ihm nach. Sie ... Hausknecht ... haben Sie nicht meinen jüngsten Sohn ... den Johann gesehen? ...
Wie der Hausknecht in das Himmelstor verschwindet, klingt die alte Totentanzmelodie mit
allerhand sonderbaren Stimmen und Instrumenten bereichert heraus. Der ganze Plan vor dem Himmelstor ist sonst leer. Nur die alte Raschke, jetzt mit frischem, rotfarbenen Gesicht, in blauem Rocke und hellerer Schürze, eine große Kiepe voll umgestürzter, ineinander geschobener Körbe auf dem[40] Rücken, in der linken Hand einen Stab mit einer Krücke, den sie am Fußende gefaßt hält, in der rechten eine Weinflasche schwingend, kommt von de Gegenseite toll lachend über die Frühlingswiese getanzt.
DER ALTE RASCHKE ganz erschrocken. Er will ihr nacheilen. Nein, Mutter ... nein, Mutter ... die Rotweinflasche fort ... die Rotweinflasche fort ... was sollen denn die Leute hier denken ... was sollen denn die Leute hier denken ... wenn wir Schenkkellerflaschen in der Luft 'rumschwingen? ...
In diesem Augenblick sammelt sich plötzlich aus allen Ecken und Enden armseliges Dorfgesindel, das zuerst ganz leise durcheinander kichert. Alles grau wie die Motten. Die alte Raschke umtanzt fortwährend in der Mitte den alten Besenbinder.
DER ALTE RASCHKE. Himmel und Hölle ... deine Kleider, Mutter ... man muß sich ja schämen ... wenn ein züchtiges Weib auch einen Tanz macht, braucht sie doch nicht gleich die Lumpen zu schwingen wie Fahnen im Winde ...
DAS ARMSELIGE DORFGESINDEL das immer lauter durcheinander kichert, hat den alten, atemlosen Raschke ganz umringt, wobei die alte Raschke verschwunden ist. Das Kichern geht allmählich in einen Choral über.
Besen ... aus Birken ...
hast du gebunden ...
deiner Arbeit Lohn
hast du gefunden ...[41]
Drinnen im Himmelreich
sind alle Besen gleich ...
Ruten aus Golde
schimmern gar holde ...
Der alte Raschke immer ängstlicher um sich blickend und eilig die Ruten abwerfend.
EINER AUS DEM GESINDEL ruft. Der Amtssekretär von Schreiberhau ... der Amtssekretär von Schreiberhau ...
Der Ruf pflanzt sich durch das ganze Gesindel fort, so daß alles wild durcheinander stiebt und sofort verschwindet. Unterdessen nun hinter dem Himmelstor lauter, wie Jubilieren die alte Geigenmelodie mit Stimmen und Instrumenten herausklingt.
Der Amtssekretär schreitet langsam den Hügel
hinauf.
DER ALTE RASCHKE humpelt ihm eilig nach. Herr Amtssekretär ... Herr Amtssekretär ... Hilfe, Herr Amtssekretär ... Der Amtssekretär bleibt plötzlich vor dem Tore mit verschränkten Armen stehen, ohne sich umzudrehen. Hilfe, Herr Amtssekretär ... Sie haben hier die Pflicht ... ich bin ein alter, gebrechlicher Mann ... ich trage eine schwere Lebenslast ...
DER AMTSSEKRETÄR hat sich wie eine Puppe umgedreht und beginnt sich fortwährend vor dem alten Raschke drollig zu verneigen. Bitte, bitte ... bitte, bitte ...[42]
DER ALTE RASCHKE aufgeregt. Wo bin ich denn hier? ... wo bin ich denn hier ... ich bin wohl vorm gräflichen Schlosse oder so? ...
DER AMTSSEKRETÄR mit der pagodischen Geste. Viel höher, Herr Besenbinder ...
DER ALTE RASCHKE. Nicht vorm gräflichen Schlosse? ...
DER AMTSSEKRETÄR gewichtig. Herr Besenbinder ...
DER ALTE RASCHKE. Wo ist denn der Torschließer? ... Er hat ein paarmal heftig an die Tür geschlagen. Ich werde das ganze, elende bissel Gerüste von Türe gleich auf der Stelle einschlagen, wenn er nicht kommt ... Er hat aufbrausend aus seinem Besenbund plötzlich die Axt herausgerissen, und fängt an, mit der Axt auf das Tor loszuschlagen. Die Leute sollen nicht denken, daß hier draußen Spitzbuben warten ...
Von verschiedenen Seiten eilen Rapunzel, der junge Raschke, die junge Raschke und die alte Raschke herzu.
DIE ALTE RASCHKE redet hastig in den Alten ein. Vater ... du läßt das ... du läßt das ... du tust dir Gewalt an ... du wirst dir wieder grade im[43] letzten Augenblick aus Wut den Suppentopf verschütten ... du zerschlägst die Pforte ... du zerschlägst die Pforte ...
DER AMTSSEKRETÄR brüllt ihn an. Herr Besenbinder ... Herr Besenbinder!
DER ALTE RASCHKE läßt nicht ab. Nun ... was soll der Herr Besenbinder? ... immer aufgemacht ... immer aufgemacht! Plötzlich springt das Tor auf, und es steht der Apostel Petrus als große Kirchenfigur in dem Tore. Ja ... wo wär' ich denn hier?
DER APOSTEL PETRUS ganz feierlich. Die dort arm waren, sollen hier reich werden ...
In diesem Augenblick beginnt wieder das Kichern des Dorfgesindels, das von allen Seiten neu herzuhuscht, um den Apostel Petrus sich schart und im Hintergrund verschwindet. Aber es kommen
fortwährend neue Scharen nachgedrängt, die den Raum hinter dem Tor ganz ausfüllen.
DER AMTSSEKRETÄR nimmt eine strenge Amtsmiene an und sagt mit Haltung. Bitte ... Herr Besenbinder ...
Er macht eine hinweisende Geste, einzutreten. Das kichernde Dorfgesindel beginnt von allen Seiten neu herzu zu strömen und ihn[44] mit sich zu drängen, indem das Kichern wieder in den Choral übergeht.
Besen ... aus Birken ...
hast du gebunden ...
deiner Arbeit Lohn
hast du gefunden ...
Drinnen im Himmelreich
sind alle Besen gleich ...
Ruten aus Golde
schimmern gar holde ...
Von innen aus dem Tore schreiten jetzt bis zum Amtssekretär, der Gendarm, der Kaplan, der Pastor und der Polizist. Diese Vier haben sich vor dem Tor rechts und links aufgestellt und strecken je ihre rechte Hand aus.
DER ALTE RASCHKE. Also ... nun 'rein in die Invaliditätsanstalt ... zeigt eure Karten vor ... ihr Leute ...
DIE VIER BEAMTEN nach allen Seiten visitierend. Bitte, bitte ... jawohl ... jawohl ... das stimmt durchaus ... Ihr habt genug geklebt ...
DER AMTSSEKRETÄR zum alten Raschke, während die junge Raschke mit ihrem Manne schon neugierig hinter anderen Dorfleuten in die Himmelspforte eintreten. Ihre Frau hat wenigstens den Heimatschein ... jawohl ... in diesem Falle genügt das ...
DER ALTE RASCHKE packt seine Karten wieder in seine Rocktasche, rührt sich[45] nicht vom Fleck, auch wie ihn andere Dorfleute mit fortdrängen wollen. Immer halt noch ... nur nicht gar so happig ... das ist niemals gut im Leben ... und der Himmel läuft uns am allerwenigsten fort ... erst ist jetzt hier die wichtigste Frage zu beantworten ... Herr Amtssekretär ...
DER AMTSSEKRETÄR während nun die vier Beamten nur noch allein um den alten Besenbinder stehen. Bitte, bitte, Herr Besenbinder ...
DER ALTE RASCHKE. Wie steht denn das aber mit meinem jüngsten Sohne ... mit dem Johann?
DER AMTSSEKRETÄR. Wieso, Herr Besenbinder? ...
DER ALTE RASCHKE. Wenn der Johann jetzt heimkommt?
DER AMTSSEKRETÄR. Der schon längst verschollen ist?
DER ALTE RASCHKE. Jawohl ... der schon längst verschollen ist ... der über mich sagte ... Vater, sagt' er über mich ... mein junges Weib ist tot ... Ihr behaltet mein Mädel bei euch ... die steckt noch in den Windeln ... ihr haltet sie mir hübsch vom Ungeziefer reine ... ich zieh' 'naus in die Fremde ...[46]
DER AMTSSEKRETÄR SCHARF. Was zum Teufel hatte er denn in der Fremde eigentlich zu suchen? ...
DER ALTE RASCHKE schon gereizt. Ach ... ganz egal ... Vater, sagt' er über mich ... ich trau' mir zu, den Diamantberg zu finden ... ich werde das Glück schon auftreiben ... Ihr wartet auf mich ... verlaß dich auf mich, Vater ... ich komme wieder ...
DER AMTSSEKRETÄR scharf. Nun? ... ist denn dieser Vagabund wenigstens endlich in die Heimat zurückgekehrt? ...
DER ALTE RASCHKE schreit heraus. Unsinn ... wenn er in die Heimat zurückgekehrt wär', das müßte ich doch zuerst wissen ... ich bin doch der Vater ...
DER AMTSSEKRETÄR. Ach ... Sie alter Narr ... lassen Sie doch diesen höchst zweifelhaften Kumpan, wo der Pfeffer wächst ...
DER ALTE RASCHKE. Fort hier ... fort hier ... Hilfe ... ich will erwachen ... ich will nicht in die Pforte gehen ... ich will erwachen ... ich will meinen Jungen erwarten ...[47] ich habe keine Freude Himmels und der Erden ...
Der Raum verdunkelt sich während seiner Worte almählich vollkommen. Die nur noch ganz feine Himmelsmusik, die nur das Totentanzmotiv selig umspann, geht ins unheimliche Heulen der Elemente über, und es taucht der verräucherte Wohnraum langsam aus dem Dunkel. Man sieht die vier Raschkeleute in verschiedenen Stellungen am Tisch, auf Bett und am Boden hingelümmelt schlafen.
PRINZESSIN TRULL sitzt wieder auf ihrer Kiste. Wie sie den alten Raschke im Schlafe stöhnen hört verbirgt sie das Bild eilig unter ihrem Tuch, erhebt sich und tänzelt wieder durch den Raum. Guten Morgen ... guten Morgen, Herr Minister ... guten Morgen, liebe Hofdamen ... ich bin die Prinzessin von Araukanien ... bitte reiben Sie sich die Augen wach ... es ist ein heller Wintertag draußen ... feine Silberflocken tanzen in der Eisluft ...
Der Vorhang fällt.
Ausgewählte Ausgaben von
Die armseligen Besenbinder
|
Buchempfehlung
Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«
48 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro