Fünfte Szene.

[109] DIE JUNGE RASCHKE kommt auch im Zorn mit dem jungen Raschke. Bloß um den Wahnsinn mit dem anderen Sohne und dem Mädel handelt sich's ... aber wenn's die Leute auf dem Amte nicht 'rauskriegen ... ich und du und die Großmutter werden's erst recht nicht 'rauskriegen, wo das nichtsnutzige Mensch die Goldsachen her hat ... aber so weit muß es ja kommen ... bis zum Amtsgefängnis muß es ja kommen ... der alte Mann hat doch nun einmal den Wahnsinn im Kopfe ... und macht schließlich die junge Krähe auch noch zum Affen ... Sie stößt mit dem Fuße an das Lager der Rapunzel. Hüt' dich nur, Biest ... daß ich dir nicht noch eins draufgebe ... das wird aber ordentlich ... Gnade Gott, daß sie einstweilen nichts gefunden haben ... und daß wir 'raus sind ...

DER JUNGE RASCHKE nur mit einem Anflug von stottern. Das Glauben und das Hoffen und Erwarten ... da hat der Vater ... das Glauben und das Hoffen und Erwarten ... laßt mich ... und redet kein Wort weiter ... ich ... will schlafen ...[109]

DIE JUNGE RASCHKE steht auch am Röhr und trinkt Kaffee. Gnade Gott ... daß sie einstweilen nichts gefunden haben ...

DER JUNGE RASCHKE mit der alten und der jungen Raschke um den Kaffeetopf. Was sollten sie denn auch ... gefunden haben ... wir finden ja auch nichts weiter ... die Scherben liegen im Mistloche ... die Schinken sind fort ... der Wein ist versoffen ... na ... schlafen ... will ich ...

DIE JUNGE RASCHKE zur Tür gehend. Zur Prinzessin Trull. Nun ... alte Hexe ... ich dächte, du fändest jetzt auch in dein Loch ... scher' dich in deine Bodenkammer ...


Prinzessin Trull hat sich scheu erhoben und ihr Bild wieder unters Tuch verborgen.


DER JUNGE RASCHKE. Hier ... bleibst du, Weib ... wir kriechen in Mutters Bette ...

DIE JUNGE RASCHKE. Meinetwegen auch ... die Mutter kann auf der Bodenkammer schlafen ... 's schläft sich in unserem Bette oben grade so gut, wie in dem alten morschen Kasten hier ... wenigstens daß hier ein bissel überschlagen ist ... habt Ihr's gehört, Mutter ...[110] draußen auf der Dorfstraße schreit immerfort ein Mann, der goldene Äpfel und Pfirsichen im Korbe hat ...


Der junge Raschke ist in das Bett gekrochen.


DIE ALTE RASCHKE während sie mit Prinzessin Trull abgeht. Ach, du liebe Zeit ... jetzt, wo ich dreiundsiebenzig Jahre bin ... jetzt glaub' ich an keine goldenen Äpfel und an keine Pfirsichen mehr ... komm, Prinzessin ... komm' ins Bette auf die Bodenkammer ... wo der Wintersturm durch die Dachbretter ein Schlaflied pfeift ... auf dem Amtsgefängnis hab' ich kein Auge zugetan ... wenn wir zwei alten Hutzeln ohne Zähne beieinander liegen, wärmen wir uns und verschlafen alles..


Beide ab.


DIE STIMME von draußen leise hörbar. Johannes Habundus ist da ...

DIE JUNGE RASCHKE die jetzt auch halbbekleidet ins Bett gestiegen ist, während der junge Raschke schon schnarcht und sich schon das Bett über die Nase gezogen hatte, fährt noch einmal auf. Ach ... brüll' zu ... meine Augen sind blöde ... und ich bin jetzt taub ... Sie droht mit der Faust noch einmal nach Rapunzel hin. Wart nur, Mädel ... wenn mir's nicht die Augen mit Gewalt zuzög', daß ich sie nicht mehr aufhalten kann ...[111] da besäh'st du heute noch was ... Während sie einschläft. Wo das Mädel bloß die schönen Goldsachen her hat? ... möcht ich bloß wissen ...


Quelle:
Carl Hauptmann: Die armseligen Besenbinder. Leipzig 1913, S. 109-112.
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