Personen.

[203] Der Domorganist


Die Mutter


Georginel, die Braut


In der Werkstatt des Domorganisten.
[204]


Wenn der Vorhang aufgeht, hört man wie ferne Sturmstimmen heulen und brausen. In Wolken ragend hebt sich eine goldene Riesenorgel, etwas zur Linken, von Sonne beleuchtet, aus dem Dunkel heraus.

Der Domorganist davor sitzend. Ein mächtiger Musikerkopf. Starr und vertieft in sich. Auf den Notenhalter gebeugt. Die Hände ganz ruhig auf den Tasten. In sich horchend.

Unterdessen die Orgel geisterhaft und fern immer reicher in die Sturmstimmen hineintönt. Kopfe im Dunkelraume vorbeijagen. Einzeln und in Scharen. Mensch, Tier, Chimären, Fratzen, Teufel.


EINE STIMME im Raum eindringlich rufend. Josua ...

ANDERE STIMME. Meister ...

ANDERE STIMME. Jubiliere ... jubiliere ...

EINE DUNKLE STIMME. Frage nach keiner Erdenstimme ...

ANDERE STIMMEN durcheinander. Jubiliere ... jubiliere ...

DIE DUNKLE STIMME. Die Abgründe sind weit aufgetan ...

DIE HELLEREN STIMMEN. Jubiliere ... jubiliere ...


Der Domorganist stöhnt auf.


EINE SCHAR JÜNGLINGSKÖPFE vorbeiziehend. Kühn sei ... kühn sei ...

ANDERE JÜNGLINGSKÖPFE. Wenn der Weltwind aus den Abgründen bläst ...

ANDERE JÜNGLINGSKÖPFE. Kühn sei ... kühn sei ...

HELLERE STIMMEN. Jubiliere ... jubiliere ...[205]

DER DOMORGANIST. Oooh ... wär ich berufen ...

EINE SCHAR KINDERKÖPFE vorüberjauchzend. Hell. Der Abgründe Harfe zu schlagen ...

ANDERE STIMMEN. Zu blasen des großen Morgens helle Posaunen ...

DUNKLE STIMMEN. Musiker du ... Magier du ...

DER DOMORGANIST plötzlich die Augen erhebend. Leidenschaftlich. Gib ... gib ... gib ...

EINE ANDERE SCHAR KINDERKÖPFE. Jauchzendes Blut in verdorrtes Gebein ...

ANDERE STIMMEN. Tönen ... schütte blühendes Tönen aus deinen Händen ...

ANDERE STIMMEN. Gib Gewißheit ...

ANDERE STIMMEN. Gib Gewißheit ...

ANDERE STIMMEN. Gib Lobgesänge ...

VERHALLENDE STIMMEN. Gib Lobgesänge ... gib Lobgesänge ...


Die Erscheinungen versinken dabei immer mehr ins

Dunkel. Noch der Domorganist sichtbar. Dann nur die goldene Riesenorgel. Deren Ton immer ferner und ferner einsinkt.


EINE KINDERSTIMME ruft aus den jagenden Dunkelwolken ganz hell und freudig. Und ob du gleich wanderst im finsteren Tal ...


Plötzlich Tiefdunkel.

Aus dem Tiefdunkel, ohne daß der Vorhang gefallen ist, taucht auf: Aszetische Musikerwerkstätte. Auf Wandregalen Geigen. Vergilbte Lorbeeren da und dort hängend. Eine gelehnte Harfe von Golde. Aus Chaos von Notenblättern liederlich auf der Diele und von Notenbüchern getürmt, ragen: mächtiger Flügel mit Schemel davor. Stehpult daneben. Zerschlitztes Sofa. Zerschlitzter Lehnstuhl. Alles zufällig und schief gestellt. An der linken Wand Orgel mit Bank und Tritt. Eingangstür rechts. Zimmertür in der Tiefe.

[206] Der Domorganist sitzt jetzt vor dem Flügel. Starr und vertieft in sich. Den Kopf auf den Notenhalter gebeugt. Ganze Haltung genau wie in der Vision. Totenstille. Nacht.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 203-207.
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