[245] GEORGINEL steht an der Orgelbank. Ein kleines, griechisches Lämpchen brennt vor ihr. Die Klavierlichter brennen. Die Bibel aufgeschlagen. Sie liest und spricht laut vor sich hin. »Fünf unter den Jungfrauen waren töricht ... fünf waren klug ... Sie lacht. die törichten nahmen ihre Lampen ... aber nahmen kein Öl mit ... die klugen nahmen Öl in ihren Gefäßen ... samt ihren Lampen ... da nun der Bräutigam warten ließ, wurden sie alle schläfrig ... und entschliefen« ... nein ... schläfrig mag ich nicht sein ... seine Schicksale darf man nicht verschlafen ... Sie lacht wieder. lüg doch nicht, Jungfrau ... einen Augenblick ist der Schlaf gekommen ... aber ein Traum hat mich gleich wieder aufgeschreckt ... Sie liest wieder. »und zur Mitternacht ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt ... da stunden die Jungfrauen alle auf und schmückten die Lampen ... und die törichten begehrten Öl von den klugen: gebt uns Öl, riefen sie ... und die klugen sprachen: nicht also ... auf daß nicht allen zugleich das Öl gebreche ... gehet zu den Krämern und kaufet euch Öl ... aber ehe sie hingingen, kam der Bräutigam ... und die bereit waren, gingen mit ihm zur Hochzeit ... und die Tür ward verschlossen« ... ja ja ... als die törichten Jungfrauen schließlich kamen ... und pochten ... und Auftun begehrten ... sprach der Seelenfreund: »ich kenne euch nicht« ... also bereit sein ... denn ihr wißt weder Tag noch Stunde ... und die Tür könnte schon verschlossen sein ... und der Erwartete könnte zu euch sagen: »ich kenne euch nicht« ... Sie blickt sich im Zimmer um. noch immer Totenruhe ... wie wird er kommen ... ich harre des Bräutigams ... wenn man so horcht, singen ganz leise die Saiten im Flügel ... die Flöten der Orgel ... die toten Dinge, die auch auf ihn warten ... daß er sie wecke ...
Sie geht an die Tiefentür. Öffnet sie ganz behutsam. Blickt eine Weile hinein. Es ist auch drinnen Licht.
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Die goldnen Straßen
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