Achte Szene

[742] TÖRRING tritt ein. Verzeiht!

ALBRECHT. Ich bleib Euch zu lange!

TÖRRING. Wenn Ihr überhaupt noch fort wollt –

ALBRECHT. Wenn ich überhaupt noch fort will? Ei, ich werde die Ritter und Herren, die Herzog Ludwig so mühsam zusammenbrachte, nun doch nicht zum Narren halten?

TÖRRING. Hört Ihr die Domglocke nicht?

ALBRECHT. Längst, aber, was kümmert sie mich?

TÖRRING. Mehr als Ihr denkt: Euer Vetter Adolf ist tot!

ALBRECHT. Tot?

TÖRRING. Eben trifft die Trauerbotschaft aus München ein!

ALBRECHT. Friede mit ihm! Er lebte sich selbst nur zur Last und keinem zur Freude!

AGNES. Gott im Himmel! Das ist nun in sechs Monaten der dritte!

TÖRRING. Ja, ja, edle Frau, Ihr verstehts![742]

AGNES. So bin ich wieder schuld? O freilich! freilich! Wer sonst wohl!

ALBRECHT. Gott weiß, daß ich mich nicht freue! Wie sollt ich auch? Für mich war er nie da! Aber weinen kann ich ebensowenig! Ich denk nur an eins! Nun kann mein Vater mit Ehren zurück!

TÖRRING. Ich darf absatteln lassen?

ALBRECHT. Was fällt Euch ein? Zwar, ich mögte nicht, daß jetzt aus dem Turnier noch etwas würde. Aber ich bin doch wohl der letzte, der ausbleiben darf! Fort muß ich, und das gleich, doch gewiß werd ich nun viel früher wieder hier sein, als ich dachte! Agnes, jetzt – Er sagt ihr etwas ins Ohr, dann hält er seine Hand auf ihre Wange. Au, ich brenne mich!

AGNES. Verzeih dirs Gott, daß dir das in den Sinn kommt!

ALBRECHT. Amen! Ich sags mit! Aber es wird sich zeigen! Ich hatte immer das Gefühl, mein letzter Wunsch könne nicht eher gekrönt werden. Ei, unser Sohn mußte doch auch einen Großvater haben! Und nun – Er umarmt sie. Siehst du, daß du mir nicht aufrichtig Zürnst? Du hältst mich fest! O, ich weiß es ja längst, daß du erst dann an Gottes Segen glauben wirst! Darin bist du abergläubisch. Aber ändre dich ja nicht, ich lieb auch das an dir! Er küßt sie. Mein Leben, auf Wiedersehen! Er läßt sie los und entfernt sich ein paar Schritte von ihr. Seht Ihr, Törring, daß man von seinem Leben scheiden kann, und darum doch nicht gleich zu sterben braucht? Also! Werdet kein Hagestolz! Aber freilich, man muß das Beste erst abküssen! Er umarmt und küßt sie noch einmal. So! Nun bin ich in Ingolstadt und du in Straubing! Siehst du mich noch? Ja? Ich dich nicht mehr! Ab.

TÖRRING folgt.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 742-743.
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