Sechste Szene

[755] PREISING tritt mit Pappenheim auf. Hier soll er sein!

ERNST ihnen entgegen. Ihr Preising? Nun?

PREISING. Tot!

ERNST. So sei Gott ihr gnädig! – Pappenheim, Ihr müßt gleich wieder aufsitzen und Euch mit Pienzenau vereinigen, um Haydeck zu stärken. Der hat den ersten Stoß zu erwarten, wenns was gibt!

PAPPENHEIM ab.

ERNST. Wie starb sie?

PREISING. Hat sie sich Euch um die elfte Stunde nicht angezeigt?

ERNST. Das versteh ich nicht!

PREISING. Da wars! Der Henker versagte den Dienst, Herr Emeran mußte einen seiner Hörigen entlassen, der stürzte sie von der Brücke herab. Erst schiens, als ob sie aus Angst vor der Befleckung durch seine Hände freiwillig hinunterspringen wollte, doch dann kam die Furcht des Todes über sie, ihr schwindelte, und er mußte sie packen. Das Volk hätte ihn gern gesteinigt, und doch wußte jeder, daß der jämmerliche Mensch es nur für seine Freiheit tat. Nicht um die Welt mögt ichs zum zweiten Mal sehen.[755]

ERNST. Genug, Preising! Es gibt Dinge, die man, wie im Schlaf tun muß. Dies gehört dazu. Das große Rad ging über sie weg – nun ist sie bei dem, ders dreht. Jetzt handelt sichs denn um ihn!

PREISING. O, er wirds schon wissen! Es war gerade einer aus Augsburg auf dem Schloß, als Pappenheim eindrang, ein braver Bursch, der sich wacker hielt. Der eilte fort, als sie in den Kerker geführt wurde, und gewiß nach Ingolstadt. Es war ein Bote ihres Vaters!

ERNST. Armer, alter Mann! Nun ich setzte mein eigen Fleisch und Blut ebenso gut ein, wie das deine! Wer weiß, ob unser Los nicht schon gleich ist!

PREISING. Und dann?

ERNST. Dann werde, was will! Ich habe das Meinige getan und sorge für die Gräber. Aber es kann auch anders kommen. Der Fürst schlief nur in ihm, er war nicht tot. Warum hätt er sonst nicht entsagt? Warum so auf dies Turnier gedrungen? Vielleicht erwacht er wieder, und dann – Es ist törigt, mit den gemeinen Leuten von Zauberei zu reden, wo ein Gesicht, das unser Herrgott zweimal angestrichen hat, alles erklärt, aber es ändert sich viel, wenn Himmel und Erde sich erst einmal wieder in solch ein Blendwerk von Mädchen geteilt haben, und nur noch ein Leichnam da liegt, der nicht mehr durch rote Lippen und frische Wangen an die Eitelkeiten der Welt, nur noch durch gebrochene Augen an die letzten Dinge mahnt!

PREISING. Da brennts! Oder nicht? Ja! ja!


Man sieht in der Ferne ein Dorf in Flammen stehen.


ERNST. Das ist er! So hat die Wut den Schmerz besiegt! Nun wird alles gut! Rufend. Nur zu, mein Sohn, nur zu! Je ärger, je besser!

PREISING. Aber das wolltet Ihr ja eben verhüten!

ERNST. Ei, jetzt ists ein Tag! Was in dem zerstört wird, bau ich schon wieder auf! Und verlaßt Euch darauf, der Kaiser hat seinen Adler schon fliegen lassen, und der wird ihm die Krallen zeigen, eh ers denkt! Und dann – Er erhebt seinen Herzogsstab. Preising, Ihr werdet heut noch überrascht! Da Preising sprechen will. Kommt, kommt, zu Pferde! Er ruft. Otto von Bern!


Ab mit Preising.[756]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 755-757.
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