Vierte Szene

[128] Die Recken treten wieder ein.


GUNTHER.

Ihr seid ein Schalk, Herr Siegfried.

SIEGFRIED.

Nehmt Ihrs krumm?

GISELHER.

Vergebt mir nur, daß ichs sogar gewagt,[128]

Mich Euch zu stellen. Doch ich will zur Strafe

Mit meiner alten Mutter Ute ringen,

Und wenn ich sie besiege, sollt Ihr mich

Vor allem Volk bei schallenden Trompeten

Mit Eichenlaub bekränzen, wenn Ihr wollt!

SIEGFRIED.

Nichts mehr davon! Der Wurf war nicht so schlecht,

Euch fehlen nur zehn Jahre.

HAGEN.

War das Letzte

Denn endlich Euer Bestes?

SIEGFRIED.

Kann man das

Im Spiele zeigen?

GUNTHER.

Noch einmal willkommen!

Und glücklich pries ich mich, wenns mir gelänge,

Dich anders, als für flüchtigen Besuch

An mich zu fesseln. Doch, was hätte ich,

Das ich dir bieten könnte. Wär es auch

Mein rechter Arm – mit dem ich mir den Dienst

Von deinem linken gern erkaufen mögte –

Du sagtest nein und kämst wohl auch zu kurz!

SIEGFRIED.

Nimm dich in acht, ich bettle, eh dus denkst!

GUNTHER.

Was es auch sei, es ist voraus gewährt.

SIEGFRIED.

Hab Dank für dieses Wort! Ich werde dir

Es nie vergessen, doch ich gebe dirs

Sogleich zurück, denn meine Wünsche sind

Vermeßner, als du ahnst. Ich war bescheiden,

Als ich dein Reich bloß forderte.

GUNTHER.

Du wirst

Mich nicht erschrecken.

SIEGFRIED.

Hörtest du vielleicht

Von meinen Schätzen? Nun, das ist gewiß,

Für Gold und Silber brauchst du nicht zu zittern,

Ich hab so viel davon, daß ich es lieber

Verschenkte, als zu Hause schleppte, doch

Was hilfts mir? Was ich dafür kaufen mögte,

Ist nimmer feil!

GUNTHER.

Das ist?

SIEGFRIED.

Du rätst es nicht? –

Ein anderes Gesicht, als dieses hier![129]

GUNTHER.

Hast du die Kraft des alten schon erprobt?

SIEGFRIED.

An meiner Mutter, ja! Und da mit Glück,

Denn ihr gefällts!

GUNTHER.

Nicht sonst noch?

SIEGFRIED.

Allerdings!

Hast dus denn nicht bemerkt? Ein Mägdlein sah

Vorhin auf uns herunter in den Hof,

Und als sie, ihre goldnen Locken schüttelnd,

Die, wie ein Vorhang, ihr die Augen deckten,

Mich unter euch erblickte, fuhr sie rascher

Zurück, wie ich, als sich im Reich der Zwerge

Die Erde, die mein Fuß betrat, auf einmal

Zu einem Angesicht zusammenzog,

Das mir die Zähne zeigte!

GUNTHER.

Bloße Scheu!

Versuchs nur immer weiter. Wenns dir aber

Am Werber fehlt: ich leiste dir den Dienst,

Nur mußt du mir den gleichen auch erweisen,

Denn Kriemhild, meine Schwester, darf nicht ziehn,

Bevor hier Brunhild ihren Einzug hielt.

SIEGFRIED.

Welch einen Namen nennst du da, o König?

Die nordsche Jungfrau denkst du heimzuführen,

Der flüßges Eisen in den Adern kocht?

O, gib es auf!

GUNTHER.

Warum? Ist sies nicht wert?

SIEGFRIED.

Nicht wert! Ihr Ruhm durchfliegt die Welt! Doch keiner

Kann sie im Kampf bestehen, bis auf einen,

Und dieser eine wählt sie nimmermehr.

GUNTHER.

So sollte ich aus Furcht vor ihr nicht werben?

Welch eine Schmach! Viel lieber gleich den Tod

Von ihrer Hand, als tausend Jahre Leben

In dieser Ohnmacht schimpflichem Gefühl.

SIEGFRIED.

Du weißt nicht, was du sprichst. Ists Schmach für dich,

Daß dich das Feuer brennt, und daß das Wasser

Dich in die Tiefe zieht? Nun, sie ist ganz,

Wie's Element, und einen Mann nur gibts,

Der sie bewältgen und, wie's ihm gefällt,[130]

Behalten oder auch verschenken kann!

Doch mögtest du sie wohl von einem nehmen,

Der nicht ihr Vater, noch ihr Bruder ist?

GUNTHER.

Erst werd ich sehen, was ich selbst vermag!

SIEGFRIED.

Es glückt dir nicht, es kann dir gar nicht glücken,

Sie wirft dich in den Staub! Und glaube nicht,

Daß Milde wohnt in ihrer eh'rnen Brust,

Und daß sie etwa, wenn sie dich erblickt,

Es gar zu einem Kampf nicht kommen läßt!

Das kennt sie nicht, sie streitet um ihr Magdtum,

Als wär ihr Leben selbst daran geknüpft,

Und wie der Blitz, der keine Augen hat,

Oder der See, der keinen Schrei vernimmt,

Vertilgt sie ohne Mitleid jeden Recken,

Der ihr den Jungfraun-Gürtel lösen will.

Drum gib sie auf und denk nicht mehr an sie,

Wenn du sie nicht aus eines andern Händen,

Wenn du sie nicht von mir empfangen magst!

GUNTHER.

Und warum sollt ich nicht?

SIEGFRIED.

Das frag dich selbst!

Ich bin bereit mit dir hinab zu ziehn,

Wenn du die Schwester mir als Lohn versprichst,

Denn einzig ihrethalben kam ich her,

Und hättest du dein Reich an mich verloren,

Du hättst es dir zurückgekauft mir ihr.

HAGEN.

Wie denkst dus denn zu machen?

SIEGFRIED.

Schwere Proben

Sind zu bestehn! Sie wirft den Stein, wie ich,

Und springt ihm nach, so weit er fliegt, sie schleudert

Die Lanze und durchbohrt auf hundert Schritte

Ein siebenfaches Erz, und so noch mehr.

Allein, was tuts, wir teilen uns ins Werk,

Mein sei die Arbeit, die Gebärde sein!

HAGEN.

Er soll den Anlauf nehmen, du willst werfen

Und springen?

SIEGFRIED.

Ja! so mein ichs! Und dabei

Ihn selbst noch tragen!

HAGEN.

Torheit! Wie ists möglich,[131]

Sie so zu täuschen?

SIEGFRIED.

Durch die Nebelkappe,

Die mich schon einmal ihrem Blick entzog!

HAGEN.

Du warst schon dort?

SIEGFRIED.

Ich wars! Doch warb ich nicht,

Auch sah ich nur, ich wurde nicht gesehn! –

Ihr staunt und schaut mich voll Verwundrung an?

Ich merk es wohl, ich muß den Kuckuck machen,

Eh ihr mir trauen könnt, doch denke ich,

Wir sparens für die Fahrt, denn die ist lang,

Auch kann ich, wenn ich von mir selbst erzähle,

Dabei ins Wasser sehn!

GUNTHER.

Nein, sprich uns gleich

Von Isenland und deinen Abenteuern!

Wir hörens gern und waren schon dabei,

Es selbst zu tun.

SIEGFRIED.

Auch das! Mich trieb die Lust

Am Kampf so weit hinunter, und ich traf

Dort gleich den ersten Tag bei einer Höhle

Zwei junge Recken, die sich grimmig stritten.

Es waren Brüder, König Niblungs Söhne,

Die ihren Vater kaum begraben hatten –

Erschlagen auch, wie ich nachher vernahm –

Und schon ums Erbe zankten. Ganze Haufen

Von Edelsteinen lagen aufgetürmt

Um sie herum, dazwischen alte Kronen,

Seltsam gewundne Hörner und vor allem

Der Balmung, aus der Höhle aber blitzte

Das rote Gold hervor. Als ich erschien,

Verlangten sie mit wildem Ungestüm,

Daß ich den Schatz als Fremder teilen sollte,

Und gern gewährt ichs, um den Mord zu hindern,

Mit dem sie sich bedrohten, doch umsonst.

Denn, als ich fertig war, fand jeder sich

Verkürzt, und tobte, und ich warf die Hälften

Auf ihr Begehren wieder durcheinander

Und teilte abermals. Da wurden sie

Noch zorniger und drangen, während ich[132]

Gebückt auf meinen Knieen lag und still

Auf einen Ausgleich sann, in toller Wut

Mit rasch gezognen Degen auf mich ein.

Ich, um der Rasenden mich zu erwehren,

Griff zu dem Balmung neben mir, weil ich

Die eigne Klinge nicht mehr ziehen konnte,

Und eh ichs dachte, hatten alle beide,

Wie Eber, welche blind aufs Eisen laufen,

Sich selbst gespießt, obgleich ich liegen blieb

Und ihrer schonte, und so ward ich Erbe

Des ganzen Hortes.

HAGEN.

Blutig und doch redlich!

SIEGFRIED.

Nun wollt ich in die Höhle gehn! Wie staunt ich,

Als ich den Eingang nicht mehr fand. Ein Wall,

So schiens, war plötzlich aus dem Schoß der Erde

Hervorgestiegen, und ich stach hinein,

Um mir den Weg zu bahnen. Doch, da kam

Statt Wassers Blut, es zuckte, und ich glaubte,

Ein Wurm sei in dem Wall versteckt. Ich irrte,

Der ganze Wall war nur ein einzger Wurm,

Der, tausend Jahre in der Felskluft schlafend,

Mit Gras und Moos bewachsen war, und eher

Dem zackgen Rücken einer Hügelkette,

Als einem Tiere glich, das Odem hat.

HAGEN.

Das war der Drache!

SIEGFRIED.

Ja, ich schlug ihn tot,

Indem ich ihn bestieg, eh er sich bäumte,

Und ihm von hinten her, den Nacken reitend,

Das blaue Haupt zerschmetterte. Es war

Vielleicht das schwerste Stück, das ich vollbrachte,

Und ohne Balmung wärs mir nicht geglückt.

Dann hieb ich mich durch seinen Riesenleib,

Durch all das Fleisch und die gewaltgen Knochen,

Wie durch ein felsigtes Gebirg, allmählig

Bis an die Höhle durch. Doch hatte ich

Sie kaum betreten, als ich mich umklammert

Von starken Armen fühlte, die mein Auge

Nicht sah, und die mir dennoch fast die Rippen[133]

Zusammendrückten, ganz, als ob die Luft

Es selber täte! Es war Alberich,

Der wilde Zwerg, und niemals war ich wohl

Dem Tod so nah, als in dem grausen Kampf

Mit diesem Ungetüm. Doch endlich wurde

Er sichtbar, und nun wars um ihn geschehn.

Denn, ohne es zu wissen, hatt ich ihm,

Derweil ich mit ihm rang, die Nebelkappe

Vom Kopf gerissen, und mit seiner Hülle

Verlor er auch die Kraft und stürzte hin.

Nun wollt ich ihn zertreten, wie ein Tier,

Da löste er, schon unter meinen Fersen

Mit seinem Hals, sich rasch durch ein Geheimnis,

Das ich nicht ahnte, er entdeckte mir

Den Zauber, der im Blut des Drachen steckte,

Solange es noch rauchte, und ich ließ

Ihn eilig frei und nahm mein rotes Bad.

GUNTHER.

So hast du dir an einem einzgen Tage

Den Balmung und den Hort, die Nebelkappe

Und deine Haut von Horn erkämpft?

SIEGFRIED.

So ists!

Ja, auch die Vögelsprache! Als ein Tropfe

Des Zauberbluts mir auf die Lippen sprang,

Verstand ich gleich das Zwitschern über mir,

Und hätt ich nicht zu rasch ihn abgewischt,

So würd ich auch, was hüpft und springt, verstehn.

Denkt euch: auf einmal flüstert es im Baum,

Denn eine alte Linde deckte alles,

Dann kicherts, lacht und höhnt, so daß ich Menschen

Zu hören glaube, die, im Laub versteckt,

Mein Tun verspotten. Wie ich um mich schaue,

Erblick ich nichts, als Vögel, Krähen, Dohlen

Und Eulen, die sich streiten. Brunhild wird

Genannt, auch ich. Ein Knäuel dunkler Reden

Hinüber und herüber. Eins nur klar,

Daß noch ein Abenteuer meiner harrt.

Die Lust erwacht. Die Dohle fliegt voran,

Die Eule folgt. Bald sperrt ein Flammen-See[134]

Den Weg, und eine Burg, wie glühendes

Metall in bläulich-grünem Schimmer leuchtend,

Taucht drüben auf. Ich halte an. Da ruft

Die Dohle: Zieh den Balmung aus der Scheide

Und schwing ihn drei Mal um das Haupt! Ich tus,

Und schneller, wie ein Licht, erlischt der See.

Nun wirds lebendig in der Burg, Gestalten

Erscheinen auf der Zinne, Schleier flattern,

Und eine stolze Jungfrau späht herab.

Da kreischt die Eule auf: Das ist die Braut!

Nun mit der Nebelkappe fort! Ich hatte

Sie bloß zur Probe aufgesetzt und wußte

Nicht einmal, daß ich sie noch trug. Doch jetzt

Hielt ich sie mit den Händen fest, weil ich

Die kecken Vögel darnach haschen sah.

Denn Brunhild rührte, wie sie droben stand,

In aller ihrer Schönheit nicht mein Herz,

Und wer da fühlt, daß er nicht werben kann,

Der grüßt auch nicht.

VOLKER.

Das ist ein edles Wort.

SIEGFRIED.

So schied ich ungesehn und kenne doch

Die Burg und ihr Geheimnis, wie den Weg.

GUNTHER.

So führ mich, Held!

VOLKER.

Nein, König, bleib daheim,

Es endet schlecht.

SIEGFRIED.

Du meinst, ich kann nicht halten,

Was ich versprach?

VOLKER.

O doch! Ich meine nur,

Daß falsche Künste sich für uns nicht ziemen!

GUNTHER.

Mit andern gehts ja nicht.

VOLKER.

So stehst du ab.

GERENOT.

Das rat ich auch.

HAGEN.

Ei nun! Warum?

GUNTHER.

Mir scheints

So wenig schimpflich, als ins Schiff zu steigen,

Wenn man das fremde Ufer nicht durch Schwimmen

Erreichen kann, und statt der Faust den Degen

Zu brauchen.[135]

SIEGFRIED.

Nimm es so, und schlage ein!

GUNTHER.

Wohlan! Für Brunhild gebe ich dir Kriemhild,

Und unsre Hochzeit feiern wir zugleich!

HAGEN legt den Finger auf den Mund, sieht Siegfried an und schlägt ans Schwert.

SIEGFRIED.

Bin ich ein Weib? In Ewigkeit kein Wort!

Ich stelle mich, wenn ihr zum Kampfe eilt,

Als hätt ich was an unsrem Schiff zu richten

Und geh zum Strand hinunter, daß sies sieht,

Doch in der Nebel-Kappe kehr ich wieder

Und kneif dich in den Arm und steh dir bei!


Alle ab.[136]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 128-137.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Nibelungen
Die Nibelungen
Dramen (Judith - Maria Magdalena - Gyges und sein Ring - Die Nibelungen)
Agnes Bernauer - Die Nibelungen - Deutsche Klassiker Bibliothek der literarischen Meisterwerke

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Geistliche Oden und Lieder

Geistliche Oden und Lieder

Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon