[254] Giselher tritt auf.
RÜDEGER.
Zu Tisch! Dort lösen wir dies Rätsel auf,
Wenn wir die Nüsse und die Mandeln knacken.
GISELHER.
Mein edler Markgraf, erst erlaubt ein Wort.
RÜDEGER.
Soviel der Küchenmeister noch gestattet,
Nicht mehr noch weniger.
GISELHER.
Ich bitte Euch
Um Eurer Tochter Hand.
GERENOT.
Ei, Giselher!
GISELHER.
Ists dir nicht recht? Sprich auch! Und laß uns schwören:
Wie uns das Los auch fällt, wir grollen nicht!
Du lachst? Du sprachst wohl schon und hast dein Ja?
Nun wohl, ich halt auch dann, was ich gelobt,
Doch nehm ich nie ein Weib!
GERENOT.
Was fällt dir ein!
RÜDEGER winkt Frau und Tochter.
Tritt her, Gudrun!
HAGEN schlägt Giselher auf die Schulter.
Du bist ein braver Schmied! –
Das wird ein Ring! – Ich leg mein Fürwort ein!
GUNTHER.
Das tu auch ich. Es wird mich hoch erfreun,
Wenn ich auf diese reine Jungfraun-Stirn
Die Krone setzen darf.
GISELHER zu Gudrun.
Und du?
GÖTELINDE da Gudrun schweigt.
O weh!
So wißt Ihrs nicht schon längst durch das Gerücht?[254]
Mein Kind ist taub und stumm.
RÜDEGER.
Ich geb Euch gern
Euer Wort zurück.
GISELHER.
Ich habs noch nicht verlangt,
Sie wäre ohne das zu gut für mich.
HAGEN.
Recht, hämmre tüchtig zu! Denn solch ein Ring
Paßt ganz in unsre Kette.
Zu Volker.
Wenn sies wagt,
So soll sie zehn Mal blutger sein, wie ich!
GISELHER.
Gudrun – Ach ich vergesse! Lehrt mich rasch
Die Zeichen, die ihr braucht, mit ihr zu reden,
Und dies Mal fragt für mich.
GUDRUN.
Ei, glaubs doch nicht,
Ich schämte mich ja nur.
VOLKER.
Du liebes Kind!
Auf deinen Lippen muß ein Zauber wohnen,
Wer sich beim ersten Kuß was wünscht, der hats.
GISELHER.
So sprich!
GUDRUN.
Mein Vater sprach ja auch noch nicht.
HAGEN zu Rüdeger.
Da hast du Vollmacht! Siegle! Denn dein Koch
Wird ungeduldig.
RÜDEGER gegen Gunther.
Braucht es meiner noch?
Muß ich die Rolle jenes Narren spielen,
Dem eine Krone auf den Scheitel fiel,
Und der gen Himmel rief: Ich nehm sie an?
Es sei, und also sag ich ja!
Zu Hagen.
Nun weißt du,
Wie tief ich gegen euch verschworen bin.
HAGEN.
So gebt euch denn die Hände! Brav! Der Ring
Ist fertig! Keinen Schlag mehr, Schmied! Die Hochzeit
Erst bei der Wiederkehr!
GISELHER.
Warum?
GÖTELINDE.
Ei wohl!
RÜDEGER.
Ich harrte sieben Jahr.[255]
HAGEN.
Doch darfst du nicht
Zurück gewiesen werden, wenn dir auch
Ein paar von deinen Gliedern fehlen sollten –
Zu Gudrun.
Ich steh dafür, er kommt nicht ohne Kopf!
RÜDEGER.
Das gehn wir ein. Es gilt ja nur ein Fest.
DIETRICH tritt plötzlich hinzu.
Wer weiß! Frau Kriemhild weint noch Tag und Nacht.
HAGEN.
Und Etzel duldets? Pah! Da schellt der Koch.
DIETRICH.
Ich bin gekommen, um euch das zu sagen,
Es ist geschehn, nun achtets, wie ihr wollt.
Geht mit Rüdeger zum Bankett.
Ausgewählte Ausgaben von
Die Nibelungen
|
Buchempfehlung
Die beiden Schwestern Julchen und Lottchen werden umworben, die eine von dem reichen Damis, die andere liebt den armen Siegmund. Eine vorgetäuschte Erbschaft stellt die Beziehungen auf die Probe und zeigt, dass Edelmut und Wahrheit nicht mit Adel und Religion zu tun haben.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro