[81] SIEGFRIED tritt vom offenen Fenster zurück.
Frisch ists und kühl. Ein Schütteln, wie vor Frost,
In allen Bäumen. Und der Sonne Licht
So welk, so matt! Ein Morgen ists, wo man
Zu Pferd muß. Ist denn alles jetzt bereit?
HILDEBRANT.
Nichts fehlt, als Ihr. Mit ungeduldgem Huf
Scharrt Euer Roß den Boden. Laufen wirds,
Wenn Ihr es auch nicht spornen mögt. Es friert.
Im Sattel sitzt schon Reisiger, wie Knecht,
Nur, daß der Arm der Liebe hie und da
Noch einen wieder sucht herabzuziehn.
Allein im Bügel hält der Bursch sich fest
Und lacht, um nicht zu weinen, beißt auch wohl
Die Zähn zusammen, oder schilt und flucht.
SIEGFRIED.
Ein Beispiel für mich selbst. Dazu gehört
Der Mannskraft mehr, wie zu dem wildsten Kampf.
Ich komm mir hier, wie festgewachsen, vor.
HILDEBRANT.
Des schämt Euch nimmermehr, vieledler Graf!
Wenn ich mein Weib verließ, so war mirs stets,
Als würd ich mitten durchgehaun. Zwar pfiff
Ich nach dem Abschied oft ein lustig Lied,
Doch so, wie jener, der die Geige strich,
Da man ihn führte in den bittren Tod.
SIEGFRIED.
Ihr, Golo, steht abseits?
GOLO.
Ich sinne nach,
Worin ich schlechter, als die andern bin,
Und kanns nicht finden, Herr.
SIEGFRIED.
Das glaub ich Euch!
GOLO.
Ich reit, wie einer –[81]
SIEGFRIED.
Ja, und stürzt dein Pferd,
So stehst du eher auf noch, als das Tier,
Und lachst. Wir andern brechen Hals und Bein.
GOLO.
Ich fecht –
SIEGFRIED.
Wie keiner. Edelherzig lehrst
Du jedem Gegner, wie ers machen soll.
Nur, leider, frommt die Lektion ihm nicht,
Weil er sie mit dem Tod bezahlen muß.
GOLO.
Ich ziele –
SIEGFRIED.
Ja, und triffst, was niemand gern
Getroffen sieht: im Aug das Weiße, und
Zugleich das Hirn mit, das dahinter liegt.
GOLO.
Ihr zwingt mich, Herr, mich selbst zu loben. Kann
Ich alles das – warum denn bleib ich hier?
Meint Ihr vielleicht, ich sei ein schlechtrer Christ,
Wie andre, weil ich besser sing, als sie?
Ich sage Euch, ich mag auf gar kein Wild
Anlegen mehr, seit ich von Mohren weiß.
Schien nicht der Eber, den ich gestern schoß,
Ein trotzger, ausgemachter Heide mir:
Er blieb verschont, so feist und dick er war.
Denn billig spart man gegen Christi Feind
Die Pfeile, die man zu verschießen hat.
Ich bitt Euch, laßt mich nicht zurück. Denn seht:
Durch Fasten und durch Beten werd ich nie
Die Himmelstür mir öffnen. Dazu fehlts
An Gaben mir. Ich schickte aber gern
Für jede Sünde, welche ich beging,
Zur Hölle einen Mohren. Nehmt mich mit.
Verzug gibts meinetwegen nicht. Ich bin
Bereit, wie Ihr, hab zeitig vorgesorgt.
Könnt Ihr mich denn nicht brauchen? Scheint mein Arm
Euch überflüssig, daß Ihr ihn verschmäht,
Ich laß es mir gefallen, wenn Ihr nur
Bedenkt, wie meine Kehl Euch taugen kann.
Ei! Wenn Ihr abends liegt in Eurem Zelt:
So finster ists, als würd es nie mehr Tag,
Müd sind die Glieder, doch es wacht das Herz[82]
Und tritt nach Haus die lange Reise an –
Dann will ich meinen Harnisch von mir tun,
Den rasselnden, und will mich jüngferlich
Euch nahn und Euch mit Genovevas Ton
Zulispeln: lieber Siegfried! Greift Ihr dann
Nach meiner Hand, so lach ich, doch nicht laut,
Und sing von ihren Augen Euch ein Lied,
Und sing so lange, bis Ihr sprecht: Du Schelm,
Meinst du, das Feuer brennt nicht hell genug?
Nicht wahr, ich bleibe nicht zurück? Ihr habt
Mich oft gescholten wegen Übermuts:
Wohlan, Herr, nehmt mich mit ins Feld, daß ich
Bescheidenheit erlerne, wenn ich Euch
Zu Dutzenden die Mohren mähen seh,
Und selbst als Stümper Euch zur Seite steh.
SIEGFRIED für sich.
Der ist ein Mann geworden über Nacht
Und blieb ein Kind dabei. Wie lieb ich das!
Zu jung zum Bruder, und zu alt zum Sohn,
Gilt er als Sohn und Bruder mir zugleich,
Drum halt ich ihn, wie keinen andern, hoch.
Doch, eben darum laß ich ihn zurück.
Zu Golo.
Golo, dem Besten nur vertraut der Mann
Sein Bestes an, und der seid Ihr. Ihr bleibt
Und nehmt mein Weib in Obacht und in Schutz.
Zu den Dienern.
Sobald das Burgtor hinter mir sich schloß,
Seht Ihr in ihm den unumschränkten Herrn,
Und dient ihm so, wie Ihr mir selbst gedient!
Zu Golo.
Wenn mir zuliebe Ihr auf Taten jetzt
Verzichtet, ists nicht Eure schlechtste Tat,
Und seid gewiß, es kommt auch Euer Tag!
GOLO.
Ich dank Euch dies Vertrauen, edler Graf,
Nur wüßt ich gern, wie ich – jetzt beten soll.
»Gib mir, o Gott, Gelegenheit, daß ichs
Verdiene?« Nein, das geht nicht, denn das heißt:
Stürz die Gebieterin in Not und Tod,[83]
Damit ihr Knecht sie draus befreien kann.
»Nimm sie in deine Hut?« Zum Teufel, nein,
Das geht noch weniger. Das heißt: nimm mir
Die Mühe ab, und laß mich schlafen gehn,
Ich tat ja schon genug, ich aß und trank,
Bis ich fünf Fuß maß, und mein Schatten zwölf!
SIEGFRIED.
Ich lächle deinen Reden, junger Tor,
Obgleich das Herz mir in der Brust fast springt.
Doch jetzt verlaßt mich! Einen Augenblick!
Gleich bin ich bei Euch!
Alle entfernen sich; er ruft ihnen nach.
Zögre ich zu sehr,
So ruft mich mit Trompetenklängen ab.
Ich glaub ein Mann zu sein, was es auch gilt,
Nur, wenns zum Scheiden geht, bin ich es nicht,
Da geiz ich nach dem tiefsten Schmerz, wie nie
Nach Lust, da bohr ich mich in Leid und Qual
Hinein, wie Bienen in den Blütenkelch,
Und dann erst, wenn ich, zwischen meinem Weh
Und dem des andern stehend, wählen kann,
In welchem Abgrund ich versinken will,
Besinne ich mich wieder auf mich selbst,
Und reiße mich, als wärs vom Leben, los.
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